Alternativen zur Straßenbahn

Kein Verkehrsmittel ist alternativlos – Autos nicht, Busse nicht, Straßenbahnen auch nicht. Aber jedes davon kann unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen, der Ziele und Anforderungen die beste Wahl sein. Und so kann die CityBahn für Wiesbaden die beste Alternative sein. Doch welche anderen Massentransportmittel gibt es – neben der Straßenbahn – überhaupt?

Die Frage, welche Transportmittel für welche Anwendungsbereiche des öffentlichen Personennahverkehrs geeignet sind, treibt Verkehrswissenschaftler und Stadtplaner seit Jahrzehnten um. Und bei der Beantwortung spielen eine Vielzahl an Faktoren eine Rolle: Kosten, Leistungsfähigkeit, politische und gesellschaftliche Akzeptanz, ökologische Folgen – um nur einige zu nennen.

Anforderungen an ein öffentliches Verkehrsmittel

Eine der ersten Fragen bei der Auswahl des Verkehrsmittels ist: Wie viele Menschen sollen über welche Entfernung transportiert werden? Durch die jahrzehntelange Erfahrung können die Verkehrsplaner bei den allermeisten Optionen auf ein breites Spektrum an bewährten, fundierten Erkenntnissen zurückgreifen.

Neue, technische Entwicklungen müssen dabei natürlich auch berücksichtigt werden. Nicht jede Neuerung ist aber automatisch bahnbrechend. Denn auch Busse, die mit Wasserstoff oder Akku fahren, sind letztlich Busse. Autonome Straßenbahnen bleiben grundsätzlich Straßenbahnen, Gummistraßenbahnen sind bei genauerem Hinsehen auch nur weiterentwickelte Spurbusse. Selbstfahrende Autos sind unterm Strich Anrufsammeltaxis mit anderer Kostenstruktur und dadurch veränderten Anwendungsbereichen. Lediglich Flugtaxen bespielen ganz neue Einsatzfelder, die so zuvor bestenfalls mit Helikoptern abgedeckt wurden. Abgesehen von deren schlechten Energieeffizienz werden diese aber auch kein Massentransportmittel ersetzen.

Für Wiesbaden suchen wir ein Rückgrat für unser ÖPNV-System, welches mehr Menschen befördern kann als das heutige Bussystem. Denn selbst bei gleich bleibendem Modal Split wird die Fahrgastzahl allein wegen dem Bevölkerungswachstum in Wiesbaden und der Region weiter ansteigen. Gleichzeitig soll der ÖPNV-Anteil am Modal Split aber wachsen. Um einen ÖPNV-Anteil wie beispielsweise Mainz oder Frankfurt zu erreichen (~22%), müssten die Wiesbadener Busse zwischen rund ein Drittel mehr Fahrgäste befördern. Ob das mit den heute schon vollen Bussen, besonders in den Stoßzeiten, funktionieren kann, bleibt fraglich.

Was sind die Optionen?

Der Blick in die Fachliteratur hält folgende, grundsätzliche Transportsystem zur Personenbeförderung bereit – hier eingeteilt nach Transportkapazität (in Personen pro Stunde und Richtung) und der Systemlänge, also der sinnvollen Länge der Verbindungen/Linien. Diese ergibt sich aus der technisch realisierbaren Geschwindigkeit des Verkehrsmittels und den zumutbaren (attraktiven) Reisezeiten.

Abbildung verändert nach: Monheim/Muschwitz 2010

Mit Blick auf diese Einteilung wird klar: Es gibt grundsätzlich eine Vielzahl an Transportmitteln, die eine höhere Kapazität haben als Busse – und ähnlich hohe (oder höhere) wie die Straßenbahn. Deshalb reicht dieses Kriterium allein nicht – die Geschwindigkeit ist ebenfalls relevant.

Und da wird’s schon dünn: Fahrsteige/Rolltreppen (moving sidewalks) können enorm viele Fahrgäste befördern – deutlich mehr als Bus oder Straßenbahn. Sie sind aber langsam und machen daher nur über kurze Strecken Sinn – beispielsweise am Flughafen Frankfurt (als Verbindung Terminal – Bahnhof). Auch Seilbahnen (genauer gesagt: Umlaufseilbahnen) können eine höhere Transportkapazität haben als Busse – sind aber ebenfalls recht langsam. Die Fachliteratur geht daher von einem sinnvollen Einsatz von Seilbahnen von sechs bis acht Kilometern aus. (Auch ist es schwierig, mit Seilbahnen Netzwerke zu bauen – oder Kurven.)

Klassische S- und U-Bahnen haben ebenfalls deutlich höhere Kapazitäten als ein Bussystem – sind aber auch mit massiven Bauarbeiten und Kosten verbunden. Die S-Bahnverbindung zwischen Mainz und Wiesbaden hat einen Haltestellenabstand von durchschnittlich drei Kilometern – nordmainisch auf der S1 sind es sogar vier bis fünf Kilometer. Zusammen mit 120 bis 180 Meter langen Zügen ist das zur Erschließung der Innenstadt gänzlich unbrauchbar. 

U-Bahnen kosten überschlägig das zehn(!)fache einer Straßenbahn. Die Stadt Frankfurt startete im August die Erweiterung der Linie U5. Die 2,7 Kilometer sollen nach aktuellen Schätzungen 370 Millionen Euro kosten – und damit rund ein Drittel mehr als die komplette CityBahn vom Mainzer Hauptbahnhof nach Bad Schwalbach.

Die hiesige Aufgabenstellung bleibt: Eine leistungsfähige Erschließung der Wiesbadener Innenstadt und die verlässliche Verknüpfung mit Mainz und Taunusstein. Daher bleiben mit nüchternem Blick auf die Alternativen neben der Straßenbahn vier grundsätzliche Optionen übrig: 

  1. Ein zum Bus-Rapid-Transit ausgebautes Bussystem, 
  2. eine Seilbahn,
  3. eine Schwebe-/Hängebahn oder
  4. Spurbusse, ART oder sonstige, spurgeführte “Gummistraßenbahnen” (Tramway sur pneus)

Nur ein Teil der Optionen ist in bestehende Netze und Infrastruktur integrierbar.

Bus Rapid Transit

Bus Rapit Transit-Systeme (BRT) sind speziell ausgebaute Bussysteme. Mit einem klassischen BRT ließe sich gegenüber dem heutigen Bussystem die Leistungsfähigkeit weiter steigern, indem Kapazität oder Geschwindigkeit (oder beides) der Busse erhöht werden. Das heißt in der Regel: Einsatz größerer Fahrzeuge (Gelenkbusse/Doppelgelenkbusse), die bauliche Trennung der Bustrasse von allen (!) anderen Verkehrsteilnehmern und meist auch spezielle Haltestellen, um in kurzer Zeit vielen Fahrgästen den Ein-/Ausstieg zu ermöglichen.

Durch die fehlende Spurführung ist die Trasse deutlich breiter als bei den spurgeführten Varianten (2) und (3). Inwiefern sich ein BRT in der Wiesbadener Innenstadt realisieren lässt, kann mit Blick einem auf die Beispielfotos erahnt werden.

Weiterlesen

Seilbahnen

45 Jahre nach Eröffnung der ersten innerstädtischen Seilbahn Deutschlands ist dieses Transportmittel aktuell an vielen Stellen wieder in der Diskussion – sei es im RMV, in München oder Wuppertal. Seilbahnen sind direkt auf den ersten Blick charmant: Sie benötigen sie außer den Stationen und ein paar Stützen keine Infrastruktur und konkurrieren damit nicht zusätzlich um den begrenzten Straßenraum. Sie sind (vergleichsweise) einfach, schnell und günstig zu errichten und weitestgehend erschütterungs- und geräuschlos.

Auch auf den zweiten Blick behalten Seilbahnen (genauer gesagt: umlaufende zwei- oder drei-Seil-Bahnen) ihren Charme. Mit Blick auf die Transportkapazität können moderne Seilbahnen durchaus mit Bus- und Straßenbahnverbindungen mithalten: zwischen 2.000 und 7.000 Menschen sind so pro Stunde und Richtung realisierbar. Der Energieverbrauch ist gering, das Unfallrisiko in Ermangelung anderer Verkehrsteilnehmer in der Höhe niedrig und die Gondeln verkehren ohne Personal. Außerdem sind sie Stetigförderer – es werden also keine Fahrpläne benötigt, da alle paar Sekunden eine neue Gondel kommt. Da sie zwischen den Stützen keine Infrastruktur benötigt, können Seilbahnen besonders gut Hindernisse überwinden (Flüsse, Autobahnen, Gleise) oder steile Steigungen zurücklegen. Mit einer maximalen Geschwindigkeit von rund 30 km/h ist sie mit den anderen innerstädtischen Verkehrsmitteln zumindest vergleichbar. Und so existieren heute schon Seilbahnverbindungen (Koblenz, Köln, Berlin) oder ganze Netzwerke in südamerikanischen Städten.

https://blog.citybahn-verbindet.de/seilbahn-als-alternative/

Seilbahnen bringen aber auch einige, handfeste Nachteile mit sich, die auf den ersten Blick gern übersehen werden. Diese erschweren, sie im Nachhinein in gewachsene Stadtstrukturen zu integrieren.

Stationen von Seilbahnen benötigen Platz – viel Platz. Vor allem dann, wenn die Gondeln nicht auf Straßenniveau halten, sondern ‚oben‘. Sollen die Stationen leistungsfähig sein und darüber hinaus barrierefrei, sind aufwendig Bauwerke inklusive Rolltreppen, Fahrstühle und Bahnsteige notwendig. Besonders die Endhaltestellen – die den Antrieb beherbergen – sind massiv.

