Wer nicht abstimmen darf

Die Zeichen stehen auf Bürgerentscheid zur CityBahn. Mit Blick auf die Bevölkerungszahlen der beteiligten Gemeinden kann aber sauer aufstoßen, dass zwei Drittel der betroffenen Bürger nicht abstimmen dürfen. Wir zeigen euch, wen es trifft, warum das ein Problem ist und zeigen euch eine mögliche Lösung des Dilemmas.

Donnerstag wird es spannend: Zur anstehenden Stadtverordnetenversammlung stehen gleich sechs Anträge auf der Tagesordnung, die für die CityBahn relevant sind. So beantragt die Fraktion LKR&ULW die Prüfung einer normalspurigen Zweisystem-Stadtbahn in Wiesbaden, die FDP einen Akteneinsichtausschusses und das Rechtsamt, vertreten Dr. Franz, wird die juristische Einschätzung der Rechtmäßigkeit beider Anti-Straßenbahn-Bürgerinitiativen verkünden. Hinzu kommen gleich drei Anträge auf ein Vertreterbegehren zur CityBahn – einer der SPD, einer der AfD und einer der FDP.

Wie repräsentativ ist ein Bürgerentscheid?

Die Zeichen stehen auf Bürgerentscheid. Unabhängig davon, wann dieser angesetzt wird und mit welcher Fragestellung, lohnt sich ein Blick auf die Frage: Wer darf abstimmen? Und vor allem: Wer darf nicht abstimmen?

Unstrittig ist, dass es sich bei der CityBahn um das wohl größte und meistdiskutierte Verkehrsprojekt der Region handelt. Abgestimmt wird aber nur in einer der vier betroffenen Städte: Wiesbaden. Rheinland-Pfalz lässt – wie viele andere Bundesländer auch – keine Bürgerentscheide zu, wenn das Vorhaben ein Planfeststellungsverfahren erfordert1Siehe §17a, GemO Rheinland Pfalz. In Hessen sind Bürgerentscheide dann zulässig, wenn es sich um „eine wichtige Angelegenheit der Gemeinde“2Siehe §8b HGO handelt. Da der Rheingau-Taunus-Kreises insgesamt in das Projekt CityBahn eingestiegen ist, ist die CityBahn keine Angelegenheit der Städte Taunusstein und Bad Schwalbach mehr – bleibt also Wiesbaden.

Von vier betroffenen Städten soll es am Ende also eine entscheiden. Von den rund 557.000 Einwohnern sind nur ein Drittel stimmberechtigt. Selbst wenn davon die Hälfte wählen geht (was für Bürgerentscheide überdurchschnittlich viel wäre) – so wären am Ende fünf von sechs Betroffenen an der Entscheidung gar nicht beteiligt.

Wer in Wiesbaden wahlberechtigt ist, regelt in diesem Falls die Hessische Gemeindeordnung:

(1) Wahlberechtigt ist, wer am Wahltag
1. Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes oder Staatsangehöriger eines der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland (Unionsbürger) ist,
2. das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat und
3. seit mindestens drei Monaten in der Gemeinde seinen Wohnsitz hat; Entsprechendes gilt für den Ortsbezirk (§ 81).
(…)

§ 30 HGO – Aktives Wahlrecht

Wer bleibt unberücksichtigt?

Die größten, nicht abstimmungsberechtigten Gruppen sind die Einwohner von Mainz, Taunusstein und Bad Schwalbach. Hier werden knapp 200.000 eigentlich wahlberechtigte Bürger ausgeschlossen, weil es die rechtlichen Rahmen so definieren. Darüber hinaus gibt es aber auch in Wiesbaden große Bevölkerungsgruppen, die nicht abstimmungsberechtigt sind. Dabei handelt es sich vor allem um

  • knapp 5.000 Jugendliche im Alter von 16-17 Jahren. Während das aktive Wahlrecht ab 16 Jahren in vielen anderen Bundesländern Standard ist, darf in Hessen erst ab 18 gewählt werden. Dabei sind die heutigen Jugendlichen diejenigen, die am längsten von den positiven wie negativen Effekten heutiger Entscheidungen betroffen sind. Nochmal knapp 5.300 Menschen dürften zusätzlich abstimmen, wenn beispielsweise ab 14 Jahren gestimmt würde.
  • knapp über 15.500 Europäer, die aber keine EU-Staatsbürger sind. Die größten Gruppen darunter sind hier lebende Staatsbürger der Türkei (10.000), Russland (1.000), Bosnien (900) und zusätzlich – je nach Verlauf der Verhandlungen – knapp 600 Briten.
  • fast 10.500 hier lebende Menschen, die Staatsbürger eines außereuropäischen Staates sind – hier vor allem Marokko (1.700) und die USA (1.200).
  • 4.700 Deutsche und EU-Ausländer mit Zweitwohnsitz in Wiesbaden.

Die Bevölkerungszahlen basieren auf dem Zensus 2011 – hier wurde der relative Anteil der jeweiligen Bevölkerungsgruppe als Grundlage genommen und auf Basis der aktuellen Bevölkerungszahl hochgerechnet. In den Zahlen zu den Staatsangehörigkeiten stecken auch Kinder und Jugendliche, werden aber im Zensus nicht weiter differenziert.

All diese Menschen wohnen aber in Wiesbaden, zahlen Steuern und haben berechtigte Argumente für oder gegen die CityBahn. Besonders zu bemerken ist hier, dass einige dieser ausgeschlossenen Bevölkerungsgruppen deutlich stärker auf einen funktionierenden Nahverkehr angewiesen sind. So haben unter-18-jährige gar nicht die Alternative eines eigenen Autos. Auch ist der Anteil derjenige, die keinen Führerschein haben, unter Nichtdeutschen höher als unter Deutschen.

Alternative Delegated Voting?

Auch wenn das eigene, demokratische Verständnis die Einsicht gewinnt, dass ein auf bestimmte Gruppen begrenzter Bürgerentscheid der Tragweite dieses Projektes nicht gerecht wird – was dann? Eine Delegation der Entscheidung auf die Gemeindegremien wäre dann jedenfalls keine Alternative – denn deren Wahl unterliegt denselben, kritisierten Einschränkungen.

Der rechtliche Rahmen, in der sich die Mitbestimmungsmöglichkeiten von zwei kreisangehörigen Städten und zwei kreisfreien Städten aus zwei Bundesländern bewegt, ist starr und verzwickt. Es wäre unrealistisch, hier auf eine zeitnahe, bundeseinheitliche Lösung zu hoffen oder gar auf die Idee zu kommen, Taunusstein nach Wiesbaden einzugemeinden.

Das Kernproblem bleibt: in drei der vier involvierten Städte ist kein Bürgerentscheid vorgesehen. Es ist in Mainz, Bad Schwalbach und Taunusstein also nicht erlaubt, dass die Bürger beim Thema CityBahn anstelle der Gemeindevertretung eine verbindliche Entscheidung treffen. Das verbietet allerdings nicht, dass die Stadtverordnetenversammlungen aller vier Städte diese Entscheidung durch die Bürger treffen lassen.

Angenommen, alle vier Städte beschließen eine umfassende Bürgerbefragung zur CityBahn. Wann und welche Fragestellung konkret gilt es natürlich zu klären. Dann könnten oben genannte Schwächen kompensiert werden, indem alle Bürger der betroffenen Städte gleichermaßen befragt werden – auch inklusive 16/17-Jähriger und der hier lebenden, ausländischen Staatsbürger. Wenn die Abgeordneten ihre Entscheidung zum Thema CityBahn vom Ausgang dieser Befragung abhängig machten, bliebe die Fällung der Entscheidung in den Händen der Abgeordneten; der Ausgang würde aber von den Bürgern bestimmt. Damit das funktioniert, müssen natürlich von vornherein Bedingungen erfüllt sein.

  • So müssen alle vier Gemeindevertretungen diese Bürgerbefragung beschließen und sich schon vorher dazu verpflichten, sich danach an das Ergebnis zu halten. Das Ergebnis wäre hier die Mehrheit aller befragten Bürger der vier Städte. Aus den Abgeordneten werden also Delegierte.
  • Die Befragung muss das Ziel haben, möglichst viele Menschen einzubinden – vielleicht sogar alle. Eine Stichprobe oder Umfrage wäre wenig zielführend.
  • Die Befragung muss methodisch sauber sicherstellen, dass das Ergebnis repräsentativ für die Gesamtbevölkerung ist – die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen also auch trotz verschiedenen Rückmelde- und Mobilisierungsraten gleichermaßen und auf Basis ihrer tatsächlichen Größe repräsentiert werden.

Derartige Ansätze einer flexibleren, themenbezogenen demokratischen Entscheidungsfindung sind ungewohnt, weil neu. An konkreten Ideen einer solchen liquid democracy bzw. des delegated voting mangelt es aber nicht. Einige, wenn auch meist zögerliche Praxisbeispiele und erste Erfahrungen aus deutschen Kommunen existieren schon.

