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Über die Baukosten

Warum Wiesbaden nur ca. 29 Mio. Euro für den Bau der Citybahn bezahlen muss

Ob etwas groß oder klein, viel oder wenig ist, hängt von der eigenen Perspektive ab. Eine Maus sieht die Welt anders als ein Elefant und auch bei uns Menschen ist die Sichtweise unterschiedlich. Um sich im Alltag zu orientieren hat jeder Mensch Maßstäbe und Vergleichsmöglichkeiten entwickelt, um z.B. Preise beim Einkauf einzuschätzen. Doch die Skala unseres persönlichen Bewertungssystems ist nach oben begrenzt. Alles was darüber liegt, egal ob Millionen oder Milliarden, sind Dimensionen, die sich kaum fassen lassen.

Hinweis: Die Zahlen und Grafiken dieses Artikels wurden mit der aktualisierten Kostenschätzung, veröffentlicht am 30. August im Wiesbadener Kurier, überarbeitet.

Das gilt auch für die Baukosten der Citybahn. Für die 34 Kilometer 1https://de.wikipedia.org/wiki/Stadtbahn_Wiesbaden#Planung_2016_(Citybahn)lange Straßenbahnstrecke von Mainz Hbf durch Wiesbaden und über die Aartalbahn bis Bad Schwalbach wird aktuell mit Baukosten von 426 Millionen Euro2Uwe Hiltmann (Geschäftsführer CityBahn GmbH): Was kostet der Bau der City-Bahn? Ergebnisse der aktuellen Baukostenfortschreibung (Vortrag für die IHK) gerechnet. Davon entfallen 287,5 Millionen Euro auf das Gebiet der Stadt Wiesbaden. Auf den ersten Blick viel Geld– aber auch zuviel Geld? Um dies zu beurteilen, lohnt es sich genauer hinzuschauen und folgende Fragen zu betrachten:

Die Kosten im Detail

Die projizierten 426 Millionen Euro verteilen sich wie folgt auf die einzelnen Abschnitte:

AbschnittKostenansatz
Mainz
(Hochschule bis Theodor-Heuss-Brücke)
34.500.000 EUR
Wiesbaden
(Theodor-Heuss-Brücke bis Hochschule RheinMain)
196.000.000 EUR
Wiesbaden
(Hochschule RheinMain bis Anschluss Aartalbahn)
60.000.000 EUR
Wiesbaden
(Aartalbahn bis Eiserne Hand)
31.500.000 EUR
Rheingau-Taunus-Kreis
(Aartalstrecke bis Bad Schwalbach)
81.600.000 EUR
Rheingau-Taunus-Kreis
(Bad Schwalbach Bahnhof bis Schmidtbergplatz)
17.400.000 EUR
DB
(Verknüpfungsbahnhof Bad Schwalbach)
5.400.000 EUR
Σ426.400.000 EUR
Geschätzte Baukosten CityBahn (Stand: Juli/September 2020)3Uwe Hiltmann (Geschäftsführer CityBahn GmbH): Was kostet der Bau der City-Bahn? Ergebnisse der aktuellen Baukostenfortschreibung (Vortrag für die IHK)

Rund 50% der Baukosten entfallen dabei auf den Untergrund – also die Sanierung von Kanälen, die Verlegung von Leitungen, das Herrichten des Bereiches unter dem Gleis.4https://www.facebook.com/watch/live/?v=674223009858444&notif_id=1600094668972478&notif_t=live_video_explicit

Woher kommt eigentlich das Geld für die Citybahn?

Die städtischen Haushalte werden durch die Citybahn kaum belastet. Mit 75% der Baukosten würde der Bund den Löwenanteil aus Mitteln des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) finanzieren. 5https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/K/bundesmittel-oepnv.html Für den hessischen Streckenabschnitt tragen die Stadt Wiesbaden und die Kommunen des Rheingau-Taunus-Kreis zwischen 10% und 12,5% der Baukosten. Die Differenz trägt das Land Hessen. Der Anteil der Stadt Wiesbaden an den Baukosten beläuft sich daher derzeit auf lediglich 28,75 Mio. Euro, die nicht auf einmal sondern über mehrere Jahre verteilt anfallen. Werden die Bundesmittel nicht für die CityBahn abgerufen, fließen sie in Straßenbahn- und U-Bahnprojekte anderer Städte.