Auch können Seilbahnen zwischen den Stützen und Stationen keine Kurven fliegen, da die Seile (wortwörtlich) schnurgrade verlaufen. Sollen die Gondeln einem gebogenen Straßenverlauf folgen, müssen diese statt an Seilen auf Schienen laufen – damit wäre ein Vorteil der Seilbahnen dahin. Hinzu kommen große Risiken hinsichtlich Anwohnerakzeptanz, wenn die Gondeln über Privatgrundstücke oder auf Augenhöhe mit dem zweiten Obergeschoss durch die Wohnviertel fliegen.

Seilbahnlinien in La Paz. (Bild: Chumwa; Michael F. Schönitzer; Chuq, Seilbahnnetz La Paz, CC BY-SA 3.0)

Ein weiterer Nachteil: Seilbahnen sind immer Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Zwar lassen sich Zwischenstationen durchaus einplanen. Für Abzweige und Weichen existieren derzeit aber keine brauchbaren Konzepte. Damit sind auch Überhol- und Ausweichmöglichkeiten nicht realisierbar, ein wirkliches Netzwerk ebenfalls nicht. Und so besteht auch das knapp ein Dutzend Linien umfassende Seilbahnnetz in La Paz (Bolivien) aus einer Ansammlung von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen einem und fünf Kilometern Länge und größeren Umsteigestationen.

Siehe auch

Hängebahnen

Zuweilen als Alternative angeführt werden Hängebahnen – mit dem wohl bekanntesten Vertreter: die Wuppertaler Schwebebahn (die technisch gesehen keine Schwebebahn ist, sondern eine Hängebahn). Die Einordnung in die obige Skala ist etwas schwierig, weil nur drei solcher Anlagen in Deutschland installiert sind: In Wuppertal sowie zwei einander sehr ähnliche Anlagen an der TU Dortmund (H-Bahn21) sowie am Düsseldorfer Flughafen (SkyTrain). Entsprechend besetzen Hängebahnen eher eine Nische – das Spektrum ihrer Einsatzfähigkeiten ist daher schwer einzugrenzen.

Schwebebahn Wuppertal

Die Wuppertaler Schwebebahn (technisch eine Einschienen-Hängebahn) durchzieht auf einer Linie mit 13,3 Kilometern die Wuppertaler Innenstadt. Davon sind knapp über 10 Kilometer über dem Flusslauf der Wupper gebaut. Insgesamt säumen 464 Stützen und Bögen den Laufweg, der zwölf Meter über der Wupper bzw. acht Meter über der Straße verläuft.

Die Schwebebahn vereint dabei Eigenschaften von Seilbahnen und Straßenbahnen: Mit einem durchschnittlichen Haltestellenabstand von 700 Metern und 24 Meter langen Zügen (42 Sitzplätze + 88 Stehplätze = 130 Plätze) erfüllt sie eine ähnliche Erschließungsfunktion wie herkömmliche Straßenbahnen. Gleichzeitig konkurriert sie aber nicht mit anderen Verkehrsteilnehmern um den knappen Straßenraum. Durch die Höherlegung der Trasse sind die Stationen deshalb (analog zu Seilbahnstationen) sehr platzbedürftig.

Darüber hinaus existieren für die Wuppertaler Schwebebahntechnologie im Fahrgastbetrieb – analog zu Seilbahnen – keine praktikablen Weichen, sodass auch hier keine Überholgleise, Abzweige, Verstärkerlinien oder gar Netzwerke gebaut werden können. Am Ende der Strecke durchfahren die Züge eine Wendeschleife. Genau genommen ist die Wuppertaler Schwebebahn also ein großer Kreisverkehr. Bleibt ein Zug liegen, steht der gesamte Betrieb, da die Züge keine Möglichkeit zum Wenden oder Ausweichen haben.

Insgesamt nutzen rund 85.000 Fahrgäste täglich die Schwebebahn – die maximale Beförderungskapazität wird mit 3.500 bis 4.000 Personen pro Stunde und Richtung angegeben. Damit liegt die Bahn gleichauf mit Straßenbahnsystemen. Der Vorteil gegenüber Straßenbahnen (weniger Platzverbrauch auf Straßenniveau) wird allerdings mit deutlich aufwendigerer (und damit teurerer) Infrastruktur sowie spürbaren, betrieblichen Nachteilen (keine Überholungen/Abzweige/Netzwerke) erkauft.

Hängebahnen

Die Hängebahnen, die auf dem Gelände der TU Dortmund sowie dem Düsseldorfer Flughafen eingesetzt werden, haben mit der Wuppertaler Variante (außer der Klassifizierung als Hängebahn) nicht viel gemein. Die fahrerlosen Fahrzeuge sind deutlich kleiner (9,20 Meter Länge, 35 bzw. 37 Plätze). Sie kommen zwar auf eine maximale Transportkapazität von knapp 2.000 Personen pro Stunde und Richtung, das allerdings auf einer deutlich kleineren Strecke. So ist die Dortmunder Strecke mit ihren fünf Stationen knapp drei Kilometer lang, die Düsseldorfer Strecke mit vier Stationen zweieinhalb Kilometer. Aufgrund des Höhenunterschiedes zum Straßenraum sind die Stationen ebenfalls platzbedürftig, die Trasse selbst verläuft ebenfalls über Straßenniveau. Allerdings können mit den hier realisierten Hängebahnen durchaus Weichen und Abzweige realisiert werden.

Die fahrerlosen Fahrzeuge ermöglichen einen hoch flexiblen Fahrzeugeinsatz – in Schwachlastphasen sogar on demand, also per Knopfdruck. Die vergleichsweise kurzen Strecken liegen deutlich unter den Möglichkeiten einer Straßenbahn. Durch die einfache Integration und die gute Kreuzungsmöglichkeit von Flüssen und Bahndämmen eignet sich die Hängebahn aber durchaus zur nachträglichen Integration in bestehende Gewerbegebiete zur Feinerschließung. Wieso also nicht über eine Linie vom neuen S-Bahnhof Schott (Mainz) über das Mombacher Hafengebiet, die Petersaue, durch den Kalle-Albert-Industriepark und über den S-Bahnhof Wiesbaden Ost in das Gewerbegebiet zwischen S-Bahn und Steinbruch nachdenken? Damit ließen sich die Industrie- und Gewerbegebiete komfortabel erschließen und sowohl die S-Bahn als auch die Straßenbahnen auf Mainzer und Wiesbadener Seite verknüpfen.

Spurbusse, Gummistraßenbahnen, ARTs

Autonomous Rail Rapid Transit (ARTs), Gummistraßenbahnen, Tramway sur pneus: Im Detail unterscheiden sich Antrieb und Ausführung der Fahrzeuge – letztlich handelt es sich aber immer um Spurbusse.

Sind Busse spurgeführt, erlaubt dies auch in engen Straßenräumen deutlich längere Fahrzeuge, da die Fahrzeuge auch in Kurven auf der definierten Route bleiben. Die Spurführung kann prinzipiell durch Führungsschienen in der Mitte (ähnlich einer Carrera-Rennbahn) oder durch Führungsrollen an der Seite geschehen. In jüngerer Vergangenheit kamen außerdem Systeme, die der Spur durch optische Sensoren (Kamera folgt weißer Linie) oder per Induktionsschleifen folgen. Da die mechanische Spurführung fehlt, müssen alle Achsen der Fahrzeuge gelenkt sein – mit entsprechend höheren Kosten und Verschleiß.

Durch die Spurführung benötigt eine Spurbustrasse weniger Platz in der Breite eine klassische Busspur. Das führt zu einem Platzvorteil, selbst wenn die Route durch normale Solo- oder Gelenkbusse befahren wird. Die Trasse in Adelaide ist mit 6,20 Metern ähnlich breit wie Straßenbahntrassen – und schmaler als Busspuren. Zusätzlich können klassische Spurbusse auch auf normalen Straßen fahren. So sind im Netz der O-Bahn Adelaide die Busse auf zwölf Kilometern separat vom übrigen Verkehr spurgeführt und nutzen davor/danach herkömmliche Straßen zur Bedienung verschiedener Ziele.

Da die Fahrstrecke der Busse fix ist, können diese auch per Oberleitung angetrieben – nur fahren Sie eben auf Asphalt und nicht auf Gleisen. Die gegenüber normalen Bussen höhere Leistungsfähigkeit kommt hier durch größere Fahrzeuge und – da die Trassen in der Regel meist exklusiv genutzt werden – höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten.

Klassische Spurbussysteme sind selten und existieren in Deutschland quasi nicht mehr. Rund ein Dutzend „Gummistraßenbahnen“ (Tramway sur pneus) fahren in Frankreich, Italien, China und Kolumbien. Zuletzt haben sich die französischen Städte Caen und Nancy von ihren “Gummistraßenbahnen” getrennt. Zu fehleranfällig, zu teuer; sie werden durch klassische Straßenbahnen ersetzt.

Happy Birthday, Busspur!

Die Busspur feiert Geburtstag: Heute vor 51 Jahren wurde in Wiesbaden der Sonderfahrstreifen für Linienomnibusse erfunden. 01. September 1968 – Weltpremiere. Die Busspur war geboren. Und das ganz ohne rechtliche Grundlage, denn in die StVO schaffte es die Busspur erst eineinhalb Jahre später. Ihr Vater, Rolf-Werner Schaaff und damaliger Leiter des Amts für Verkehrswesen, erfand als logische Konsequenz ebenfalls Busampeln und Busschleusen.

Hintergrund: Die Busse steckten im steigenden Autoverkehr fest und brauchten von Wilhelmstraße zum Bismarckring 20 Minuten. Durch die (schon) damals chronisch unpünktlichen Busse brachen die Fahrgastzahlen der ESWE Verkehr drastisch ein: Binnen fünf Jahren sank die Zahl Passagiere um ein Drittel.

Vollbildanzeige

Busspuren in Wiesbaden. Dunkelgrün: beide Richtungen. Hellgrün: Eine Richtung (Einbahnstraße). Gelb: Busspur nur in eine Richtung.

