FDP Wiesbaden legt umfassendes Konzept zur Verkehrswende vor

Vollkommen überraschend legte die Wiesbadener FDP-Rathausfraktion ein umfassendes Verkehrskonzept vor. Fraktionsvorsitzender Christian Diers kündigte das 9,8-Seiten umfassende Papier in einer Grundsatzrede an: “In schwankender Stunde dass als richtig, notwendig und nützlich erkannte auch dann zu tun, wenn man genau weiß, dass es selbst bei manchen Freunden noch nicht populär ist, erfordert eine große Risikobereitschaft. Die Aufgabe des Politikers ist es aber nicht, das Populäre zu tun – sondern das Richtige und es populär zu machen”.

Der Stadtverordnete Alexander Winkelmann ergänzte diese Ausführungen weiter: Kerngedanke der liberalen Idee sei die Gleichberechtigung und individuelle Freiheit aller Menschen. “Individuelle Freiheit beginnt mit der freien Wahl der eigenen Mobilität. Um diese Entscheidung treffen zu können, benötigen die Bewohner der Stadt eine echt Wahlfreiheit zwischen gleichberechtigten Alternativen.” Die FDP werde daher die jahrzehntelang gelebte und im Stadtbild zementierte, strukturelle Diskriminierung aufbrechen, um so tatsächliche Wahlfreiheit in Sachen Mobilität zu schaffen. Es könne nicht sein, dass derart viel öffentlicher Raum so wenigen Menschen vorbehalten bleibe. “Die Freiheit der einen endet dort, wo sie die Freiheit der anderen unverhältnismäßig beeinträchtigt.”, so Winkelmann weiter.

Nächste Woche beantrage die FDP daher, drei Spuren des 1. Rings für den Autoverkehr zu sperren und so für jeden Einwohner nutzbar zu machen. “Wenn Freiheit nicht für alle gilt, so gilt sie für niemanden. Wir müssen uns lossagen von Klientelpolitik und endlich Politik für alle machen!” , beendeten beide kämpferisch ihre Vorstellung.

Meldungen des Tages

Das Internet ist nicht immer unmissverständlich und für einige Neuland – daher die ausdrückliche Empfehlung, auf das Datum der Meldung zu achten 😉

Warum wir keine Unterschriften sammeln

Immer wieder werden wir an unseren Infoständen gefragt, wieso wir keine Unterschriften pro CityBahn sammeln. Vor allem mit Blick auf die 14.200 Unterschriften, die 2001 bereits pro Straßenbahn gesammelt wurden und der Unterschriftensammlung zweier Anti-Straßenbahn-Bürgerinitiativen eine durchaus verständliche Frage.

Natürlich wurde diese Frage auch intensiv intern diskutiert und es wäre gelogen, zu sagen, dass es keine Argumente für eine Pro-Unterschriftensammlung gäbe. Dennoch haben wir uns auf unserem Strategietreffen im Januar 2019 dagegen entschieden. Die drei Gründe wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten:

  1. Die Planungen der CityBahn sind aktuell nicht abstimmungsreif
  2. Eine Unterschriftensammlung wäre reine Symbolpolitik
  3. Es schadet der Entwicklung des Mobilitätsleitbildes

Die Planungen der CityBahn sind aktuell nicht abstimmungsreif


Die Rahmenbedingungen der CityBahn stehen fest: Es soll eine Erweiterung des Mainzer Netzes werden, die Route wurde fixiert und schon erste Entwürfe hinsichtlich Taktgestaltung und Haltestellenlagen erstellt. Die Planung ist aber bei weitem noch nicht abgeschlossen. Die Informationsveranstaltungen zur Ringkirche am 12. Februar und zum Thema Biebrich am 14. März zeigten eindeutig, dass sich entscheidende Details verändern können. Weitere Informationsveranstaltungen für die anderen Abschnitte folgen.

So ist durch Berücksichtigung der Bürgerwünsche im Bereich der Ringkirche eine weitere Haltestelle hinzugekommen, in Biebrich wurde ein neues Parkraumkonzept vorgestellt; gleichzeitig wird hier die Lage der Haltestellen noch mit all seinen Pro- und Contraargumenten diskutiert. In anderen Abschnitten (wie beispielsweise Hochschule bis Stadtgrenze) fehlen die Detailplanungen noch komplett. Insgesamt gibt es aktuell zu wenige, konkrete Informationen über zum Beispiel die Verkehrsführung mit der CityBahn, über die konkret Auswirkungen auf Bäume und Parkplätze, über den Ablauf der Baustellen, über das künftige Busnetz und über etwaige Kompensationsmaßnahmen für den Einzelhandel.

Diese Details werden Stück für Stück erarbeitet – das braucht aber Zeit. Besonders, weil Abstimmungen mit allen Interessensträgern auch immer wieder zu Detailänderungen führen, die dann neu bewertet und abgestimmt werden müssen. All diese Details sind aber notwendig, damit sich die Bürger informiert und faktenbasiert eine Meinung bilden können. Daher haben wir mehrfach den Zeitpunkt beider Anti-Straßenbahn-Begehren kritisiert. Es wäre scheinheilig, gleichzeitig selbst ein Begehren zu starten.

Eine Unterschriftensammlung wäre reine Symbolpolitik

Unterschriftensammlungen mit dem Ziel, ein Bürgerbegehren auszulösen, haben zwei mögliche Anlässe: Entweder sollen die Bürger etwas durchsetzen, was die Stadtverordnetenversammlung nicht will. Oder aber die Bürger wollen etwas verhindern, was die Stadtverordnetenversammlung will.

Beides ist aus unserer Sicht – zumindest aktuell – nicht der Fall. Unterschriftensammlungen für die CityBahn – deren Planungen laufen und die von der Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung unterstützt wird – hätten also bestenfalls einen symbolischen Effekt. Für reine Symbolpolitik wollen wir allerdings keine persönlichen Daten von tausenden Wiesbadenern sammeln. Da verwenden wir unsere Energie lieber darauf, weiter zu informieren, zu diskutieren und die Planungen rund um die CityBahn Wiesbaden kritisch zu begleiten.

Es schadet der Entwicklung des Mobilitätsleitbildes

Im November letzten Jahres beschloss die Stadtverordnetenversammlung einstimmig, für Wiesbaden ein Mobilitätsleitbild zu erarbeiten – eine Zielvorstellung also, wie der Verkehr in der Stadt zukünftig gestaltet werden soll. Dazu gehört ausdrücklich auch eine intensive Alternativenprüfung zu CityBahn. Was aktuell parallel zu der Detailplanung der CityBahn läuft, ist als also eine detaillierte Ausarbeitung und Bewertung anderen Konzepten wie einem ausgebauten Bussystem (BRT), Seilbahnen, autonomen Fahrzeugen, Elektromobilität. Diese Alternativenprüfung wurde auch vielfach von Kritikern gefordert.

Zu der Untersuchung von Alternativen gehört auch, dass am Ende das Konzept ‘CityBahn’ möglicherweise die beste Lösung ist. Wer also eine unvoreingenommene und umfassende Prüfung von Alternativen fordert (und das ehrlich meint), darf nicht gleichzeitig eine der Optionen schon vorher ausschließen.

Am Ende steht dann ein Entscheidung für das geeignetste Konzept – und zwar auf konstruktiver Basis. Denn die Entscheidung fällt zwischen definierten, bewerteten Alternativen und ist im Gegensatz zu den jetzt laufenden Anti-Bürgerbegehren keine pauschale Ablehnung einer Variante ohne Vorschlag einer brauchbaren Alternative.

Wiesbaden liegt nicht an der Saar

Der Aus- und Neubau von Straßenbahnen führt nicht automatisch zu einer Erfolgsgeschichte. Er muss Sinn haben, wohlüberlegt sein und sich in eine Reihe passender Randbedingungen einbetten. Deshalb werden Ausbauprojekte ausführlich geplant, untersucht und sind meist Teil eines Gesamtpaketes an Veränderungen. Nicht umsonst ist die Liste der Erfolgsstories deutlich länger als die der Fehlschläge. Ein weniger erfolgreiches Beispiel ist die (auf einigen Abschnitten) schwächelnde Saarbahn. Hier müssen unangenehme Fragen nach dem Warum beantwortet werden. Aber ist die Saarbahn deshalb unguter Vorbote für die CityBahn? Nein, denn die Unterschiede sind signifikant.

Hinweis: Der Begriff Saarbahn ist der Name für die Bahnlinie Lebach-Saarbrücken-Saargemünd und gleichzeitig der Name der Betreibergesellschaft Saarbahn GmbH. Die Saarbahn GmbH, das Saarbrücker Pendant zur ESWE, betreibt darüber hinaus aber auch das Busnetz der Region. Das kann so leicht zu Verwirrungen führen; bei Nachrichten wie „Fahrgastrückgang bei der Saarbahn“ empfiehlt sich daher ein zweiter Blick, ob die Bahnlinie speziell oder das Unternehmen allgemein gemeint ist.

Am 13. März 2019 veröffentlichten die Blogger Roland Lattwein und Carsten Petersen auf ihrer Website eine Langzeitanalyse zur Saarbahn. Die Saarbahn ist ein Schienenverkehrsmittel, welches das Saarbrücker Umland mit der Landeshauptstadt verbindet. Das Fazit der Analyse: Nicht sonderlich positiv. Die Bahn sei ein finanzielles Desaster für die Stadt und das Land ohne Nutzen für die Bevölkerung.

Doch lassen sich bei genauerer Betrachtung Fehler in der Analyse der Autoren erkennen. Eine der Behauptungen: Die Saarbahn transportierte zwischen 20 und 25 Millionen Fahrgäste. Die Autoren des Blogs können jene Aussage allerdings nicht belegen, sondern verweisen auf Äußerungen der damaligen Geschäftsleitung. Jene Aussage von 20 bis 25 Millionen potenziellen Fahrgästen bezieht sich darüber hnaus auf eine Planung zurück, als noch zwei Linien anstrebt wurden – es kam aber nur eine Linie. Eine Verwendung jener Zahl ist daher nicht sonderlich seriös und nachvollziehbar.

Nicht viel los an der Saarbahn-Haltestelle „Walpershofen Mitte“ (H.Hei52, Walpershofen-Haltestelle-Ortsmitte1, CC BY-SA 3.0)

Dennoch ist die Kritik der Journalisten in Teilen angebracht. Denn die Saarbahn hat tatsächlich mit Schwierigkeiten zu kämpfen: Die Streckenplanung und der Betrieb sind in Teilen nicht optimal. Besonders der nördliche Erweiterungsstrang nach Lebach-Jabach führt mit über 22 Haltestellen durch teilweise dünn besiedeltes Gebiet und wird in einem schwachen Takt bedient. Auf dem jüngsten Erweiterungsabschnitt wurden täglich ca. 5.200 Fahrgäste gezählt. Die Fahrgast-„Ausbeute“ bewegt sich auf einem relativ niedrigen Niveau, was im Zusammenhang mit den Kosten des Ausbaus durchaus diskutabel ist.