Kreisdiagramm Baukosten Citybahn
90% der Baukosten für die CityBahn würden aus Bundes- und Landesmitteln für den kommunalen Schienenausbau finanziert. Die restlichen 10% müssten die Kommunen selber bezahlen.

Gemäß der aktuellsten, veröffentlichten NKU wird insgesamt mit 38 Zügen à 30 Metern kalkuliert. Mit einer Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten kosten diese rund 3 Millionen Euro pro Zug (mit 1 Mio. Euro ist ein Gelenkbus mit Brennstoffzelle6https://www.wiesbadener-kurier.de/lokales/wiesbaden/nachrichten-wiesbaden/zehn-neue-brennstoffzellenbusse-fur-eswe-verkehr_22208079 bei halber Fahrgastkapazität und höchstens halb so langen Lebensdauer eher teurer als günstiger). Doch auch hier gibt es – bei kluger Planung – noch Potenzial. So konnten sechs Verkehrsunternehmen aus Deutschland und Österreich die Fahrzeugkosten um knapp eine Million Euro senken – indem sie gemeinsam bestellt hatten und so von Synergieeffekten beim Hersteller (vor allem der aufwendigen Zulassung nach EBO und BOStrab) profitieren.7https://www.urban-transport-magazine.com/tram-train-fuer-alle-sechs-unternehmen-starten-gemeinsame-fahrzeugausschreibung/ Auch kann die Anschaffung durch Fördermittel der Europäischen Union gefördert werden – wie jüngst in Dresden, wo der EFRE knapp 60% der Anschaffungskosten übernahm.8https://ec.europa.eu/regional_policy/de/projects/germany/tram-fleet-in-dresden-germany-to-be-modernised-and-expanded

Elektrobus ist nicht billiger als die Straßenbahn
(Elektro-) Busse sind in der Beschaffung nicht günstiger als Straßenbahnwagen. Im Gegenteil aufgrund der deutlich kürzeren Lebensdauer (insbesondere der Batterien), der geringeren Fahrgastkapazität, der geringeren Reichweite und des höheren Personalbedarfs sind sie langfristig gesehen teurer. Um die selbe Kapazität zu erreichen, wurde im obigen Beispiel der Kaufpreis von 2 elektrisch betriebenen Gelenkbussen mit dem eines Straßenbahnwagens verglichen. Wegen der geringeren Lebensdauer der Busse ist nach ca. 15 Jahren, meist sogar früher, eine Ersatzbeschaffung notwendig.

Wie ist das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen?

Die Citybahn kostet nicht nur Geld, sie bringt auch vielfältigen Nutzen. Davon profitieren nicht nur die Fahrgäste, die schneller und komfortabler unterwegs sind. Viele Autonutzer, insbesondere auch aus den Ortschaften an der Aartalbahn, werden auf die bequemere Straßenbahn umsteigen. Dadurch werden die Straßen und die Umwelt entlastet.

In der Nutzen-Kosten-Untersuchung 9Kurzfassung als pdf-Datei: https://www.citybahn-verbindet.de/fileadmin/Redakteure/Themenseiten/Umwelt/NKU.pdf wird dieser Nutzen in Geldwerte umgerechnet. Auf das Jahr umgerechnet, werden dann Kosten und Nutzen gegenüberstellt. Die Methode dafür ist bundesweit standardisiert. Liegt der Nutzen-Kosten-Faktor über dem Wert 1, ist der Nutzen höher als die Kosten. Nur dann gibt es von Bund und Land Fördermittel. Daher wurde bereits im Vorfeld der CityBahn-Planung von einem renommierten Verkehrsplanungsbüro eine Nutzen-Kosten-Untersuchung durchgeführt. Mit einem Faktor von 1,5 (bzw. durch höhere Baukosten 1,3) ist der Nutzen der CityBahn wesentlich höher als die auf das Jahr umgerechneten Investitionskosten. Ohne die Investition in die CityBahn entgehen der Region jährlich rund 5 Millionen Euro Nutzengewinn.

Wie lange bringt die Investition einen Nutzen?

Ein Sprichwort sagt „Wer billig kauft, kauft doppelt“. Beim Preisvergleich sollte nämlich auch immer die Lebensdauer eines Produkt berücksichtigt werden. Geht ein billiges Produkt nämlich schnell kaputt, ist es schnell teurer als ein langlebiges höherpreisiges Produkt. Dies gilt auch für den Vergleich zwischen den Kosten für Busse und die Straßenbahn. Ein Bus hat eine Lebensdauer von 10-15 Jahren – ein Straßenbahnwagen dagegen von 30-40 Jahren. Im Laufe der Lebensdauer eines Straßenbahnwagens fallen also die Kosten für Busse 2-3 mal an. Auch die Schienen der Straßenbahn sind viel langlebiger als der Straßenbelag. Je nach Belastung müssen die Schienen nur alle 40-50 Jahre erneuert werden. Der Asphalt einer Straße hält lediglich 12 bis 18 Jahren.