Mit diesem Ansatz könnten statt der 35% Wahlberechtigte (aktuell) je nach Gestaltung bis zu 85% der Bürger einbezogen werden. Wem es tatsächlich um demokratische Mitbestimmung geht (und nicht nur ums bloße Verhindern der CityBahn), der muss dieser Möglichkeit zumindest einen gewissen Charme zugestehen. Ihr seid ausdrücklich eingeladen, unter diesem Artikel mitzudiskutieren!

EDIT: In einer früheren Version des Artikels wurde Kroatien tatsächlich als nicht-EU-Mitglied gezählt. Das war zum Zeitpunkt des Zensus auch korrekt, am 01. Julie 2013 trat Kroatien allerdings der Europäischen Union bei. Der Artikel wurde entsprechend korrigiert.

Hinweis: Wir legen bei unseren Artikeln Wert auf solide, objektive, nachvollziehbar gestaltete Texte. Daher findest Du auch eine Vielzahl an Quellenverweisen und Belegen, Grafiken, Fotos und Erörterungen – zuweilen auch wohlbegründete Schlussfolgerungen. Nichtsdestotrotz sind wir eine rein ehrenamtliche Truppe und haben auch keinen Zugriff auf geheime Quellen. Auch wir kennen nur das, was öffentlich ist, wir uns erarbeiten und recherchieren. Fehler sind also nicht ausgeschlossen. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, weitere wichtige Quellen kennst oder fachliche Fehler – her damit. Am besten per Mail oder unten in die Kommentare.

Mai 2019: Mitgliederversammlung und neuer Vorstand

Am Samstag, den 18. Mai 2019, fand fast genau ein Jahr nach Gründung der „Bürger Pro CityBahn e.V.“ die diesjährige Mitgliederversammlung statt. Als Teil der Versammlung wurde auch unser Vorstand neu gewählt. An der Spitze unseres Vereins gab es einen Rollenwechsel – auch darüber hinaus viele bekannte, bewährte Gesichter. Zwei offen gewordene Beisitzerstellen wurden durch sehr aktive Mitglieder nachbesetzt.

Zum 1. Vorsitzenden wurde Martin Kraft gewählt – sein Vorgänger, Jürgen Gebhardt, wechselte auf den Stellvertreterposten. Schatzmeister war und bleibt Lars Blaszkowski. Mit Claudio Shah (nicht im Bild) und Mario Bohrmann bleiben zwei bewährte Beisitzer erhalten; mit Ulla Bai und Mathias Lück rücken zwei neue Beisitzer nach. Lino (ebenfalls im Bild, weiß und flauschig) wurde stillschweigend als Ehrenmaskottchen gekürt.

Bizarre Vorstellungen

Vorab: Wir sehen uns als überparteiliche Bürgerinitiative, die all denjenigen, die Interesse am Ausbau des Wiesbadener ÖPNV haben, ein Zuhause bietet. Wir setzen uns aus vielen Mitgliedern verschiedenster Parteien ebenso zusammen wie parteilosen. Deshalb geben wir beispielsweise auch keinerlei Empfehlungen für die bevorstehende Wahl des Oberbürgermeisters ab. Es gibt in der Wiesbadener Kommunalpolitik allerdings eine Partei, die sich häufig und wider besseren Wissens mit Zahlen und Behauptungen argumentiert, die wir einfach nicht so im Raum stehen lassen wollen. Wer bewusst auf derartigen Falschaussagen einen vorgeblich ÖPNV-freundlichen Wahlkampf aufbaut, kann diesen nicht ehrlich meinen. Vor allem dann nicht, wenn die vorgeschlagenen Ansätze dieselben sind, die bereits 2001 in den Wahlkampf geführt wurden und dann – obwohl man ein Jahrzehnt das Verkehrsdezernat leitete – nicht angegangen wurden.

Natürlich wettern wir nicht leichtfertig, daher möchten wir unsere Infografik mit entsprechenden Quellen und Belegen füttern. Auslöser der Diskussion ist die (leider immer noch und wider besseren Wissens) vertretene Auffassung der FDP Wiesbaden, die Herstellerangaben über Buskapazitäten seien geeignet, die Auslastung des ÖPNV zu messen. Was das konkret bedeutet, seht ihr auf der unten abgebildeten Infografik. Dass Aussagen, eine Belegung mit 7 Personen pro Quadratmeter sei zumutbar, von einer Partei kommen, die mit der Stärkung des Busverkehrs in den Wahlkampf zieht, lässt erhebliche Zweifel aufkommen, wie oft sie selbst den Bus benutzen. 0,14 Quadratmeter Stehfläche im Bus – für Schweine in Massentierhaltung schreibt der Gesetzgeber mindestens das Fünffache vor.

Infografik

Für Wiesbadener Gelenkbusse der Marke Lion’s City G (BJ 2008) errechnet der Hersteller 97 Stehplätze (was, zuzüglich 53 Sitzplätzen eine Kapazität von 150 Personen ergibt).

Das bedeutet: sieben Personen stehen pro Quadratmeter. Und zwar unabhängig davon, ob die sich dann noch festhalten können oder einer Gepäck oder gar einen Kinderwagen dabei hat.

Zum Vergleich:

Offener Brief an die FDP Wiesbaden

Veröffentlicht erstmalig am 20. April via Facebook.

Um ein besseres Verständnis zur Vorgeschichte dieses Beitrags zu bekommen und so nachzuvollziehen, wieso wir hier ungewohnt parteipolitisch werden, empfehlen wir, zuvor die Chronologie in diesem Artikel hier zu lesen:

Aus: FDP-Wahlkampflyer "Aus Liebe zu Wiesbaden - Nein zur Citybahn!"

Liebe FDP Wiesbaden,

lieber Sebastian Rutten, Alexander Winkelmann, Chris Diers, Katharina Gerstmann,

von dem Flyer, den ihr bei der FDP-Informationsveranstaltung am vergangenen Mittwoch verteilt habt, sind wir – ehrlich gesagt – enttäuscht. Abgesehen von vielen weiteren, fragwürdigen Aussagen und grundlegenden Meinungsverschiedenheiten waren wir der Ansicht, dass die Themen „Wieviele Leute passen in einen Bus?“ und „Wie voll sind die Busse in Wiesbaden?“ geklärt wären. Denn ihr wart bei unserem FlashMob dabei und habt euch auch den Magistratsbericht nochmal extra erklären lassen. Nachdem ihr den ‚einleuchtend‘ fandet, dachten wir, das Thema sei geklärt.

Ist es aber offenbar nicht. Denn in ebenjenem Flyer behauptet ihr noch immer, dass 150 Leute in einen Gelenkbus passen. Und ihr behauptet noch immer, die Werte im Magistratsbericht seien die ‚durchschnittliche Auslastung in den Spitzenzeiten‘ – auch das ist falsch. Aber auch das wisst ihr.

Schade. Man kann für und gegen die CityBahn sein und für beide Seiten gute Gründe haben, die sich auch gut argumentieren lassen. Dass ihr aber dennoch noch mit derartigen Falschaussagen in den Wahlkampf zieht, ist bedauerlich.

Oder aber, ihr findet es tatsächlich angemessen, wenn im Bus die Leute so dicht gedrängt sind, dass auf der Grundfläche eines 7er-Golfes 62 (!) Leute stehen. Alternativ können wir dieselbe Berechnungsmethode auch auf Straßenbahnen übertragen, dann rechnen wir aber mit einer CityBahn (30 Meter) mit 420 statt mit 220 Plätzen.

Zum Auffrischen beider Themen empfehlen wir die unter (Berechnung von Buskapazitäten) und (Busauslastung in Wiesbaden) verlinkten Artikel – und stehen für Rückfragen gern zur Verfügung. Alternativ empfehlen wir auch einen Blick in den Verkehrsentwicklungsplan von Wiesbaden und dem Rheingau-Taunus-Kreis oder die grundlegenden Ausführungen des Verband Deutscher Verkehrsunternehmen.

Hinweis: Im offenen Brief und auf dem Flyer andere Werte für die Personenzahl auf der Grundfläche des VIIer-Golfs angegeben werden, hat zwei Gründe: Zum einen variieren die Golf-Modelle je nach Ausführung zwischen 4.255mm und 4.586mm Länge. Zum Anderen haben wir in dem offenen Brief die rechtlich maximal erlaubte Belegung von Bussen angenommen (8 Pers/m²), in der Infografik aber die konkret für die Wiesbadener Busmodelle vorkommenden Werte (7 Pers/m².).