Primäres Problem der Saarbahn ist ihr Umfeld. Denn dort schrumpft die Bevölkerung – damit leider auch die Fahrgastzahl. Das zeigt sich beispielhaft an der Gemeinde Kleinblittersdorf. Hier sank die Einwohnerzahl von 12.850 (12/2006) auf 10.904 (09/2018). Das ist Bevölkerungsverlust von knapp 15%. In einem ähnlichen Zeitraum wurde zugleich ein Fahrgastrückgang von -9,7% bis -21,4% an den verschiedenen Saarbahn-Haltestellen in Kleinblittersdorf festgestellt 1Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Markus Tressel et al. (Bündnis90/Die Grünen). http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/063/1906305.pdf .

Muss dann noch das Angebot aufgrund von personellen Problemen oder betrieblichen Gründen ausgedünnt werden, ist der Rückgang der Fahrgastzahlen nicht verwunderlich.

Hauptunterschiede Saarbahn – CityBahn

Lässt sich diese Entwicklung somit auf Wiesbadens CityBahn übertragen? Um es kurz zu machen: Keineswegs. Denn in wesentlichen Punkten unterscheiden sich bei beiden Straßenbahnprojekte.

 
  • Die Gemeinden, durch die die Saarbahn führt, schrumpfen fast ausnahmslos. So haben die fünf (neben Saarbrücken) angeschlossenen Gemeinden Lebach, Heusweiler, Riegelsberg, Kleinblittersdorf und Saargemünd seit Eröffnung der Saarbahn jeden zehnten Einwohner verloren – über 9.000 Menschen. Die Ortsteile entlang der CityBahn wachsen hingegen stetig; besonders in Mainz-Kastel, Biebrich und Taunusstein wird die Einwohnerzahl durch Neubauprojekte und Nachverdichtung weiter steigen.
  • Die demografische Entwicklung ist ebenfalls eine andere. Im Saarland fehlt es insbesondere an jungen Menschen, was sich beispielsweise in sinkenden Schülerzahlen ausdrückt. Wiesbaden, Mainz und Umgebung haben aber steigende Einwohnerzahlen und der Trend zeigt im Gegensatz zum Saarland ein weiteres Wachstum. Der Bau neuer Schulen zur Bewältigung der Schülerzahlen ist in Diskussion.
  • Die Saarbahn führt auf der Strecke nach Lebach durch dünn besiedeltes Gebiet mit wenig Fahrgastpotential. So sind beispielsweise im Ortsteil Heusweiler-Eiweiler drei Haltestellen angelegt – für nichtmal 2.500 Einwohner. Die CityBahn hingegen führt durch die am dichtest besiedelten Stadtteile Wiesbadens. Im Umland sind in den Städten Taunusstein und Bad Schwalbach zentrale Haltestellen geplant. Das bestehende Bussystem ist in der Stadt dem Ansturm nicht mehr gewachsen und im Umland ungenügend.
  • Die Saarbahn schließt nördlich von Saarbrücken Gemeinden und Stadtteile mit zusammen knapp 20.000 Anwohnern an und braucht dafür an 21 Stationen auf 19 Kilometern. Wiesbaden-Biebrich hat doppel soviele Einwohner.
  • Anders als bei der Saarbahn soll keine Infrastruktur der Deutschen Bahn genutzt werden. Im Gegensatz zur Saarbahn fallen also für die CityBahn keine Trassen- und Stationsgebühren an. Das Geld kann für andere Zwecke genutzt werden. Die Sauberkeit und der Betrieb der Haltestellen liegt in der Verantwortung der Stadt.
  • Die CityBahn führt nicht nur durch Wohngebiete und die Innenstadt, sondern auch zu anderen wichtigen „Points of Interests“ wie in Mainz-Amöneburg das Kalle-Gelände oder die Hochschulstandorte in Wiesbaden und Mainz. Das schafft im Vergleich zur Saarbahn ein größeres Fahrgastpotenzial – so ist die Universität von Saarbrücken mit seinen 17.000 Studenten beispielsweise nicht an die Saarbahn angeschlossen.
Verlauf der Saarbahn (orange) durch die Vielzahl an Tarifwaben. (Aus: https://saarvv.de/wp-content/uploads/2016/01/Wabenplan-2019.pdf)
  • Für den Bau der CityBahn werden keine aufwendige Bauten wie Tunnel oder Viadukte benötigt, wie sie beispielsweise der Norderweiterung der Saarbahn zu den höheren Kosten führten.
  • Das in Saarbrücken und Umgebung oft diskutierte Preiswaben-Problem der Saarbahn ist bei der CityBahn weitaus geringer. Denn Wiesbaden und Mainz sind bereits ein gemeinsames Tarifgebiet. Hierbei möchten wir den RMV aber auf die Möglichkeit hinweisen analog zur Preisreform in Frankfurt ähnliche Maßnahmen für Mainz, Wiesbaden und Umgebung zu ergreifen, um Preissprünge zwischen einzelnen Orten zu mildern.

Personalprobleme und mangelnde Zuverlässigkeit

Roland Lattwein, Autor der oben angeführten Studie, veröffentlichte nur wenige Monate zuvor eine weitere Analyse mit dem Titel: Sozialer Kahlschlag bringt Saarbahn ins Schleudern. Hintergrund ist hier ein beispielloser Sozialabbau und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Saarbahn-Mitarbeiter in den 2010er Jahren. Getrieben von einer Privatisierungs-Idee sanken die Löhne und stiegen die Arbeitszeiten. Die Folge: Exorbitanter Krankenstand bei den Mitarbeitern, Saarbahn-Lokführer wechseln zur besser zahlenden DB. In Folge leiden 16 von 42 Buslinien leiden unter massiven Einschränkungen, jeder zehnte Buskilometer fällt aus. Die Saarbahn verkehrte ab Oktober 2018 nur nach einem Notfahrplan. Hinzu kamen versteckte Preiserhöhungen und Verschlechterungen im Service – mit Konsequenzen: 2016 beförderte die Saarbahn GmbH 1,4 Millionen Fahrgäste weniger als drei Jahre zuvor.

Den 320 Bus- und Bahnfahrern der Saarbahn schlagen Privatisierungskeule und Lohnkürzungen auf Leistungswillen, Motivation und Gesundheit. Zeitweise fallen 20 Prozent aus. Heilloses Durcheinander herrscht bei den Einsatz- und Fahrplänen. 

Roland Lattwein: Sozialer Kahlschlag bringt Saarbahn ins Schleudern
Die Station Rilchingen-Hanweiler in Kleinblittersdorf. (Bild: Amber16, Bahnhof Hanweiler – Bad Rilchingen Saarland 01, CC BY-SA 4.0)

2017 gründete die Saarbahn GmbH die neue Tochter Saarbus GmbH. Ziel: Ein Busbetrieb auf privatwirtschaftlicher Basis – mit der Folge weiterer Lohnabsenkungen für das Fahrpersonal. Dass derartige Experimente für einen Großstadt-ÖPNV nicht taugen, hat Wiesbaden mit seiner WiBus GmbH leidlich erfahren müssen. Wiesbaden hat daraus gelernt – hoffentlich lernt Saarbrücken ebenfalls. Ansonsten drohen weitere Verschlechterungen in Zuverlässigkeit, Service und damit schließlich weiter sinkende Fahrgastzahlen.

Fazit

Es zeigt sich: Ein Vergleich zwischen den beiden Verkehrsprojekten ist nicht zielführend. Die in Saarbrücken getroffenen Maßnahmen können und müssen kritisch betrachtet werden. Jedoch können die Erkenntnisse aus dem Saarland nicht auf das CityBahn-Projekt übertragen werden, da allein die baulichen und demografischen Voraussetzungen sehr unterschiedlich sind. Wiesbaden und Mainz liegen in einer wirtschaftlichen Wachstumsregion, welche den Ansprüchen der Zukunft gerecht werden muss. Dafür braucht es die leistungsfähige CityBahn, die Mainz und Wiesbaden verbindet und so für die Zukunft stärkt. Eine ähnliche effiziente und attraktive Alternative ist nicht in Sicht.

Weiterlesen

Quellen

Quellen
1 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Markus Tressel et al. (Bündnis90/Die Grünen). http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/063/1906305.pdf

Biebricher Allee und die Bäume

Update 2020: Die dargestellten Informationen basieren auf den Planungsunterlagen aus dem April 2019. Wir arbeiten an einer zeitnahen Aktualisierung 🙂

Wenige Themen stoßen im Rahmen der CityBahn-Diskussion auf derart emotionale Reaktionen wie die geplante Streckenführung über die Biebricher Allee und die Folgen für deren Baumbestand. Da wundert es auch nicht, dass hier besonders Ängste geschürt werden und Falschinformationen im Umlauf sind.

Zeit also, einen Blick auf die aktuelle Planung zur Biebricher Allee zu werfen. Die öffentlich einsehbaren Planungsunterlagen stammen aus dem April 2018 – ein neuerer Stand für diesen Abschnitt wird voraussichtlich im Laufe der nächsten Wochen im Rahmen der öffentlichen Informationsveranstaltungen präsentiert. Wir werfen einen Blick auf die verfügbaren Unterlagen für die Biebricher Allee – wohl wissend, dass in naher Zukunft im Rahmen der Fachinformationsveranstaltung aktuellere Pläne veröffentlicht werden. Für einen ersten Blick und die Erklärung, wie die Haltestellengestaltung und der Baumbestand zusammenhängt.

Die Planungsunterlagen der CityBahn sind mit dem Stand 04. April 2018 online abrufbar. (Die Unterlagen selbst findet ihr hier: Link) Auf 23 einzelnen Lageplänen lässt sich hier der gesamte Verlauf der geplanten CityBahn von Mainz bis zur Hochschule nachvollziehen. Auch die Konzepte über die Anordnung des Straßenraumes und der Haltestellen sind enthalten – inklusive der Maße. Doch Vorsicht: Die Unterlagen sind nun mehrere Monate alt, seitdem hat sich einiges verändert. So wurden Ende Februar neue Unterlagen für den Abschnitt Hauptbahnhof – Hochschule präsentiert – gegenüber dem April-Planungsstand hat sich einiges getan. So wurde zum Beispiel eine zusätzliche Haltestelle eingeplant.

Wo sind die Haltestellen?

Planungsunterlagen der CityBahn, April 2018. Hier ein Ausschnitt der Biebricher Allee auf Höhe Heiligenbornstraße (oben) und Babelstraße (unten). Zu sehen ist sowohl der geplante CityBahn-Bahnkörper (rot), die geplante Straßenführung und auch die Bäume (graue Kreise). Die Maßangaben (schwarz) zeigen Breiten und Abstände an.
(Quelle: www.citybahn-verbindet.de)

Die CityBahn soll auf der Biebricher Allee – wie an den meisten anderen Strecken auch – auf einem besonderen Bahnkörper fahren. Was das genau bedeutet und welche Vorteile und Chancen sich daraus auch für die Anwohner der Biebricher Allee ergeben, haben wir in einem separaten Artikel dargestellt.