Notgedrungen realisierte Schaaff in Eigenregie, was zuvor nur theoretisch durch die Literatur geisterte: Sonderfahrstreifen für Busse. Die ersten fünf Busspuren, jeweils einen Kilometer lang, entstanden in der Friedrichstraße, Bleichstraße, Blücherstraße, Dotzheimer Straße und Luisenstraße.1Klaus Kopp: 125 Jahre Wiesbadener Verkehrsbetriebe 1875-2000.

In diesem Atemzug wurden Friedrich- und Luisenstraße in Einbahnstraßen umgewandelt, die Rheinstraße hingegen komplett dem MIV übergeben. Damit möglichst viele Buslinien von den neuen Sonderfahrstreifen profitieren konnten, wurde das Busnetz entsprechend angepasst – das noch heute präsente, sternförmige Busliniennetz war geboren.

Und heute?

Bei den fünf Kilometern Busspur blieb es nicht – das Modell setzte sich durch. Zuletzt entstanden neue Abschnitte auf Wilhelm-, Bahnhof und Luisenstraße sowie auf dem 1. Ring. Und so freut sich Wiesbaden heute über ein Busspurnetz, dass insgesamt irgendwo zwischen zwölf Kilometern (wiesbaden.de) und 50 Kilometern (eswe-verkehr.de) liegt.

Busspuren in Wiesbaden. Dunkelgrün: beide Richtungen. Hellgrün: Eine Richtung (Einbahnstraße). Gelb: Busspur nur in eine Richtung.

Anzahl Linienbusse pro Werktag nach Straße

Bei direktem Vergleich der Busspuren und der Buslinien heute fällt aber auf: Das Netz hat Lücken. Es fehlen auf einigen, stark frequentierten Routen durchgehende Busspuren – auf den meisten davon gäbe es auch Platz genug, um Busspuren einzurichten.

Busspuren fehlen beispielsweise

  • Auf dem 1. Ring, Fahrtrichtung Süden, zwischen Dotzheimer Straße und dem Hauptbahnhof (1,3km).
  • Auf dem 1. Ring, Fahrtrichtung Norden, zwischen Hauptbahnhof und Schiersteiner Straße (0,9km).
  • Auf der Dotzheimer Straße zwischen Klarenthaler Straße und der Holzstraße (1,3km).
  • Auf dem Gustav-Stresemann-Ring zwischen Berliner Straße und dem Hauptbahnhof (0,9km).
  • Auf der Bierstadter Straße zwischen Moltkering und Frankfurter Straße (0,9km)
  • Auf der Schiersteiner Straße zwischen 1. Ring und der Erbacher Straße (0,1km).

Genau genommen fehlen die Busspuren ebenfalls auf der Biebricher Allee und in Biebrich City – aber wer braucht schon Busspuren, wenn er eine CityBahn haben kann. 😉

Siehe auch

Quellen

Quellen
1 Klaus Kopp: 125 Jahre Wiesbadener Verkehrsbetriebe 1875-2000

Mit der Überraschungslinie zur HSK

Die ESWE ist öfter für eine Überraschung gut. Zum Ende der Sommerferien kommt sie nun mit einer neuen Buslinie um die Ecke – fast schon klammheimlich. Am Mittwoch lädt die ESWE zwar zur Pressekonferenz, um Hintergründe und Zahlen zur neuen Linie zu präsentieren. Der Merkurist fragte aber bereits vorher nach – doch zur Route und Taktung hüllt sich die ESWE in Schweigen.

Wir lüften das Geheimnis schon etwas früher für euch – dank etwas Nachhilfe vom RMV: Ab Montag, dem 12. August, wird in Wiesbaden die neue Linie 49 unterwegs sein. Sie wird eine neue Direktverbindung vom Hauptbahnhof zu den Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken in Dotzheim herstellen. Sie führt vom Hauptbahnhof über den 1. Ring, die Schiersteiner Straße zur Haltestelle Waldstraße. Von da aus geht es über die Haltestellen Kahle Mühle P+R, Straßenmühle und Willi-Werner-Straße zur HSK. Eine einfache Fahrt dauert 18 Minuten.

Bisher sind die Fahrgäste von Hauptbahnhof zur HSK nur mit Umstieg unterwegs. Die neue Linie verkürzt die Reisezeit um knapp zehn Minuten und umgeht die oft unpünktliche Linie 4.

Dieser Bus verkehrt ab dem 12. August 2019, montags bis freitags von etwa 05:30 Uhr bis 10:30 Uhr und von etwa 14:30 Uhr bis 20:00 Uhr im 30- bis 60-Minuten-Takt. An der Taktung ändert sich auch in den Ferien nichts, lediglich die Abfahrtszeiten verschieben sich. Die Fahrtzeiten im Detail sind bereits in die RMV-App eingespeist. In die DB Navigator-App werden sie sicherlich auch bald Eingang finden. Die Fahrplantabellen findet ihr auf der RMV-Homepage:

Ein Blick ins Detail

Um ein bisschen detaillierter in diese Angebotserweiterung zu schauen, lohnt sich ein Blick in den Bildfahrplan dieser Linie. Dargestellt sind hier die einzelnen Fahrten im Tagesverlauf. Die rot markierten Fahrten können dabei von einem Bus geleistet werden. Für die schwarz markierten Fahrten stößt ein Verstärkerbus hinzu, der den 30-Minuten-Takt ermöglicht. Hierfür werden in den Stoßzeiten zwei Busse und mindestens zwei Busfahrer*innen benötigt.1Die genaue Anzahl an benötigten Fahrern ist nicht trivial zu ermitteln, da die Fahrer des Verstärkerbusses davor bzw. danach anderweitig eingesetzt werden können. Gleichzeitig fährt der … Continue reading

Bildfahrplan der Linie 49 zu Schulzeiten

Die Wendezeiten am Hauptbahnhof und der HSK erlauben für den Stundentakt einen einzelnen, pendelnden Bus – also dass eine endende Linie 49 auch als Linie 49 wieder zurück fährt. Ähnliches gilt – wenn auch nur in kürzerem Zeitraum – auch für den Verstärkerbus. Ein Verflechtungspotenzial am Hauptbahnhof, also dass die Linie 49 (sobald am Ziel angekommen) als andere Linie weiterfährt, erscheint deswegen für den Hauptbus (rot) unwahrscheinlich, weil unnötig.

  • Der gesamte Fahrtweg (Hauptbahnhof > HSK > Hauptbahnhof) ist 10,8 km lang. Diese Strecke wird von den beiden notwendigen Bussen insgesamt 18 Mal am Tag gefahren – insgesamt also 194,4 km Buskilometer pro Tag.
  • Die Linie wird (wahrscheinlich) von einem Solobus gefahren. Bei einem Verbrauch von ca. 40 Litern auf 100 km entspricht das einem Tagesverbrauch von 77,76 Litern – und bei 230 Werktagen damit Treibstoffkosten von knapp 18.000 EUR jährlich.
  • Der Blick auf den Fahrplan verrät einen Mindestbedarf von 1,5 Busfahrer*innen für diese Linie. Die ESWE unterhält im Schnitt knapp 3 Fahrer pro Fahrzeug – Krankheit, Urlaub, Arbeitszeit, Fortbildung. So ergeben sich jährliche Personalkosten von (überschlägig) 68.000 EUR.
  • Und nun kommt’s: Der Hauptbus der Linie ist in den Hauptverkehrszeiten eingesetzt – einer Zeit, in der ohnehin der Großteil der ESWE-Flotte unterwegs ist. Da hier vermutlich kein Bus einfach so rum steht, ist es durchaus plausibel, einen Mehrbedarf von einem Bus anzunehmen. Ein zusätzlicher Bus der ESWE verursacht sprungfixe Kosten in Höhe von rund 300.000 EUR im Jahr (dann bereits inklusive Treibstoff und Personal.)

Fazit

Wir freuen uns, dass die ESWE Verkehr ihr Angebot weiter ausweitet und verbessert. Eine neue Direktverbindung, die Hauptbahnhof, P+R-Parkplatz und HSK verbindet und dabei nicht nur schneller ist, sondern vermutlich auch zuverlässiger: Für Pendler durchaus attraktiv. Bleibt zu hoffen, dass diese sie auch annehmen. Allerdings müssen dafür möglichst viele Menschen diese Linie vorher kennen – daher bleibt es schleierhaft, wieso diese Linie nicht langfristiger als fünf Tage zuvor beworben wird.

Weitere Verbesserungen im ÖPNV sind für Bürger und Stadt wünschenswert – auch, wenn für attraktive Angebote Geld in die Hand genommen werden muss. Der Nutzen kommt dann mit den Fahrgästen. In einem Bussystem wie dem in Wiesbaden lassen sich allerdings nicht beliebig mehr Busse und mehr Fahrer einsetzen – vor allem in den Hauptverkehrszeiten. Punktuelle Maßnahmen wie diese können entlasten, sind aber weder einfach noch günstig. Nachhaltig mehr Kapazität, Leistungsfähigkeit und Effizienz geht allerdings nur mit größeren Fahrzeugen.

Mit etwas Abstand betrachtet verleitet die neue Linie durchaus zu Spekulationen: Einsatz halbtags, vergleichsweise kurze Strecke, es pendelt im Wesentlichen ein einzelner Solobus. Auch die Eröffnungsfeier mit Bürgermeister, Verkehrsdezernent und Geschäftsführern der ESWE und HSK inklusive Presse wirkt etwas viel für eine simple Buslinie. Lugt hier etwa die erste E-Bus-Linie der ESWE durch?