Von dem Geld, dass wir jetzt für den Bau der Citybahn ausgegeben, profitieren daher auch unsere Kinder und Enkel. Es ist also zukunftssicher angelegt.

Warum sind die Kosten für die Citybahn gegenüber früheren Schätzungen gestiegen?

Bei der ersten Kostenschätzung standen die Planungen noch am Anfang. Die Route war noch nicht mit den Ortsbeiräten abgestimmt und viele Umstände noch nicht genauer untersucht. Mittlerweile hat sich an den Planungen einiges geändert. So soll die Route der Citybahn jetzt Biebrich besser erschließen. Auf der Aartalbahn nach Bad Schwalbach ist ein 15-Minutentakt statt eines 30-Minutentakt geplant, wofür mehr Ausweichgleise benötigt werden. Zudem haben Untersuchungen ergeben, dass der Sanierungsaufwand der Aartalbahn höher als erwartet ist. Zu einer Steigerung der geschätzten Kosten kam es auch durch allgemeine Steigerungen der Bau- und Grundstückskosten. Eine zuverlässige Kostenschätzung kann normalerweise erst nach Abschluss der Planungen vorgenommen werden. In den Medien wird meist groß über Bauprojekte berichtet, deren Kosten aus den Ruder gelaufen sind. Das ist aber nicht die Regel, wie z.B. auch die „Mainzelbahn“ zeigt.

Wie hoch sind die Kosten im Vergleich mit anderen Verkehrsprojekten?

Jedes Verkehrsprojekt ist anders. Eine Strecke für die viele Brücken oder Tunnel notwendig sind, kostet beispielsweise mehr als eine Strecke ohne aufwendige Kunstbauten. Um ein Gefühl für die Größenordnungen zu bekommen, in denen sich Verkehrsprojekte bewegen, kann ein Vergleich aber durchaus sinnvoll sein. Dafür haben wir die Kosten auf den Streckenkilometer umgerechnet.

Zunächst ein Vergleich des Projektes Citybahn mit in den letzten Jahren realisierten Straßenbahnstrecken in Ulm 10https://www.augsburger-allgemeine.de/neu-ulm/Strassenbahn-in-Ulm-Die-Linie-2-ist-vollendet-id52737106.html, Frankfurt 11https://www.frankfurt.de/sixcms/detail.php?id=19546196&_ffmpar[_id_inhalt]=16302389, Freiburg 12https://www.freiburg.de/pb/231737.html#id614989und Mainz 13https://www.allgemeine-zeitung.de/amp/lokales/mainz/nachrichten-mainz/mainzelbahn-noch-immer-keine-endabrechnung_20395112. Dass die Citybahn hier so günstig abschneidet, liegt daran, das keine neuen Brücken oder sonstige Kunstbauten notwendig sind. Zudem ist ein Teil der Strecke mit der Aartalbahn schon trassiert, wodurch keine Verlegungen der Kanalisation oder Umbauten im Straßenraum notwendig sind. Daher sind die Kosten gut abzuschätzen. Im Gegensatz zu Tunnelprojekten, wo immer wieder Überraschungen im Untergrund lauern, ist auch das Risiko einer unerwarteten Kostensteigerung bei einer Straßenbahn gering.

Kostenvergleich Citybahn mit anderen Straßenbahnprojekten
Im Vergleich mit anderen Straßenbahnprojekten ist die Citybahn günstig

Wie günstig das Projekt Citybahn im Vergleich mit Verkehrsbauten für den Straßenverkehr oder einer U-Bahnstrecke ist, zeigt der Vergleich mit dem Riederwaldtunnel in Frankfurt 14https://www.welt.de/regionales/hessen/article188250359/Kosten-fuer-Riederwaldtunnel-klettern-in-die-Hoehe.html, der Schiersteiner Brücke in Wiesbaden 15https://www.schiersteinerbruecke.de/artikel/h%C3%A4ufig-gestellte-fragen, der U-Bahn ins Europaviertel Frankfurt 16https://www.hessenschau.de/wirtschaft/riesenbohrer-frisst-sich-durchs-europaviertel-u5-tunnelbau-startet,u-bahn-tunnelbau-100.html sowie dem Ausbau der Wiesbadener Boelckestraße 17https://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/mainz/amoeneburg-kostheim-kastel/kastel-boelckestrasse-wird-vierspurig_20357756.