Die Unterlagen sehen (Stnd 04/2018) auf der Biebricher Allee drei Haltestellen vor: Eine im Bereich der Fischerstraße, eine an der Ecke Biebricher Allee/2. Ring und eine dritte auf Höhe der Rudolf-Voigt-Straße. (Das heißt übrigens nicht, dass die heutigen Bushaltestellen entfallen – doch dazu ebenfalls in einem separaten Artikel mehr).

Was zum Zeitpunkt der Erstellung der Pläne noch nicht feststand, ist die konkrete Ausgestaltung der Haltestellen. Die Kernfrage ist hier: Wo genau liegen die Bahnsteige? Die zwei prinzipiellen Möglichkeiten Mittellage und Randlage haben beide Vor- und Nachteile sowie direkte Auswirkungen auf Verkehrsführung und Baumbestand. In den Unterlagen selbst sind beide Varianten zu finden – wir schauen uns beide im Detail an.

Bahnsteige in Mittellage

Planungsunterlagen der CityBahn, Stand: April 2018. Hier ein Ausschnitt der Biebricher Allee Ecke 2. Ring. Zu sehen ist ist die angedachte Haltestelle „Heuss-Ring/Sportpark“ mit Bahnsteigen in Mittellage.
(Quelle: www.citybahn-verbindet.de)

Die Haltestelle „Theodor Heuss Ring“ ist in den Unterlagen exemplarisch in Mittellage dargestellt. Das heißt: Die Bahnsteige sind direkt an den CityBahn-Gleisen – die vorbeiführende Straße für den übrigen Verkehr wird außen herum geschwenkt.

Der Vorteil dieser Lage sind die im Vergleich geringeren Auswirkungen auf den Autoverkehr. Die Fahrgäste der CityBahn können den Bahnsteig dann per Ampel oder Zebrastreifen erreichen. Auch können Fahrgäste aussteigen, ohne direkt auf der Fahrbahn zu stehen und damit den Autoverkehr zu kreuzen.

Der Nachteil dieser Variante wird auf obiger Darstellung offenbar: Die Straße wird insgesamt breiter. Im Bereich der Rechtsabbiegerspur auf den Ring und unterhalb der Haltestelle schneidet die Straße dadurch die grauen Kreise – also die Bäume. Diese Bäume würden dann gefällt.

Bahnsteige in Seitenlage

Planungsunterlagen der CityBahn, Stand: April 2018. Zu sehen ist ist die angedachte Haltestelle „Rudolf-Vogt-Straße“ mit Bahnsteigen in Seitenlage.
(Quelle: www.citybahn-verbindet.de)

Dem gegenüber steht eine Ausführung in Seitenlage. Heißt: In der Mitte die Gleise, dann die Straße, dann der Bahnsteig mit den Wartebereichen. Die Fahrgäste warten hier also zwischen den Bäumen, die Haltestellen werden entsprechend gepflastert. Fährt eine CityBahn ein, müssen allerdings die Autos zurückgehalten werden, idealerweise per Ampel. Schließlich steigen die Fahrgäste direkt auf der Fahrbahn aus.

Die Bäume allerdings bleiben stehen – denn warten kann man auch unter den Bäumen. Für Häuschen und Bänke gibt es schließlich genug Platz.

Gegenüberstellung der verschiedenen Varianten am Beispiel der Haltestelle „Theodor-Heuss-Ring“. Links: Mittellage aus den Planungsunterlagen, Mitte: Mittellage (schematisch). Rechts: Seitenlage (schematisch).
(Mitte & Rechts: eigene Darstellungen auf Basis geoportal.wiesbaden.de) Es fehlt die schematische Darstellen eines Bahnsteiges mittig zwischen den Gleisen. Da hier sowohl Gleise als auch Straße nach außen geschwenkt werden müssen, ist der Platzbedarf größer als in den anderen Varianten.

Im direkten Vergleich werden die Unterschiede besser ersichtlich – hier am Beispiel der Haltestelle am Theodor-Heuss-Ring. Links ist der Ausschnitt aus den offiziellen Planungsunterlagen. Mitte und rechts die Haltestelle in schematischer Darstellung; die CityBahn-Gleise als grüne Linie, die Autofahrspuren als blaue Linie. Der Wartebereich als braune Box.

In der Mittellage (mittlere Darstellung) werden die Straßen nach außen verschwenkt – die rot markierten Bäume müssten dafür weichen. In Randlage können die Bäume (grün) bleiben.

Die Planer schlagen Haltestellen in Mittellage vor, sodass nur an den drei Haltestellen auf der Allee weniger als zehn bis fünfzehn Prozent der Bäume weichen und an anderer Stelle in Wiesbaden wieder gepflanzt werden müssten.

Aus: CityBahn Dialog & Planung

Die Planer favorisierten zunächst die Mittellage, da diese aus oben genannten Gründen weniger direkte Auswirkungen auf den Autoverkehr hat. Die Bürgerbeteiligung favorisiert allerdings klar die zweite Variante.

Für den Streckenverlauf über die Biebricher Allee forderten die Bürgerinnen und Bürger im Dialog eine Lösung, die den Baumbestand schont und den Alleecharakter der Straße bewahrt.

Aus: CityBahn Dialog & Planung

Mehr oder weniger Ampeln?

In beiden Varianten – Mittellage und Seitenlage – müssen die Fahrgäste irgendwann die Fahrbahn der Autos kreuzen, um zur Straßenbahn zu kommen. Der Unterschied ist nur der Zeitpunkt.

Liegen die Wartebereiche in Seitenlage, muss der Autoverkehr bei jeder haltenden CityBahn angehalten werden. Ob es dadurch deutlich mehr Ampeln auf der Biebricher Allee gibt, darf allerdings bezweifelt werden. So liegen die Haltestellen Fischerstraße und Heuss-Ring dort, wo heute bereits Ampeln stehen. Diese gilt es dann nur intelligenter zu takten.

Liegen die Wartebereiche in der Mitte, kann der Autoverkehr erst einmal unbeeindruckt weiterfließen, wenn eine Bahn hält. Die Fahrgäste können zeitversetzt über die Straße geführt werden. Wegen der Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h kommt dafür eigentlich nur eine Ampelschaltung in Frage. Mit einer intelligenten Schaltung kann hier aber darauf Wert gelegt werden, dass der Verkehrsfluss möglichst wenig beeinflusst wird.

Lediglich im Bereich der angedachten Haltestelle Rudolf-Vogt-Straße (auf Höhe von REWE) stehen heute keine Ampeln, hier kämen in beiden Fällen also welche hinzu. Das eröffnet allerdings auch eine neue Chance: Mit einer Ampel entstünde hier eine neue Kreuzungsmöglichkeit für Fußgänger, die zu REWE oder zur Apotheke wollen. Heute müssen sie entweder zur Haltestelle Gottfried-Kinkel-Straße oder zum Landesdenkmal, um die Biebricher Allee sicher zu kreuzen.

Uneindeutige Unterlagen sorgen für wenig Klarheit

Illustration der Biebricher Allee mit CityBahn. Zu sehen hier die Haltestelle in Randlage (zwischen den Bäumen). Die Straße führt hier zwischen Wartebereich und Bahn durch und wird für die Barrierefreiheit leicht angehoben. So kann es aussehen.
(Bild: Klaus Trommer)

Ein Teil der kursierenden Fehlinformationen und Ängste ist vermutlich auch den nicht ganz eindeutigen und einheitlichen Veröffentlichungen der CityBahn GmbH geschuldet. Die Varianten und Favoriten haben sich im Laufe der Monate verändert; die veröffentlichten Unterlagen wurden nicht immer angepasst. So heißt es zum Beispiel in der Zusammenfassung des Bürgerdialogs:


Für die Biebricher Allee schlagen die Planer beispielsweise Haltestellen in Mittellage vor, sodass nur an den drei Haltestellen auf der Allee weniger als zehn bis fünfzehn Prozent der Bäume weichen und an anderer Stelle in Wiesbaden wieder eingepflanzt werden müssten.

Aus: CityBahn Dialog & Planung

Direkt darunter findet sich dann eine Darstellung der Bahnsteige in Seitenlage. Und obgleich die Bürgerbeteiligung ein klares Votum für die Seitenlage abgab, kursieren die „zehn bis fünfzehn Prozent der Bäume“ weiter – obwohl diese Angabe ja eben nur bei einer Ausgestaltung in Mittellage stimmt.

https://vimeo.com/315249175

Welche Bedeutung haben Bäume für die Stadt und sind neue Straßenbahnen vereinbar mit alten Baumbeständen? Ein Baum- und ein Verkehrsexperte vom BUND Naturschutz Berlin zum Thema Bäume und Straßenbahn.

Fazit: Wie viele Bäume sind es denn nun?

Als Zusammenfassung der vorigen Ausführungen lässt sich sagen: Wir wissen bald mehr. Denn die 10-15% der Bäume müssten dann weichen, wenn die Bahnsteige mittig gebaut werden. Klares Votum der Bürgerbeteiligung und auch unser Favorit ist die Ausführung in Seitenlage. Dann blieben diese Bäume stehen. Die Entscheidung – „Bäume erhalten“ oder „Autoverkehr leicht verbessern“ – ist aus unserer Sicht übrigens eindeutig.

Es gibt zwei kleine „Aber“: Erstens stehen sowohl am Anfang der Biebricher Allee (Höhe Fischerstraße) als auch am Ende (Höhe Wingertstraße) einzelne Bäume in der Straßenmitte. Auf Höhe Fischerstraße sind es zehn, auf Höhe Wingertstraße vierzehn. Ob die Bahn an diesen vorbeifahren kann, müsste nochmal gemessen werden. In den Planungsunterlagen sind diese Bäume jedoch für die Bahn entfernt – vermutlich, um die Biebricher Allee in diesen Abschnitten auch mit der CityBahn vierspurig zu erhalten. Das Erscheinungsbild der Biebricher Allee wird durch diese Bäume allerdings nicht geprägt.

Das zweite Aber betrifft das Wurzelwerk: Im Herbst 2018 wurde das Wurzelwerk untersucht – sowohl auf der Biebricher Allee als auch auf der Rheinstraße wurden sogenannte Wurzelsuchgräben gegraben. Zwar sollten die Ergebnisse der Untersuchung im Laufe des Herbsts veröffentlicht werden – sie liegen aber noch nicht vor. Hier kann es durchaus passieren, dass in Einzelfällen Wurzelwerk derart ungünstig gewachsen ist, dass es entfernt werden muss.

