Am 27. Juli eröffnet die französische Stadt Caen ihr neues Straßenbahnnetz. Damit ist sie eine von Dutzenden französische Städten, die sich eine Tram zulegen. Doch Caen ist in einem Detail besonders: Hier entschied sich die Stadt 2002 für eine vermeintliche Alternative zur Straßenbahn – und scheiterte.
Wer in Wiesbaden ein Spurbussystem statt einer normalen Straßenbahn einführen möchte, sollte einen Blick nach Caen wagen. Es lohnt sich, denn Caen, in der Normandie gelegen und mit seiner mittelalterlichen Burg und mehreren Kirchen eine für Touristen sehr attraktive Stadt, wird nun am 27. Juli 2019 eine Straßenbahn in Betrieb nehmen. Vorausgegangen ist eine eher wechselvolle Geschichte. Zuvor war das mit vielen Vorschusslorbeeren gestartete Projekt eines straßenbahnähnlichen Oberleitungsbussystems namens TVR gescheitert.
Eigentlich hatte die Stadt Caen 2002 ein besonders preiswertes, aber trotzdem leistungsfähiges elektrisches System für den öffentlichen Nahverkehr eingeführt, das ohne Schienen auskommen sollte. Die spurgeführten Doppelgelenkwagen des TVR waren 24,5 Meter lang, 2,5 Meter breit und konnten bis zu 154 Passagiere befördern. In der Anschaffung waren sie günstiger als eine Straßenbahn. Im täglichen Betrieb aber erwiesen sie sich aufgrund von Pannen, Störungen und Entgleisungen als so unzuverlässig und im Unterhalt so teuer, dass man bereits 2011 entschied, die 2002 eröffneten Strecken stillzulegen. Der TVR wird künftig durch eine konventionelle Straßenbahn ersetzt. Sicher auch ein wichtiger Fingerzeig für Befürworter schienenloser Alternativen zur CityBahn in Wiesbaden.
In bemerkenswerten 18 Monaten Bauzeit wird in Caen in diesem Sommer eine Straßenbahnstrecke mit 16,2 km Länge eröffnet. Mit insgesamt 260 Millionen € liegen die Kosten nur knapp über der kalkulierten Viertelmilliarde – auch in dieser Hinsicht ein eindrucksvolles Vorbild. Dieser Preis übersteigt zwar die Investition für die nun ausgemusterten TVR, aber nach den Berechnungen werden sich diese Mehrkosten rasch durch die Einsparungen im täglichen Betrieb amortisieren. Zusätzlich sorgt die Straßenbahn für mehr Grün in der Stadt, da etwa die Hälfte der ehemaligen TVR-Betonbahnen jetzt durch Rasengleise ersetzt worden sind. Drum prüfe wer sich länger bindet – auch in Wiesbaden.
Immer wieder werden wir an unseren Infoständen gefragt, wieso wir keine Unterschriften pro CityBahn sammeln. Vor allem mit Blick auf die 14.200 Unterschriften, die 2001 bereits pro Straßenbahn gesammelt wurden und der Unterschriftensammlung zweier Anti-Straßenbahn-Bürgerinitiativen eine durchaus verständliche Frage.
Natürlich wurde diese Frage auch intensiv intern diskutiert und es wäre gelogen, zu sagen, dass es keine Argumente für eine Pro-Unterschriftensammlung gäbe. Dennoch haben wir uns auf unserem Strategietreffen im Januar 2019 dagegen entschieden. Die drei Gründe wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten:
Die Planungen der CityBahn sind aktuell nicht abstimmungsreif
Eine Unterschriftensammlung wäre reine Symbolpolitik
Es schadet der Entwicklung des Mobilitätsleitbildes
Die Planungen der CityBahn sind aktuell nicht abstimmungsreif
Die Rahmenbedingungen der CityBahn stehen fest: Es soll eine Erweiterung des Mainzer Netzes werden, die Route wurde fixiert und schon erste Entwürfe hinsichtlich Taktgestaltung und Haltestellenlagen erstellt. Die Planung ist aber bei weitem noch nicht abgeschlossen. Die Informationsveranstaltungen zur Ringkirche am 12. Februar und zum Thema Biebrich am 14. März zeigten eindeutig, dass sich entscheidende Details verändern können. Weitere Informationsveranstaltungen für die anderen Abschnitte folgen.
So ist durch Berücksichtigung der Bürgerwünsche im Bereich der Ringkirche eine weitere Haltestelle hinzugekommen, in Biebrich wurde ein neues Parkraumkonzept vorgestellt; gleichzeitig wird hier die Lage der Haltestellen noch mit all seinen Pro- und Contraargumenten diskutiert. In anderen Abschnitten (wie beispielsweise Hochschule bis Stadtgrenze) fehlen die Detailplanungen noch komplett. Insgesamt gibt es aktuell zu wenige, konkrete Informationen über zum Beispiel die Verkehrsführung mit der CityBahn, über die konkret Auswirkungen auf Bäume und Parkplätze, über den Ablauf der Baustellen, über das künftige Busnetz und über etwaige Kompensationsmaßnahmen für den Einzelhandel.
Diese Details werden Stück für Stück erarbeitet – das braucht aber Zeit. Besonders, weil Abstimmungen mit allen Interessensträgern auch immer wieder zu Detailänderungen führen, die dann neu bewertet und abgestimmt werden müssen. All diese Details sind aber notwendig, damit sich die Bürger informiert und faktenbasiert eine Meinung bilden können. Daher haben wir mehrfach den Zeitpunkt beider Anti-Straßenbahn-Begehren kritisiert. Es wäre scheinheilig, gleichzeitig selbst ein Begehren zu starten.
Eine Unterschriftensammlung wäre reine Symbolpolitik
Unterschriftensammlungen mit dem Ziel, ein Bürgerbegehren auszulösen, haben zwei mögliche Anlässe: Entweder sollen die Bürger etwas durchsetzen, was die Stadtverordnetenversammlung nicht will. Oder aber die Bürger wollen etwas verhindern, was die Stadtverordnetenversammlung will.
Beides ist aus unserer Sicht – zumindest aktuell – nicht der Fall. Unterschriftensammlungen für die CityBahn – deren Planungen laufen und die von der Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung unterstützt wird – hätten also bestenfalls einen symbolischen Effekt. Für reine Symbolpolitik wollen wir allerdings keine persönlichen Daten von tausenden Wiesbadenern sammeln. Da verwenden wir unsere Energie lieber darauf, weiter zu informieren, zu diskutieren und die Planungen rund um die CityBahn Wiesbaden kritisch zu begleiten.
Es schadet der Entwicklung des Mobilitätsleitbildes
Im November letzten Jahres beschloss die Stadtverordnetenversammlung einstimmig, für Wiesbaden ein Mobilitätsleitbild zu erarbeiten – eine Zielvorstellung also, wie der Verkehr in der Stadt zukünftig gestaltet werden soll. Dazu gehört ausdrücklich auch eine intensive Alternativenprüfung zu CityBahn. Was aktuell parallel zu der Detailplanung der CityBahn läuft, ist als also eine detaillierte Ausarbeitung und Bewertung anderen Konzepten wie einem ausgebauten Bussystem (BRT), Seilbahnen, autonomen Fahrzeugen, Elektromobilität. Diese Alternativenprüfung wurde auch vielfach von Kritikern gefordert.
Zu der Untersuchung von Alternativen gehört auch, dass am Ende das Konzept ‘CityBahn’ möglicherweise die beste Lösung ist. Wer also eine unvoreingenommene und umfassende Prüfung von Alternativen fordert (und das ehrlich meint), darf nicht gleichzeitig eine der Optionen schon vorher ausschließen.
Am Ende steht dann ein Entscheidung für das geeignetste Konzept – und zwar auf konstruktiver Basis. Denn die Entscheidung fällt zwischen definierten, bewerteten Alternativen und ist im Gegensatz zu den jetzt laufenden Anti-Bürgerbegehren keine pauschale Ablehnung einer Variante ohne Vorschlag einer brauchbaren Alternative.