Kostenvergleich Citybahn mit Verkehrsprojekten
Im Vergleich mit anderen Verkehrsprojekten sind die Kosten der Citybahn pro Streckenkilometer niedrig.

Fazit: Die Citybahn ist preisgünstig und eine sinnvolle Investition

  • Die Stadt Wiesbaden muss nur einen Bruchteil der Baukosten tragen.
  • Der Nutzen der Citybahn übersteigt die Kosten deutlich.
  • Von der Citybahn wird die Region lange profitieren.
  • Auch im Vergleich mit anderen Verkehrsprojekten ist die Citybahn preisgünstig und nachhaltig.

Quellen

Quellen
1 https://de.wikipedia.org/wiki/Stadtbahn_Wiesbaden#Planung_2016_(Citybahn)
2, 3 Uwe Hiltmann (Geschäftsführer CityBahn GmbH): Was kostet der Bau der City-Bahn? Ergebnisse der aktuellen Baukostenfortschreibung (Vortrag für die IHK)
4 https://www.facebook.com/watch/live/?v=674223009858444&notif_id=1600094668972478&notif_t=live_video_explicit
5 https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/K/bundesmittel-oepnv.html
6 https://www.wiesbadener-kurier.de/lokales/wiesbaden/nachrichten-wiesbaden/zehn-neue-brennstoffzellenbusse-fur-eswe-verkehr_22208079
7 https://www.urban-transport-magazine.com/tram-train-fuer-alle-sechs-unternehmen-starten-gemeinsame-fahrzeugausschreibung/
8 https://ec.europa.eu/regional_policy/de/projects/germany/tram-fleet-in-dresden-germany-to-be-modernised-and-expanded
9 Kurzfassung als pdf-Datei: https://www.citybahn-verbindet.de/fileadmin/Redakteure/Themenseiten/Umwelt/NKU.pdf
10 https://www.augsburger-allgemeine.de/neu-ulm/Strassenbahn-in-Ulm-Die-Linie-2-ist-vollendet-id52737106.html
11 https://www.frankfurt.de/sixcms/detail.php?id=19546196&_ffmpar[_id_inhalt]=16302389
12 https://www.freiburg.de/pb/231737.html#id614989
13 https://www.allgemeine-zeitung.de/amp/lokales/mainz/nachrichten-mainz/mainzelbahn-noch-immer-keine-endabrechnung_20395112
14 https://www.welt.de/regionales/hessen/article188250359/Kosten-fuer-Riederwaldtunnel-klettern-in-die-Hoehe.html
15 https://www.schiersteinerbruecke.de/artikel/h%C3%A4ufig-gestellte-fragen
16 https://www.hessenschau.de/wirtschaft/riesenbohrer-frisst-sich-durchs-europaviertel-u5-tunnelbau-startet,u-bahn-tunnelbau-100.html
17 https://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/mainz/amoeneburg-kostheim-kastel/kastel-boelckestrasse-wird-vierspurig_20357756

Mit dem Dritten fährt sich’s besser

CityBahn oder Aartalbahn? Meterspur oder Regelspur? RegioTram oder Regionalbahn? An dieser Frage entzünden sich Diskussionen. Erfolgreich wurde hier ein Gegensatz herbeidiskutiert, der eigentlich nicht existiert. Denn beide widersprechen sich nicht – Stichwort Dreischienengleis. Dafür rechtzeitig die Weichen zu stellen, erfordert aber Mut. Ein Plädoyer, sich keine Optionen zu verbauen.

Die CityBahn soll – nachdem Sie von Mainz aus kommend Wiesbaden durchquert hat – auch auf der derzeit stillgelegten Trasse der Aartalbahn nach Taunusstein und Bad Schwalbach fahren. Sie verbindet damit Wiesbaden mit zwei Nachbarstädten, die bislang nur per Bus erreichbar sind und bietet damit mehreren tausend Berufspendlern eine echte Alternative. Hinzu kommen Schul- und Studienverkehre und nicht zu unterschätzende Freizeitströme aus Wiesbaden in den Taunus.