Auswirkungen auf die Barrierefreiheit

Gut auch zu sehen die Anordnung Wartebereich – Straße – Bahn (Freiburg). Durch die erhöhte Führung der Straße ist dennoch ein barrierefreies Ein- und Aussteigen möglich.
(Straßenbahn Freiburg im Breisgau – CAF Urbos flickr photo by RicardCodina shared under a Creative Commons (BY-NC-SA) license)

Beide Varianten – Mittel- und Seitenlage – lassen sich übrigens barrierefrei ausführen. In der Mittellage fährt die Bahn einfach zentimetergenau an den Bahnsteig. In Seitenlage müssen sich dafür Straße und Einstiegshöhe der Bahn auf derselben Höhe befinden – auch das ist kein Problem, wie das Beispielfoto aus Freiburg zeigt. Ob dafür die Straße erhöht oder die Trasse der Bahn abgesenkt wird, bleibt abzuwägen. Der Effekt ist derselbe.

Exkurs: Vor- und Nachteile von Mittel- und Seitenlage der Gleise

Klassische Seitenlage.
Der aktuelle Planungsstand für die Biebricher Allee: Die Gleise laufen in Mittellage
Auch eine Variante: Die Gleise laufen in gespreizter Lage.

Neben der Frage, ob die Bahnsteige der CityBahn in der Biebricher Allee in Mittel- oder Seitenlage liegen, lässt sich diese Frage auch für die Gleise generell stellen. Die allgemeinen Möglichkeiten Mittellage, Seitenlage und gespreizte Lage sind oben schematisch dargestellt. Alle Varianten haben ihre eigenen Vor- und Nachteile – dennoch sind einige deutlich häufiger anzutreffen; die gespreizte Lage hingegen fast nie. Bestimmende Rahmenbedigungen sind hier hauptsächlich die Bewertung des Unfallrisikos, der zur Verfügung stehende Platz, der Verkehrsfluss der verschiedenen Teilnehmer und die Stadtgestaltung.

Direkte Auswirkung hat die Gestaltung für den Fahrgastwechsel – denn in der gespreizten Lage fährt die Straßenbahn in jede Richtung am Straßenrand, ein Kreuzen der Straße durch die Fahrgäste daher nicht notwendig. In Mittellage kreuzen die Personen immer eine Auto-Fahrspur; in Seitenlage zumindest von einer Seite. Die gespreizte Lage hat allerdings den Nachteil, dass hier die möglichen Beeinträchtigungen der Straßenbahn durch abbiegenden MIV, liegengebliebene oder ’nur mal eben haltende‘ Fahrzeuge und Lieferverkehr am größten sind.1vgl. U. Vismann (2015) in: Bautechnische Zahlentafeln, S. 1313. Gleichzeitig ist in den Varianten, in denen beide Autospuren direkt nebeneinander verlaufen (Seiten- und gespreizte Lage) der MIV weniger anfällig für Pannenfahrzeuge: diese lassen sich dann durch Ausweichen in die Gegenfahrbahn umfahren.

Zum Unfallrisiko der Varianten

Unfallrisiken bestehen vor allem dann, wenn sich die Wege verschiedener Verkehrsteilnehmer kreuzen. An Kreuzungen entstehen dort, wo sich die möglichen Pfade Kreuzen oder ineinander münden Konfliktpunkte. Je nach Ausgestaltung der Kreuzung sind dies mal mehr, mal weniger – deshalb ist ein Kreisverkehr in der Regel auf sicherer als eine normale Kreuzung. Faustformel ist hier: Je weniger Konfliktpunkte, desto sicherer die Kreuzung für die Verkehrsteilnehmer.2Neben der bloßen Anzahl der Konfliktpunkte spielen natürlich auch andere Faktoren wir die Anzahl an Fahrzeugen, deren Geschwindigkeit, deren Fahrtrichtung, Sichtverhältnisse, (…) eine Rolle. Je nach dem, ob die Gleise der Straßenbahn nun mittig, seitlich oder gespreizt liegen, entstehen mehr oder weniger Konfliktpunkte – die denkbaren Varianten sind hier schematisch dargestellt. Für die Biebricher Allee sind vor allem die Einmündungen in die Anliegerstraßen interessant, da an größeren Kreuzungen auch heute schon per Ampel gesteuert wird.

Die Fahrpuren (Auto) sind in schwarz dargestellt, die CityBahn blau und die Konfliktpunkte in rot.

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Bild 1: Normale T-Kreuzung, wie sie heute beispielswese die Einmündungen in die Anwohnerstraßen darstellen.

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Bild 2: T-Kreuzung mit CityBahn-Gleisen in gespreizter Lage.

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Bild 3: T-Kreuzung mit CityBahn-Gleisen in Mittellage. Die linke Variante (ohne Linksabbieger) lässt einen durchgehenden, besonderen Bahnkörper zu.

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Bild 4: T-Kreuzung mit CityBahn-Gleisen in Seitenlage. Die Kreuzung geht auf der Auto-Seite der Straße ab, berührt die Gleise also nicht.

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Bild 5: T-Kreuzung mit CityBahn-Gleisen in Seitenlage. Die Kreuzung geht auf der Bahn-Seite der Straße ab, berührt die Gleise also beide Gleise. Beim Abbiegen muss auf Bahnen in beide Fahrtrichtungen geachtet werden.

Aus den schematischen Darstellungen lassen sich schon einige Aussagen über Unfallrisiken ableiten. Bei Gleisen in gespreizter Lage werden, egal in welcher Konstellation, immer Bahngleise gekreuzt. Gleichzeitig ist hier aber die Fahrtrichtung klar – beim Einbiegen auf die Hauptstraße kommen Autos und Bahn aus derselben Richtung (von links). Beim Einbiegen in die Anliegerstraße muss lediglich auf die Bahn von hinten geachtet werden.

Gleise in Seitenlage bieten die Möglichkeit, dass zumindest eine Seite der Straße (die Bahn-abgewandte Seite) mit Kreuzungen ausgestattet werden kann, die die Gleise nicht berühren (Bild 4). Die Konfliktpunkte entsprechen hier denjenigen einer normale T-Kreuzung ohne Bahn. Auf der Gegenseite (Bild 5) müssen dafür beide Gleise gekreuzt werden. Führen die Gleise hingegen in Mittellage (Bild 2), gibt es entweder die wenigsten oder die meisten Konfliktpunkte: Je nach dem, ob Linksabbiegen erlaubt wird oder nicht.

Untersuchungen der Gesellschaft Deutscher Versicherer deuten darauf hin, dass die Unfallhäufigkeit an Straßen mit Trams in Mittellage signifikant höher ist als an Straßen mit Seitenlage.3https://www.gdv.de/de/medien/aktuell/unfallrisiko-strassenbahn-12002 Genannte Ursache ist hier eine für die anderen Teilnehmer unübersichtlichere Kreuzung. Daher empfiehlt die GDV für Kreuzungen hier

Das Wenden und Abbiegen von Kraftfahrzeugen ist möglichst eindeutig mit Ampeln zu sichern oder baulich bzw. verkehrstechnisch zu unterbinden. Straßenbahnen sollten an Ampelkreuzungen gesonderte Phasen erhalten, damit es zu keinen Konflikten mit Autofahrern kommt.

GDV: Unfall­ri­siko Stra­ßen­bahn

Zur Biebricher Allee

Oberste Planungsprämisse für die Biebricher Allee ist der Erhalt möglichst vieler Bäume.

C. Müller, Mailänder Consult

Die Planungen für die Biebricher Allee sehen eine Führung in Mitellage vor. Neben den oben genannten Vor- und Nachteilen hat diese Führung hier einen wesentlichen Grund: die Bäume. Denn in einer seitlichen Führung sind die Auswirkungen auf das Wurzelwerk deutlich größer; die in die Straße hineinragenden Äste müssten deutlich stärker beschnitten werden.

Weiterlesen

Hinweis: Wir legen bei unseren Artikeln Wert auf solide, objektive, nachvollziehbar gestaltete Texte. Daher findest Du auch eine Vielzahl an Quellenverweisen und Belegen, Grafiken, Fotos und Erörterungen – zuweilen auch wohlbegründete Schlussfolgerungen. Nichtsdestotrotz sind wir eine rein ehrenamtliche Truppe und haben auch keinen Zugriff auf geheime Quellen. Auch wir kennen nur das, was öffentlich ist, wir uns erarbeiten und recherchieren. Fehler sind also nicht ausgeschlossen. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, weitere wichtige Quellen kennst oder fachliche Fehler – her damit. Am besten per Mail oder unten in die Kommentare.

Änderungen dieses Artikels

Die Planung der CityBahn fließt – das heißt, dass sich Details, Rahmenbedingungen und Erkenntnisse ändern können. Auch sind wir in Recherche und Aufarbeitung natürlich nicht vor Fehlern gefeit. Wir arbeiten die neuen Erkenntnisse in die bestehenden Artikel ein – um dennoch transparent zu bleiben, findet ihr hier eine Übersicht über die Änderungen dieses Artikels.

  • 17. März 2019: Einarbeitung des Exkurses zur gespreizten, Mittel- und Seitenlage der Gleise.

Quellen

Quellen
1 vgl. U. Vismann (2015) in: Bautechnische Zahlentafeln, S. 1313
2 Neben der bloßen Anzahl der Konfliktpunkte spielen natürlich auch andere Faktoren wir die Anzahl an Fahrzeugen, deren Geschwindigkeit, deren Fahrtrichtung, Sichtverhältnisse, (…) eine Rolle.
3 https://www.gdv.de/de/medien/aktuell/unfallrisiko-strassenbahn-12002

14.200 Unterschriften für eine Stadtbahn in Wiesbaden

Pressemeldung vom 06. März 2019

Mittlerweile sind mehr als sechs Wochen vergangen, seit die beiden Anti-CityBahn-BIs ihre Unterschriftenaktionen gestartet haben. Vom selbst gesteckten Ziel, einen Bürgerentscheid zur Europawahl zu erzwingen, mussten sie sich zwischenzeitlich verabschieden, weil die dafür nötigen 6.300 Unterstützerstimmen eben doch nicht so schnell zusammenkamen. Was sicher auch daran liegt, dass sich die Gegner des Projekts nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen konnten.

Auch wenn zumindest eine der beiden Anti-Straßenbahn-BIs ihre Unterschriftensammlung zwischenzeitlich abgeschlossen hat, so sind sie weder die ersten noch die erfolgreichsten Initiativen in Sachen Nahverkehr in Wiesbaden.

Bereits 2001 sammelten engagierte Wiesbadenerinnen und Wiesbadener Unterschriften für ein Bürgerbegehren, dass die Fortführung des von der FDP blockierten Stadtbahn-Projektes zum Ziel hatte. Und obwohl die Frist in die ungünstigen Sommerferien geschoben wurde, kamen innerhalb von nur sechs Wochen 14.200 Unterschriften für eine Stadtbahn in Wiesbaden zusammen.

14.200 Unterstützerstimmen – das sind mehr als doppelt so viele, wie heute für die Einleitung eines Bürgerentscheids nötig sind. Und es waren auch deutlich mehr Menschen als in der Kommunalwahl 2001 für die FDP gestimmt hatten, welche sich als einzige Partei gegen eine Stadtbahn aussprach und dann in der neuen Koalition mit der CDU einen Abbruch des Projekts durchsetzte.