Der Aus- und Neubau von Straßenbahnen führt nicht automatisch zu einer Erfolgsgeschichte. Er muss Sinn haben, wohlüberlegt sein und sich in eine Reihe passender Randbedingungen einbetten. Deshalb werden Ausbauprojekte ausführlich geplant, untersucht und sind meist Teil eines Gesamtpaketes an Veränderungen. Nicht umsonst ist die Liste der Erfolgsstories deutlich länger als die der Fehlschläge. Ein weniger erfolgreiches Beispiel ist die (auf einigen Abschnitten) schwächelnde Saarbahn. Hier müssen unangenehme Fragen nach dem Warum beantwortet werden. Aber ist die Saarbahn deshalb unguter Vorbote für die CityBahn? Nein, denn die Unterschiede sind signifikant.
Hinweis: Der Begriff Saarbahn ist der Name für die Bahnlinie Lebach-Saarbrücken-Saargemünd und gleichzeitig der Name der Betreibergesellschaft Saarbahn GmbH. Die Saarbahn GmbH, das Saarbrücker Pendant zur ESWE, betreibt darüber hinaus aber auch das Busnetz der Region. Das kann so leicht zu Verwirrungen führen; bei Nachrichten wie „Fahrgastrückgang bei der Saarbahn“ empfiehlt sich daher ein zweiter Blick, ob die Bahnlinie speziell oder das Unternehmen allgemein gemeint ist.
Am 13. März 2019 veröffentlichten die Blogger Roland Lattwein und Carsten Petersen auf ihrer Website eine Langzeitanalyse zur Saarbahn. Die Saarbahn ist ein Schienenverkehrsmittel, welches das Saarbrücker Umland mit der Landeshauptstadt verbindet. Das Fazit der Analyse: Nicht sonderlich positiv. Die Bahn sei ein finanzielles Desaster für die Stadt und das Land ohne Nutzen für die Bevölkerung.
Doch lassen sich bei genauerer Betrachtung Fehler in der Analyse der Autoren erkennen. Eine der Behauptungen: Die Saarbahn transportierte zwischen 20 und 25 Millionen Fahrgäste. Die Autoren des Blogs können jene Aussage allerdings nicht belegen, sondern verweisen auf Äußerungen der damaligen Geschäftsleitung. Jene Aussage von 20 bis 25 Millionen potenziellen Fahrgästen bezieht sich darüber hnaus auf eine Planung zurück, als noch zwei Linien anstrebt wurden – es kam aber nur eine Linie. Eine Verwendung jener Zahl ist daher nicht sonderlich seriös und nachvollziehbar.
Dennoch ist die Kritik der Journalisten in Teilen angebracht. Denn die Saarbahn hat tatsächlich mit Schwierigkeiten zu kämpfen: Die Streckenplanung und der Betrieb sind in Teilen nicht optimal. Besonders der nördliche Erweiterungsstrang nach Lebach-Jabach führt mit über 22 Haltestellen durch teilweise dünn besiedeltes Gebiet und wird in einem schwachen Takt bedient. Auf dem jüngsten Erweiterungsabschnitt wurden täglich ca. 5.200 Fahrgäste gezählt. Die Fahrgast-„Ausbeute“ bewegt sich auf einem relativ niedrigen Niveau, was im Zusammenhang mit den Kosten des Ausbaus durchaus diskutabel ist.
Primäres Problem der Saarbahn ist ihr Umfeld. Denn dort schrumpft die Bevölkerung – damit leider auch die Fahrgastzahl. Das zeigt sich beispielhaft an der Gemeinde Kleinblittersdorf. Hier sank die Einwohnerzahl von 12.850 (12/2006) auf 10.904 (09/2018). Das ist Bevölkerungsverlust von knapp 15%. In einem ähnlichen Zeitraum wurde zugleich ein Fahrgastrückgang von -9,7% bis -21,4% an den verschiedenen Saarbahn-Haltestellen in Kleinblittersdorf festgestellt 1Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Markus Tressel et al. (Bündnis90/Die Grünen).http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/063/1906305.pdf.
Muss dann noch das Angebot aufgrund von personellen Problemen oder betrieblichen Gründen ausgedünnt werden, ist der Rückgang der Fahrgastzahlen nicht verwunderlich.
Hauptunterschiede Saarbahn – CityBahn
Lässt sich diese Entwicklung somit auf Wiesbadens CityBahn übertragen? Um es kurz zu machen: Keineswegs. Denn in wesentlichen Punkten unterscheiden sich bei beiden Straßenbahnprojekte.
Die Gemeinden, durch die die Saarbahn führt, schrumpfen fast ausnahmslos. So haben die fünf (neben Saarbrücken) angeschlossenen Gemeinden Lebach, Heusweiler, Riegelsberg, Kleinblittersdorf und Saargemünd seit Eröffnung der Saarbahn jeden zehnten Einwohner verloren – über 9.000 Menschen. Die Ortsteile entlang der CityBahn wachsen hingegen stetig; besonders in Mainz-Kastel, Biebrich und Taunusstein wird die Einwohnerzahl durch Neubauprojekte und Nachverdichtung weiter steigen.
Die demografische Entwicklung ist ebenfalls eine andere. Im Saarland fehlt es insbesondere an jungen Menschen, was sich beispielsweise in sinkenden Schülerzahlen ausdrückt. Wiesbaden, Mainz und Umgebung haben aber steigende Einwohnerzahlen und der Trend zeigt im Gegensatz zum Saarland ein weiteres Wachstum. Der Bau neuer Schulen zur Bewältigung der Schülerzahlen ist in Diskussion.
Die Saarbahn führt auf der Strecke nach Lebach durch dünn besiedeltes Gebiet mit wenig Fahrgastpotential. So sind beispielsweise im Ortsteil Heusweiler-Eiweiler drei Haltestellen angelegt – für nichtmal 2.500 Einwohner. Die CityBahn hingegen führt durch die am dichtest besiedelten Stadtteile Wiesbadens. Im Umland sind in den Städten Taunusstein und Bad Schwalbach zentrale Haltestellen geplant. Das bestehende Bussystem ist in der Stadt dem Ansturm nicht mehr gewachsen und im Umland ungenügend.
Die Saarbahn schließt nördlich von Saarbrücken Gemeinden und Stadtteile mit zusammen knapp 20.000 Anwohnern an und braucht dafür an 21 Stationen auf 19 Kilometern. Wiesbaden-Biebrich hat doppel soviele Einwohner.
Anders als bei der Saarbahn soll keine Infrastruktur der Deutschen Bahn genutzt werden. Im Gegensatz zur Saarbahn fallen also für die CityBahn keine Trassen- und Stationsgebühren an. Das Geld kann für andere Zwecke genutzt werden. Die Sauberkeit und der Betrieb der Haltestellen liegt in der Verantwortung der Stadt.
Die CityBahn führt nicht nur durch Wohngebiete und die Innenstadt, sondern auch zu anderen wichtigen „Points of Interests“ wie in Mainz-Amöneburg das Kalle-Gelände oder die Hochschulstandorte in Wiesbaden und Mainz. Das schafft im Vergleich zur Saarbahn ein größeres Fahrgastpotenzial – so ist die Universität von Saarbrücken mit seinen 17.000 Studenten beispielsweise nicht an die Saarbahn angeschlossen.
Für den Bau der CityBahn werden keine aufwendige Bauten wie Tunnel oder Viadukte benötigt, wie sie beispielsweise der Norderweiterung der Saarbahn zu den höheren Kosten führten.
Das in Saarbrücken und Umgebung oft diskutierte Preiswaben-Problem der Saarbahn ist bei der CityBahn weitaus geringer. Denn Wiesbaden und Mainz sind bereits ein gemeinsames Tarifgebiet. Hierbei möchten wir den RMV aber auf die Möglichkeit hinweisen analog zur Preisreform in Frankfurt ähnliche Maßnahmen für Mainz, Wiesbaden und Umgebung zu ergreifen, um Preissprünge zwischen einzelnen Orten zu mildern.