Quellen

Quellen
1 Die genaue Anzahl an benötigten Fahrern ist nicht trivial zu ermitteln, da die Fahrer des Verstärkerbusses davor bzw. danach anderweitig eingesetzt werden können. Gleichzeitig fährt der Verstärker aber in der Hauptverkehrszeit – für Einsätze davor und danach existiert also schon ein Fahrerüberhang. Auch fehlt die Berücksichtigung von Urlaubs-, Krankheits-, Fortbildungstagen. Die ESWE unterhält aktuell knapp drei Fahrer pro Bus.

Energieverbrauch von Straßenbahnen

Wieviel Energie braucht eigentlich so eine Straßenbahn? Diese Frage beantworten wir für euch in diesem Artikel. Neben den harten Zahlen zeigen wir außerdem die drei am meisten verbreiteten und effektivsten Möglichkeiten zu weiteren Energieeinsparungen auf. 

Die angegebenen Zahlen des Energieverbrauchs kommen direkt von den Straßenbahnbetrieben in Deutschland. Einige davon legen ihren Energieverbrauch in Nachhaltigkeitsberichten offen. Andere beziffern in ihren Geschäftsberichten den Fahrstrom-Gesamtverbrauch und die Betriebsleistung, sodass sich der Energieverbrauch pro Kilometer im Schnitt über alle eingesetzten Straßenbahnen errechnen lässt. Die meisten  haben wir allerdings direkt kontaktiert – denn nur die Betriebe selbst kennen den Verbrauch für die verschiedenen Straßenbahntypen ihrer Flotte. 

Zwar sind die Rückmeldungen nicht vollständig. Letztlich umfassen die Daten aber ein Viertel der deutschen Straßenbahnbetriebe, die zusammen rund die Hälfte der gesamtdeutschen Straßenbahnflotte betreiben. Welche das genau sind, findet ihr am Ende des Artikels. Wir werfen außerdem einen Blick auf die verschiedenen Technologien, die den Straßenbahnen weitere Energieeinsparungen ermöglichen: Rückspeisung, SuperCaps, Schwungradspeicher.

Bei verschiedenen Quellen über den Energieverbrauch der Fahrzeuge ist ein detaillierter Blick auf die Maßeinheit geboten. Der Bedarf an Energie wird meist in Kilowattstunden pro X angegeben – wobei X mal für Fahrzeugkilometer (bezogen auf die Strecke), mal für Platzkilometer (bezogen auf die Kapazität) oder für Personenkilometer (bezogen auf die Fahrgäste) stehen kann. Je nach Fragestellung sind mal die einen, mal die anderen Angaben sinnvoll; man sollte sie beim interpretieren nur nicht vermischen.

Der Artikel legt keinen Fokus auf die Emissionen. Allerdings liegt es auf der Hand, dass es – unabhängig von der Herkunft der notwendigen Energie – aus ökologischen und aus Emissionsgründen von Vorteil ist, weniger Energie zu verbrauchen. Deswegen wird dazu ein separater Artikel folgen.

Der absolute Energieverbrauch von Straßenbahnen ist für sich betrachtet aber nur bedingt aussagekräftig. Er muss vielmehr verglichen werden mit den Alternativen – konkret also beispielsweise mit Bussen (sowohl Diesel, als auch Elektro). Denn dass eine Straßenbahn, die deutlich größer ist als ein Bus, mehr Energie benötigt, liegt auf der Hand. Allerdings kann sie gleichzeitig mehr Menschen transportieren. Die Frage ist also: Ab wie vielen Fahrgästen ist der Einsatz einer Straßenbahn energieeffizienter als ein Bustransport? Doch auch dazu in einem separaten Artikel mehr.

Zum Energieverbrauch von Straßenbahnen

Zahlen, Daten, Fakten

Mit Blick auf die Daten hat sich eine gute Faustregel herauskristallisiert: Eine durchschnittliche, 30-Meter lange Straßenbahn verbraucht zwischen drei und vier Kilowattstunden pro Fahrzeugkilometer. Für doppelt so lange Züge liegt der Verbrauch etwa 50 Prozent höher.

Aus Nachhaltigkeits- und Geschäftsberichten sowie direkten Rückmeldungen aus den Straßenbahnbetrieben haben wir euch die konkreten Angaben zum Energieverbrauch zusammengetragen. Die erste Beobachtung: Über die verschiedenen Typen hinweg wiegt eine Bahn (leer) im Schnitt rund 1,1 Tonnen pro Meter. 

Energieverbrauch von Straßenbahnen pro Fahrzeugkilometer – nach Länge der Fahrzeuge. Angaben in Orange sind Typenscharf, in Blau gewichtete Durchschnittswerte über mehrere Fahrzeugtypen eines Betriebes.

Die zweite Beobachtung: Je länger eine Bahn ist (also je schwerer), desto höher ist der Energieverbrauch pro Fahrzeugkilometer. Das ist nicht wirklich überraschend. Gleichzeitig haben längere Bahnen aber auch mehr Plätze. Und so liegt der Energieverbrauch, unabhängig von der Straßenbahnlänge, relativ stabil bei rund 0,02 kWh pro Platzkilometer. 

Energieverbrauch von Straßenbahnen pro Platzkilometer – nach Länge der Fahrzeuge. Angaben in Orange sind Typenscharf, in Blau gewichtete Durchschnittswerte über mehrere Fahrzeugtypen eines Betriebes.

(Je nach Datenqualität beziehen sich die Verbrauchswerte auf konkrete Straßenbahntypen (orange) oder bilden Mittelwerte der gesamten Straßenbahnflotte – über mehrere Typen hinweg (blau). Bei Mittelwerten mehrerer Typen sind die Kennzahlen (zB Länge und Kapazität) gewichtete Mittelwerte. Die senkrecht übereinander stehenden, blauen Datenpunkte sind Angaben der jeweils selben Straßenbahnbetriebe aus verschiedenen Jahren.)

Ein langfristiger Praxistest durch das Fraunhofer-Institut in Dresden und Leipzig ergab im Rahmen des SEB-EDDA-Projektes für einen Elektro-Solobus einen vergleichbaren Energieverbrauch von 0,022 kWh pro Platzkilometer, der Einsatz von VDL-Gelenkbussen in Köln ergab rund 0,018 kWh pro Platzkilometer. Damit spielen Straßenbahnen und Elektrobusse beim spezifischen Energieverbrauch in derselben Liga. Zum Vergleich: Dieselbusse verbrauchen (umgerechnet) 0,05 bis 0,06 kWh pro Platzkilometer und damit mehr als doppelt so viel. Auch handelt es sich hier um den Primärenergieverbauch, der vollkommen außer Acht lässt, wie die Energie gewonnen, gespeichert und zum Fahrzeug transportiert wird. Auch hier gibt es massive Unterschiede zwischen Oberleitung, Akku, Diesel und Wasserstoff. Details dazu in einem separaten Artikel.

Einflussfaktoren des Energieverbrauchs

Der konkrete Verbrauch von Straßenbahnen hängt dann aber von vielen Faktoren ab: Von der Länge des Fahrzeugs (und damit dem Gewicht), Alter und verbaute Technik, Routenführung, Anzahl Haltestellen, Steigungen der Strecke oder dem Wetter. Natürlich hat auch die Oberleitungs-Infrastruktur Einfluss auf den Verbrauch – die Leitungsverluste schwanken je nach Zustand und verwendeter Technik.

Deutlich werden die schwankenden Einflüsse am Beispiel Klimaanlagen und Heizungen. So sank der spezifische Stromverbrauch der Bremer Straßenbahnen von 2013 zu 2014 um 7,5 Prozent – was die Stadtwerke u.a. auf den milden Winter zurückführten. Aber auch der Einsatz von Technologien zur Energierückspeisung beeinflusst den Verbrauch. Mit Hilfe von SuperCaps konnte der RNV den Energiebedarf seiner Straßenbahnen beispielsweise um 30% senken.

Neue Straßenbahnen verbrauchen auch nicht automatisch weniger Energie als alte. Den Effizienzsteigerungen der Fahrmotoren steht beispielsweise mehr verbaute Technik gegenüber: Klimaanlage, Monitore, Lüftung, WLAN. Führen die Straßenbahnen Batterien oder SuperCaps mit sich, werden die Fahrzeuge gleichzeitig schwerer.

Beispiel Plauen: Bis 2012 kamen hier ausschließlich tschechische Straßenbahnen des Typs Tatra KT4D zum Einsatz, gebaut in den 70er und 80er Jahren. Heute erbringen neue Flexity Classic-Züge den Großteil der Verkehrsleistung. Die neuen Fahrzeuge bieten 15 Sitzplätze mehr, sind drei Meter länger und sieben Tonnen schwerer – der Energieverbrauch aber derselbe wie bei den älteren Tatra-Zügen.

Energierückgewinnung bei Straßenbahnen

Die Rückgewinnung von Energie (Rekuperation) begleitet Fahrzeuge seit Aufkommen des Elektromotors und ist nur bei dieser Energieform möglich. Bei Fahrzeugen wird darunter zumeist die Bremsenergie in elektrische Energie umgewandelt und wahlweise ins Netz zurück- oder in einen stationären oder mobilen Speicher eingespeist. Das ermöglicht deutliche Energieeinsparungen.

Rückspeisung ins Netz

Die Idee, die Fahrmotoren beim Bremsen als Generatoren einzusetzen und damit Bremsenergie zurückzugewinnen, ist seit über 100 Jahren im Einsatz. Bereits die 1919 gebauten Elektrolokomotiven der SBB, Spitzname Krokodil, konnten bis zu 5 Prozent der Bremsenergie zurück ins Netz speisen. Moderne Lokomotiven kommen auf bis zu 40 Prozent

Die Rückspeisung in großflächige Wechselstromnetze ist wenig problematisch. So speist die Deutsche Bahn jährlich über 1.200 Gigawattstunden, gewonnen aus der Bremsenergie der Züge, ins eigene Netz zurück. Straßenbahnnetze sind allerdings deutlich kleiner und basieren auf Gleichstrom. Heißt: Damit eine Straßenbahn Bremsenergie effektiv zurückspeisen kann, muss eine zweite Straßenbahn in der Nähe sein, die diese Energie direkt aufnimmt (und beispielsweise gleichzeitig beschleunigt). Andernfalls verpufft die Bremsenergie als Abwärme.