Dass es 2001 dennoch nicht zu einem Bürgerentscheid für die Stadtbahn kam, lag einzig daran, dass das Gesetz damals mehr als dreimal so hohe Anforderungen an ein Bürgerbegehren stellte wie heute und das Taktieren der Gegner die Mobilisierung von noch mehr Menschen erschwerte. Hätten damals dieselben gesetzlichen Vorschriften gegolten wie heute, könnten wir möglicherweise schon seit über einem Jahrzehnt ein gut funktionierendes Tramnetz in unserer Stadt haben.

Wie in Wiesbaden bisher der Bau eines Tram-Netzes verhindert wurde

Auch wenn heute einige das Gegenteil behaupten, gab es in Wiesbaden nie einen Entscheid der Bürger über die Abschaffung oder die Wiedereinführung einer Straßenbahn. Als in den autofixierten 50ern die alte Wiesbadener Straßenbahn abgeschafft wurde, wurden die Bürger genauso wenig gefragt, wie in den 2000ern, als gleich zwei Anläufe zum Aufbau eines neuen Tramnetzes Opfer politischer Taktierereien wurden.

Im Jahr 2001 hatten ironischerweise gerade die politischen Vorgänger derjenigen, die heute so vehement einen Bürgerentscheid fordern, offensichtlich kein Interesse an einem echten Bürgerentscheid: Die FDP hatte zur damaligen Kommunalwahl ganz auf eine Angstkampagne gegen die Stadtbahn gesetzt, und ein Ende des Projekts in den folgenden Koalitionsverhandlungen zur Bedingung gemacht. Obgleich die FDP bei der Wahl gerade mal 12% der Stimmen erlangte, konnte Sie so ihre Ansicht durchsetzen – obwohl alle anderen Parteien (damals wie heute) dem Projekt aufgeschlossen und positiv gegenüberstanden.

Ein Versuch engagierter Bürger, einen Projektabbruch doch noch kurzfristig zu verhindern, scheiterte an den damals deutlich höheren Anforderungen an Bürgerbegehren und dem ungünstigen Termin während der Sommerferien.

Die FDP versprach nach der Kommunalwahl 2001 für den ÖPNV den “großen Wurf” – nachzulesen im Wiesbadener Kurier vom 05. Mai 2001. In den folgenden fünf Jahren solle “richtig was passieren”, beteuerte der damalige verkehrspolitische Sprecher der FDP, Ulrich Winkelmann. Und obwohl die FDP in den folgenden zehn Jahren mit Joachim Pös den Verkehrsdezernenten stellte, blieb es bei blumigen Ankündigungen. Nennenswerte Verbesserungen im ÖPNV: Fehlanzeige.

Und so fand das Vorhaben einer Stadtbahn mit der Wahl 2011 wieder seinen Weg auf die kommunalpolitische Agenda – mit breiter Unterstützung aller Parteien außer der FDP. Diesmal war es der ehemalige FDP-Stadtverordnete Florian Rentsch, der 2013 als hessischer Wirtschafts- und Verkehrsminister das Projekt handstreichartig zu Fall brachte.

Dass eine Großstadt wie Wiesbaden heute noch mit einem reinen Bus-ÖPNV rumwursteln muss, ist also nicht das Ergebnis einer bewussten Entscheidung seiner Bürger, sondern das Ergebnis des politischen Taktierens einer Anti-Straßenbahn-Lobby-Gruppe. Eine Gruppe, die jedoch nie eine Mehrheit an der Wahlurne erreichte. Und dass sich ausgerechnet eine Partei, die die Straßenbahn Wiesbaden zwei Mal verhinderte, jetzt – wo sie nicht mehr in einer Regierungsverantwortung steht – plötzlich auf basisdemokratische Werte besinnt und die populistischen Versuche zweier Anti-Straßenbahn-Initiativen unterstützt, ist ein durchschaubar Versuch, eine Straßenbahn erneut zu verhindern.

Wiesbaden braucht einen besseren Nahverkehr – jetzt!

Wiesbaden hat seine Verkehrsprobleme viel zu lange vor sich hergeschoben und sich mangels besserer Alternativen immer mehr Autos, Stau und Parkplatzprobleme eingehandelt. Während viele andere deutsche Großstädte kontinuierlich ihren ÖPNV ausgebaut haben, hat man hier dessen Stagnation betrieben. Während auch von Wiesbadener Steuergeldern in anderen Städten neue Tram-Trassen gebaut wurden, beschäftigte man sich hier lieber mit neoliberalen Rationalisierungs-Spielchen, wie der Wibus.

Gerade diejenigen, die damals wie heute verbittert eine Straßenbahn bekämpfen, hätten mehr als ein Jahrzehnt die Mittel und die Zeit gehabt, die angeblichen Alternativen zu entwickeln, die sie heute wieder von anderen fordern. Dass sie dies unterlassen haben, belegt entweder dass es diese “Alternativen” gar nicht gibt, oder das man trotz aller Lippenbekenntnisse überhaupt kein Interesse an einem stärkeren und attraktiven ÖPNV hat.

Angesichts von wachsender Bevölkerung und wachsender Mobilität, Schadstoffproblemen und Klimawandel kann sich Wiesbaden eine weitere Blockade nicht länger leisten. Die Zeit zum Handeln ist jetzt!

Die CityBahn ist der realistischste und durchdachteste Vorschlag zum ÖPNV-Ausbau, der aktuell auf dem Tisch liegt. Und wir von der BI ProCityBahn tun unser Bestes, dieses Projekt konstruktiv im Sinne unserer Stadt mitzugestalten und dabei zu helfen, dass die Wünsche und Bedürfnisse möglichst vieler Menschen in diese Planungen einfließen.

Diejenigen, die das Projekt CityBahn (aus welchen Gründen auch immer) ablehnen, sehen wir in der Pflicht, selbst einen ebenso realistischen Vorschlag zur Weiterentwicklung des ÖPNVs vorzulegen. Konstruktives Handeln würde uns viel weiter bringen als Fundamentalopposition. Und die Zeit, die man jetzt in rechtlich fragwürdige, inhaltliche einseitige, zeitlich übereilte und von der Zielsetzung her destruktive Bürgerbegehren gesteckt hat, hätte man (z.B. im Rahmen eines Mobilitätsleitbildes) besser in die Entwicklung eigener konstruktiver Vorschläge investieren können.

Die Bürgerinnen und Bürger nach einer Entscheidung zu fragen, macht nur dann Sinn, wenn Sie eine echte Wahl zwischen konkreten Lösungsoptionen haben und möglichst umfassend über deren Ziele und Konsequenzen informiert sind. Ein Einfach-weiter-wurschteln wie 2001 und 2013 kann angesichts der heutigen Herausforderungen keine Option mehr sein.

Weitere Informationen

Informationen zum Bürgerbegehren 2001 finden Sie unter http://stadtbahn-ja.de/ sowie im Archiv der Wiesbadener Tageszeitungen. Bei Bedarf gewähren wir Ihnen gerne Einsicht in die uns vorliegenden Zeitungsausschnitte. Aus urheberrechtlichen Gründen können wir diese leider nicht mit dieser PM versenden.

Pressemitteilung zur Anfrage beim Rechtsamt

Pressemitteilung Anfrage Rechtsamt vom 27. Februar 2019

Mit Interesse verfolgen wir die Diskussion über die rechtliche Zulässigkeit beiden Bürgerbegehren, die gerade gegen das Projekt CityBahn laufen. Etliche der geäußerten Zweifel decken sich mit den Bedenken, die wir u.a. in unserer Stellungnahmen zum Start dieser Bürgerbegehren geäußert hatten: (Link zur Pressemitteilung)

Seitens der Initiatoren wurde wiederholt der Eindruck erweckt wurde, dass der Text Ihres Begehrens bereits vorab vom Rechtsamt der Stadt Wiesbaden für zulässig erklärt worden sei – wofür aber bis heute kein Beleg vorgelegt wurde.

Wir halten es für problematisch, Menschen für ein Begehren zu mobilisieren, das aus rechtlicher Sicht möglicherweise deutlich fragwürdiger ist, als es die Initiatoren darstellen. Daher haben wir uns entschieden, das Rechtsamt heute um eine Klärung dieses Sachverhaltes zu bitten. Wir werden Sie informieren, sobald uns eine Antwort auf diese Anfrage vorliegt.

Hier nun unser Schreiben an das Rechtsamt der Stadt Wiesbaden:


Betreff: Anfrage zum Ergebnis einer etwaigen rechtlichen Vorprüfung der aktuell stattfinden Bürgerbegehren zum Thema „CityBahn“

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der Wiesbadener Öffentlichkeit wird derzeit kontrovers diskutiert, ob die aktuell stattfindenden Bürgerbegehren zum Thema “CityBahn” den gesetzlichen Vorgaben entsprechen und im Erfolgsfall zu einem regelkonformen Bürgerentscheid führen würden.

Da hierzu unterschiedliche Behauptungen im Raum stehen, würden wir gerne kurzfristig den folgenden Sachverhalt klären:

Zumindest die Vertrauenspersonen eines der Bürgerbegehren hat wiederholt öffentlich behauptet, dass das Bürgerbegehren vorab vom Rechtsamt geprüft und für zulässig befunden worden sei. Belastbare Belege (wie z.B. ein entsprechendes Rechtsgutachten) wurden dazu jedoch auch nach mehreren Nachfragen nicht vorgelegt.

Um diese Unklarheiten zu beseitigen, möchten wir Sie um eine kurze Antwort auf folgende Fragen zum Ablauf und Ergebnis einer etwaigen Vorabprüfung des/der Bürgerbegehren(s) bitten:

  • Hat das Rechtsamt der Stadt Wiesbaden in der Vergangenheit eines der Bürgerbegehren im heute vorliegenden Wortlaut (s.u.) geprüft? Und wenn ja, welches?
  • Gibt es ein Dokument, aus dem eindeutig hervorgeht, dass das Rechtsamt keinerlei Bedenken im Bezug auf die Rechtssicherheit des vorgelegten Textes hat? Wenn ja: können Sie dieses Dokument veröffentlichen?
  • Hat das Rechtsamt irgendwelche Vorbehalte bezüglich der Form oder des Inhalts der vorliegenden Bürgerbegehren geäußert? Wenn ja: welche?

Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns und der Öffentlichkeit möglichst zeitnah diese Fragen beantworten und so für etwas mehr Klarheit im Bezug auf die Rechtssicherheit der aktuell laufenden Bürgerbegehren sorgen könnten.

Anlagen:


Was kosten Taktverdichtungen?

  • Busse der ESWE kosten überschlägig 290.000 Euro – laufende Kosten, jedes Jahr.
  • Davon ausgehend ermitteln wir – ebenfalls überschlägig – die Betriebskosten einer einzelnen Linie (Linie 1) und anschließend einer Taktverdichtung (Linie 6).
  • Für den Betrieb der Linie 1 sind beispielsweise mindestens acht Busse notwendig. Gesamtkosten: 2,3 Millionen Euro jährlich. Eine Rückkehr zum 7,5-Minuten-Takt der Linie 6 kostet überschlägig zusätzliche 1,45 Millionen Euro jährlich.
  • Diese Kostensätze steigen (wahrscheinlich) durch den Umstieg auf Elektrobusse.