Das „Drei Mal teurer“-Märchen

Seitens der CityBahn-Gegnerschaft, vor allem durch die Vertreter der BI Mitbestimmung, wird wiederholt die Aussage verbreitet, die CityBahn sei drei Mal so teuer wie ein gleichwertiges Bussystem – zuletzt wieder durch die BI Mitbestimmungs-Vertreterin Silvia Schob auf der Informationsveranstaltung der B.I.G. im Kalle-Albert-Industriepark und auf der Podiumsdiskussion an der Theodor-Fliedner-Schule.

Hinweis: Der Artikel wird fakten- und zahlenlastig und möglichst transparent durch eine der grundlegenden Kalkulationen führen, auf der die Anti-Straßenbahn-Bewegung ihre Argumentation aufbaut. Der erste Abschnitt ist allerdings eine durch meine persönliche Meinung geprägte Einführung. Ihr erkennt das an den Sätzen, die mit ‚Ich‘ arbeiten; diese sind auch kursiv geschrieben. Ab dem zweiten Abschnitt ist der Beitrag dann – wie gewohnt – möglichst wertungsneutral.

Hinweis 2: Dieser Artikel stammt aus dem Mai 2019. Im September 2020, also eineinhalb Jahre später, wurde eine aktualisierte Kostenschätzung zur CityBahn veröffentlich. Im Sinne der Nachvollziehbarkeit bleiben die Werte in diesem Artikel aber unverändert – durch die mitgelieferte Excel-Tabelle könnt ihr da flexibel drauf reagieren.

Ich zeige euch im folgenden Artikel, welchen Ursprung diese Behauptung hat – und warum sie schon beim ersten Blick ins Detail wackelt. Denn sie geht auf eine Kalkulation, die erstmalig im August 2018 der IHK Wiesbaden präsentiert wurde, zurück – und diese fußt auf mehreren, diskutablen Annahmen.

Der Beitrag wird recht zahlenlastig, denn wir werden euch diese Kalkulation schrittweise erläutern und die Annahmen, auf denen sie fußt, aufzeigen. Diese Annahmen, so kritikwürdig sie auch sein mögen, wurden seitens des Erstellers der Kalkulation transparent dargelegt und erläutert.

Aber sie wurden in den folgenden Diskussionen bewusst außen vorgelassen. Denn wenn das Ergebnis passt, wird eine Rechnung nicht weiter hinterfragt, geschweige denn verstanden. Mit „die ist drei Mal so teuer“ lässt sich schließlich besser skandieren als mit dem Eingeständnis, dass das Modell seine Schwächen hat. Ich sehe hier eine deutliche, politische Instrumentalisierung der vorgestellten Kalkulation seitens der BI Mitbestimmung. Auch der mehrfache Hinweis auf die nachweisbaren und handfesten Schwächen hielt sie nämlich nicht davon ab, das Märchen weiterhin unkritisch zu verbreiten und damit die Blockadehaltung zu stützen. Vom Urheber der Kalkulation, Ralf Jahncke, fand ich ein gut passendes Zitat in der DVZ – welches mich gerade mit Blick auf die BI Mitbestimmung zum Schmunzeln bringt.

„In meinem Berufsleben würde ich gern einmal etwas erledigen, ohne gegen die grausigen „Reichsbedenkenträger“ ankämpfen zu müssen, die nie etwas vorschlagen, aber immer rummotzen.“

Ralf Jahncke in DVZ-Visitenkarte, März 2007.

Ich lege euch mit derselben Kalkulation dar, dass an nur fünf Stellen fehlerhaften Annahmen korrigiert werden müssen – und damit belegt wird, dass die CityBahn im Betrieb deutlich günstiger ist als eben jene Busalternative. Ich füge euch die Excel-Datei bei, die diese Kalkulation nachbildet, damit könnt ihr dann selbst auch etwas experimentieren.

Zur Vorgeschichte

Am 06. August 2018 lud die IHK Wiesbaden zur Informationsveranstaltung City-Bahn – Chancen und Risiken für die Wirtschaft. Unter den vortragenden Referenten war auch der Wiesbadener Unternehmer Ralf Jahncke, der seit über 25 Jahren mit der selbst gegründeten Logistik-Unternehmensberatung TransCare Projekte rund um den Globus betreut. In seinem Vortrag, der als Video und als Präsentation online auf Seiten der IHK einsehbar ist, stellt er unter anderem die CityBahn einem gleichwertigen Bussystem gegenüber und kommt dabei zu dem Schluss: Die CityBahn kostet 15ct pro Platzkilometer, das Bussystem nur 4,9ct. Geboren war die Aussage, die CityBahn sei drei Mal teurer.

Noch in derselben Präsentation bot Hr. Jahncke an, die Kalkulation im Detail zu erklären – “wir legen Zahlen offen”. Gesagt, getan – und so war ich im September 2018 vor Ort und hab mir die Berechnungen erläutern lassen. Seit kurzem ist diese Kalkulation auch im Politischen Informationssystem der Stadt Wiesbaden für jedermann einsehbar (PDF der BI Mitbestimmung, Seite 62).

Grundlegende Ansätze der Kalkulation

  • Die Idee hinter der Kalkulation ist: Was kostet ein Bussystem, welches die konkret geplante CityBahn mit gleicher Transportkapazität abbildet? Diese Busse fahren dazu in dem Ansatz ebenfalls auf eigener Infrastruktur – also abgetrennten Busspuren mit identischem Routenverlauf zur geplanten CityBahn.
  • Die Kalkulation beleuchtet vier Kostenblöcke: Fahrzeugkosten, Personalkosten, Energiekosten, Infrastrukturkosten. Die einzelnen Blöcke sind mit nachvollziehbaren Einzelpositionen aufgesplittet.
  • Die Kalkulation rechnet im ersten Schritt aus, welche Transportleistung die CityBahn (in Platzkilometern pro Jahr) erbringt – und dann zurück, wie viele Elektrobusse dafür notwendig wären.
  • Angenommen ist dabei ein Durchschnitt aus Solo- und Gelenkbus – also ein fiktiver Bus, der zwar baulich nicht existiert, aber für diese Kalkulation dennoch taugt. Er besitzt dazu zwischen Solo- und Gelenkbus gelegene Wert für die Kapazität, den Energieverbrauch, den Kaufpreis.
  • Im Ergebnis werden die Kosten pro Platzkilometer und die “Total Lifecycle Costs” beider Varianten gegenübergestellt.

Unsere Hauptkritikpunkte an der Kalkulation sind die Verwendung falscher Buskapazitäten, die Verwendung der falschen Anzahl Straßenbahnen, falsche Fahrzeugzahlen der CityBahn, unrealistische Fahrzeugpreise für Elektrobusse, deutlich überhöht angesetzte Baukosten, fehlende Abbildung des Betriebsprogramms (Takt und Doppeltraktion).

In der Konsequenz heißt das: Es werden 99 Busse statt der angesetzten 48 Busse benötigt. Die Elektrobusse sind deutlich teurer als angesetzt, die Infrastruktur deutlich günstiger als angesetzt. Der in der Kalkulation angesetzte Takt von 20 Minuten muss (mindestens) halbiert werden.

Daneben gibt es noch weitere Schwachstellen. So ist die Kalkulation ausdrücklich rein betriebswirtschaftlich – nicht volkswirtschaftlich. Eine Vielzahl an positiven, externen Effekten bleibt also außen vor. Auch ist die bauliche Machbarkeit des fiktiven Busmodells fraglich – allerdings auch nicht Bestandteil der Kalkulation.

Knackpunkt 1: Fahrgastkapazitäten

Die originale Kalkulation setzt einen Durchschnittswert für die Busse von 120 Personen an – was ziemlich genau in der Mitte liegt zwischen den Herstellerangaben für Solobusse (~100) und für Gelenkbusse (~140-150).

Die Diskussion um die Frage, wie viele Menschen real in einen Bus passen, ist ermüdend. Und sie soll hier nicht wieder aufgenommen werden – da verweisen wir auf diesen Artikel: Berechnung von Buskapazitäten. Kurzum – mit einer realistischen Ermittlung der Buskapazitäten, die so auch der Straßenbahnkapazität zugrunde liegt, ergibt sich hier ein korrigierter Wert von 85 Fahrgästen (als Mitte zwischen 70 (Solobus) und 100 (Gelenkbus).

Diese Korrektur allein sorgt dafür, dass die Kosten des Bussystems um knapp 40% steigen. Damit schrumpft der vermeintliche Kostenvorteil der Busse massiv. Auch sorgt diese Korrektur allein schon dafür, dass die Kosten pro Platzkilometer (ohne Infrastruktur) bei der CityBahn unter denen der Busse liegen – die Bahn im laufenden Betrieb also kosteneffizienter ist.

Diese Veränderung ist einleuchtend: Weniger Kapazität in den Bussen bedeutet, dass deutlich mehr Busse benötigt werden, um die Transportleistung der Straßenbahn zu erbringen. Und mit steigen die Kosten für Personal, Abschreibung und Energie.