Je mehr Bahnen auf engem Raum unterwegs sind (zum Beispiel in den Hauptverkehrszeiten), desto höher die Einsparung. Pro Bremsvorgang kann eine Straßenbahn zwischen einem und zwei Kilowattstunden zurückspeisen. Große Straßenbahnnetz (wie Berlin oder Leipzig) können mit speziell ausgerüsteten Oberleitungen über die Rückspeisung ins Netz ihren Energieverbrauch um bis zu 20% reduzieren. In ländlichen Gebieten oder Zeiten mit geringer Taktfolge sind Einsparungen deutlich geringer.

Zwischenspeicher

Durch die genannten Nachteile der direkten Energierückspeisung etablierten sich für Straßenbahnen Systeme zur Zwischenspeicherung der Bremsenergie. Mit einem Puffer werden der erzeugende Bremsvorgang und die verbrauchende Beschleunigung zeitlich entkoppelt. Es muss also nicht im selben Moment eine Straßenbahn beschleunigen, um die Energie aufzunehmen. Damit kann eine Straßenbahn auch ihre eigene Bremsenergie wieder zum Anfahren nutzen.

Unterschieden werden die Puffer in stationäre und mobile Lösungen; während erstere fest an der Strecke stehen, sind zweitere in den Fahrzeugen selbst verbaut. Ein einzelner, stationärer Speicher kommt in einem begrenzten Radius allen Fahrzeugen zugute, während bei mobilen Speichern jedes Fahrzeug umgerüstet werden muss. Dafür ermöglichen mobile Speicher, dass der jeweilige Zug beispielsweise auch kurze Abschnitte ohne Oberleitung zurücklegen kann. 

Grundsätzlich lassen sich bei stationären und bei mobilen Speichern dieselben Technologien einsetzen. Für den Schienenverkehr haben sich vor allem Batterien, Kondensatoren (SuperCaps) und Schwungräder durchgesetzt.

Schwungradspeicher

Der Name sagt’s: Überschüssige Energie wird in einem Schwungrad gespeichert. Das Gewicht der Schwungräder liegt dabei zwischen wenigen hundert Kilo und zwei Tonnen. Bremst eine Straßenbahn, nehmen die Schwungräder die überschüssige Energie auf und beschleunigen ihre Drehung. Beschleunigt die Straßenbahn, bremst das Schwungrad ab und gibt so die notwendige Energie wieder ins Netz. Die Schwungräder kommen dabei auf mehrere tausend Umdrehungen pro Minute.

https://blog.vag-freiburg.de/schwungradspeicher/

Stationäre Schwungradspeicher sind an mehreren Orten bereits im Einsatz. 

Schwungradspeicher haben eine nahezu unbegrenzte Lebensdauer, da sich die Kapazität (im Gegensatz zu beispielsweise Batterien) über die Jahre nicht reduziert. Schwungräder aus Stahl sind außerdem nahezu 100% recycelbar.

Der Einsatz von Schwungrädern als Energiespeicher ist prinzipiell auch mobil (also innerhalb der Fahrzeuge) denkbar. Größe und Gewicht der Stahl-Schwungräder sowie die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen bei derart schnell rotierenden Körpern machen diese Option aber unattraktiv. Dennoch waren in den 1950er und 60er Jahren in der Schweiz und Belgien (sowie dessen Kolonien) knapp 20 Gyrobusse im Einsatz, die ausschließlich per Schwungrad angetrieben wurden. Als kleinerer Zwischenspeicher als Ergänzung zum herkömmlichen Antrieb sind Carbon-Schwungräder beispielsweise in Bussen in Großbritannien in Gebrauch.

SuperCaps

Mit der großflächigen Neubeschaffung von Variobahnen im Verkehrsverbund Rhein-Neckar wurden ab 2009 erstmal systematisch Energiespeicher in Straßenbahnen in Deutschland verbaut. Die neuen Bahnen in Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg wurden mit auf dem Dach verbauten SuperCaps ausgestattet: Kondensatoren, die Bremsenergie speichern können und beim Anfahren wieder abgeben. Die Technik wurde zuvor sechs Jahre lang in Mannheim erprobt. Die SuperCaps vom Typ MITRAC Energy Saver senken den Energiebedarf der Straßenbahnen um rund 30 Prozent.

Die SuperCaps des RNV kosten pro Fahrzeug rund 200.000 Euro – gleichzeitig senken sie die Stromrechnung um knapp 20.000 Euro pro Jahr und Fahrzeug. Aufgrund der langen Lebensdauer von Straßenbahnen wird es allerdings noch dauern, bis diese Technik in Deutschland flächendeckend eingesetzt wird. 

Neben der reinen Energieersparnis haben die SuperCaps allerdings auch weitere Vorteile. Die Bahnen können mit ihrer Hilfe ein bis zwei Kilometer ohne Oberleitung zurücklegen – etwa in sensiblen Bereichen oder bei Störungen und Baustellen. Und sei es nur, um bei einem Stromausfall die Kreuzung zu räumen.

SuperCaps fangen darüberhinaus bis zu 40 Prozent des stromintensiven Bremsen und Beschleunigen ab. Als direkte Folge heißt das: Die Spannungs- und Stromspitzen im Netz sind sowohl seltener als auch niedriger. Da die Netze auf ebenjene Schwankungen ausgelegt sind, heißt das mittelfristig: Bei Neubaustrecken kann die Anzahl an Verteilerstationen (Unterwerken) reduziert werden. Gleichzeitig können auf bestehenden Strecken mehr und leistungsstärkere Züge eingesetzt werden, ohne dass die Stromversorgung nachgerüstet werden muss.

SuperCaps können allerdings auch als stationärer Energiespeicher eingesetzt werden – so beispielsweise bei der South Island Line der Metro von Hongkong. Zwei SuperCaps (je 2MW) reduzieren den Energieverbrauch hier um rund 10 Prozent.

Zahlen, Zahlen, Zahlen

TypLänge (m)Masse (leer, to)Plätze (Sitz+Steh)Verbrauch (kWh pro Fzkm)
Tatra KT6NF27,7131,1051+903,60
DUEWAG MGT6D29,8632,0068+982,80
Tatra T4D-MT (Dreifachtraktion)45,0051,6678+1444,95
NGT 6 DD30,2833,4088+963,95
NGT 8 DD41,0248,10112+1144,95
NGT D8 DD30,0438,7069+1023,95
NGT D12 DD45,0956,70107+1535,80
Tatra KT4D18,1121,5035+703,00
NGT6 Flexity Classic21,0828,8050+692,96
Tatra KTNF627,7129,8054+931,99
DUEWAG M8C25,5934,5054+863,40
GT6M-ZR26,8031,5046+973,50
Variobahn30,0738,4073+1125,00

Hinweis #2: Die konkreten Straßenbahnverbräuche hängen von einer Vielzahl Faktoren ab – verbaute Technik, Höhenprofil, Stauanfälligkeit, Anzahl Stops, Fahrstil der Fahrer, Wetter, (…). Auch werden in einigen Quellen Sekundärstromverbräuche (Weichenheizung, Unterwerke, …) mit eingerechnet. Auch ist mal der reine Stromverbrauch des Fahrmotors gemessen, mal der des gesamten Fahrzeugs (Klimaanlage, Beleuchtung, …). Insofern sind die konkreten Messwerte nicht 1:1 übertragbar – aus der Masse an Messwerten ergibt sich aber ein solides Gesamtbild.

Zum Weiterlesen

Zu den Quellen des Energieverbrauchs

Verbrauchsangaben der Straßenbahnen typenscharf liegen (bislang) vor aus:

  • Plauen, 
  • Dresden,
  • Cottbus, 
  • Brandenburg (Havel) und 
  • Zwickau,
  • Mainz. 

Verbrauchsangaben im Durchschnitt über alle eingesetzten Straßenbahntypen liegen (bislang) vor aus

  • Hannover, 
  • Berlin, 
  • Bremen, 
  • Düsseldorf, 
  • Leipzig, 
  • Schöneiche und 
  • Würzburg.

Der durchschnittliche Verbrauch der Straßen- Stadt- und U-Bahn-Züge liegt vor aus 

  • Frankfurt, 
  • Bochum und 
  • Essen.

Hinweis: Wir legen bei unseren Artikeln Wert auf solide, objektive, nachvollziehbar gestaltete Texte. Daher findest Du auch eine Vielzahl an Quellenverweisen und Belegen, Grafiken, Fotos und Erörterungen – zuweilen auch wohlbegründete Schlussfolgerungen. Nichtsdestotrotz sind wir eine rein ehrenamtliche Truppe und haben auch keinen Zugriff auf geheime Quellen. Auch wir kennen nur das, was öffentlich ist, wir uns erarbeiten und recherchieren. Fehler sind also nicht ausgeschlossen. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, weitere wichtige Quellen kennst oder fachliche Fehler – her damit. Am besten per Mail oder unten in die Kommentare.

Energie: Bus vs. Straßenbahn

Der direkte Vergleich im Energieverbrauch ist einer der Maßstäbe zur Bewertung von Verkehrsmitteln. Wir haben euch hier einmal Diesel-Solo-Bus, Diesel-Gelenkbus und Straßenbahn gegenübergestellt. Besonderheit: Es handelt sich bei den Angaben um real gemessene Werte der Betreiber – keine Herstellerangaben, keine Schätzungen. Wir vergleichen Dieselbusse (Solo und Gelenk) mit zwei Typen moderner Straßenbahnen (30 Meter und 45 Meter) – sowohl im absoluten Energieverbrauch, also auch im Verbrauch pro Personenkilometer.

