Reform des Busliniennetz von 1969 wirkt bis heute

In der Vergangenheit getroffene Entscheidungen prägen unsere Gegenwart. Das gilt auch für das Wiesbadener Busnetz. Vor 50 Jahren wurde es grundlegend umstrukturiert. Am 20. Juli 1969 fuhren die Busse dann erstmals auf dem neuen Liniennetz. Noch heute basiert das Wiesbadener Busnetz auf den Grundlagen, die mit der Netzreform von 1969 geschaffen wurden.

Busnetz stammte noch aus dem Jahr 1929

Eine Reform des Bussystems war überfällig. In den 50er und 60er Jahren war Wiesbaden gewachsen. Die Anbindung der Neubaugebiete erfolgte aber nur zögerlich und erst auf Druck ihrer Bewohner. Obwohl sich Stimmen aus der Öffentlichkeit und Politik mehrten, die eine Reform des Liniennetzes forderten, hielten die Verkehrsbetriebe an der noch aus der Anfangszeit des Wiesbadener Busverkehrs im Jahr 1929 stammenden Verkehrskonzeption fest. Erst deutlich sinkende Fahrgastzahlen und zunehmend unpünktliche Busse ließen die Alarmglocken schrillen. Nur noch 125.000 Fahrgäste pro Werktag fuhren 1968 mit den Stadtbussen – das waren 59.000 weniger als noch fünf Jahre zuvor.

Die Rückgänge standen in enger Wechselwirkung mit dem zunehmenden Autoverkehr. Staus und Behinderungen machten es den Bussen immer schwieriger durch den Verkehr zu kommen. Der unattraktive Busverkehr wiederum bewog wiederum Fahrgäste zum Umstieg auf das Auto. Die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit der Wiesbadener Busse lag in dieser Zeit bei lediglich 16,65 km/h und damit 3 km/h niedriger als der Durchschnitt anderer vergleichbarer Verkehrsbetriebe. Fahrpläne konnten oft nicht mehr eingehalten werden. Statt fahrplanmäßigen 6 Minuten für die Strecke zwischen Bismarckring und Wilhelmstraße brauchten die Busse oft bis zu 22 Minuten. Handeln mussten die Verkehrsbetriebe auch deshalb, weil sich eine Umwandlung der Kirch- und Langgasse in eine Fußgängerzone abzeichnete, die die Stadt aber erst 1972 dauerhaft umsetzte.

Busverkehr in Wiesbaden 1969 und 2019
In den letzten 50 Jahren sind die Fahrgast- und Einwohnerzahlen, sowie die Anzahl der in Wiesbaden eingesetzten Busse deutlich angestiegen.

Busspuren ermöglichen Linienbündelung

Mit dem von Dipl.-Ing. Rolf W. Schaaff erarbeiten „Gesamtverkehrsplan Wiesbaden“, beschloss die Stadtverordnetenversammlung 1963 die Grundlagen einer Liniennetzreform. Mit Daten aus Fahrgastbefragungen in den Jahren 1967 und 1968 erfolgte dann die Feinplanung. Statt einem Netz aus wenigen Hauptlinien in die Innenstadt, auf die von Zubringerlinien aus den Außenstadtteilen umgestiegen werden musste, fahren seit den Sommerferien 1969 nahezu alle Linien in die Innenstadt. Diese wird nun nicht mehr über die Rheinstraße, sondern über den Einbahnstraßenzwilling Luisenstraße und Friedrichstraße erreicht. Voraussetzung zur Umsetzung des Linienkonzepts war die Einführung von Busspuren ab September 1968. Nur eigene Spuren erlaubten die Führung von mehreren Linien mit stündlich bis zu 50 Bussen auf einen gemeinsamen Fahrweg.

Laute Proteste – aber eindeutiger Erfolg

In der Presse schlug das Thema „Neues Liniennetz“ und „Busspuren“ heftige Wellen, die nüchternen Zahlen zeigen aber den Erfolg des Konzepts. Die Durchschnittsgeschwindigkeit stieg auf 18,5 km/h und auch die Fahrgastzahlen wuchsen wieder. Legten die Wiesbadener im Jahr 1968 noch 37 Millionen Fahrten mit den Stadtbussen zurück, waren es 1969 schon 37,4 Millionen und 1973 bereits 49,6 Millionen Fahrten (Jede Fahrt gilt als beförderte Person)1Kopp Klaus (2000): 125 Jahre Wiesbadener Verkehrsbetriebe 1875-2000, S.187. Um diese Fahrgastmengen zu befördern, nahm die Zahl der Busse immer mehr zu. Heute hat sich der Busbestand gegenüber 1969 nahezu verdoppelt. Auch die Einwohnerzahl ist deutlich gestiegen. Die Möglichkeiten des Bussystems zur Erhöhung der Kapazität und der Geschwindigkeit sind ausgereizt. Wenn wir in den nächsten Jahren nicht den Kollaps des Wiesbadener ÖPNV erleben wollen, müssen jetzt die Weichen für eine leistungsfähige Ergänzung des Bussystems durch die Citybahn gestellt werden.

Quellen

Quellen
1 Kopp Klaus (2000): 125 Jahre Wiesbadener Verkehrsbetriebe 1875-2000, S.187