Knackpunkt 2: Kaufpreis von Elektrobussen

In der Kalkulation ist ein durchschnittlicher Kaufpreis von 300.000 Euro pro Bus angesetzt – ein Elektro-Solobus also mit 250.000 Euro angenommen, ein Elektro-Gelenkbus mit 350.000 Euro.

In Realität sind Elektrobusse aber massiv teurer. Der RNV zahlte jüngst 500.000 Euro für Elektro-Solobusse; Gelenkbusse liegen mindestens 100.000 Euro darüber. Selbst wenn es hier mittelfristig zu Preissenkungen kommt – die 300.000 Euro sind drastisch unterschätzt.

Ein korrigierter Kaufpreis hebt hier die Anschaffungskosten der Busse – und mit ihnen die Abschreibungen, die Zinslast, die Versicherung und die Instandhaltungskosten. Die Korrektur des Kaufpreises allein auf 500.000 Euro pro Bus steigert die Kosten pro Platzkilometer für das Bussystem um mehr als 10 Prozent.

Knackpunkt 3: Die Anzahl Fahrzeuge

In der Kalkulation werden 26 Straßenbahnzüge angesetzt – mit jeweils Platz für 220 Leute und zu einem Kaufpreis von 3.000.000 Euro pro Stück. Ein Blick in die aktuelle NKU zeigt aber, dass zur Abwicklung des angedachten Betriebs derzeit 38 Züge geplant werden.

Dass das die Kalkulation verändert, ist nicht ganz intuitiv. Aber mit mehr Straßenbahnen steigt auch die Anzahl an Bussen, um diese zu ersetzen. Und während der Hauptkostenblock auf der Straßenbahnseite (die Infrastruktur) konstant bleibt, steigt dadurch der Kostentreiber von Bussystemen (Personalkosten). Statt 48 Bussen werden nun 70 benötigt.

Straßenbahnen zu bauen ist teuer. Aber nicht so teuer. (Navvies Extending Bergen Light Rails flickr photo by aha42 | tehaha shared under a Creative Commons (BY-NC) license )

Knackpunkt 4: Infrastrukturkosten

Die Infrastruktur ist für Straßenbahnen der massivste Kostenblock – und so fallen auf den ersten Blick die angesetzten 500 Millionen Euro für die Strecke der CityBahn auf. Zwar werden die aktuellen Planungen noch aktualisiert – der letzte Stand der Nutzen-Kosten-Untersuchung plant derzeit aber 297 Millionen Euro. Selbst die BI Mitbestimmung setzt bei den Baukosten nur 30% Mehrkosten an. Eine 60%ige Kostensteigerung, die hier unterstellt wird, ist also exorbitant überschätzt.

Werden statt denn 500 Millionen also beispielsweise 350 Millionen Euro angesetzt, sinken die Kosten pro Platzkilometer (inkl. Infrastruktur) für die Straßenbahn um knapp 20%.

Anmerkung: An dieser Stelle sei auf den Kostenblock “Zins auf Invest gemäß GVFG” hingewiesen. Die Formel dieser Kosten erschloss sich mir im Detail nicht, sodass ich sie als konstant angenommen haben. Da sich der Zins relativ zu den Infrastrukturkosten bewegt, überschätze ich ihn also in unserer Anpassung. Damit verschiebt sich das Bild zu Ungunsten der CityBahn.

Exkurs: Die Taktung

Die gesamte, der Kalkulation zugrunde liegende Streckenlänge summiert sich auf 34,1 Kilometer und entspricht damit der Strecke von Bad Schwalbach über Wiesbaden zur Heuss-Brücke, zuzüglich der Neubaustrecke auf der Mainzer Seite.

Die Taktung der Buslinie 1 bringt es auf ziemlich genau 100 Fahrten pro Tag und Richtung.

Hier tun sich zwei Schwachstellen auf – zum ersten ist die CityBahn auf der Mainzer Seite nicht nur auf der Neubaustrecke geplant, sondern soll bis zur Hochschule Mainz fahren. Damit liegt die Streckenlänge bei 38,5 Kilometer. Außerdem bedeuten 100 Touren à 34,1 Kilometer genau 50 Fahrten pro Richtung. Zum Vergleich: Die Buslinie 1 hat heute ziemlich genau 100 Fahrten pro Tag und Richtung. Die Kalkulation geht also von einem 20-Minuten-Takt aus.

Durch die höhere Fahrleistung sinken die Kosten pro Platzkilometer bei Bus und Bahn gleichermaßen um knapp 10%, eine Erhöhung der Tourenzahl für einen Zehnminutentakt um knapp 50%. Die Relation der Kosten Bahn-Bus bleibt aber sehr ähnlich.

Dass die Taktung der Fahrzeuge relativ niedrig eingeschätzt wurde (bzw. für eine derart niedrige Taktung zu viele Fahrzeuge), zeigt ein Blick auf die errechneten, jährlichen Fahrleistungen der Kalkulation. Diese liegen bei 39.346 km (CityBahn) und 39.215 km (Elektrobus) pro Fahrzeug und Jahr.

Zum Vergleich: Die Busse der ESWE legten 2017 im Schnitt 49.300 km im Jahr zurück, die der HEAG (Darmstadt) knapp 67.000 km und die der BVG (Berlin) knapp 66.000 km. Die Darmstädter Trams liegen bei 62.500 km pro Jahr, die Berliner bei 61.400 km, die Frankfurter Trams bei 53.900 km.

Eine höhere, jährliche Fahrleistung sorgt dafür, dass sich die Fixkosten der Infrastruktur und Fahrzeuge auf mehr Beförderungsleistung verteilen und damit der Preis pro Platzkilometer sinkt. Eine zu niedrig eingeschätzte Fahrleistung bewirkt hier das Gegenteil.

Exkurs: Doppeltraktion

Die Kalkulation berücksichtigt ebenfalls nicht die Möglichkeit der Doppeltraktion – also dem Kuppeln zweier Straßenbahnen. Zwar wird dies nur in den Hauptverkehrszeiten der Fall sein; der Vorteil liegt aber auf der Hand: Doppelt so viele Fahrgäste bei gleichem Personaleinsatz. In dem Extremfall, dass alle Bahnen per Doppeltraktion fahren, reduzieren sich die Kosten pro Platzkilometer der Straßenbahnen um 20%.

Anmerkung: In der Excel-Tabelle ist dies nachgebildet, indem die Parameter der Straßenbahn verändert werden: Doppelte Kapazität, doppelter Preis, doppelter Energieverbrauch – dafür halbe Fahrzeugzahl und halbe Tourenzahl.

Unterm Strich

Die einzelnen Knackpunkte beeinflussen sich natürlich gegenseitig – beispielsweise, wenn durch realistische Fahrgastkapazitäten mehr Busse benötigt werden, die aber gleichzeitig auch einen höheren Stückpreis haben. Werden die vier dargelegten Hauptknackpunkte (Fahrgastkapazitäten der Busse, Kaufpreis der Busse, Infrastrukturkosten der Straßenbahn und die Anzahl an Fahrzeugen) gleichzeitig berücksichtigt, ergibt sich ein gänzlich anderes Bild:

Ohne die Infrastrukturkosten liegen die Kosten der CityBahn 15% unter denen der Bus-Alternative. Über den gesamten Lebenszyklus des Vergleiches gerechnet ergibt das knapp 105 Millionen Euro, die die Busvariante mehr kostet. Inklusive der Infrastruktur ist die CityBahn – entgegen der Behauptungen der BI Mitbestimmung – mit den korrigierten Werten nicht mehr “drei Mal so teuer”, sondern knapp 40% teurer als die Busvariante. Doch die Kalkulation ist rein betriebswirtschaftlich – dazu nun mehr.

Exkurs: Betriebs- und volkswirtschaftliche Kalkulationen

Bei der vor der IHK vorgestellten Kalkulation handelt es sich um eine rein betriebswirtschaftliche Betrachtung – also eine reine Gegenüberstellung der direkt mit der CityBahn (bzw. der Alternative) im Zusammenhang stehenden Kosten von Bau und Betrieb. (Theoretisch könnten auch die direkten Nutzen mit einbezogen werden, beispielsweise höhere Fahrgelderlöse durch mehr Fahrgäste. Derartige Annahmen wurden von der Kalkulation aber außen vorgelassen.)

Infrastrukturprojekte werden volkswirtschaftlich bewertet – und das ist bundesweiter Standard, egal, ob es sich um Autobahnbrücken, Bahnlinien oder Schleusen handelt. Der Grund dafür ist einfach: Mit einer verbesserten Infrastruktur entstehen viele Vorteile und Nutzen, die aber beim Betreiber der Infrastruktur nicht als Einnahmen einfließen.