Personalprobleme und mangelnde Zuverlässigkeit
Roland Lattwein, Autor der oben angeführten Studie, veröffentlichte nur wenige Monate zuvor eine weitere Analyse mit dem Titel: Sozialer Kahlschlag bringt Saarbahn ins Schleudern. Hintergrund ist hier ein beispielloser Sozialabbau und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Saarbahn-Mitarbeiter in den 2010er Jahren. Getrieben von einer Privatisierungs-Idee sanken die Löhne und stiegen die Arbeitszeiten. Die Folge: Exorbitanter Krankenstand bei den Mitarbeitern, Saarbahn-Lokführer wechseln zur besser zahlenden DB. In Folge leiden 16 von 42 Buslinien leiden unter massiven Einschränkungen, jeder zehnte Buskilometer fällt aus. Die Saarbahn verkehrte ab Oktober 2018 nur nach einem Notfahrplan. Hinzu kamen versteckte Preiserhöhungen und Verschlechterungen im Service – mit Konsequenzen: 2016 beförderte die Saarbahn GmbH 1,4 Millionen Fahrgäste weniger als drei Jahre zuvor.
Den 320 Bus- und Bahnfahrern der Saarbahn schlagen Privatisierungskeule und Lohnkürzungen auf Leistungswillen, Motivation und Gesundheit. Zeitweise fallen 20 Prozent aus. Heilloses Durcheinander herrscht bei den Einsatz- und Fahrplänen.
2017 gründete die Saarbahn GmbH die neue Tochter Saarbus GmbH. Ziel: Ein Busbetrieb auf privatwirtschaftlicher Basis – mit der Folge weiterer Lohnabsenkungen für das Fahrpersonal. Dass derartige Experimente für einen Großstadt-ÖPNV nicht taugen, hat Wiesbaden mit seiner WiBus GmbH leidlich erfahren müssen. Wiesbaden hat daraus gelernt – hoffentlich lernt Saarbrücken ebenfalls. Ansonsten drohen weitere Verschlechterungen in Zuverlässigkeit, Service und damit schließlich weiter sinkende Fahrgastzahlen.
Fazit
Es zeigt sich: Ein Vergleich zwischen den beiden Verkehrsprojekten ist nicht zielführend. Die in Saarbrücken getroffenen Maßnahmen können und müssen kritisch betrachtet werden. Jedoch können die Erkenntnisse aus dem Saarland nicht auf das CityBahn-Projekt übertragen werden, da allein die baulichen und demografischen Voraussetzungen sehr unterschiedlich sind. Wiesbaden und Mainz liegen in einer wirtschaftlichen Wachstumsregion, welche den Ansprüchen der Zukunft gerecht werden muss. Dafür braucht es die leistungsfähige CityBahn, die Mainz und Wiesbaden verbindet und so für die Zukunft stärkt. Eine ähnliche effiziente und attraktive Alternative ist nicht in Sicht.
Update 2020: Die dargestellten Informationen basieren auf den Planungsunterlagen aus dem April 2019. Wir arbeiten an einer zeitnahen Aktualisierung 🙂
Wenige Themen stoßen im Rahmen der CityBahn-Diskussion auf derart emotionale Reaktionen wie die geplante Streckenführung über die Biebricher Allee und die Folgen für deren Baumbestand. Da wundert es auch nicht, dass hier besonders Ängste geschürt werden und Falschinformationen im Umlauf sind.
Zeit also, einen Blick auf die aktuelle Planung zur Biebricher Allee zu werfen. Die öffentlich einsehbaren Planungsunterlagen stammen aus dem April 2018 – ein neuerer Stand für diesen Abschnitt wird voraussichtlich im Laufe der nächsten Wochen im Rahmen der öffentlichen Informationsveranstaltungen präsentiert. Wir werfen einen Blick auf die verfügbaren Unterlagen für die Biebricher Allee – wohl wissend, dass in naher Zukunft im Rahmen der Fachinformationsveranstaltung aktuellere Pläne veröffentlicht werden. Für einen ersten Blick und die Erklärung, wie die Haltestellengestaltung und der Baumbestand zusammenhängt.
Die Planungsunterlagen der CityBahn sind mit dem Stand 04. April 2018 online abrufbar. (Die Unterlagen selbst findet ihr hier: Link) Auf 23 einzelnen Lageplänen lässt sich hier der gesamte Verlauf der geplanten CityBahn von Mainz bis zur Hochschule nachvollziehen. Auch die Konzepte über die Anordnung des Straßenraumes und der Haltestellen sind enthalten – inklusive der Maße. Doch Vorsicht: Die Unterlagen sind nun mehrere Monate alt, seitdem hat sich einiges verändert. So wurden Ende Februar neue Unterlagen für den Abschnitt Hauptbahnhof – Hochschule präsentiert – gegenüber dem April-Planungsstand hat sich einiges getan. So wurde zum Beispiel eine zusätzliche Haltestelle eingeplant.
Die CityBahn soll auf der Biebricher Allee – wie an den meisten anderen Strecken auch – auf einem besonderen Bahnkörper fahren. Was das genau bedeutet und welche Vorteile und Chancen sich daraus auch für die Anwohner der Biebricher Allee ergeben, haben wir in einem separaten Artikel dargestellt.
Die Unterlagen sehen (Stnd 04/2018) auf der Biebricher Allee drei Haltestellen vor: Eine im Bereich der Fischerstraße, eine an der Ecke Biebricher Allee/2. Ring und eine dritte auf Höhe der Rudolf-Voigt-Straße. (Das heißt übrigens nicht, dass die heutigen Bushaltestellen entfallen – doch dazu ebenfalls in einem separaten Artikel mehr).
Was zum Zeitpunkt der Erstellung der Pläne noch nicht feststand, ist die konkrete Ausgestaltung der Haltestellen. Die Kernfrage ist hier: Wo genau liegen die Bahnsteige? Die zwei prinzipiellen Möglichkeiten Mittellage und Randlage haben beide Vor- und Nachteile sowie direkte Auswirkungen auf Verkehrsführung und Baumbestand. In den Unterlagen selbst sind beide Varianten zu finden – wir schauen uns beide im Detail an.
Bahnsteige in Mittellage
Die Haltestelle „Theodor Heuss Ring“ ist in den Unterlagen exemplarisch in Mittellage dargestellt. Das heißt: Die Bahnsteige sind direkt an den CityBahn-Gleisen – die vorbeiführende Straße für den übrigen Verkehr wird außen herum geschwenkt.
Der Vorteil dieser Lage sind die im Vergleich geringeren Auswirkungen auf den Autoverkehr. Die Fahrgäste der CityBahn können den Bahnsteig dann per Ampel oder Zebrastreifen erreichen. Auch können Fahrgäste aussteigen, ohne direkt auf der Fahrbahn zu stehen und damit den Autoverkehr zu kreuzen.
Der Nachteil dieser Variante wird auf obiger Darstellung offenbar: Die Straße wird insgesamt breiter. Im Bereich der Rechtsabbiegerspur auf den Ring und unterhalb der Haltestelle schneidet die Straße dadurch die grauen Kreise – also die Bäume. Diese Bäume würden dann gefällt.
Bahnsteige in Seitenlage
Dem gegenüber steht eine Ausführung in Seitenlage. Heißt: In der Mitte die Gleise, dann die Straße, dann der Bahnsteig mit den Wartebereichen. Die Fahrgäste warten hier also zwischen den Bäumen, die Haltestellen werden entsprechend gepflastert. Fährt eine CityBahn ein, müssen allerdings die Autos zurückgehalten werden, idealerweise per Ampel. Schließlich steigen die Fahrgäste direkt auf der Fahrbahn aus.
Die Bäume allerdings bleiben stehen – denn warten kann man auch unter den Bäumen. Für Häuschen und Bänke gibt es schließlich genug Platz.
Im direkten Vergleich werden die Unterschiede besser ersichtlich – hier am Beispiel der Haltestelle am Theodor-Heuss-Ring. Links ist der Ausschnitt aus den offiziellen Planungsunterlagen. Mitte und rechts die Haltestelle in schematischer Darstellung; die CityBahn-Gleise als grüne Linie, die Autofahrspuren als blaue Linie. Der Wartebereich als braune Box.
In der Mittellage (mittlere Darstellung) werden die Straßen nach außen verschwenkt – die rot markierten Bäume müssten dafür weichen. In Randlage können die Bäume (grün) bleiben.
Die Planer schlagen Haltestellen in Mittellage vor, sodass nur an den drei Haltestellen auf der Allee weniger als zehn bis fünfzehn Prozent der Bäume weichen und an anderer Stelle in Wiesbaden wieder gepflanzt werden müssten.