Dieser Artikel baut auf dem Vorgänger auf – in dem hergeleitet wird, was ein Bus pro Jahr kostet. Für Details dazu empfehlen wir einen Blick dorthin.

Wieviele Busse braucht eine Linie?

Die Frage, wie viele Busse zum Betrieb einer Linie benötigt werden, ist komplex – die Antwort hängt von der Taktzeit ab, der Fahrtstrecke, Aus- und Einrückzeiten, den Pausenzeiten der Busfahrer. Manche Busse gehen auch fließend von einer Linie auf die nächste über.

Wir werfen daher exemplarisch einen Blick auf die Linie 1. Neben ihrer Bekannheit hat die Linie hat mehrere Vorteile: Sie verkehrt tagsüber in einem durchgehenden Zehn-Minutentakt; sie hat mit Ausnahme der Nachtstunden außerdem keine Fahrten, die an abweichenden Haltestellen beginnen oder enden sowie eine übersichtliche Routenführung.

Zeit-Wege-Diagramm der Buslinie 1, Werktag im Herbst 2018.
Zeit-Wege-Diagramm (Bildfahrplan) der Buslinie 1 an einem Werktag im Herbst 2018.

Die Abbildung zeigt eine grafische Darstellung des Fahrplans der Linie 1. Links abgebildet die Haltestellen, oben der Zeitverlauf. Die schwarzen Linien sind jeweils die fahrenden Busse. Mit Hilfe solcher Darstellungen, auch Bildfahrplan genannt, lassen sich relativ einfach Fahrzeugumläufe zusammenstellen. Das setzt allerdings voraus, dass diese Pläne nicht allzu komplex werden – dafür gibt’s dann passende IT-Unterstützung. Der Plan der Linie 1 ist aber denkbar einfach.

Derselbe Bildfahrplan wie in der Abbildung zuvor. Der rot markierte Umlauf ist theoretisch von einem Bus abbildbar – damit wären insgesamt sechs Busse benötigt.

Dargestellt ist hier derselbe Bildfahrplan wie in der Abbildung zuvor. Die rot markierten Fahrten können theoretisch von einem einzelnen Fahrzeug gefahren werden. Mit einer derartigen Taktung ließe sich die Linie 1 mit insgesamt sechs Bussen fahren.

Aber: Der Fahrplan ist – so wie abgebildet – anfällig für Verspätungen. Denn sowohl am Dürerplatz als auch im Nerotal sind die Wendezeiten – also der Zeitraum zwischen Ankunft und Abfahrt – mit drei bzw. vier Minuten sehr eng gestrickt. Verspätungen, die gerade auf der Linie 1 omnipräsent sind, schleifen sich so den ganzen Tag lang durch.

Für einen robusteren Fahrplan werden so für die Linie 1 acht Busse benötigt – dann wären die Wendezeiten an den beiden Endhaltestellen mit 13 bzw. 14 Minuten deutlich praktikabler. Für die relativ kurze und relativ simple Linie 1 sind also bereits (mindestens) sechs, sinnvollerweise acht Busse eingespannt.

Acht Busse – das sind bei den oben erläuterten, laufenden Kosten pro Bus und Jahr Gesamtkosten von 2,3 Millionen Euro pro Jahr für den Betrieb einer relativ kurzen, simplen Buslinie.

Diese vereinfachte Herangehensweise lässt allerdings einige, wichtige Einflussfaktoren außer Acht: die vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten der Busfahrer sowie die Instandhaltungs- und Betriebsreserve – also diejenigen Ersatzbusse und -fahrer, die im Falle eines Problems kurzfristig einspringen oder Busse bei längeren Werkstattaufenthalten ‚vertreten‘.

Kosten einer Taktverdichtung

Zu Beginn: Bei der Berechnung der Kosten für eine Taktverdichtung gehen wir davon aus, dass dafür neue Busse gekauft und neue Fahrer angestellt werden müssen. Die Annahme mag kritikwürdig sein, ist aber in unseren Augen die sinnvollere. Denn bei einer Taktverdichtung sprechen wir naturgemäß von den Hauptverkehrszeiten – ein dichterer Takt 3 Uhr morgens macht verkehrlich zur Entlastung des Bussystems schließlich keinen Sinn. Wir reden also von mehr Bussen in der Phase, in der (abgesehen von der Instandhaltungs- und Betriebsreserve) bereits alle Busse unterwegs sind.

Hintergründe zur Linie 6

Ein oft gebrachter Vorschlag ist die Rückkehr der Linie 6 vom 10-Minuten-Takt zum 7,5-Minuten-Takt. Ab dem Herbst 2011 wurde der Takt der Linie von 10 auf 7,5 Minuten reduziert – statt stündlich sechs Bussen fuhren nun also acht zwischen Mainz und Wiesbaden.1http://www.wiesbadenaktuell.de/startseite/news-detail-view/article/buslinie-6-kommt-jetzt-alle-75-minuten.html.

Am 11. Dezember 2016 ging die Mainzelbahn in Betrieb und entlastete den stark beanspruchten Streckenabschnitt der Linie 6 zwischen dem Mainzer Hauptbahnhof und der Universität. In der Folge kehrte die Buslinie zu ihrem 10-Minuten-Takt zurück – der hochbelastete Abschnitt wurde ja durch die neue Tram entlastet.2https://www.eswe-verkehr.de/fileadmin/user_upload/Online_Broschuere_Aenderungen_FPW_A5_161122.pdf

Da die geplante CityBahn zumindest abschnittsweise dem Lauf der Buslinie 6 folgt, taucht als Alternativvorschlag immer wieder eine erneute Taktverdichtung der Linie 6 auf – wir berechnen daher im nächsten Abschnitt, was diese Option kosten würde.

Wie viele Busse sind notwendig?

Das überschlägige Verfahren ist dasselbe, wie es zuvor zur Linie 1 geschildert wurde. Zur Vereinfachung betrachten wir allerdings nur den Abschnitt von Wiesbaden-Nordfriedhof bis Mainz-Hartenberg. Die alle 20 Minuten fahrende Verlängerung nach Gonsenheim wird also ignoriert.

Die Fahrt vom Hartenberg zum Nordfriedhof dauert planmäßig 57 Minuten – in der Gegenrichtung ebenso. Mit minimalen Wendezeiten werden so bei einem 10-Minuten-Takt zwölf Busse benötigt. Zum Wenden hätte der Bus dann am Nordfriedhof 0 (!) Minuten, am Hartenberg 6 Minuten. Beide Werte sind auch angesichts der Länge der Linie utopisch – für einen halbwegs robusten 10-Minuten-Takt sind also mindestens 14 Busse notwendig. Damit lägen die Wendezeiten bei 10 bzw. 16 Minuten.

In einem Takt von 7,5 Minuten erhöht sich der Busbedarf in der Variante mit minimalen Wendezeiten auf 16 Busse. Bei halbwegs angemessenen Wendezeiten von 15 Minuten (Nordfriedhof) und 13,5 Minuten (Hartenberg) auf 19 Gelenkbusse.

Ausgehend von den (optimistisch geschätzten) 290.000 Euro laufenden kosten für jeden Gelenkbus beläuft sich diese Takterhöhung allein auf zusätzlichen 1,45 Millionen Euro jährlich – oder knapp 4.000 Euro, jeden Tag. Dichtere Takte sind allerdings ein endliches Spiel. Schon heute schaukeln sich die Verspätungen der Linie 6 über den Tagesverlauf gegenseitig auf, die Fahrzeuge kommen im Konvoi oder gar nicht. Wirklich zuverlässige Fahrtzeiten: Fehlanzeige.

Weiterführende Links

  • ESWE Verkehr-Geschäftsbericht der Jahre 2015, 2016 und 2017
  • weitere ESWE Verkehr-Geschäftsberichte (2008-2014)

Hinweis: Wir legen bei unseren Artikeln Wert auf solide, objektive, nachvollziehbar gestaltete Texte. Daher findest Du auch eine Vielzahl an Quellenverweisen und Belegen, Grafiken, Fotos und Erörterungen – zuweilen auch wohlbegründete Schlussfolgerungen. Nichtsdestotrotz sind wir eine rein ehrenamtliche Truppe und haben auch keinen Zugriff auf geheime Quellen. Auch wir kennen nur das, was öffentlich ist, wir uns erarbeiten und recherchieren. Fehler sind also nicht ausgeschlossen. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, weitere wichtige Quellen kennst oder fachliche Fehler – her damit. Am besten per Mail oder unten in die Kommentare.

Quellen

Quellen
1 http://www.wiesbadenaktuell.de/startseite/news-detail-view/article/buslinie-6-kommt-jetzt-alle-75-minuten.html
2 https://www.eswe-verkehr.de/fileadmin/user_upload/Online_Broschuere_Aenderungen_FPW_A5_161122.pdf

Was kostet ein Busbetrieb?

  • Im Bereich der Kostendeckung kann die ESWE durchaus mit anderen, deutschen Verkehrsunternehmen mithalten.
  • Mit Blick auf deren Effektivität sieht das Bild anders aus: Denn der ÖPNV-Anteil am Modal Split ist in Wiesbaden im Vergleich mit anderen Städten auf den hinteren Plätzen.
  • Auch der Betrieb eines Bussystems kostet Geld. Überschlägig verursacht jeder einzelne Bus zwischen 250.000 und 300.000 Euro laufende (!) Kosten jährlich.
  • Diese Kosten beziehen sich auf die heute fahrenden Dieselbusse. Mit Umstieg auf Elektrobusse werden diese Kosten pro Bus voraussichtlich weiter steigen.
  • Zwei Drittel der Kosten der ESWE sind Personalkosten. An diesem Kostenblock ändert ein Umstieg auf alternative Antriebe nichts.

Fahrt doch einfach mehr Busse – ein Vorschlag, der auf den ersten Blick charmant erscheint. Doch mehr Busse sind nicht nur technisch schwierig – Busstaus vor Haltestellen, nicht durchzuhaltende Takte, Verspätungen sind da nur einige Schlagworte. Mehr Busse können auch richtig ins Geld gehen. Um da ein Gefühl dafür zu bekommen, haben wir die ESWE-Geschäftsberichte mal im Detail aufgearbeitet.

Vorab: Dieser Artikel vereinfacht an einigen Stellen – es wird eine Bierdeckelkalkulation. Das ist (a) notwendig, weil wir keine Einsichten in ESWE-interne Zahlen haben und (b) hilfreich, da ein extrem komplexes Modell ohnehin die Verständlichkeit erschwert. Die vereinfachenden Annahmen (und deren Folgen) allerdings am Ende genannt. Mit denen im Hinterkopf gibt der Artikel dennoch einen guten Überblick, über wieviel Geld wir hier reden.