Diese sogenannten externen Effekte sind daher in der NKU der CityBahn abgebildet. Diese umfassen:

Reisezeitgewinne ÖPNV

  • Durch eine veränderte ÖPNV-Infrastruktur ergeben sich veränderte Reisezeiten – in die positive und in die negative Richtung. Um diese Unterschiede zu berücksichtigen, werden die Einzelreisezeitdifferenzen ermittelt und mit dem bundeseinheitlich vorgegebenen Satz (7,10 Euro pro Stunde Reisezeit) bewertet. Dieser Wert ist unabhängig von Berufsgruppen und Einkommen.

PKW-Betriebskosten

  • Ein Teil des prognostizierten Fahrgastzuwaches stammt von Fahrgästen, die vom Auto in die CityBahn umsteigen. Die wegfallenden Autofahrten werden mit – ebenfalls einheitlichen 0,22 Euro pro Pkw-km bewertet.

Zusätzliche Mobilitätsoptionen

  • Durch zusätzliche oder verbesserte Mobilitätsmöglichkeiten entstehen zusätzliche Fahrten. Es werden also Menschen den ÖPNV für eine Fahrt nutzen, die sie vorher gar nicht (per Auto, Bus, …) gefahren sind. Beispielsweise, wenn ein Anwohner der Ringkirche nun nicht mehr zur Eisdiele in die Dotzheimer Straße läuft, sondern mit der CityBahn zur Eisdiele ans Rheinufer. Diese angenommenen, neuen Fahrten werden mit dem Ticketpreis bewertet.

Unfallfolgekosten

  • Die Unfallkosten der Fahrzeuge (Straßenbahn, Bus und Pkw) sind verfahrensseitig vorgegeben. Über die Änderungen der Fahrleistungen von Straßenbahnen, Bussen und PKW verändern sich die Unfallwahrscheinlichkeiten und deren Folgekosten.

Schadstoffemissionen

  • Die Emissionsraten für CO2 sowie die Bewertungsansätze weiterer Schadstoffe sind verfahrensseitig vorgegeben. Dabei werden bei der Straßenbahn auch die Emissionen aus der Stromerzeugung berücksichtigt. Über die Änderungen der Fahrleistung im ÖV und MIV wird die Änderung der Emissionsschäden ermittelt.

Die Bewertung dieser Veränderungen in den externen Kosten und Nutzen ist der Hauptunterschied zwischen betriebs- und volkswirtschaftlichen Bewertungen. Sie sind auch der Grund, wieso Infrastrukturprojekte immer mit öffentlichen Fördermitteln unterstützt werden. Betriebswirtschaftlich rechnen sie sich womöglich nicht. Gesellschaftlich, also volkswirtschaftlich, aber schon.

Weiterführendes

Lautstarke Argumente

  • Der Verkehrslärm in Wiesbaden wird vor allem durch den Straßenverkehr verursacht und erreicht auf vielen Hauptstraßen Pegel, die ernste gesundheitliche Schäden verursachen können.
  • Für eine spürbare, nachhaltige Verringerung des Verkehrslärms in Wiesbaden gibt es zwei Hebel: die Verminderung der Gesamtzahl an PKW-Fahrzeugen und die Umwandlung von schallreflektierendem Asphalt in Grünflächen. Für beides ist die CityBahn prädestiniert. Andere Hebel (wie die Optimierung von Grünphasen) können zusätzlich punktuell den Lärm vermindern.
  • Die Umstellung auf Elektrobusse bringt Verbesserungen; der Busverkehr insgesamt hat aber nur kleinen Anteil am Gesamtlärm auf Wiesbadens Straßen.
  • Die Umstellung auf Elektroautos wird den Motorenlärm im niedrigen Geschwindigkeitsbereich reduzieren; bei Tempo 40 bis 50 km/h werden Elektroautos insgesamt aber genauso laut wie Verbrenner.

»Klingeln bei Bernd Kuhnt, der seit acht Jahren zur Miete an der Biebricher Allee wohnt. Der 64-jährige Lehrer meint: „Ich sehe nicht, welche Verbesserungen die City-Bahn bringen soll.” (…) Dabei überlegt der Anwohner schon seit einiger Zeit, von der Allee fortzuziehen, „der Verkehrslärm ist einfach enorm“, meint Kuhnt

(aus: Allgemeine Zeitung, 06. März 2019)

Die Lautstärke an vielen der Wiesbadener Hauptverkehrsstraßen knackt die für die Gesundheit bedenklichen Grenzwerte. Alle nennenswerten Hauptstraßen innerhalb des 2. Rings liegen bei einem Mittelungspegel über 65 dB(A). Der 1. Ring, die Schwalbacher Straße, die Rheinstraße sowie vier große Ausfallstraßen (Schiersteiner, Biebricher, Mainzer und Berliner Straße) sogar über 75 dB(A). Eine Erhöhung um zehn Dezibel entspricht hierbei einer Verdoppelung der wahrgenommenen Lautstärke.

Liegt die Geräuschkulisse tagsüber über 55 Dezibel im Durchschnitt, so ist mit Beeinträchtigungen des psychischen und sozialen Wohlbefindens zu rechnen. Dauerhafter Lärm über 65 Dezibel schädigt nachweisbar die Gesundheit. Folgt man den Erkenntnissen des Umweltbundesamtes und der Weltgesundheitsorganisation, führen Pegel, die im Durchschnitt über 65 dB(A) liegen, zu einem erheblich höheren Herzinfarktrisiko. Auch die Risiken für andere Erkrankungen wie beispielsweise Bluthochdruck erhöhen sich.

Lärmkartierung der Wiesbadener Innenstadt. Braun, Lila und blau zeigen die gesundheitsgefährdenden Lärmpegel. Aus: https://geoportal.wiesbaden.de/kartenwerk/application/laerm)

Seit im Jahr 2013 die Lärmkartierung des Hessischen Straßenverkehrs abgeschlossen ist, ist Verkehrslärm flächendeckend nachvollziehbar. Aus der interaktiven Karte der Stadt Wiesbaden geht straßengenau die Lärmbelastung hervor – und zeichnet ein beunruhigendes Bild. In den Nachtstunden (22 Uhr bis 6 Uhr) wird es zwar insgesamt leiser; eine Vielzahl der innerstädtischen Straßen ist aber immer noch bedenklich laut und oberhalb des nachts empfohlenen Durchschnittspegels von 55 dB(A).

Entstehung von Straßenverkehrslärm

Jeder zweite Deutsche fühlt sich vom Straßenverkehrslärm belästigt oder gestört, der auf öffentlichen Straßen und Parkplätzen festzustellen ist. Bei den Fahrzeugen im Straßenverkehr gibt es zwei Hauptquellen für Schall: Motor und Reifen. Die Motorgeräusche hängen vor allem von der Motorart (Verbrenner, Elektro), der Beschleunigung und der Drehzahl ab. Verbrenner sind lauter als Elektromotoren, beschleunigende Autos lauter als gleichmäßig fahrende und der Schallpegel umso höher, je mehr Umdrehungen der Motor erzeugt.

Die Rollgeräusche von Reifen hängen (natürlich) von der Fahrzeugmasse, dem Reifentyp, aber auch von der Straßenoberfläche ab. Je schneller ein Auto fährt, desto lauter werden die Rollgeräusche. So wird der gegenüber 10 km/h um 20 Dezibel höhere Lärm bei 50 km/h viermal so laut wahrgenommen. Je nach Geschwindigkeit dominieren bei Fahrzeugen die Motoren- oder die Reifengeräusche. Bei PKWs sind die Reifen ab etwa 30km/h lauter als der Motor, bei Nutzfahrzeugen und Bussen ab 50 bis 60 km/h. Fahren sie langsamer, hört man stärker das Geräusch der Verbrennungsmotoren. Zusätzlich spielt auch die Anzahl an Fahrzeugen eine Rolle. So werden zehn Autos doppelt so laut wahrgenommen wie ein gleich schnell fahrendes einzelnes Auto.

Lärmpegel eines Autos (Verbrennungsmotor) – aufgesplittet nach Motoren- und Reifengeräusch. (Diagramm aus ADAC)

Neben dem Straßenverkehrslärm verursachen natürlich auch Flug-, Schiffs- und Eisenbahnverkehr Lärm. Bahnlärm ist in der Lärmkarte ebenfalls erfasst. Im 24-Stunden-Verlauf verursachen die S- und Regionalbahnen weniger Lärm als beispielsweise der Straßenverkehr am 1. Ring. Nachts sind Straßen- und Schienenverkehrslärm in etwa gleich laut – der Straßenverkehr betrifft allerdings deutlich mehr Menschen.

Welchen Anteil hat der Busverkehr?