Die Planer favorisierten zunächst die Mittellage, da diese aus oben genannten Gründen weniger direkte Auswirkungen auf den Autoverkehr hat. Die Bürgerbeteiligung favorisiert allerdings klar die zweite Variante.
Für den Streckenverlauf über die Biebricher Allee forderten die Bürgerinnen und Bürger im Dialog eine Lösung, die den Baumbestand schont und den Alleecharakter der Straße bewahrt.
In beiden Varianten – Mittellage und Seitenlage – müssen die Fahrgäste irgendwann die Fahrbahn der Autos kreuzen, um zur Straßenbahn zu kommen. Der Unterschied ist nur der Zeitpunkt.
Liegen die Wartebereiche in Seitenlage, muss der Autoverkehr bei jeder haltenden CityBahn angehalten werden. Ob es dadurch deutlich mehr Ampeln auf der Biebricher Allee gibt, darf allerdings bezweifelt werden. So liegen die Haltestellen Fischerstraße und Heuss-Ring dort, wo heute bereits Ampeln stehen. Diese gilt es dann nur intelligenter zu takten.
Liegen die Wartebereiche in der Mitte, kann der Autoverkehr erst einmal unbeeindruckt weiterfließen, wenn eine Bahn hält. Die Fahrgäste können zeitversetzt über die Straße geführt werden. Wegen der Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h kommt dafür eigentlich nur eine Ampelschaltung in Frage. Mit einer intelligenten Schaltung kann hier aber darauf Wert gelegt werden, dass der Verkehrsfluss möglichst wenig beeinflusst wird.
Lediglich im Bereich der angedachten Haltestelle Rudolf-Vogt-Straße (auf Höhe von REWE) stehen heute keine Ampeln, hier kämen in beiden Fällen also welche hinzu. Das eröffnet allerdings auch eine neue Chance: Mit einer Ampel entstünde hier eine neue Kreuzungsmöglichkeit für Fußgänger, die zu REWE oder zur Apotheke wollen. Heute müssen sie entweder zur Haltestelle Gottfried-Kinkel-Straße oder zum Landesdenkmal, um die Biebricher Allee sicher zu kreuzen.
Uneindeutige Unterlagen sorgen für wenig Klarheit
Ein Teil der kursierenden Fehlinformationen und Ängste ist vermutlich auch den nicht ganz eindeutigen und einheitlichen Veröffentlichungen der CityBahn GmbH geschuldet. Die Varianten und Favoriten haben sich im Laufe der Monate verändert; die veröffentlichten Unterlagen wurden nicht immer angepasst. So heißt es zum Beispiel in der Zusammenfassung des Bürgerdialogs:
Für die Biebricher Allee schlagen die Planer beispielsweise Haltestellen in Mittellage vor, sodass nur an den drei Haltestellen auf der Allee weniger als zehn bis fünfzehn Prozent der Bäume weichen und an anderer Stelle in Wiesbaden wieder eingepflanzt werden müssten.
Direkt darunter findet sich dann eine Darstellung der Bahnsteige in Seitenlage. Und obgleich die Bürgerbeteiligung ein klares Votum für die Seitenlage abgab, kursieren die „zehn bis fünfzehn Prozent der Bäume“ weiter – obwohl diese Angabe ja eben nur bei einer Ausgestaltung in Mittellage stimmt.
Fazit: Wie viele Bäume sind es denn nun?
Als Zusammenfassung der vorigen Ausführungen lässt sich sagen: Wir wissen bald mehr. Denn die 10-15% der Bäume müssten dann weichen, wenn die Bahnsteige mittig gebaut werden. Klares Votum der Bürgerbeteiligung und auch unser Favorit ist die Ausführung in Seitenlage. Dann blieben diese Bäume stehen. Die Entscheidung – „Bäume erhalten“ oder „Autoverkehr leicht verbessern“ – ist aus unserer Sicht übrigens eindeutig.
Es gibt zwei kleine „Aber“: Erstens stehen sowohl am Anfang der Biebricher Allee (Höhe Fischerstraße) als auch am Ende (Höhe Wingertstraße) einzelne Bäume in der Straßenmitte. Auf Höhe Fischerstraße sind es zehn, auf Höhe Wingertstraße vierzehn. Ob die Bahn an diesen vorbeifahren kann, müsste nochmal gemessen werden. In den Planungsunterlagen sind diese Bäume jedoch für die Bahn entfernt – vermutlich, um die Biebricher Allee in diesen Abschnitten auch mit der CityBahn vierspurig zu erhalten. Das Erscheinungsbild der Biebricher Allee wird durch diese Bäume allerdings nicht geprägt.
Das zweite Aber betrifft das Wurzelwerk: Im Herbst 2018 wurde das Wurzelwerk untersucht – sowohl auf der Biebricher Allee als auch auf der Rheinstraße wurden sogenannte Wurzelsuchgräben gegraben. Zwar sollten die Ergebnisse der Untersuchung im Laufe des Herbsts veröffentlicht werden – sie liegen aber noch nicht vor. Hier kann es durchaus passieren, dass in Einzelfällen Wurzelwerk derart ungünstig gewachsen ist, dass es entfernt werden muss.
Auswirkungen auf die Barrierefreiheit
Beide Varianten – Mittel- und Seitenlage – lassen sich übrigens barrierefrei ausführen. In der Mittellage fährt die Bahn einfach zentimetergenau an den Bahnsteig. In Seitenlage müssen sich dafür Straße und Einstiegshöhe der Bahn auf derselben Höhe befinden – auch das ist kein Problem, wie das Beispielfoto aus Freiburg zeigt. Ob dafür die Straße erhöht oder die Trasse der Bahn abgesenkt wird, bleibt abzuwägen. Der Effekt ist derselbe.
Exkurs: Vor- und Nachteile von Mittel- und Seitenlage der Gleise
Neben der Frage, ob die Bahnsteige der CityBahn in der Biebricher Allee in Mittel- oder Seitenlage liegen, lässt sich diese Frage auch für die Gleise generell stellen. Die allgemeinen Möglichkeiten Mittellage, Seitenlage und gespreizte Lage sind oben schematisch dargestellt. Alle Varianten haben ihre eigenen Vor- und Nachteile – dennoch sind einige deutlich häufiger anzutreffen; die gespreizte Lage hingegen fast nie. Bestimmende Rahmenbedigungen sind hier hauptsächlich die Bewertung des Unfallrisikos, der zur Verfügung stehende Platz, der Verkehrsfluss der verschiedenen Teilnehmer und die Stadtgestaltung.
Direkte Auswirkung hat die Gestaltung für den Fahrgastwechsel – denn in der gespreizten Lage fährt die Straßenbahn in jede Richtung am Straßenrand, ein Kreuzen der Straße durch die Fahrgäste daher nicht notwendig. In Mittellage kreuzen die Personen immer eine Auto-Fahrspur; in Seitenlage zumindest von einer Seite. Die gespreizte Lage hat allerdings den Nachteil, dass hier die möglichen Beeinträchtigungen der Straßenbahn durch abbiegenden MIV, liegengebliebene oder ’nur mal eben haltende‘ Fahrzeuge und Lieferverkehr am größten sind.1vgl. U. Vismann (2015) in: Bautechnische Zahlentafeln, S. 1313. Gleichzeitig ist in den Varianten, in denen beide Autospuren direkt nebeneinander verlaufen (Seiten- und gespreizte Lage) der MIV weniger anfällig für Pannenfahrzeuge: diese lassen sich dann durch Ausweichen in die Gegenfahrbahn umfahren.
Zum Unfallrisiko der Varianten
Unfallrisiken bestehen vor allem dann, wenn sich die Wege verschiedener Verkehrsteilnehmer kreuzen. An Kreuzungen entstehen dort, wo sich die möglichen Pfade Kreuzen oder ineinander münden Konfliktpunkte. Je nach Ausgestaltung der Kreuzung sind dies mal mehr, mal weniger – deshalb ist ein Kreisverkehr in der Regel auf sicherer als eine normale Kreuzung. Faustformel ist hier: Je weniger Konfliktpunkte, desto sicherer die Kreuzung für die Verkehrsteilnehmer.2Neben der bloßen Anzahl der Konfliktpunkte spielen natürlich auch andere Faktoren wir die Anzahl an Fahrzeugen, deren Geschwindigkeit, deren Fahrtrichtung, Sichtverhältnisse, (…) eine Rolle. Je nach dem, ob die Gleise der Straßenbahn nun mittig, seitlich oder gespreizt liegen, entstehen mehr oder weniger Konfliktpunkte – die denkbaren Varianten sind hier schematisch dargestellt. Für die Biebricher Allee sind vor allem die Einmündungen in die Anliegerstraßen interessant, da an größeren Kreuzungen auch heute schon per Ampel gesteuert wird.