Wir starten mit ein paar grundlegenden Zahlen der ESWE Verkehr und gehen dann zu einer Berechnung über, die folgende Frage klärt: Wieviel kostet so ein Bus eigentlich im Jahr? Diese Frage ist kein Selbstzweck – daher folgt die exemplarische Darstellung, was eine komplette Buslinie im Betrieb kostet – und eine simple Taktverdichtung.

Über die Ausgaben der ESWE

Kostendeckung

Öffentlicher Nahverkehr ist ein betriebswirtschaftliches Zuschussgeschäft. Deutschlandweit sind die Verkehrsunternehmen auf Zuschüsse angewiesen – die Kosten, vor allem Personal und Fahrzeuge, übersteigen die Erlöse fast ausnahmslos. Durchschnittlich liegt der Kostendeckungsgrad der deutschen Verkehrsunternehmen bei 76,3% (2016)1https://www.vdv.de/vdv-statistik-2017.pdfx – von jedem Euro, der ausgegeben wird, erwirtschaften die Verkehrsbetriebe also 76,3 Cent durch Ticketeinnahmen und z.B. Werbung selbst. Die ESWE Verkehr lag 2016 mit 79,3% leicht darüber.

Die Kostendeckung der ESWE Verkehrs liegt, wenn man von den Jahresschwankungen absieht, gut im Durchschnitt aller deutschen Verkehrsunternehmen. Angesichts der Tatsache, dass Wiesbaden einen ziemlich geringen ÖPNV-Anteil am Modal Split hat, ist das allerdings keine Position, auf der sich die Stadt ausruhen kann. Hinzu kommt der Auftrag der Stadtverordnetenversammlung an die ESWE, vom Busbetreiber zum umfassenden Mobilitätsdienstleister zu werden. Die durchschnittliche Kostendeckung darf also nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Anforderungen an die ESWE steigen.

Kostenstruktur

Die Kostenstruktur der ESWE – wie auch aller anderen ÖPNV-Unternehmen – ist durch vier wesentliche Kostenblöcke getrieben: Personal, Material, Abschreibungen und Sonstiges. Für die ESWE wie für andere, reine Busunternehmen ist der Personalblock der mit Abstand größte: knapp zwei Drittel der Ausgaben der ESWE Verkehr sind Personalkosten.

Die Materialkosten sind von 2014 zu 2015 spürbar gesunken; die Personalkosten annähernd gleichermaßen gestiegen. Das ist die Folge der Verschmelzung der WiBus mbH mit der ESWE Verkehr. Das hatte tarifliche Anpassungen zu Folge, da die ehemaligen WiBus-Fahrer und die ESWE-Fahrer nun gleich bezahlt wurden. Zusätzlich fallen direkt angestellte Busfahrer in den Block Personalkosten, während die Rechnungen von Subunternehmen in den Material-Block fallen.

Für den Fahrbetrieb waren 2017 insgesamt 776 Busfahrer beschäftigt – auf 253 Bussen ergibt das einen Schnitt von 3,07 Fahrern pro Bus (2016: 2,87. 2015: 2,92).

2017 wurde knapp die Hälfte der 12,3 Millionen Euro Materialkosten durch Treibstoff verursacht, ein Viertel für weitere Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe wie Ersatzteile und Öl.

Drei Viertel der Abschreibungen entfallen auf die Busflotte – im Jahr 2017 insgesamt 5,1 Millionen Euro. Allerdings ist die Hälfte der Busflotte der ESWE älter als sechs Jahre – und damit schon vollends abgeschrieben.
2 … Continue reading3 … Continue reading

Anmerkung: Als Abschreibung bezeichnet man die betriebswirtschaftliche Verrechnung der Wertminderung von Investitionsgütern (in unserem Fall hauptsächlich Busse und die Werkstatt)

Im Durchschnitt aller Mitglieder des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) liegt der Personalkostenanteil bei knapp 40%, die Materialkosten ebenfalls bei knapp 40%. Der Unterschied zur Verteilung der ESWE-Kosten (63% Personal, 16% Material) begründet sich hauptsächlich auf zwei Umstände: Zum einen findet das Geschäftsmodell mit Subunternehmen (analog zur aufgelösten WiBus) in Verkehrsunternehmen anderer Städte durchaus noch Anwendung. Außerdem sind Züge (S-Bahn, U-Bahn, Straßenbahn) in ihren Kosten naturgemäß techniklastiger. Zumal die Instandhaltung von Schieneninfrastruktur in der Regel direkt den Verkehrsbetrieben angelastet wird, während die Sanierung von Straßen und Busspuren direkt aus dem kommunalen Haushalt bezahlt wird. ÖPNV-Unternehmen mit Schienenverkehr haben daher einen höheren Anteil an Materialkosten und gleichzeitig einen kleineren Anteil an Personalkosten.

Zur Rechnung: Was kostet ein Bus?

Die Berechnungen beziehen sich im wesentlichen auf die Geschäftsjahre 2015, 2016 und 2017 – aus mehreren Gründen. In den Geschäftsberichten der Jahre davor schlägt sich die Teilung der ESWE Verkehr Fahrbetrieb bzw. WiBus nieder und verkompliziert die Zahlen. Für 2018 liegt noch kein Geschäftsbericht vor; 2018 tauchen außerdem durch ESWE MeinRAD und das Engagement im Rahmen der CityBahn GmbH weitere Posten in der Bilanz auf, die die vereinfachte Rechnung erschweren.

Simple Überschlagsrechnung

Die Berechnungen zur Kosten eines Bussystems bauen auf den ESWE-Geschäftsberichten der Jahre 2015 bis 2017 auf. Das klappt überschlägig auch gut, da die ESWE Verkehr (mit Ausnahme der Nerobergbahn) in diesen Jahren prinzipiell nichts anderes tat, als ein Bussystem zu betreiben. Die simpelste Rechnung wäre also, die Gesamtausgaben durch die Anzahl Fahrzeuge zu teilen.

201520162017
Aufwände75.178.000 €72.892.000 €77.379.000 €
Fahrzeuge (Solo+Gelenk)240242253
Aufwand pro Fahrzeug313.200 €301.200 €305.800 €

Diese Rechnung ist in ihrer Einfachheit zwar einprägsam, aber (zurecht) kritikwürdig. Denn nicht alle Kostenbausteine stehen im direkten Zusammenhang mit der Anzahl fahrender Busse.

Ein paar mehr Details

Die Frage, wie viel Geld ein zusätzlicher Bus kostet, lässt sich mit dem pauschalen Überschlag nicht ganz beantworten. Denn die verschiedenen Kostenblöcke reagieren auf einen zusätzlichen Bus unterschiedlich: Einige steigen mit jedem zusätzlichen Bus (wie Treibstoff). Andere bleiben konstant (wie das Gehalt der Geschäftsführung oder Marketingkosten). Andere wiederum steigen erst, wenn deutlich mehr als ein Bus hinzukommt – wie die Kosten für Buchhaltung und Disponenten. Daher müssen die Ausgaben, die im direkten Zusammenhang mit der Anzahl Fahrzeuge stehen, von denjenigen unterschieden werden, die davon unabhängig sind – und nur sehr wenig abhängen.

Kostenblöcke wie das Fahrpersonal und der Treibstoffverbrauch sind offensichtlich direkt abhängig von der Anzahl fahrender Busse. Auch für Abschreibungen, Instandhaltungskosten und die Beschaffung von Ersatzteilen gilt: mit steigender Fahrzeugzahl steigen hier die Aufwendungen. Schwieriger werden beispielsweise Kosten der Verwaltung. Dass man mehr Disponenten braucht, je mehr Fahrer eingestellt sind, erscheint einleuchtend. Aber ab wie vielen mehr? Braucht die ESWE ab fünf zusätzlichen Bussen schon einen Disponenten mehr? Oder ab 20?

Zur Vereinfachung wurden im Overhead-Bereich prozentuale Abschläge von je 50% angenommen. Heißt: Bei 10% mehr Bussen steigen die Personalkosten der unten genannten Gruppen um 5%. 4Um die einzelnen Berufsgruppen separat betrachten zu können, wurden die Pro-Kopf-Personalkosten der einzelnen Gruppen geschätzt. So wurde beispielsweise angenommen, dass die Pro-Kopf-Kosten im … Continue reading

Kostenblöcke, die durch jeden zusätzlichen Bus direkt ansteigen

  • Personalkosten für Fahrpersonal
  • Treibstoff
  • Abschreibungen
  • Instandhaltung & Ersatzteile

Kostenblöcke, die nicht durch zusätzliche Busse steigen

  • Personalkosten für Vertrieb & Marketing
  • Personalkosten für andere Bereiche

Kostenblöcke, die nur bei spürbar mehr Bussen steigen

  • Personalkosten für Rechnungswesen, Personalverwaltung, Verkehrs- und Grundsatzplanung
  • sonstige, betriebliche Aufwendungen

Mit diesen Ansätzen ergeben sich die in der Tabelle aufgeführten Werte. Ein zusätzlicher Bus der ESWE Verkehr verursacht nach dieser etwas detaillierteren Überschlagsrechnung also zusätzliche, laufende Kosten von knapp 290.000 EUR jährlich.

201520162017
Aufwände75.178.000 €72.892.000 €77.379.000 €
Fahrzeuge (Solo+Gelenk)240242253
nicht-fixe Aufwendungen pro Fahrzeug299.700 €287.500 €287.900 €

Annahmen dieses Artikels

Der Artikel mitsamt Berechnungen fußt zur Vereinfachung auf einigen Annahmen.

  • Wir unterscheiden nicht zwischen Solo- und Gelenkbussen. Im Detail unterscheiden sie sich zwar im Energieverbrauch, in den Anschaffungskosten (und damit in der Abschreibung) und den Aufwendungen zur Instandhaltung. In Ermangelung detaillierterer Zahlen scheren wir sie trotzdem über einen Kamm – die Kosten einer Linie bzw. einer Taktverdichtung mit Solobussen werden folglich überschätzt, mit Gelenkbussen unterschätzt. Der größte Kostenblock, das Fahrpersonal, ist allerdings bei Solo- und Gelenkbussen identisch.
  • Kosten und Erlöse der Nerobergbahn werden komplett ignoriert.

Fazit

300.000 Euro pro Bus, jedes Jahr, sind ein erheblicher Kostenblock. Auch mit dem (aus anderen Gründen lobenswerten) Umstieg auf Elektrobusse sinkt dieser Wert nicht – im Gegenteil. Denn der Hauptkostenblock, das Personal, ändert sich nicht.

Zwar gibt es Details, in denen Elektrobusse kosteneffizienter sind: So fallen Verbrennungsmotor und Getriebe weg; Bremsenergie kann zurück gespeist werden. Dem Gegenüber stehen aber höhere Anschaffungskosten (also höhere Abschreibungen) und diverse Ungewissheiten hinsichtlich Lebensdauer der Busse insgesamt und der Batterien im Speziellen. Hier fehlen schlichtweg die Langzeiterfahrungen. Zusätzlich benötigen Elektrobusse spezielle Ladeinfrastruktur. Und solange die Akkus mit ihrer begrenzten Reichweite keinen kompletten Betriebstag überstehen, muss die ESWE für dieselbe Fahrleistung mehr Busse vorhalten: zusätzliches Ein- und Ausrücken sowie Ladezeiten kommen gegenüber heute ja hinzu.