Busse prägen den Wiesbadener Verkehr. Besonders direkte Anwohner der Bushaltestellen können ein Lied von den Motorgeräuschen stehender und beschleunigender Busse singen. Daher ist die Frage berechtigt, welchen Anteil die aktuellen Dieselbusse an den Lärmemissionen des Wiesbadener Straßenverkehrs haben.

Wie im vorigen Abschnitt geschildert, ist für Groß- und Nutzfahrzeuge unter 50 km/h das Motorgeräusch das lautere – bei schnelleren Fahrten dominieren die Rollgeräusche der Reifen. Damit ist die primäre Lärmquelle des innerstädtischen Busverkehrs das Motorgeräusch. Aktuell ist Wiesbadens Busflotte noch fast vollständig mit Dieselmotoren bestückt, das soll sich aber mit einem kompletten Umstieg auf Elektrobusse bis 2022 ändern – und damit auch diese Lärmquelle deutlich leiser werden.

In Versuchsanordnungen der Universität Stuttgart wurden die Lärmemissionen von Bussen mit verschiedenen Antriebsformen (Diesel, Hybrid, Brennstoffzelle) verglichen – im Stand, beim Beschleunigen und bei der Vorbeifahrt in verschiedenen Geschwindigkeiten. Gemessen wurde sowohl durch am Straßenrand stehende Mikrofone als auch durch außen am Bus befestigte, mitfahrende Mikrofone.

Das Ergebnis: besonders im Stand und bei niedrigen Geschwindigkeiten bis 30 km/h sind  die Hybrid- und Brennstoffzellenbusse spürbar leiser als ihre Dieselkollegen. So sind beispielsweise Dieselbusse bei 20 km/h mehr als doppelt so laut wie elektrisch angetriebene Busse.

Diagramm: Lautstärkepegel von Stadtbussen nach Antriebsart. (Quelle)

Die Umstellung von Diesel- auf Elektrobussen wird den Wiesbadener Straßenverkehrslärm also reduzieren – die Frage ist nur, wie stark. Umgekehrt: Wie hoch ist der Anteil der Busse am gesamten Verkehrslärm?

Mit Blick auf zwei Grafiken lässt sich erahnen, dass die Busse insgesamt einen eher geringen Anteil am Gesamtlärm haben. Denn: Die ‘lautesten’ Straßen (1. Ring, Biebricher & Schiersteiner Straße) sind von vergleichsweise wenigen Bussen befahren, während die Bahnhofstraße mit knapp 1.300 Bussen am Tag – vergleichsweise – leise ist. Auf der Rheinstraße, bei den Messungen ebenfalls in der lautesten Kategorie, fahren heute planmäßig gar keine Busse.

Dennoch sind Busse mit Elektromotoren besonders im unteren Geschwindigkeitsbereich und im Stand deutlich leiser als dieselbetriebene Fahrzeuge – vor allem im Bereich von Haltestellen und unter 30 km/h dürfte der Unterschied hörbar werden.

Was bringen Elektroautos?

Aus den eben vorgestellten Gründen wirkt sich eine Umstellung auf Elektroautos nur bei niedrigen Geschwindigkeiten positiv auf das Lärmniveau aus. Bei höheren Geschwindigkeiten dominieren die Reifengeräusche – und die sind bei Verbrennern und Elektrofahrzeugen dieselben. Elektroautos vermindern also bei niedrigen Geschwindigkeiten und im Stand den Lärmpegel (etwa an Ampeln, beim Ein-/Ausparken oder in 30er-Zonen). Die Lärmverbesserungen im fließenden Verkehr auf Hauptverkehrsstraßen fallen aber eher gering aus.

Diagramm: Lautstärkepegel von PKW nach Antriebsart. (Quelle)

Schallquelle Straßenbahnen

Hinweis: In diesem Artikel dreht sich alles um den Verkehrslärm. Die Emission von Infraschall und Vibrationen betreffen Anwohner natürlich ebenfalls, werden aber in einem separaten Artikel behandelt. Auch das Quietschen in (zu engen) Kurven wird separat erläutert.

Nun zur spannenden Frage: Wie laut sind Straßenbahnen?

Analog zum Straßenverkehr verursachen auch Züge Lärm – aus drei Hauptquellen: Antriebs-, Roll- und aerodynamische Geräusche. Aerodynamische Geräusche, also Lärm aus den Luftverwirbelungen vorbeifahrender Züge, treten erst bei über 50 km/h spürbar auf und werden erst bei mehr als Tempo 275 km/h zur dominierenden Lärmquelle – können also für die CityBahn getrost ignoriert werden.

Konkret hängen die Lärmemissionen von Straßenbahnen von mehreren Faktoren ab:

  • Sind die Fahrzeuge Nieder- oder Hochflur? (Entsprechend sitzen die Aggregate unter dem Fahrzeug oder auf dem Dach.)
  • Fährt die Straßenbahn auf Rasengleisen, Schotter, Asphalt oder anderen Oberflächen?
  • Wie eng sind die Kurven? Sind die Kurven zu eng, kann es zum charakteristischen Quietschen kommen. Die CityBahn ist mit Kurvenradien von mindestens 25 Metern deutlich großzügiger geplant als zum Beispiel die Mainzelbahn (18 Meter). Auch technische Maßnahmen helfen. (Link 1, Link 2)
  • In welchem Zustand sind Räder und Gleise? Raue Oberflächen erzeugen mehr Lärm, regelmäßige Wartung (Abschleifen/Abdrehen) wirkt dem entgegen.
  • Sind die Gleise durch zum Beispiel Sand, Split oder Salz verunreinigt?

Im direkten Lärm-Vergleich durch das bayerische Landesamt für Umweltschutz schneiden Straßenbahnen besonders auf Rasengleisen gut ab. Auf Rasengleisen sind die Bahnen annähernd halb so laut wie Autos.

Schallemisssionen (Mittelungspegel in 25m Abstand) von Personenverkehrsmitteln, bezogen auf eine Leistung von 1.000 Personen/Stunde (rot). Die Werte gehen von vollbesetzten Verkehrsmitteln aus. Bei durchschnittlicher Besetzung mit 1,3 Personen (statt 4) erhöht sich der Läärmpegel der PKS (grau).
Aus: BLfU

Verglichen wurden die verschiedenen Verkehrsmittel bei einer Transportleistung von 1.000 Personen pro Stunde bei jeweils voll besetzten Fahrzeugen – also vier Personen pro Auto.

Bei durchschnittlicher Auslastung (also 1,3 Personen / Auto) erhöht sich der Lärmpegel um 5-7 Dezibel – der Autoverkehr ist damit mehr als doppelt so laut wie eine Straßenbahn auf Rasengleis. Bei Straßenbahnen auf der Straße ist der Unterschied geringer; dennoch aber weiterhin spürbar.

Feste Fahrbahn vs. Rasengleis

Welchen Unterschied die Gestaltung der Gleise ausmacht, lässt sich beispielsweise in Mannheim beobachten. Hier fahren die Bahnen der Linie 3 kurz hintereinander über Rasengleis, Rasenpflastersteine und Pflaster. Ansonsten sind die drei Straßenabschnitte recht ähnlich: Ähnliche Wohnbebauung, Anwohnerstraßen, Parkplätze und sporadisch Bäume. Der Rasen-Abschnitt ist halb so laut als der Pflasterabschnitt, denn Pflaster reflektiert Lärm, während Rasen ihn schluckt.

Gegenüberstellung der Schallpegel bei Pflaster-, Rasenpflaster- sowie Rasengleisen [links] und der parallel verlaufenden Hauptverkehrsstraße [rechts].

[Quelle: https://www.gis-mannheim.de/mannheim/index.php?service=laermkartierung]

Die parallel verlaufende Hauptverkehrsstraße in Mannheim ist übrigens durchgehend so laut, wie es die Straßenbahn dort nur auf den Pflaster-Abschnitten ist.

Schlusswort

Die Sorge, dass mit der Citybahn eine neue Lärmquelle auf Wiesbadens Straßen hinzukommt, ist unbegründet. Im Gegenteil: Straßenbahnen sind nach wissenschaftlichen Messungen ohnehin schon leiser als PKW-, LKW- und auch Dieselbusverkehr. Durch Rasentrassen, besseres Gleismaterial und weitere Kurvenführung wird der Lärm durch die geplante Citybahn noch weiter verringert. Sollte dann noch der Umstieg möglichst vieler, bislang motorisierter Verkehrsteilnehmer auf die Tram gelingen, wird sich die Lärmsituation und damit auch Lebensqualität und Wohnwert in der Kurstadt merklich und nachhaltig verbessern.   