Die Fahrpuren (Auto) sind in schwarz dargestellt, die CityBahn blau und die Konfliktpunkte in rot.
Bild 1: Normale T-Kreuzung, wie sie heute beispielswese die Einmündungen in die Anwohnerstraßen darstellen.
Bild 2: T-Kreuzung mit CityBahn-Gleisen in gespreizter Lage.
Bild 3: T-Kreuzung mit CityBahn-Gleisen in Mittellage. Die linke Variante (ohne Linksabbieger) lässt einen durchgehenden, besonderen Bahnkörper zu.
Bild 4: T-Kreuzung mit CityBahn-Gleisen in Seitenlage. Die Kreuzung geht auf der Auto-Seite der Straße ab, berührt die Gleise also nicht.
Bild 5: T-Kreuzung mit CityBahn-Gleisen in Seitenlage. Die Kreuzung geht auf der Bahn-Seite der Straße ab, berührt die Gleise also beide Gleise. Beim Abbiegen muss auf Bahnen in beide Fahrtrichtungen geachtet werden.
Aus den schematischen Darstellungen lassen sich schon einige Aussagen über Unfallrisiken ableiten. Bei Gleisen in gespreizter Lage werden, egal in welcher Konstellation, immer Bahngleise gekreuzt. Gleichzeitig ist hier aber die Fahrtrichtung klar – beim Einbiegen auf die Hauptstraße kommen Autos und Bahn aus derselben Richtung (von links). Beim Einbiegen in die Anliegerstraße muss lediglich auf die Bahn von hinten geachtet werden.
Gleise in Seitenlage bieten die Möglichkeit, dass zumindest eine Seite der Straße (die Bahn-abgewandte Seite) mit Kreuzungen ausgestattet werden kann, die die Gleise nicht berühren (Bild 4). Die Konfliktpunkte entsprechen hier denjenigen einer normale T-Kreuzung ohne Bahn. Auf der Gegenseite (Bild 5) müssen dafür beide Gleise gekreuzt werden. Führen die Gleise hingegen in Mittellage (Bild 2), gibt es entweder die wenigsten oder die meisten Konfliktpunkte: Je nach dem, ob Linksabbiegen erlaubt wird oder nicht.
Untersuchungen der Gesellschaft Deutscher Versicherer deuten darauf hin, dass die Unfallhäufigkeit an Straßen mit Trams in Mittellage signifikant höher ist als an Straßen mit Seitenlage.3https://www.gdv.de/de/medien/aktuell/unfallrisiko-strassenbahn-12002 Genannte Ursache ist hier eine für die anderen Teilnehmer unübersichtlichere Kreuzung. Daher empfiehlt die GDV für Kreuzungen hier
Das Wenden und Abbiegen von Kraftfahrzeugen ist möglichst eindeutig mit Ampeln zu sichern oder baulich bzw. verkehrstechnisch zu unterbinden. Straßenbahnen sollten an Ampelkreuzungen gesonderte Phasen erhalten, damit es zu keinen Konflikten mit Autofahrern kommt.
Oberste Planungsprämisse für die Biebricher Allee ist der Erhalt möglichst vieler Bäume.
C. Müller, Mailänder Consult
Die Planungen für die Biebricher Allee sehen eine Führung in Mitellage vor. Neben den oben genannten Vor- und Nachteilen hat diese Führung hier einen wesentlichen Grund: die Bäume. Denn in einer seitlichen Führung sind die Auswirkungen auf das Wurzelwerk deutlich größer; die in die Straße hineinragenden Äste müssten deutlich stärker beschnitten werden.
Hinweis: Wir legen bei unseren Artikeln Wert auf solide, objektive, nachvollziehbar gestaltete Texte. Daher findest Du auch eine Vielzahl an Quellenverweisen und Belegen, Grafiken, Fotos und Erörterungen – zuweilen auch wohlbegründete Schlussfolgerungen. Nichtsdestotrotz sind wir eine rein ehrenamtliche Truppe und haben auch keinen Zugriff auf geheime Quellen. Auch wir kennen nur das, was öffentlich ist, wir uns erarbeiten und recherchieren. Fehler sind also nicht ausgeschlossen. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, weitere wichtige Quellen kennst oder fachliche Fehler – her damit. Am besten per Mail oder unten in die Kommentare.
Änderungen dieses Artikels
Die Planung der CityBahn fließt – das heißt, dass sich Details, Rahmenbedingungen und Erkenntnisse ändern können. Auch sind wir in Recherche und Aufarbeitung natürlich nicht vor Fehlern gefeit. Wir arbeiten die neuen Erkenntnisse in die bestehenden Artikel ein – um dennoch transparent zu bleiben, findet ihr hier eine Übersicht über die Änderungen dieses Artikels.
17. März 2019: Einarbeitung des Exkurses zur gespreizten, Mittel- und Seitenlage der Gleise.
Neben der bloßen Anzahl der Konfliktpunkte spielen natürlich auch andere Faktoren wir die Anzahl an Fahrzeugen, deren Geschwindigkeit, deren Fahrtrichtung, Sichtverhältnisse, (…) eine Rolle.
Mittlerweile sind mehr als sechs Wochen
vergangen, seit die beiden Anti-CityBahn-BIs ihre Unterschriftenaktionen
gestartet haben. Vom selbst gesteckten Ziel, einen Bürgerentscheid zur
Europawahl zu erzwingen, mussten sie sich zwischenzeitlich verabschieden, weil
die dafür nötigen 6.300 Unterstützerstimmen eben doch nicht so schnell
zusammenkamen. Was sicher auch daran liegt, dass sich die Gegner des Projekts
nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen konnten.
Auch wenn zumindest eine der beiden
Anti-Straßenbahn-BIs ihre Unterschriftensammlung zwischenzeitlich abgeschlossen
hat, so sind sie weder die ersten noch die erfolgreichsten Initiativen in
Sachen Nahverkehr in Wiesbaden.
Bereits 2001 sammelten engagierte
Wiesbadenerinnen und Wiesbadener Unterschriften für ein Bürgerbegehren, dass
die Fortführung des von der FDP blockierten Stadtbahn-Projektes zum Ziel hatte.
Und obwohl die Frist in die ungünstigen Sommerferien geschoben wurde, kamen
innerhalb von nur sechs Wochen 14.200 Unterschriften für eine Stadtbahn in
Wiesbaden zusammen.
14.200 Unterstützerstimmen – das sind mehr
als doppelt so viele, wie heute für die Einleitung eines Bürgerentscheids nötig
sind. Und es waren auch deutlich mehr Menschen als in der Kommunalwahl 2001 für
die FDP gestimmt hatten, welche sich als einzige Partei gegen eine Stadtbahn
aussprach und dann in der neuen Koalition mit der CDU einen Abbruch des
Projekts durchsetzte.
Dass es 2001 dennoch nicht zu einem
Bürgerentscheid für die Stadtbahn kam, lag einzig daran, dass das Gesetz damals
mehr als dreimal so hohe Anforderungen an ein Bürgerbegehren stellte wie heute
und das Taktieren der Gegner die Mobilisierung von noch mehr Menschen
erschwerte. Hätten damals dieselben gesetzlichen Vorschriften gegolten wie
heute, könnten wir möglicherweise schon seit über einem Jahrzehnt ein gut
funktionierendes Tramnetz in unserer Stadt haben.
Wie
in Wiesbaden bisher der Bau eines Tram-Netzes verhindert wurde
Auch wenn heute einige das Gegenteil
behaupten, gab es in Wiesbaden nie einen Entscheid der Bürger über die
Abschaffung oder die Wiedereinführung einer Straßenbahn. Als in den
autofixierten 50ern die alte Wiesbadener Straßenbahn abgeschafft wurde, wurden
die Bürger genauso wenig gefragt, wie in den 2000ern, als gleich zwei Anläufe
zum Aufbau eines neuen Tramnetzes Opfer politischer Taktierereien wurden.