Abendessen spontan zum Waldgeist auf der Eisernen Hand, ohne einen Fahrer zu brauchen? Zum Wandern oder zur Radtour komfortabel den Taunuskamm hoch? Gern.

Zu dieser erstrebenswerten Vision gehört aber auch Ehrlichkeit: Wenn der Abschnitt zwischen Wiesbaden und Bad Schwalbach erst mal komplett auf Meterspur umgebaut wurde, ist die Option einer durchgehenden Regionalzugverbindung zwischen Aartal und Mainz/Frankfurt auf Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte vom Tisch. Denn eine frisch sanierte Bahnstrecke wenige Jahre später nochmal umzubauen, dürfte den Geldgebern schwer zu vermitteln sein. Und ein in Bad Schwalbach endender Regionalzug, der die Pendler aus dem oberen Aartal dort in die CityBahn umsteigen lässt, dürfte nicht für viele attraktiv erscheinen.

Die Straßenbahnhaltestelle Braunschweig Hauptbahnhof im Jahr 2006. Neben den Straßenbahngleisen (1.100mm) waren die Bahnsteige für die normalspurige, aber nie umgesetzte StadtUmlandBahn vorbereitet.

(Bild: User:Brunswyk, Braunschweig Brunswick Busbahnhof 1 (2006), CC BY-SA 3.0)

Deshalb drängt sich geradezu die Frage auf, ob sich Wiesbaden und der Rheingau-Taunus-Kreis diese Option langfristig verbauen wollen. Oder ob uns diese Möglichkeit die Mehrkosten der Dreischienengleis-Lösung nicht vielleicht doch wert ist. Auch auf das Risiko hin, dass die Regionalzugverbindung womöglich nie kommt und das Geld dann umsonst verbaut wurde.

CityBahn und Aartalbahn – Synergien?

In der Zwickauer Innenstadt verkehren die meterspurige Straßenbahn und die regelspurige Vogtlandbahn abschnittsweise parallel. Das gepflasterte Gleis kann durch Busse und Rettungsfahrzeuge befahren werden.
(Bild: Smiley.toeristZwickau trein 4CC BY-SA 4.0)

Neben der technischen Machbarkeit stellt sich natürlich die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines parallelen Betriebes der CityBahn und wie auch immer gearteten Zügen auf der Aartalbahnstrecke. Woraus ergeben sich Synergien aus beiden Systemen?

Die Reaktivierung der Aartalbahn als reine Regionalbahn wurde in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach untersucht – mit jeweils negativem Ergebnis des volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Verhältnisses. Ohne veränderte Rahmenbedingungen besteht auch kein Grund zur Annahme, dass sich das ändern wird.

Gemeinsam mit der CityBahn ergeben sich aber Synergieeffekte, die hier helfen können. Denn beide Verkehrsmittel zielen auf verschiedene Zielgruppen – die Regionalzugverbindung aus dem Aartal auf die Pendler des Aartals mit beispielsweise dem Ziel Frankfurt oder einem Umstieg am Wiesbadener Hauptbahnhof in den Fernverkehr. Die CityBahn stellt eine komfortable und zuverlässige Verbindung für die Einpendler nach Wiesbaden dar – mit zahlreichen Anknüpfungspunkten in der Innenstadt.

Auch in Taunusstein und Bad Schwalbach ergänzen sich beide Systeme. Die Züge der Aartalbahn hielten an drei Punkten: Hahn-Wehen, Bleidenstadt und Bad Schwalbach), werden diese durch die geplanten CityBahn-Haltestellen um die Feinerschließung ergänzt. Zu den drei Regionalzughalten kämen sieben zusätzliche Haltestellen der CityBahn in Taunusstein und Bad Schwalbach hinzu. Auch die Innenstadt Bad Schwalbachs selbst wäre damit angebunden. Die fußläufige Erreichbarkeit der CityBahn-Haltestellen lockt wiederum auch viele Pendler an, um zum Umstieg in die Aartalbahn-Regionalzüge zu fahren.

Auch so kann die CityBahn dazu beitragen, dass die Reaktivierung der Aartalbahn auf der Gesamtlänge wieder wirtschaftlich erscheint. Es ergibt sich bei beiden Systemen gemeinsam also ein deutlich größerer Nutzen durch die Verknüpfung; gleichzeitig sind die Mehrkosten aber überschaubar – doch dazu später mehr.