Quellen und zum Weiterlesen

Lärmkartierung

Thema Quietschen

Sonstige Quellen

Hinweis: Wir legen bei unseren Artikeln Wert auf solide, objektive, nachvollziehbar gestaltete Texte. Daher findest Du auch eine Vielzahl an Quellenverweisen und Belegen, Grafiken, Fotos und Erörterungen – zuweilen auch wohlbegründete Schlussfolgerungen. Nichtsdestotrotz sind wir eine rein ehrenamtliche Truppe und haben auch keinen Zugriff auf geheime Quellen. Auch wir kennen nur das, was öffentlich ist, wir uns erarbeiten und recherchieren. Fehler sind also nicht ausgeschlossen. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, weitere wichtige Quellen kennst oder fachliche Fehler – her damit. Am besten per Mail oder unten in die Kommentare.

Stellungnahme zur Begutachtung der Zulässigkeit der Bürgerbegehren

Mit einer Beschlussvorlage unterbreitete das Dezernat II, dem das Rechtsamt untersteht, vergangene Woche den Vorschlag, die juristische Begutachtung der Zulässigkeit beider Anti-CityBahn-Bürgerbegehren durch den externen Rechtsanwalt Dieter Schlempp durchführen zu lassen. Dreieinhalb Monate nach Start der Unterschriftensammlungen, sieben Wochen nach Übergabe der Unterschriften an das Wahlamt und ziemlich genau vier Wochen nach offiziellem Beginn der juristischen Prüfung stellt das Rechtsamt also fest, dass es sich selbst außerstande sieht, die Begehren juristisch zu bewerten.

Einen externen Gutachter hinzuzuziehen ist bei komplexen Sachverhalten eigentlich nicht unüblich. Allerdings ist das Thema CityBahn und die zukünftige Mobilität in Wiesbaden in unseren Augen zu wichtig, um diese Personalie leichtfertig auszuwählen. Wir können absolut nicht nachvollziehen, dass der Bürgermeister und Leiter des Dezernat II, Dr. Oliver Franz (CDU), ausgerechnet Dieter Schlempp als unabhängigen Gutachter vorschlägt – der nicht nur Parteikollege und Stadtrat ist, sondern auch noch der Vater seines Büroleiters Michael Schlempp.

Unabhängig davon, in welche Richtung das Gutachten ausfällt, ist genau das der Nährboden, auf denen Spekulationen über Interessenskonflikte und Hinterzimmerabsprachen wachsen. Wenn also ein Externer anstelle des städtischen Rechtsamtes beauftragt werden soll, fordern wir die Wahl eines unabhängigen Gutachters, der weder in der Wiesbadener Stadtpolitik noch in der Stadtverwaltung verwurzelt ist.

Zum Verein “Bürger Pro CityBahn e.V.”

Bei “Bürger pro CityBahn e.V.” engagieren sich Menschen aus Wiesbaden und Umgebung für die Verkehrswende in Wiesbaden und einen nachhaltigen Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs in unserer Region. Die Planung und den Bau der CityBahn begleiten wir konstruktiv und wirken auf eine bestmöglichen Lösung für unsere Stadt hin. Ein Schwerpunkt unserer Arbeit besteht darin, die Stadtöffentlichkeit über die Rahmenbedingungen zu informieren und einen konstruktiven Dialog zu begleiten.

Wir verstehen die CityBahn als einen essentiellen Baustein auf dem Weg zu einer lebenswerteren, verkehrsärmeren und grüneren Stadt. 


Oben ohne – aber wo?

  • Im Rahmen der Planungen wird untersucht, ob die CityBahn auf einigen Abschnitten ohne Oberleitung fahren kann. Dazu sind derzeit vier Abschnitte näher im Gespräch: auf der Theodor-Heuss-Brücke, im Zentrum von Biebrich, auf der Biebricher Allee und an der Ringkirche.
  • Aus Sicht unserer Bürgerinitiative erscheint es nicht sinnvoll, den Abschnitt über die Theodor-Heuss-Brücke ohne Oberleitung zu gestalten. Zusätzlich sollte darüber nachgedacht werden, die Strecke über den Hauptbahnhofs-Vorplatz ohne Oberleitung zu realisieren.
  • Fahrzeuge, die über kurze Strecken ohne Oberleitung fahren können, bringen mehrere Vor- und Nachteile mit sich. Diese müssen abgewogen und bewertet werden. Davon hängt es ab, ob die CityBahn tatsächlich abschnittsweise ohne Oberleitung fahren wird.
Querschnitt einer Straßenbahn-Oberleitung im Vergleich mit einem 1-ct-Stück. (Foto: BI Pro CityBahn)

Auch auf Wunsch vieler an den Workshops beteiligter Bürger wird derzeit untersucht, ob die CityBahn nicht auf einigen Abschnitten ohne Oberleitung fahren kann. Die Planungen werden konkreter – so dass bereits einige Abschnitte in Gespräch sind. Als Ersatz für Oberleitungen existieren verschiedene Technologien – dazu in einem anderen Artikel mehr. Hier soll es um die konkreten Abschnitte gehen, deren Vor- und Nachteile sowie unsere eigenen Vorschläge.

(Draufklicken zum Vergrößern)
CityBahnroute (schwarz) mit angedachten, oberleitungsfreien Abschnitten (rot) sowie diskussionswürdigen Alternativen (blau).

Oberleitungsfreie Abschnitte in Wiesbaden

In den Planungen sind derzeit vier konkrete Abschnitte in Gespräch, auf denen die CityBahn ohne Oberleitung fahren soll: Die Theodor-Heuss-Brücke, die Kernstadt von Biebrich, die Biebricher Allee zwischen erstem und zweitem Ring sowie der Bereich um die Ringkirche. 1https://www.citybahn-verbindet.de/fileadmin/user_upload/190411_CityBahn_Biebricher-Allee_Linienkonzept-Planungsansaetze_Dr.-Paecher_Martin-Kraus.pdf

Bedingt durch die technischen Vorgaben sollten die Abschnitte selbst nicht länger als 1.000 Meter sein. Zwischen den Abschnitten werden schätzungsweise zwei bis drei Kilometer mit Oberleitung benötigt, um den Energiespeicher wieder aufzuladen.

Theodor-Heuss-Brücke

Der – von Mainz aus gesehen – erste, oberleitungsfreie Abschnitt soll die Theodor-Heuss-Brücke werden. Auf den ersten Blick liegen die Gründe der Hand. Durch die exponierte Lage der Heuss-Brücke wären Masten und Leitung umso auffälliger.

Allerdings: Extra Oberleitungsmasten wären gar nicht erforderlich, denn die lassen sich mit den schon heute bestehenden Beleuchtungsmasten kombinieren. Wie übrigens bereits in den 50er Jahren. Die Straßenbahn, die bis dato die Heuss-Brücke querte, fuhr bereits mit Oberleitung. Ein Novum für die Brücke wäre das also nicht – gut erkennbar auf dem rechten Foto.

Eine oberleitungsfreie Führung über die Heuss-Brücke brächte zusätzlich handfeste, betriebliche Nachteile mit sich. So bliebe es den heutigen Mainzer Straßenbahnfahrzeugen verwehrt, über die Brücke auf der Kasteler Seite etwa bis zum Rheinbahnhof am Industriepark Kalle-Albert zu fahren, da sie auf eine Oberleitung angewiesen sind. Diese, momentan noch nicht vorgesehene Option hätte gerade im Falle einer Störung auf der Wiesbadener Seite oder bei eventuell gewünschten Verstärkerlinien durchaus ihren Charme. Ob sich die CityBahn von vornherein diese Möglichkeit verbauen darf, sollte also zumindest gut durchdacht und diskutiert werden. Besonders, wenn vorwiegend Gründe rein optischer Natur dagegen sprächen.

Biebricher Allee

Ein weiterer für den Verzicht auf die Oberleitung vorgesehener Abschnitt ist die Biebricher Allee. Auf rund 600 Metern Länge zwischen erstem und zweitem Ring, wo knapp 20 Höhenmeter zu überwinden sind, soll die CityBahn nicht nur aus optischen Gründen oben ohne fahren. Der Bereich, in dem die Oberleitung hängt, muss nämlich frei von Laub und Ästen gehalten werden.

Allerdings bietet gerade die Biebricher Allee eigentliche optimale Voraussetzungen für eine Oberleitung. Denn: Die Allee verläuft schnurgerade und die notwendigen Masten stehen bereits heute. Schon heute kreuzen bereits Tragseile die Fahrbahn, an der die Straßenbeleuchtung hängt. Hier wären also lediglich ein zweites Tragseil sowie zwei parallel zur Fahrbahn laufende Leitungen notwendig. Optisch würde sich nicht viel ändern. Zudem sind Oberleitungen im Querschnitt so dick sind wie ein 1-Cent-Stück und fallen daher – wie die Bilder zeigen – gerade in Alleestraßen so gut wie gar nicht auf. Auch verbraucht eine Straßenbahn durch die Steigung der Biebricher Allee auf dem Abschnitt mehr Energie – eigentlich ein Grund pro Oberleitung.