Im Jahr 2001 hatten ironischerweise gerade
die politischen Vorgänger derjenigen, die heute so vehement einen
Bürgerentscheid fordern, offensichtlich kein Interesse an einem echten
Bürgerentscheid: Die FDP hatte zur damaligen Kommunalwahl ganz auf eine
Angstkampagne gegen die Stadtbahn gesetzt, und ein Ende des Projekts in den
folgenden Koalitionsverhandlungen zur Bedingung gemacht. Obgleich die FDP bei
der Wahl gerade mal 12% der Stimmen erlangte, konnte Sie so ihre Ansicht
durchsetzen – obwohl alle anderen Parteien (damals wie heute) dem Projekt
aufgeschlossen und positiv gegenüberstanden.
Ein Versuch engagierter Bürger, einen
Projektabbruch doch noch kurzfristig zu verhindern, scheiterte an den damals
deutlich höheren Anforderungen an Bürgerbegehren und dem ungünstigen Termin
während der Sommerferien.
Die FDP versprach nach der Kommunalwahl
2001 für den ÖPNV den “großen Wurf” – nachzulesen im Wiesbadener Kurier vom 05.
Mai 2001. In den folgenden fünf Jahren solle “richtig was passieren”, beteuerte
der damalige verkehrspolitische Sprecher der FDP, Ulrich Winkelmann. Und obwohl
die FDP in den folgenden zehn Jahren mit Joachim Pös den Verkehrsdezernenten
stellte, blieb es bei blumigen Ankündigungen. Nennenswerte Verbesserungen im
ÖPNV: Fehlanzeige.
Und so fand das Vorhaben einer Stadtbahn
mit der Wahl 2011 wieder seinen Weg auf die kommunalpolitische Agenda – mit
breiter Unterstützung aller Parteien außer der FDP. Diesmal war es der
ehemalige FDP-Stadtverordnete Florian Rentsch, der 2013 als hessischer
Wirtschafts- und Verkehrsminister das Projekt handstreichartig zu Fall brachte.
Dass eine Großstadt wie Wiesbaden heute noch mit einem reinen Bus-ÖPNV rumwursteln muss, ist also nicht das Ergebnis einer bewussten Entscheidung seiner Bürger, sondern das Ergebnis des politischen Taktierens einer Anti-Straßenbahn-Lobby-Gruppe. Eine Gruppe, die jedoch nie eine Mehrheit an der Wahlurne erreichte. Und dass sich ausgerechnet eine Partei, die die Straßenbahn Wiesbaden zwei Mal verhinderte, jetzt – wo sie nicht mehr in einer Regierungsverantwortung steht – plötzlich auf basisdemokratische Werte besinnt und die populistischen Versuche zweier Anti-Straßenbahn-Initiativen unterstützt, ist ein durchschaubar Versuch, eine Straßenbahn erneut zu verhindern.
Wiesbaden braucht einen
besseren Nahverkehr – jetzt!
Wiesbaden hat seine Verkehrsprobleme viel
zu lange vor sich hergeschoben und sich mangels besserer Alternativen immer
mehr Autos, Stau und Parkplatzprobleme eingehandelt. Während viele andere
deutsche Großstädte kontinuierlich ihren ÖPNV ausgebaut haben, hat man hier
dessen Stagnation betrieben. Während auch von Wiesbadener Steuergeldern in
anderen Städten neue Tram-Trassen gebaut wurden, beschäftigte man sich hier
lieber mit neoliberalen Rationalisierungs-Spielchen, wie der Wibus.
Gerade diejenigen, die damals wie heute
verbittert eine Straßenbahn bekämpfen, hätten mehr als ein Jahrzehnt die Mittel
und die Zeit gehabt, die angeblichen Alternativen zu entwickeln, die sie heute
wieder von anderen fordern. Dass sie dies unterlassen haben, belegt entweder
dass es diese “Alternativen” gar nicht gibt, oder das man trotz aller
Lippenbekenntnisse überhaupt kein Interesse an einem stärkeren und attraktiven
ÖPNV hat.
Angesichts von wachsender Bevölkerung und
wachsender Mobilität, Schadstoffproblemen und Klimawandel kann sich Wiesbaden
eine weitere Blockade nicht länger leisten. Die Zeit zum Handeln ist jetzt!
Die CityBahn ist der realistischste und
durchdachteste Vorschlag zum ÖPNV-Ausbau, der aktuell auf dem Tisch liegt. Und
wir von der BI ProCityBahn tun unser Bestes, dieses Projekt konstruktiv im
Sinne unserer Stadt mitzugestalten und dabei zu helfen, dass die Wünsche und
Bedürfnisse möglichst vieler Menschen in diese Planungen einfließen.
Diejenigen, die das Projekt CityBahn (aus
welchen Gründen auch immer) ablehnen, sehen wir in der Pflicht, selbst einen
ebenso realistischen Vorschlag zur Weiterentwicklung des ÖPNVs vorzulegen.
Konstruktives Handeln würde uns viel weiter bringen als Fundamentalopposition.
Und die Zeit, die man jetzt in rechtlich fragwürdige, inhaltliche einseitige,
zeitlich übereilte und von der Zielsetzung her destruktive Bürgerbegehren
gesteckt hat, hätte man (z.B. im Rahmen eines Mobilitätsleitbildes) besser in die
Entwicklung eigener konstruktiver Vorschläge investieren können.
Die Bürgerinnen und Bürger nach einer
Entscheidung zu fragen, macht nur dann Sinn, wenn Sie eine echte Wahl zwischen
konkreten Lösungsoptionen haben und möglichst umfassend über deren Ziele und
Konsequenzen informiert sind. Ein Einfach-weiter-wurschteln wie 2001 und 2013
kann angesichts der heutigen Herausforderungen keine Option mehr sein.
Weitere Informationen
Informationen zum Bürgerbegehren 2001 finden Sie unter http://stadtbahn-ja.de/ sowie im Archiv der Wiesbadener Tageszeitungen. Bei Bedarf gewähren wir Ihnen gerne Einsicht in die uns vorliegenden Zeitungsausschnitte. Aus urheberrechtlichen Gründen können wir diese leider nicht mit dieser PM versenden.
Ob groß oder klein, im Rollstuhl, mit Gepäck, Rollator oder Kinderwagen – eine lebenswerte Stadt ist für alle Menschen nutzbar. Dies gilt im besonderen Maße auch für den öffentlichen Nahverkehr. Seine Verkehrsmittel und Haltestellen müssen so gestaltet werden, dass sie auch von Menschen mit Handicaps genutzt werden können. Dazu gehört ein möglichst stufen- und spaltfreier Einstieg für Gehbehinderte oder Menschen mit Kinderwagen bzw. Gepäck. Für Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit muss die Gestaltung ausreichend Kontraste aufweisen und eine Orientierung über akustische Signale möglich sein. Nach dem „Zwei-Sinne-Prinzip“ brauchen Hörbehinderte wiederum optische Signale und Anzeigen.
„Der Nahverkehrsplan hat die Belange der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Menschen mit dem Ziel zu berücksichtigen, für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen.“
Nur 25 Prozent aller Bushaltestellen in Wiesbaden sind barrierefrei
Zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sollen bis zum Stichtag 1. Januar 2022 alle Haltestellen in Deutschland barrierefrei ausgebaut sein. An vielen Orte wird dieses Ziel aber nicht erreicht, entweder wurde dort zu spät mit dem sukzessiven Ausbau der Haltestellen begonnen oder die Planungskapazitäten und Finanzmittel reichen nicht für die vielen Haltestellen. In Wiesbaden sind bislang nur etwa 25 Prozent der rund 880 Bushaltestellen ausgebaut 1 Stolperfalle Gehweg – in: Wiesbadener Kurier vom 21.01.2019. Nur wenige davon erfüllen alle aktuellen Anforderungen von „Hessen Mobil“ – der Behörde die über die Vergabe von Fördermitteln für den Haltestellenausbau entscheidet.