Effizienzgewinne im Nahverkehr funktionieren bei vielen Menschen nur über größere Fahrzeuge – wie Straßenbahnen.

Weiterführende Links

  • ESWE Verkehr-Geschäftsbericht der Jahre 2015, 2016 und 2017
  • weitere ESWE Verkehr-Geschäftsberichte (2008-2014)

Hinweis: Wir legen bei unseren Artikeln Wert auf solide, objektive, nachvollziehbar gestaltete Texte. Daher findest Du auch eine Vielzahl an Quellenverweisen und Belegen, Grafiken, Fotos und Erörterungen – zuweilen auch wohlbegründete Schlussfolgerungen. Nichtsdestotrotz sind wir eine rein ehrenamtliche Truppe und haben auch keinen Zugriff auf geheime Quellen. Auch wir kennen nur das, was öffentlich ist, wir uns erarbeiten und recherchieren. Fehler sind also nicht ausgeschlossen. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, weitere wichtige Quellen kennst oder fachliche Fehler – her damit. Am besten per Mail oder unten in die Kommentare.

Quellen

Quellen
1 https://www.vdv.de/vdv-statistik-2017.pdfx
2, 3 https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Weitere_Steuerthemen/Betriebspruefung/AfA-Tabellen/1998-01-26-afa-99.pdf;jsessionid=0A41E02AEAB30A11FE0AC119B3060CC1?__blob=publicationFile&v=3
4 Um die einzelnen Berufsgruppen separat betrachten zu können, wurden die Pro-Kopf-Personalkosten der einzelnen Gruppen geschätzt. So wurde beispielsweise angenommen, dass die Pro-Kopf-Kosten im Personalwesen 20% über denen im Fahrbetrieb liegen.

Busauslastung in Wiesbaden

Die Frage, wie ausgelastet das Bussystem in Wiesbaden bereits ist, kochte im Herbst 2018 erneut hoch – und eskalierte bis ins Rathaus. Anlass war ein Magistratsbericht vom August 2018 über die durchschnittliche Auslastung von Bussen, der nur spärlich erläutert für Durchschnittsbürger kaum verständlich war. Zudem wurden die Zahlen bisweilen abenteuerlich ausgelegt, was – unbewusst oder bewusst – zu zweifelhaften Schlüssen führte..

Schon ein einfacher Praxistest, den die Bürgerinitiative Pro CityBahn im September 2018 unternahm, bewies eindrucksvoll, dass die Herstellerangaben über Fahrgastkapazitäten an jeder Realität vorbeigehen. Schon weit unter 150 Passagiere war der Gelenkbus derart überbelegt, dass an eine Fahrt überhaupt nicht zu denken gewesen wäre.

Chronik

Wie ESWE Verkehr aber eigentlich auf eine maximale Beförderungskapazität von nur 70 Personen bei einem Solobus und nur 100 bei einem Gelenkbus kommt, ist uns schleierhaft. Dabei handelt es sich um völlig willkürliche Zahlen, die nicht von Herstellerangaben oder sonstigen öffentlich nachprüfbaren Quellen abgeleitet werden können. Auch nicht aus Gesetzen und Vorschriften.

BI Mitbestimmung, 27. September 2018

Für die Ermittlung der Kapazitäten bzw. des Platzangebotes wurden zudem die eingesetzten Fahrzeugtypen berücksichtigt: Standardlinienbus: 70 Steh- und Sitzplätze, Gelenkbus: 100 Steh- und Sitzplätze.

Nahverkehrsplan der Landeshauptstadt Wiesbaden, Juni 2015
  • 18. September 2020 – Auch die BI Mitbestimmung behauptet weiterhin, es würde 150 Menschen in einen Gelenkbus passen – hier konkret in den Volvo 7900 EA. Dass es sich wieder nur um Herstellerangaben handelt – und das 7-8 Personen pro Quadratmeter bedeutet – ignorieren sie geflissentlich.
  • 05. Oktober 2020 – In einem „Artikel“ verlängert die BI Mitbestimmung die Behauptung, in einen Gelenkbus passten 150 Leuten – und 100 in einen Solobus..
Auszug aus dem Newsletter der BI Mitbestimmung, 18. September 2020
Dr. Wolfgang Balzer,
BI Mitbestimmung, 05. Oktober 2020

Magistratsbericht zur Busauslastung

Auslastungsdaten aus dem Magistratsbericht. Der komplette Bericht ist hier zu finden: Link. Grundlage sind Ergebnisse der Zählbusse im ersten Halbjahr 2018.
KOM = Kraftomnibus, GOM = Gelenkomnibus

Der Bericht zeigt die 16 meistgenutzten Buslinien der ESWE. Dargestellt sind jeweils die Fahrtrichtung, das Zeitfenster der Spitzenauslastung, die maximale Auslastung in % und der Typ der eingesetzten Busse. Auf den ersten Blick werden schon mehrere Schwachstellen offenbar:

  1. Es gibt keine Hinweise darüber, auf welchen Abschnitten die maximale Auslastung erreicht wurde. Ist sie entlang der gesamten Strecke hoch oder nur auf Teilabschnitten?
  2. Es finden sich keine Hinweise darüber, wie hoch die Auslastung außerhalb des genannten Zeitfensters ist.
  3. Es ist nicht gekennzeichnet, wieviele Zählungen hinter den Werten liegen: Ob im Laufe der Zeit nur zwei Fahrten gezählt wurden oder Dutzende, lässt Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit der Zahlen zu.
  4. Der größte und vermutlich schwerwiegendste Punkt: Die Berechnung der Auslastung (maximale Auslastung in %) ist nur angedeutet, nicht verständlich erklärt. Doch dazu im nächsten Kapitel mehr.

Berechnung der maximalen Auslastung

Die ESWE-Zählbusse haben ein halbes Jahr lang Auslastungsdaten erhoben – die meisten Strecken wurden also viele Male gezählt.

Zur Ermittlung des angegebenen Auslastungsgrades wurde – wenn mehrere Fahrten erhoben wurden – der sogenannte Median angegeben. Doch der Median ist keineswegs der (umgangssprachliche) Durchschnittswert. Vereinfacht gesagt ist der Median derjenige Wert, der genau in der Mitte steht: Von einer Reihe Messwerten ist der Median so gewählt, dass die Hälfte aller Messwerte kleiner ist – die andere Hälfte größer als der Median. Wie viel kleiner oder größer die anderen Messwerte sind, spielt für den Median keine Rolle.

Welche konkreten Auswirkungen das haben kann, ist an diesem Beispiel erklärt: Gegeben seien fünf Buslinien, auf denen die Auslastung von jeweils sieben Fahrten gemessen wurde. Die Auslastungen sind in den grauen Balken dargestellt.

Linie 1Linie 2Linie 3Linie 4Linie 5
Median80%80% 80% 80% 80%
Durchschnitt80% 81% 58%88%97%

Bei allen fünf Buslinien ist der Median (maximale Auslastung in %) genau 80 %. Die durchschnittliche Auslastung schwankt aber massiv. Der Median gibt keine Information darüber, wie dicht belegt die anderen Fahrten waren. Es ist also nicht möglich, vom Median auf die durchschnittliche Auslastung zu schließen, will man seriöse Angaben machen.

Wenn die Buslinie 6 beispielsweise morgens zwischen 7 und 8 Uhr eine maximale Auslastung von 80% hat, könnte das heißen, dass alle Fahrten zu 80% ausgelastet sind. Es kann aber auch heißen, dass jeder zweite Bus drastisch überfüllt gefahren ist.

Zielauslastung eines Busses

Unser Bus-Flashmob hat neben dem realistischen Fahrgastlimit in einem Gelenkbus auch eine weitere Erkenntnis gebracht: Je voller der Bus ist, desto länger dauert der Fahrgastwechsel. Denn sind die Gänge erstmal voll, braucht das Ein- und Aussteigen deutlich mehr Zeit. Der Fahrplan ist so nicht mehr einzuhalten.

Daher hat der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen bereits 2001 festgelegt: Für einen zuverlässig funktionierenden ÖPNV soll die maximale Auslastung 65% nicht übersteigen.1
Verkehrserschließung und Verkehrsangebot im ÖPNV, 2001
Berechnungsgrundlage dafür ist die Kapazitätsermittlung nach VDV: Bei Gelenkbussen also knapp 100 Plätze. Genau diese Zielgröße hat der Berliner Senat beispielsweise vertraglich mit den Berliner Verkehrsbetrieben festgelegt. Details dazu finden sich in unserem Artikel zur Berechnung von Buskapazitäten. Der Großteil der aufgezählten Busauslastungen der ESWE lag deutlich über den empfohlenen 65%.

Fazit

Ein Teil der hitzigen Diskussion im Herbst 2018 hätte verhindert werden können, wenn der vorgelegte Magistratsbericht ausführlicher und verständlicher gewesen wäre. Auch die korrekte Interpretation der Zahlen wäre mit ausführlicheren Darstellungen einfacher gewesen. Unvollständige Informationen bieten natürlich genügend Raum für jeden, der die Zahlen unbewusst oder bewusst falsch interpretiert und daraus unzulässige Schlüsse zieht. Und beides ist geschehen.

Generell möchten wir, als Verein und Bürgerinitiative, sowohl den Magistrat, als auch die ESWE Verkehr dazu ermutigen weitere Schritte hin zu einer transparenten und offenen Kommunikation zu unternehmen. Dabei müssen aber auch die zur Einordnung nötigen Hintergrundinformationen bereitgestellt werden, um der interessierten Öffentlichkeit eine Meinungsbildung frei von Spekulationen und Vorurteilen zu ermöglichen.

Die Diskussion um die Zahlen wird auch nicht konstruktiver, solange die ESWE Verkehr selbst verschiedene Kapazitätsangaben für ihre Busse kommuniziert. Denn während die meisten Blogeinträge mittlerweile die realistischen Kapazitätsangaben (gemäß VDV) verwenden, stehen in den technischen Fahrzeugdaten noch immer die Herstellerangaben.

Ein seriöser Vergleich zwischen Bussen und Straßenbahnen basiert darauf, dass bei beiden die Fahrgastkapazitäten nach demselben Verfahren ermittelt werden: Entweder nach einem realistischen, erprobten und empfohlenen Verfahren (VDV) oder die Sardinenversion mit bis zu 8 Personen pro Quadratmeter, wie sie fälschlich und unrealistisch von den Herstellern verwendet wird. Oder man verwendet die Sardinenberechnung ebenfalls bei Straßenbahnen – dann fasst aber zum Beispiel in die 30 Meter lange Skoda ForCity Chemnitz knapp 300 statt 190 Personen.

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Quellen

Quellen
1
Verkehrserschließung und Verkehrsangebot im ÖPNV, 2001