Abhängig davon, wieviele Fahrgäste befördert werden müssen, haben unterschiedliche Verkehrsmittel in Sachen Energieverbrauch die Nase vorn. Aber das Ergebnis ist ziemlich eindeutig.

  • Die 30-Meter-Straßenbahn verbraucht immer weniger Energie als ein Diesel-Gelenkbus. Die 30-Meter-Straßenbahn ist folglich immer energieeffizienter als der Gelenkbus – egal, ob 10 oder 100 Fahrgäste transportiert werden.
  • Im Bereich bis 70 Fahrgäste hat der Diesel-Solobus die Nase knapp vorn. Sowie allerdings mehr als ein Solobus benötigt wird, ist die Straßenbahnvariante in jedem Fall (egal ob 30 oder 45 Meter) effizienter.
  • Sowie mehr als 100 Fahrgäste befördert werden (also mehr als ein voller Gelenkbus), benötigt auch die 45-Meter-Straßenbahn weniger Energie als Gelenkbusse. Und das obwohl, die Bahn dann nicht einmal zur Hälfte voll ist.
  • Je mehr Fahrgäste befördert werden, desto größer wird der Energie-Vorteil der Straßenbahnen gegenüber den Dieselbussen.

Diagramm I: Absoluter Energieverbrauch: Wieviel Kilowattstunden werden benötigt, um X Personen mit dem jeweiligen Verkehrsmittel einen Kilometer weit zu befördern?

Diagramm II – spezifischer Energieverbrauch. Wieviel Energie wird pro Kopf benötigt, wenn X Personen mit dem jeweiligen Verkehrsmittel transportiert werden?

Quellen und Fahrzeuge

In den Vergleich fließt die gesamte Busflotte der Rheinbahn ein – denn diese gibt in ihren Nachhaltigkeitsberichten den Verbrauch aufgesplittet auf Solo- und Gelenkbusse an. Insgesamt sind so reale Verbräuche der >400 Linienbusse des Düsseldorfer Verkehrsunternehmen enthalten.

(Bild: burts, DVB 2829 (NGTD12DD) at Altmarkt, Dresden, CC BY-SA 3.0)

Grundlage für die Energieverbräuche der Straßenbahnen sind Angaben der Dresdener Verkehrsbetriebe für zwei ausgewählte Straßenbahntypen: Die NGT6DD (30 Meter, 184 Plätze) und die NGTD12DD (45 Meter, 260 Plätze). Beide Fahrzeuge sind 2,30 Meter breit und sind rückspeisefähig. Mit dem Einsatz von SuperCaps könnten die Bahnen ihren Verbrauch nochmal spürbar senken.

Anmerkungen zur Interpretation

Der Heizwert von Diesel liegt bei 9,7 kWh pro Liter 1Jan Hoinkis: Chemie für Ingenieure. Wiley-VCH, Weinheim 2015, ISBN 978-3-527-68461-82Bie Berliner BVG beispielsweise setzt einen Faktor von 9,94 kWh/Liter Diesel an. Das BMVI legt in seinem Leitfaden „Berechnung des Energieverbrauches des ÖPNV“ für Diesel einen Faktor … Continue reading. Es handelt sich hierbei um den primär-Energieverbrauch (Tank-to-Wheel). Bei Betrachtung der gesamten Kraftstoffkette verschiebt sich das Verhältnis nochmal deutlich zugunsten der Straßenbahn. Dazu mehr in dem Fachartikel:

Die Fahrkapazitäten der Busse und Bahnen wurden einheitlich gemäß den Vorgaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen ermittelt. Details dazu in dem Fachartikel:

Quellen

Quellen
1 Jan Hoinkis: Chemie für Ingenieure. Wiley-VCH, Weinheim 2015, ISBN 978-3-527-68461-8
2 Bie Berliner BVG beispielsweise setzt einen Faktor von 9,94 kWh/Liter Diesel an. Das BMVI legt in seinem Leitfaden „Berechnung des Energieverbrauches des ÖPNV“ für Diesel einen Faktor von (je nach Dieselart) zwischen 32,8 und 35,9 Megajoule fest.

Reform des Busliniennetz von 1969 wirkt bis heute

In der Vergangenheit getroffene Entscheidungen prägen unsere Gegenwart. Das gilt auch für das Wiesbadener Busnetz. Vor 50 Jahren wurde es grundlegend umstrukturiert. Am 20. Juli 1969 fuhren die Busse dann erstmals auf dem neuen Liniennetz. Noch heute basiert das Wiesbadener Busnetz auf den Grundlagen, die mit der Netzreform von 1969 geschaffen wurden.

Busnetz stammte noch aus dem Jahr 1929

Eine Reform des Bussystems war überfällig. In den 50er und 60er Jahren war Wiesbaden gewachsen. Die Anbindung der Neubaugebiete erfolgte aber nur zögerlich und erst auf Druck ihrer Bewohner. Obwohl sich Stimmen aus der Öffentlichkeit und Politik mehrten, die eine Reform des Liniennetzes forderten, hielten die Verkehrsbetriebe an der noch aus der Anfangszeit des Wiesbadener Busverkehrs im Jahr 1929 stammenden Verkehrskonzeption fest. Erst deutlich sinkende Fahrgastzahlen und zunehmend unpünktliche Busse ließen die Alarmglocken schrillen. Nur noch 125.000 Fahrgäste pro Werktag fuhren 1968 mit den Stadtbussen – das waren 59.000 weniger als noch fünf Jahre zuvor.

Die Rückgänge standen in enger Wechselwirkung mit dem zunehmenden Autoverkehr. Staus und Behinderungen machten es den Bussen immer schwieriger durch den Verkehr zu kommen. Der unattraktive Busverkehr wiederum bewog wiederum Fahrgäste zum Umstieg auf das Auto. Die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit der Wiesbadener Busse lag in dieser Zeit bei lediglich 16,65 km/h und damit 3 km/h niedriger als der Durchschnitt anderer vergleichbarer Verkehrsbetriebe. Fahrpläne konnten oft nicht mehr eingehalten werden. Statt fahrplanmäßigen 6 Minuten für die Strecke zwischen Bismarckring und Wilhelmstraße brauchten die Busse oft bis zu 22 Minuten. Handeln mussten die Verkehrsbetriebe auch deshalb, weil sich eine Umwandlung der Kirch- und Langgasse in eine Fußgängerzone abzeichnete, die die Stadt aber erst 1972 dauerhaft umsetzte.

Busverkehr in Wiesbaden 1969 und 2019
In den letzten 50 Jahren sind die Fahrgast- und Einwohnerzahlen, sowie die Anzahl der in Wiesbaden eingesetzten Busse deutlich angestiegen.

Busspuren ermöglichen Linienbündelung

Mit dem von Dipl.-Ing. Rolf W. Schaaff erarbeiten „Gesamtverkehrsplan Wiesbaden“, beschloss die Stadtverordnetenversammlung 1963 die Grundlagen einer Liniennetzreform. Mit Daten aus Fahrgastbefragungen in den Jahren 1967 und 1968 erfolgte dann die Feinplanung. Statt einem Netz aus wenigen Hauptlinien in die Innenstadt, auf die von Zubringerlinien aus den Außenstadtteilen umgestiegen werden musste, fahren seit den Sommerferien 1969 nahezu alle Linien in die Innenstadt. Diese wird nun nicht mehr über die Rheinstraße, sondern über den Einbahnstraßenzwilling Luisenstraße und Friedrichstraße erreicht. Voraussetzung zur Umsetzung des Linienkonzepts war die Einführung von Busspuren ab September 1968. Nur eigene Spuren erlaubten die Führung von mehreren Linien mit stündlich bis zu 50 Bussen auf einen gemeinsamen Fahrweg.

Laute Proteste – aber eindeutiger Erfolg

In der Presse schlug das Thema „Neues Liniennetz“ und „Busspuren“ heftige Wellen, die nüchternen Zahlen zeigen aber den Erfolg des Konzepts. Die Durchschnittsgeschwindigkeit stieg auf 18,5 km/h und auch die Fahrgastzahlen wuchsen wieder. Legten die Wiesbadener im Jahr 1968 noch 37 Millionen Fahrten mit den Stadtbussen zurück, waren es 1969 schon 37,4 Millionen und 1973 bereits 49,6 Millionen Fahrten (Jede Fahrt gilt als beförderte Person)1Kopp Klaus (2000): 125 Jahre Wiesbadener Verkehrsbetriebe 1875-2000, S.187. Um diese Fahrgastmengen zu befördern, nahm die Zahl der Busse immer mehr zu. Heute hat sich der Busbestand gegenüber 1969 nahezu verdoppelt. Auch die Einwohnerzahl ist deutlich gestiegen. Die Möglichkeiten des Bussystems zur Erhöhung der Kapazität und der Geschwindigkeit sind ausgereizt. Wenn wir in den nächsten Jahren nicht den Kollaps des Wiesbadener ÖPNV erleben wollen, müssen jetzt die Weichen für eine leistungsfähige Ergänzung des Bussystems durch die Citybahn gestellt werden.

Quellen

Quellen
1 Kopp Klaus (2000): 125 Jahre Wiesbadener Verkehrsbetriebe 1875-2000, S.187

Oben ohne – aber wie?

Für die oberleitungsfreie Straßenbahnen gibt es mehrere Technologien. Einige sind bereits seit Jahrzehnten im Einsatz, andere sind kaum über den Prototyp hinausgekommen. Nun geht es um die eigentlich spannende Frage: Wie funktioniert das technisch? Wie bei vielen Themen gibt es auch hier eine Vielzahl an Optionen. Wir stellen sie euch vor, beleuchten Vor- und Nachteile und gehen bei dem aktuellen Favoriten, den sogenannten SuperCaps, tiefer ins Detail.