Das aus unserer Sicht überzeugendste Gegenargument gegen eine oberleitungsfreie Führung auf der Biebricher Allee ist aber, dass sie eine oberleitungsfreie Führung am Hauptbahnhof verhindern würde. Dazu später mehr.

Ringkirche

Ringkirche, hier noch mit Oberleitung, Visualisierung: CityBahn GmbH

Es liegt aus zwei Gründen auf der Hand, die Führung um die Ringkirche ohne Oberleitung zu gestalten: Zum einen sind kurvige Abschnitte aufwendiger zu realisieren als geradlinige, und die Ringkirche soll auf beiden Seiten von der Bahn halbkreisförmig umfahren werden. Zum zweiten verläuft die Strecke hier auf beiden Seiten jeweils eingleisig – insgesamt wären also deutlich mehr Befestigungen und Tragseile notwendig als auf zweigleisigen Strecken.

Vorschlag: Wiesbaden Hauptbahnhof

Oberleitungen auf geraden Abschnitten sind relativ unauffällig in ihrer Erscheinung und einfach zu realisieren. Aufwändiger und damit auffälliger werden sie an Abbiegungen und in Abschnitten, in denen Weichen vorgesehen sind. Wenn die Leitung nicht geradlinig sondern kurvenförmig verläuft, sind Trag- und Spannseilen notwendig. Diese sind entsprechend auffälliger – wie die Bilder beispielhaft zeigen.

Am Hauptbahnhof wird die CityBahn nicht nur um 90 Grad vom 1. Ring in die Bahnhofstraße einbiegen, sie soll außerdem mit der Stichstrecke in Richtung Tankstelle eine T-Kreuzung bekommen. Entsprechend viele Abspannungen wären notwendig. Im Bereich des Hauptbahnhofes gibt es außerdem wenige Bäume oder Bauwerke, in die sich die Masten und Oberleitungen integrieren lassen. Hier wären also sowohl die Leitungen als auch die Masten besonders auffällig, gerade für Stadtbesucher, die am Hauptbahnhof ankommen oder umsteigen – Pendler und Touristen gleichermaßen.

Daher erscheint eine Führung ohne Oberleitung im Bereich des Hauptbahnhofes attraktiv – auch wenn dafür die oberleitungsfreie Führung in der Biebricher Allee entfallen müsste.

Andreas Scheuer übernimmt ESWE-Geschäftsführung

Nur wenige Tage nach dem bekannt wurde, dass Frank Gäfgen aus der Geschäftsführung von ESWE Verkehr ausscheide, steht die Nachfolge fest: Andreas Scheuer rückt nach. Niemand sonst hätte sich derart um die Stärkung des öffentliche Nahverkehrs, den Ausbau umweltfreundlicher Mobilitätsangebote und vernunftbasierte, faktenorientierte Entscheidungen verdient gemacht, verteidigte das Verkehrsdezernat diese Personalie am Freitag.

Andreas Scheuer, der mit einer Reihe weiterer, ausgewiesener ÖPNV-Experten aus dem Bundesverkehrsministerium nach Wiesbaden wechselt, legte bereits vor Amtsantritt seinen drei-Punkte-Aktionsplan vor:

  • Statt einer CityBahn erhält Biebrich das erste U-Bussystem Europas. Diese Variante kombiniere verschiedene Vorteile: die lästigen Haltestellen, Busse und Busspuren verschwinden endlich aus dem Straßenraum, der freiwerdende Raum könne für weitere Parkplätze verwandt werden. Auch warten die Leute auch bei schlechtem Wetter im trockenen – den Autofahrern bliebe so der elendige Anblick von Nicht-Autofahrern erspart. Zusätzlich können die Tunnelwände mit dekorativen Baum-Abbildungen verschönert werden. Die fehlende Flexibilität in der Routenführung sei schließlich auch nur dann ein Problem, wenn es Autofahrer beeinträchtigt.
  • Die Mitnahme von einem SUV pro Fahrgast in Bussen und Bahnen solle kostenlos werden. Wenn sich diese Regelung nicht RMV-weit durchsetzen ließe, dann vorerst nur für das Wiesbadener Stadtgebiet. „Uns ist wichtig, diese Angebote zu entwickeln, um gezielt Autos von den Straßen zu holen. Denn jedes Auto, das nicht selbst fährt, verliert auch nicht an Wert.„, so Scheuer am Montag. Pro Gelenkbus können zwei SUVs mitgenommen werden, pro Straßenbahn bis zu sechs. Im Zweifel müssen eben Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer ihre Plätze freigeben und auf den nächsten Bus warten, so Scheuer weiter. Der Status Quo sei für diese ein kleiner Preis dafür, dass sich unterm Strich das Angebot verbessere. Auch könnten die SUV-Fahrer während der Busfahrt in den eigenen Fahrzeugen sitzen bleiben; eine etwaige Interaktion mit anderen Fahrgästen bleibe ihnen damit erspart.
  • Eine autonome Auto-Seilbahn über den Rhein soll vorübergehend die Schiersteiner- und die Heuss-Brücke entlasten. „Wir kombinieren hier zwei unschlagbare Techniken: Der bauliche Eingriff in die Umgebung ist bei Seilbahnen minimal. Gleichzeitig garantieren wir durch die autonome Führung der Seilbahngondeln die absolute Flexibilität in der Routenführung – schließlich können diese dann on demand exakt diejenigen Verbindungen abdecken, die individuell benötigt werden.“ Für Stammgäste soll es außerdem die Möglichkeit geben, autonome Autoseilbahngondeln zu kaufen. „Ich bin sicher, dass es besonders für Vielfahrer attraktiv ist, nicht ebenerdig parken zu müssen, sondern direkt aus dem eigenen Fenster im Obergeschoss ins Auto einsteigen zu können.“, ergänzte Scheuer. Die Seilbahn soll schon in kurzer Zeit in Betrieb gehen und die Zeit überbrücken, bis Scheuer die neuen Rheinbrücken fertig gestellt hat. Zur Frage der Finanzierung erwiderte er: „Finanzielle Mittel sind ausreichend vorhanden, wir müssen da nur entsprechend priorisieren.“ Bis 2021 plant er die Eröffnung von 17 weiteren Autobrücken zwischen Mainz und Wiesbaden inklusive Querverbindungen dieser Brücken über dem Rhein.

UN schicken Sonderbotschafter nach Biebrich

Am Rande einer Pressekonferenz in São Paulo verkündete António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, dass die UN noch in diesem Monat einen Sonderbotschafter nach Biebrich entsenden will. Hintergrund sei hier der immer noch schwelende und nicht zu schlichtende Konflikt um die Lage der CityBahn-Haltestelle in der Adolf-Todt-Straße.

Dieser drastischen Maßnahme ging eine Absage des israelischen Konsortiums CityPass voraus. “Wir haben erfolgreich eine Straßenbahn von Israel ins Westjordanland gebaut – entlang der Demarkationslinie mit gepanzerten Fahrzeugen. Biebrich ist uns aber eine Nummer zu heiß.” hieß es aus Führungskreisen des Jerusalemer Straßenbahnbetreiber.

Von Seiten der Vereinten Nationen heißt es, man sei zuversichtlich, den Konflikt bald zu lösen. Der UN-Sicherheitsrat signalisierte unterdessen die Bereitschaft, notfalls auch friedenserzwingende Blauhelmtruppen zu entsenden.

John Bercow übernimmt Verhandlung zum Mobilitätsleitbild

John Simon Bercow wird den Moderationsprozess zum Wiesbadener Mobilitätsleitbild übernehmen. Bercow sorgt als Sprecher des House of Commons derzeit für das letzte bisschen verbleibende Struktur in den britischen Brexit-Abstimmungen. Er sei daher wie kein anderer prädestiniert, den hiesigen Verhandlungsprozess zu führen, heißt es aus dem Rathaus.

Seine markanten “Oaaardeeer!”-Rufe werden also demnächst auch in Wiesbaden deutlich zu hören sein. Bercaw gab sich derweil voller Vorfreude – er freue sich auf die neue Aufgabe. Tories und Labour in diesen Zeiten unter Kontrolle zu halten, sei schon eine Herausforderung. Die Moderation des Wiesbadener Mobilitätsleitbildes werde diese aber nochmal deutlich übertreffen. Zur Unterstützung Bercaws sei außerdem Vitali Klitschko im Gespräch, der schon bei hitzigen Diskussionen im ukrainischen Parlament unter Beweis stellte, dass er zwei verdammt gute Argumente hat.

Derweil lud Theresa May die Verantwortlichen der “BI Mitbestimmung” und der BI “Busse statt Citybahn” nach London ein, um gemeinsam ein zweites Brexit-Referendum vorzubereiten. “Damit sind wir in der zweiten Abstimmung auf der sicheren Seite!”, gab sich May zuversichtlich.