Selbst wenn Bushaltestellen mit erhöhten Bordsteinkanten und Leitstreifen für Sehbehinderte versehen sind, ist ein bequemer Ein- und Ausstieg nicht immer selbstverständlich. Denn es kommt darauf an, ob das Buspersonal auch dicht genug an den Bordstein heran fährt und an der richtigen Position hält. Behindern beispielsweise haltende oder falsch parkende Autos die Einfahrt in die Haltestelle ist dies oft nicht möglich. Manchmal erschwert auch die Lage der Haltestelle das dichte Heranfahren – beispielsweise wenn Busstopps direkt hinter einer Abbiegung oder in einer Busbucht liegen. Rollstuhlfahrer sind also selbst an barrierefreien Haltestellen meist auf Klapprampen angewiesen.
Die Citybahn: 100 Prozent barrierefrei und bequem
Die Citybahn macht den Fahrgästen, ob mit Rollstuhl, Rollator, Kinderwagen oder Koffer, den Zustieg von Anfang an leicht – sie ist zu 100 Prozent barrierefrei. Da alle Haltestellen in Wiesbaden (und später auch in Richtung Bad Schwalbach) neu gebaut werden, erfüllen sie die neuesten Richtlinien. Die Bahnsteighöhe passt optimal zur Bodenhöhe der Straßenbahnen. Statt einzusteigen, können die Wagen bequem ebenerdig betreten oder mit Rollstuhl oder Rollator berollt werden. Dank der Schienenführung halten die Straßenbahnwagen immer im gleichen, dichten Abstand zur Bahnsteigkante. Dadurch ist ein Einfahren mit Rollstuhl oder Rollator ohne fremde Hilfe möglich. Das größere Platzangebot der Straßenbahn bietet ausreichend Raum für Kinderwagen, Rollstuhl, Rollator, Einkäufe oder Reisegepäck. Ohne Geschaukel, Vibrationen oder plötzliche Ausweichmanöver ist die Fahrt in der Straßenbahn ruhiger und angenehmer als im Bus.
Hinweis: Möglicherweise sind ein bzw. zwei Haltestellen in Biebrich nicht komplett barrierefrei. Hintergrund ist hier, dass im Bereich der Bahnsteige Garagen-/Hofeinfahrten liegen, die weiter befahrbar sein sollen. In dem Bereich würde der Bahnsteig folglich abgesenkt, der Einstieg dann nicht mehr niveaugleich. Ob und wo das realisiert wird, hängt von der noch nicht final diskutierten, konkreten Lage der Haltestellen in Biebrich ab.
Von diesen Vorteilen profitieren wir alle – aus Bequemlichkeit oder Notwendigkeit. Unsere Gesellschaft wird immer älter und unser Leben kann sich schnell ändern – und sei es nur ein Beinbruch der uns zeitweise einschränkt. Selbst Menschen, die heute den öffentlichen Nahverkehr nicht nutzen, sollte das Thema Barrierefreiheit daher nicht egal sein.
Sehen Sie selbst: Barrierefreie Straßenbahn am Beispiel Mulhouse (Frankreich)
Hier wurde früher Inhalt der offiziellen CB GmbH-Seite citybahn-verbindet.de verlinkt. Diese existiert aber nicht mehr.
Hinweis: Wir legen bei unseren Artikeln Wert auf solide, objektive, nachvollziehbar gestaltete Texte. Daher findest Du auch eine Vielzahl an Quellenverweisen und Belegen, Grafiken, Fotos und Erörterungen – zuweilen auch wohlbegründete Schlussfolgerungen. Nichtsdestotrotz sind wir eine rein ehrenamtliche Truppe und haben auch keinen Zugriff auf geheime Quellen. Auch wir kennen nur das, was öffentlich ist, wir uns erarbeiten und recherchieren. Fehler sind also nicht ausgeschlossen. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, weitere wichtige Quellen kennst oder fachliche Fehler – her damit. Am besten per Mail oder unten in die Kommentare.
Die Planung der CityBahn fließt – das heißt, dass sich Details, Rahmenbedingungen und Erkenntnisse ändern können. Auch sind wir in Recherche und Aufarbeitung natürlich nicht vor Fehlern gefeit. Wir arbeiten die neuen Erkenntnisse in die bestehenden Artikel ein – um dennoch transparent zu bleiben, findet ihr hier eine Übersicht über die Änderungen dieses Artikels.
17. März 2019: Die Ergänzung der eventuell nicht komplett barrierefreien Haltestelle im Bereich Adolf-Todt-Straße wurde im Nachgang zur Infoveranstaltung in Biebrich ergänzt.
Pressemitteilung Anfrage Rechtsamt vom 27. Februar 2019
Mit Interesse verfolgen wir die Diskussion über die rechtliche Zulässigkeit beiden Bürgerbegehren, die gerade gegen das Projekt CityBahn laufen. Etliche der geäußerten Zweifel decken sich mit den Bedenken, die wir u.a. in unserer Stellungnahmen zum Start dieser Bürgerbegehren geäußert hatten: (Link zur Pressemitteilung)
Seitens der Initiatoren wurde wiederholt der Eindruck erweckt wurde, dass der Text Ihres Begehrens bereits vorab vom Rechtsamt der Stadt Wiesbaden für zulässig erklärt worden sei – wofür aber bis heute kein Beleg vorgelegt wurde.
Wir halten es für problematisch, Menschen für ein Begehren zu mobilisieren, das aus rechtlicher Sicht möglicherweise deutlich fragwürdiger ist, als es die Initiatoren darstellen. Daher haben wir uns entschieden, das Rechtsamt heute um eine Klärung dieses Sachverhaltes zu bitten. Wir werden Sie informieren, sobald uns eine Antwort auf diese Anfrage vorliegt.
Hier nun unser Schreiben an das Rechtsamt der Stadt Wiesbaden:
Betreff: Anfrage zum Ergebnis einer etwaigen rechtlichen Vorprüfung der aktuell stattfinden Bürgerbegehren zum Thema „CityBahn“
Sehr geehrte Damen und Herren,
in der Wiesbadener Öffentlichkeit wird derzeit kontrovers diskutiert, ob die aktuell stattfindenden Bürgerbegehren zum Thema “CityBahn” den gesetzlichen Vorgaben entsprechen und im Erfolgsfall zu einem regelkonformen Bürgerentscheid führen würden.
Da hierzu unterschiedliche Behauptungen im Raum stehen, würden wir gerne kurzfristig den folgenden Sachverhalt klären:
Zumindest die Vertrauenspersonen eines der Bürgerbegehren hat wiederholt öffentlich behauptet, dass das Bürgerbegehren vorab vom Rechtsamt geprüft und für zulässig befunden worden sei. Belastbare Belege (wie z.B. ein entsprechendes Rechtsgutachten) wurden dazu jedoch auch nach mehreren Nachfragen nicht vorgelegt.
Um diese Unklarheiten zu beseitigen, möchten wir Sie um eine kurze Antwort auf folgende Fragen zum Ablauf und Ergebnis einer etwaigen Vorabprüfung des/der Bürgerbegehren(s) bitten:
Hat das Rechtsamt der Stadt Wiesbaden in der Vergangenheit eines der Bürgerbegehren im heute vorliegenden Wortlaut (s.u.) geprüft? Und wenn ja, welches?
Gibt es ein Dokument, aus dem eindeutig hervorgeht, dass das Rechtsamt keinerlei Bedenken im Bezug auf die Rechtssicherheit des vorgelegten Textes hat? Wenn ja: können Sie dieses Dokument veröffentlichen?
Hat das Rechtsamt irgendwelche Vorbehalte bezüglich der Form oder des Inhalts der vorliegenden Bürgerbegehren geäußert? Wenn ja: welche?
Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns und der Öffentlichkeit möglichst zeitnah diese Fragen beantworten und so für etwas mehr Klarheit im Bezug auf die Rechtssicherheit der aktuell laufenden Bürgerbegehren sorgen könnten.
Busse der ESWE kosten überschlägig 290.000 Euro – laufende Kosten, jedes Jahr.
Davon ausgehend ermitteln wir – ebenfalls überschlägig – die Betriebskosten einer einzelnen Linie (Linie 1) und anschließend einer Taktverdichtung (Linie 6).
Für den Betrieb der Linie 1 sind beispielsweise mindestens acht Busse notwendig. Gesamtkosten: 2,3 Millionen Euro jährlich. Eine Rückkehr zum 7,5-Minuten-Takt der Linie 6 kostet überschlägig zusätzliche 1,45 Millionen Euro jährlich.