Dass die CityBahn – so zumindest die aktuellen Prüfungen – auf einigen Abschnitten ohne Oberleitung fahren soll, haben wir bereits in einem früheren Artikel dargelegt. Auch, welche Abschnitte es warum werden sollen. 

Bereits 1875 bis 1896 fuhren die Wiesbadener Straßenbahnen ohne Oberleitung: Zuerst mit einem 1-PS-Pferdeantrieb, ab 1889 mit Dampf. Und obgleich die Kombination zwischen Pferdeantrieb und Rasengleis die Möglichkeit mitbrächte, dass auch unterwegs nachgetankt werden kann, gibt es inzwischen modernere Lösungen für eine oberleitungsfreie Führung. 

Ganz ohne Oberleitung: APS

Die wohl bekannteste oberleitungsfreie Straßenbahn ist die von Bordeaux. Als in der französischen Hafenstadt von 2000 an eine neue Straßenbahn eingeführt wurde, setzten die Verantwortlichen hier auf APS (Alimentation par le sol), entwickelt vom französischen Straßenbahnhersteller Alstom. Beim APS verläuft mittig zwischen den Straßenbahnschienen eine dritte, stromführende Schiene – zwei Abnehmer unterhalb der Züge stellen den Kontakt her. Die Stromschiene besteht aus acht Meter langen Segmenten, die immer nur dann Spannung führen, wenn sich eine Straßenbahn darüber befindet. Eine Gefährdung von anderen Verkehrsteilnehmern ist damit ausgeschlossen.

Die Straßenbahn Bordeaux verkehrt dank APS innerstädtisch komplett oberleitungsfrei; nur in den Vororten wird auf konventionelle Oberleitung umgestellt. Auch die Städte Sydney, Reims, Angers, Orléans und Tours entschieden sich für einen (abschnittsweisen) oberleitungsfreien Betrieb mittels APS. Rio de Janeiro und Dubai setzen im kompletten Netz auf diese Technik.

Nach massiven Kinderkrankheiten in den Anfangsjahren ist das APS heute weitgehend ausgereift. Es bleibt allerdings anfällig gegenüber stehendem Wasser nach starken Regenfällen sowie beispielsweise Laub und Schnee.

Wechselstelle in Angers: Bis hier fährt die Bahn mit Oberleitung, ab hier geht’s mit APS weiter.
(Roehrensee, Avrillé IMG 8153, CC BY-SA 3.0 DE)

Neben der erhöhten Anfälligkeit sind die Kosten ein schwerwiegender Faktor. So liegen die zusätzlichen Kosten pro Zug bei rund 300.000 Euro (Stand 2011) bei neuen Zügen, für die Umrüstung von alten Zügen bei 400.000 Euro. Der Bau der für die Stromversorgung notwendigen Infrastruktur wird – je nach Quelle – mit knapp 1,8 Millionen Euro pro Kilometer geschätzt (und damit in etwa das Dreifache der konventionellen Oberleitung).

Aus diesem Grund ist das System in den meisten Städten auch nur in Teilabschnitten im Einsatz. Beim Kauf der Straßenbahnen macht man sich außerdem von einem einzigen Hersteller abhängig. Weiterer Nachteil: Konstruktionsbedingt verhindert das APS, dass die Bremsenergie der Straßenbahnen ins Netz zurückgespeist wird. Wenn die Bahnen die Energie wieder aufnehmen sollen, müssen sie dafür eine zusätzliche Batterien oder SuperCaps mitführen.

Das italienische Konkurrenzsystem TramWave ist bislang nur im chinesischen Zhuhai im Einsatz. Auch das Bombardier-System Primove, welches vorbeifahrende Straßenbahnen mittels Induktion mit Energie versorgt, hat es nicht in den flächendeckenden Einsatz geschafft – bislang existiert hier nur eine Teststrecke in Augsburg. Der Einsatz von Batterien erwies sich als effizienter, sodass Primove für Straßenbahnen seit 2011 nicht weiterverfolgt wird. Die Primove-Technologie wird allerdings in mehreren Städten für Busse getestet.

Statt Leitung: Diesel und Wasserstoff

Statt den Strom zur Straßenbahn zu bringen, kann sie diesen natürlich auch selbst erzeugen – per Dieselaggregat oder Brennstoffzelle. In der Tat fahren in Chemnitz und Nordhausen Straßenbahnen, die mit Dieselaggregat betrieben werden – allerdings nur auf Teilstrecken. Die meisten innerstädtischen Verbindungen funktionieren weiterhin mit konventioneller Oberleitung.

Eine Combino Duo in Nordhausen. Im Hintergrund endet die Oberleitungsstrecke, ab hier gehts mit Diesel weiter.
(Falk2, I09 063 Oskar-Cohn-Straße, EVT 202, CC BY-SA 4.0)

Bei der Straßenbahn Nordhausen sind seit 2003 drei Combino Duo-Hybridstraßenbahnen im Einsatz, die auf der Linie 10 knapp elf Kilometer weit auf der nicht elektrifizierten Harzquerbahn fahren. Die CityBahn Chemnitz setzt für ihre Überlandlinien Zweikraftstraßenbahnen des Herstellers Vossloh ein. 

Reine Diesel-Straßenbahnen sind nicht in Betrieb. Die Nachteile hier sind vergleichbar mit den Nachteilen von Diesel- gegenüber Oberleitungsbussen: Emissionen, Lärm, Vibrationen, Platzverbrauch durch Motor und Tank, deutlich schlechteres Anfahrdrehmoment, fehlende Möglichkeit der Rückspeisung. Darüber hinaus ist in vielen Einsatzgebieten von Straßenbahnen (Innenstädte) eine Elektrifizierung relativ einfach – der Strom ist oftmals ja schon vor Ort.

Obgleich Brennstoffzellen schon lange verfügbar sind, werden sie erst seit kurzem für den Schienenverkehr genutzt. So liefert Alstom in den nächsten Jahren den ersten Großauftrag an Wasserstoff-betriebenen Regionalzügen nach Frankfurt, einen zweiten nach Niedersachsen. Reine Wasserstoff-Straßenbahnen (“Hydrotrolleys”) sind derzeit allerdings wenig verbreitet. 2015 stellte die chinesische Firma Sifang die erste, rein Wasserstoff betriebene Straßenbahn der Öffentlichkeit vor. Seither sind diese eher punktuell im Einsatz. 

SuperCaps und Batterien

Kommen wir zu den am meisten verbreiteten und auch für die CityBahn wahrscheinlichsten Alternativen: Batterie und Kondensatoren. 

Batterien, zumeist basierend Lithium-Ionen-Technologie, sind weit verbreitet – ob in Handys, Notebooks oder Elektroautos und -bussen. Straßenbahn-Batterien basieren auf demselben Prinzip – sind nur deutlich größer. Kondensatoren (SuperCaps) hingegen sind bislang vor allem in Schienenfahrzeugen im Einsatz.

Obwohl sich Art und Einsatz von Batterien und Kondensatoren unterscheiden, erfüllen sie letztlich für Straßenbahnen dieselbe Funktion wie für andere Elektrogeräte: Sie speichern Energie und geben diese zu einem späteren Zeitpunkt wieder ab. Mit Hilfe der gespeicherten Energie können die Bahnen dann kurze Abschnitte ohne Oberleitung überbrücken.

Mit Hilfe von SuperCaps verkehrt die Straßenbahn Sevilla rund um die Kathedrale ohne Oberleitungen.
(Sevilla-3-17 flickr photo by ajay_suresh shared under a Creative Commons (BY) license )

Im Detail gibt es handfeste Vorteile, die für die SuperCaps sprechen: Die Kondensatoren vertragen deutlich stärkere Stromflüsse, sie können also binnen Sekunden geladen werden. Eine Stärke, die sie besonders an Haltestellen ausspielen können: Beim Bremsen und Anfahren der Bahnen fließen in kurzer Zeit hohe Ströme, die in der Form von herkömmlichen Batterien nicht aufgenommen werden könnten. Weiterer Vorteil der SuperCaps: Lithium-Ionen-Akkus verlieren bereits nach wenigen tausend Ladezyklen spürbar an Leistung. SuperCaps hingegen überstehen mehrere hunderttausend Zyklen ohne Einbußen.  

Nachteilig wirkt sich bei SuperCaps hingegen aus, dass sie gegenüber Batterien eine deutlich geringere Energiedichte aufweisen. Heißt: Pro Kilogramm Gewicht kann nur ein Bruchteil der Energie gespeichert werden. Gleiches Gewicht vorausgesetzt, kann mit einer Batterie allerdings zumindest ein längerer, oberleitungsfreier Abschnitt überbrückt werden. Moderne SuperCaps – so wird es auch in den Untersuchungen für CityBahn angegeben – erlauben den Straßenbahnen (je nach Steigung), zwischen einem und zwei Kilometer ohne Oberleitung zu fahren. 

Batterien und SuperCaps haben – neben der Möglichkeit, oberleitungsfrei zu fahren – noch einen weiteren Vorteil: Ihr Einsatz kann massiv Energie sparen. Dazu aber in einem separaten Artikel mehr.

Fazit

Wegen den höheren Baukosten, der Anfälligkeit und der fehlenden Kompatibilität mit der Mainzer Straßenbahn wird die CityBahn vermutlich nicht mit dem APS oder vergleichbaren Systemen gebaut. Und während die Strecke nach Taunusstein ein wenig an die Harzquerbahn und damit an den Dieselantrieb erinnert, ist ein Dieselaggregat für beispielsweise die Biebricher Innenstadt eher nicht das Mittel der Wahl. Eine Kombination aus Diesel, Batterie und SuperCaps verteuert die Bahnen aber massiv; jede Technik benötigt außerdem Platz und erhöht das Gewicht der Bahnen. Wahrscheinlich wird es also auf den Einsatz von SuperCaps hinauslaufen – selbst wenn es in Wiesbaden keine oberleitungsfreien Abschnitte geben wird. Dafür sind die Potentiale der Energieeinsparung zu verlockend.