Diese Kostensätze steigen (wahrscheinlich) durch den Umstieg auf Elektrobusse.
Dieser Artikel baut auf dem Vorgänger auf – in dem hergeleitet wird, was ein Bus pro Jahr kostet. Für Details dazu empfehlen wir einen Blick dorthin.
Die Frage, wie viele Busse zum Betrieb einer Linie benötigt werden, ist komplex – die Antwort hängt von der Taktzeit ab, der Fahrtstrecke, Aus- und Einrückzeiten, den Pausenzeiten der Busfahrer. Manche Busse gehen auch fließend von einer Linie auf die nächste über.
Wir werfen daher exemplarisch einen Blick auf die Linie 1. Neben ihrer Bekannheit hat die Linie hat mehrere Vorteile: Sie verkehrt tagsüber in einem durchgehenden Zehn-Minutentakt; sie hat mit Ausnahme der Nachtstunden außerdem keine Fahrten, die an abweichenden Haltestellen beginnen oder enden sowie eine übersichtliche Routenführung.
Die Abbildung zeigt eine grafische Darstellung des Fahrplans der Linie 1. Links abgebildet die Haltestellen, oben der Zeitverlauf. Die schwarzen Linien sind jeweils die fahrenden Busse. Mit Hilfe solcher Darstellungen, auch Bildfahrplan genannt, lassen sich relativ einfach Fahrzeugumläufe zusammenstellen. Das setzt allerdings voraus, dass diese Pläne nicht allzu komplex werden – dafür gibt’s dann passende IT-Unterstützung. Der Plan der Linie 1 ist aber denkbar einfach.
Dargestellt ist hier derselbe Bildfahrplan wie in der Abbildung zuvor. Die rot markierten Fahrten können theoretisch von einem einzelnen Fahrzeug gefahren werden. Mit einer derartigen Taktung ließe sich die Linie 1 mit insgesamt sechs Bussen fahren.
Aber: Der Fahrplan ist – so wie abgebildet – anfällig für Verspätungen. Denn sowohl am Dürerplatz als auch im Nerotal sind die Wendezeiten – also der Zeitraum zwischen Ankunft und Abfahrt – mit drei bzw. vier Minuten sehr eng gestrickt. Verspätungen, die gerade auf der Linie 1 omnipräsent sind, schleifen sich so den ganzen Tag lang durch.
Für einen robusteren Fahrplan werden so für die Linie 1 acht Busse benötigt – dann wären die Wendezeiten an den beiden Endhaltestellen mit 13 bzw. 14 Minuten deutlich praktikabler. Für die relativ kurze und relativ simple Linie 1 sind also bereits (mindestens) sechs, sinnvollerweise acht Busse eingespannt.
Acht Busse – das sind bei den oben erläuterten, laufenden Kosten pro Bus und Jahr Gesamtkosten von 2,3 Millionen Euro pro Jahr für den Betrieb einer relativ kurzen, simplen Buslinie.
Diese vereinfachte Herangehensweise lässt allerdings einige, wichtige Einflussfaktoren außer Acht: die vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten der Busfahrer sowie die Instandhaltungs- und Betriebsreserve – also diejenigen Ersatzbusse und -fahrer, die im Falle eines Problems kurzfristig einspringen oder Busse bei längeren Werkstattaufenthalten ‚vertreten‘.
Kosten einer Taktverdichtung
Zu Beginn: Bei der Berechnung der Kosten für eine Taktverdichtung gehen wir davon aus, dass dafür neue Busse gekauft und neue Fahrer angestellt werden müssen. Die Annahme mag kritikwürdig sein, ist aber in unseren Augen die sinnvollere. Denn bei einer Taktverdichtung sprechen wir naturgemäß von den Hauptverkehrszeiten – ein dichterer Takt 3 Uhr morgens macht verkehrlich zur Entlastung des Bussystems schließlich keinen Sinn. Wir reden also von mehr Bussen in der Phase, in der (abgesehen von der Instandhaltungs- und Betriebsreserve) bereits alle Busse unterwegs sind.
Hintergründe zur Linie 6
Ein oft gebrachter Vorschlag ist die Rückkehr der Linie 6 vom 10-Minuten-Takt zum 7,5-Minuten-Takt. Ab dem Herbst 2011 wurde der Takt der Linie von 10 auf 7,5 Minuten reduziert – statt stündlich sechs Bussen fuhren nun also acht zwischen Mainz und Wiesbaden.1http://www.wiesbadenaktuell.de/startseite/news-detail-view/article/buslinie-6-kommt-jetzt-alle-75-minuten.html.
Am 11. Dezember 2016 ging die Mainzelbahn in Betrieb und entlastete den stark beanspruchten Streckenabschnitt der Linie 6 zwischen dem Mainzer Hauptbahnhof und der Universität. In der Folge kehrte die Buslinie zu ihrem 10-Minuten-Takt zurück – der hochbelastete Abschnitt wurde ja durch die neue Tram entlastet.2https://www.eswe-verkehr.de/fileadmin/user_upload/Online_Broschuere_Aenderungen_FPW_A5_161122.pdf
Da die geplante CityBahn zumindest abschnittsweise dem Lauf der Buslinie 6 folgt, taucht als Alternativvorschlag immer wieder eine erneute Taktverdichtung der Linie 6 auf – wir berechnen daher im nächsten Abschnitt, was diese Option kosten würde.
Wie viele Busse sind notwendig?
Das überschlägige Verfahren ist dasselbe, wie es zuvor zur Linie 1 geschildert wurde. Zur Vereinfachung betrachten wir allerdings nur den Abschnitt von Wiesbaden-Nordfriedhof bis Mainz-Hartenberg. Die alle 20 Minuten fahrende Verlängerung nach Gonsenheim wird also ignoriert.
Die Fahrt vom Hartenberg zum Nordfriedhof dauert planmäßig 57 Minuten – in der Gegenrichtung ebenso. Mit minimalen Wendezeiten werden so bei einem 10-Minuten-Takt zwölf Busse benötigt. Zum Wenden hätte der Bus dann am Nordfriedhof 0 (!) Minuten, am Hartenberg 6 Minuten. Beide Werte sind auch angesichts der Länge der Linie utopisch – für einen halbwegs robusten 10-Minuten-Takt sind also mindestens 14 Busse notwendig. Damit lägen die Wendezeiten bei 10 bzw. 16 Minuten.
In einem Takt von 7,5 Minuten erhöht sich der Busbedarf in der Variante mit minimalen Wendezeiten auf 16 Busse. Bei halbwegs angemessenen Wendezeiten von 15 Minuten (Nordfriedhof) und 13,5 Minuten (Hartenberg) auf 19 Gelenkbusse.
Ausgehend von den (optimistisch geschätzten) 290.000 Euro laufenden kosten für jeden Gelenkbus beläuft sich diese Takterhöhung allein auf zusätzlichen 1,45 Millionen Euro jährlich – oder knapp 4.000 Euro, jeden Tag. Dichtere Takte sind allerdings ein endliches Spiel. Schon heute schaukeln sich die Verspätungen der Linie 6 über den Tagesverlauf gegenseitig auf, die Fahrzeuge kommen im Konvoi oder gar nicht. Wirklich zuverlässige Fahrtzeiten: Fehlanzeige.
Weiterführende Links
ESWE Verkehr-Geschäftsbericht der Jahre 2015, 2016 und 2017
weitere ESWE Verkehr-Geschäftsberichte (2008-2014)
Hinweis: Wir legen bei unseren Artikeln Wert auf solide, objektive, nachvollziehbar gestaltete Texte. Daher findest Du auch eine Vielzahl an Quellenverweisen und Belegen, Grafiken, Fotos und Erörterungen – zuweilen auch wohlbegründete Schlussfolgerungen. Nichtsdestotrotz sind wir eine rein ehrenamtliche Truppe und haben auch keinen Zugriff auf geheime Quellen. Auch wir kennen nur das, was öffentlich ist, wir uns erarbeiten und recherchieren. Fehler sind also nicht ausgeschlossen. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, weitere wichtige Quellen kennst oder fachliche Fehler – her damit. Am besten per Mail oder unten in die Kommentare.