Zum Weiterlesen

Hinweis: Wir legen bei unseren Artikeln Wert auf solide, objektive, nachvollziehbar gestaltete Texte. Daher findest Du auch eine Vielzahl an Quellenverweisen und Belegen, Grafiken, Fotos und Erörterungen – zuweilen auch wohlbegründete Schlussfolgerungen. Nichtsdestotrotz sind wir eine rein ehrenamtliche Truppe und haben auch keinen Zugriff auf geheime Quellen. Auch wir kennen nur das, was öffentlich ist, wir uns erarbeiten und recherchieren. Fehler sind also nicht ausgeschlossen. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, weitere wichtige Quellen kennst oder fachliche Fehler – her damit. Am besten per Mail oder unten in die Kommentare.

Null Euro

Liebe BI Mitbestimmung Citybahn Wiesbaden – zu allererst – vielen Dank für euer Kompliment. Wir wurden schon oft von Passanten und Gesprächspartnern für unsere Internetseite gelobt. Dass ihr unsere Homepage (https://procitybahn.de) nun ebenfalls hervorhebt, freut uns.

Aber zum Inhalt: Eure Unterstellungen, wir würden für das, was wir tun, in irgendeiner Weise bezahlt, sind ein nur allzu durchsichtiger Versuch, unser Engagement zu entwerten.

Nur weil jemand nicht eurer Meinung ist, wird er nicht automatisch dafür bezahlt. Wir bekommen weder von der Landeshauptstadt Wiesbaden, noch von der ESWE Verkehrsgesellschaft mbH oder der CityBahn GmbH irgendeinen Cent. Wir machen das alles – wie ihr auch – ehrenamtlich in unserer Freizeit. Wir finanzieren uns dabei ausschließlich über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Als gemeinnütziger Verein legen wir im Gegensatz zu euch sowohl gegenüber unseren Mitgliedern als auch gegenüber dem Finanzamt Rechenschaft über unsere Finanzen ab.

Ausschnitt der Startseite der BI „Mitbestimmung CityBahn„.

Wir freuen uns allerdings, dass ihr eure Energie „lieber in Sacharbeit“ steckt. Aber in welche? Euer letzter Artikel auf eurer Homepage („Fiasko mit der Saarbahn“) ist drei Monate alt – ein Zeitraum, indem wir sechs Fachartikel, vier klarstellende Analysen zu Aussagen von euch und der FDP Wiesbaden, zwei Stellungnahmen, zwei Hintergrundberichte und vier Aprilscherze ausgearbeitet und veröffentlicht haben. Hinzu kommen vier öffentliche Diskussions- und Networkingveranstaltungen und eine interaktive, öffentliche Plattform zur Einreichung und Diskussion von Ideen zum Wiesbadener Verkehr.

Das weckt also Hoffnungen, dass die aktuelle Sacharbeit eurer >1.000 Mitglieder direkt ins Mobilitätsleitbild fließt und ihr zum Auftakt der Workshops mit richtig vielen, guten Ideen an den Start geht. Super!

Am Stau vorbei – aber wo?

Die CityBahn Wiesbaden wird soweit wie möglich auf besonderen Bahnkörpern fahren – also losgelöst vom restlichen Verkehr. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: höhere Zuverlässigkeit und höhere Geschwindigkeit, da sich die Bahn nicht in den Stau einreihen muss. Wie genau besondere Bahnkörper aussehen können, das seht ihr in einem anderen Artikel.

Planungen in Wiesbaden

Das ist freilich nicht überall möglich. Offensichtlichstes Beispiel ist hier die Heuss-Brücke, aber auch in anderen Teilabschnitten wird die CityBahn voraussichtlich mit einem oder mit beiden Gleisen straßenbündig laufen. Soweit möglich, haben wir euch diese Abschnitte auf Basis der aktuell verfügbaren Planungsunterlagen einmal auf die Karte gebracht.

Vollbildanzeige

  • grün – besonderer Bahnkörper
  • gelb – Mischformen (zB eingleisig straßenbündig)
  • orange – straßenbündig
  • schwarz – derzeit noch nicht im Detail klar

Kreuzungen bleiben in der Darstellung unberücksichtigt.

Status Quo in Mainz

Rund 70% des knapp 30 Kilometer langen Mainzer Straßenbahnnetzes sind auf einem exklusiven, besonderen Bahnkörper ausgeführt. Etwa 15% der Strecken lassen eine Mitnutzung durch beispielsweise Busse zu. Jeweils zwei Kilometer sind straßenbündig geführt oder in einer Mischform – also beispielsweise mit einem Gleis straßenbündig, mit dem zweiten besonders geführt.

Vollbildanzeige

  • grün – besonderer Bahnkörper
  • gelb – besonderer Bahnkörper, Mitnutzung durch Busse
  • grau- Mischformen (zB eingleisig straßenbündig)
  • blau – straßenbündig

Quelle: gleisplanweb.de

Stellungnahme zu den Beschlüssen der Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung vom 23. Mai 2019

Auf ihrer gestrigen Sitzung hat die Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung über die juristische Zulässigkeit der beiden Anti-Straßenbahn-Bürgerbegehren befunden und zugleich einen Beschluss zur Einleitung eines Vertreterbegehrens im Sommer 2020 gefasst. Da diese Beschlüsse entscheidende Eckpfeiler für die Weiterentwicklung des Projekts CityBahn darstellen, möchten wir von Bürger Pro CityBahn Wiesbaden e.V. dazu kurz Stellung nehmen.

Zur Unzulässigkeit der Bürgerbegehren

Als Bürgerinitiative, die selbst vom ehrenamtlichen Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger lebt, haben wir Respekt vor der Arbeit, die in den beiden Bürgerbegehren steckt. Auch wenn diese inhaltlich unseren eigenen Zielen direkt entgegenstehen, können wir nachfühlen, dass die Ablehnung von deren Unterstützern vermutlich als frustrierend empfunden wird.

Die gestrige Entscheidung des Stadtparlaments ist folgerichtig und (aus unserer juristischen Laiensicht) rechtlich zwingend. Der Gesetzgeber hat solche präventiv kassatorische Bürgerentscheide nicht vorgesehen. Zudem hatten wir schon zu Beginn der Unterschriftensammlungen auf die inhaltlichen Fehler und tendenziösen Darstellungen in den Begehrenstexten hingewiesen.

Es wäre aus unserer Sicht auch nicht vermittelbar gewesen, wenn hier offensichtliche, juristische Probleme aus politischen Überlegungen übergangen worden wären – während gleichzeitig echte, initiierende Bürgerbegehren (wie der Radentscheid in Frankfurt) an inhaltlichen Kleinigkeiten scheitern.

Zum Mobilitätsleitbild und Vertreterbegehren

Unser Blick richtet sich daher nach vorn: Mit dem Bürgerentscheid, der in etwas mehr als einem Jahr stattfindet, wurde nun endlich ein zeitlicher Fixpunkt für die Willensbildung in unserer Stadt gesetzt. Und bis dahin gibt es viel zu tun: Schließlich müssen nicht nur die Planungen der CityBahn weitestgehend abgeschlossen sein.

Es gilt, mit dem Mobilitätsleitbild eine Vision über die zukünftige Mobilität in dieser Stadt zu entwickeln. Dazu müssen alle beteiligten Interessensgruppen und Bürger eingebunden, ihre Sorgen und Wünsche ernst genommen und auch zukünftige Entwicklungen der Stadt, der Stadtplanung und der Technik berücksichtigt werden. Vor allem das Bevölkerungswachstum in Wiesbaden und Umgebung, steigende Mobilitätsbedürfnisse der Bürger und nicht zuletzt der ökologische Druck sind hier wichtige Eckpfeiler, die wohlüberlegtes, dringliches und konsequentes Handeln erfordern.

Zum Bürgerentscheid sollten dann im Sommer 2020 mehrere, durchdachte und durchgeplante Alternativen stehen, deren Vor- und Nachteile beleuchtet, voraussichtliche Kosten beziffert und deren jeweilige Konsequenzen deutlich aufgezeigt werden.

Eine dieser Varianten wird die CityBahn sein – als Rückgrat des ÖPNV eingebettet in eine Vielzahl anderer Verbesserungsmaßnahmen. Es werden aber auch Szenarien zur Abstimmung stehen müssen, in der andere ÖPNV-Ausbaukonzepte ohne CityBahn realisiert werden. Der heutige Zustand des Stadtverkehrs wird die sich jetzt schon abzeichnenden Entwicklungen in Zukunft nicht überstehen. “Einfach garnichts tun” ist daher keine Option!

Fazit

Der Wunsch der Bürgerinnen und Bürger, die eines oder beide der Bürgerbegehren mit ihrer Unterschrift unterstützt haben, ist offensichtlich und legitim: Sie möchten über die Zukunft der Mobilität in unserer Stadt mitbestimmen. Und dazu muss ihnen der jetzt eingeleitete Prozess und das abschließende Vertreterbegehren jetzt eine konstruktive und transparente Möglichkeit bieten.

Als Bürgerinitiative Pro CityBahn stehen wir für für eine konsequente Verbesserung der städtischen Mobilität zugunsten des Umweltverbundes – Fuß, Rad, öffentlicher Nahverkehr. Wir sehen uns aber auch als Anwalt der Bürger und als solcher werden in den kommenden Monaten die Entwicklung des Mobilitätsleitbildes konstruktiv und kritisch begleiten. Dazu laden wir alle Bürger – Befürworter und Kritiker der CityBahn, aber auch die vielen Unentschiedenen – ein, ihre Wünsche und Ideen, ihre Anregungen und Kritik einzubringen. Denn nur so können wir das Mobilitätsleitbild aktiv mitgestalten und gleichzeitig unsere Finger in die richtigen Wunden legen.