Bestandsaufnahme: Was die Aartalbahn kann

Auch die Aartalbahnstrecke kann nicht zaubern. Unabhängig vom konkreten Zustand der Gleise, Weichen, Brücken und Tunnel empfiehlt sich daher ein nüchterner Blick auf die generellen Anbindungen und Möglichkeiten der Strecke.

Auf ihren knapp 54 Kilometern verbindet die Aartalbahn Diez (b. Limburg) mit der Landeshauptstadt Wiesbaden. Limburg selbst kann nur durch Kopfmachen in Diez erreicht werden, da keine Verbindungskurve nach Osten existiert. Nach Süden sind Wiesbaden Hauptbahnhof und Mainz-Kastel erreichbar. Eine direkte Verbindung zur Ländchesbahn und in Richtung Wallauer Spange existiert nicht; dazu müsste eine neue Bahnbrücke das Klärwerk kreuzen. Der Bahnhof Wiesbaden Ost wird zwar passiert, allerdings ohne eine Gleisverbindung an die Bahnsteige.

Züge könn(t)en sich derzeit nur in den Bahnhöfen Dotzheim, Hahn-Wehen und Bad Schwalbach begegnen. Da die Aartalbahnstrecke selbst im Wesentlichen aber eingleisig ist, lässt sich der Takt von künftigen Zügen nicht beliebig steigern – irgendwann würden neue, zweigleisige Ausweichstellen notwendig.1Eingleisigkeit beschränkt den Takt, in dem Züge in verschiedene Richtungen fahren können. Der Takt kann allerdings weiter gesteigert werden, wenn mehrere Züge hintereinander in dieselbe Richtung … Continue reading

Zur Technik: Das Dreischienengleis

In aller Ausführlichkeit wurden die verschiedenen Varianten der Gleise, Sicherungssysteme, Stromversorgungen und Co bereits im August 2019 auf unserem Themenabend „CityBahn und Aartalbahn – Konkurrenz, Koexistenz oder Synergien?“ vorgestellt. Für Details gern also auch dort nachschlagen.

Links ein Zug in Regelspur; die meterspurige S-Bahn wurde im Bahnhof „Erdmannlistein“ ausgefädelt. So lassen sich unterschiedliche Fahrzeugbreiten und Einstiegshöhen gut lösen.
Gut zu sehen: Das Dreischienengleis links. Blaupause auch für die Aartalbahn?
(Bild: Dankenswerterweise bereitgestellt von Walter Ruetsch )

Dreischienengleise (oder genereller: Mehrschienengleise) erlauben, dass Züge trotz unterschiedlicher Spurweiten dieselben Strecken benutzen. Sie kommen dort vor, wo Bahnstrecken und -netze, die aus historischen oder technischen Gründen auf verschiedenen Spurweiten fahren, zusammenwachsen. Und so sind sie auch auf der Aartalbahn geboten, wenn ein paralleler Betrieb der CityBahn (1.000 mm Spurweite) und einer wie auch immer gearteten Regionalbahn (1.435 mm Spurweite) stattfinden soll. In Deutschland finden sich aktuell Mehrschienengleise beispielsweise an folgenden Orten:

Um die unterschiedlichen Fahrzeugbreiten auszugleichen, werden die Spurweiten an den beiden gemeinsam genutzte Haltestellen Zwickau Zentrum und Zwickau Stadthalle ausgefädelt; die Züge halten an verschiedenen Seiten des Bahnsteiges.
(Bild: M.Bienick, Kombibahnsteig002, CC BY-SA 2.5.)
  • Im Ruhrgebiet verkehren die Straßenbahn Duisburg (Normalspur) und die Straßenbahnen Mülheim/Essen (Meterspur) teilweise auf denselben Strecken; die Gleise sind als dann als Drei- oder Vierschienengleis ausgeführt. 2Von Gleisen und Schienen bei der EVAG, RuhrBahnBlog
  • In Zwickau, wo seit 1999 Straßenbahnen (Meterspur) gemeinsam mit normalspurigen Regionalbahnen der Vogtlandbahn auf rund 1,3 Kilometer durch die Innenstadt fahren.

Der Bahnhof Putbus auf Rügen. Hier treffen sich die regelspurigen RegioShuttles mit den schmalspurigen Zügen (750mm) der Rügenschen Kleinbahn („Rasender Roland“). Gut zu erkennen ist die Ausfädelung im Vordergrund; die Schmalspurstrecke biegt hier ab.
(Bild: Lapplaender, Rasender Roland 2, CC BY-SA 3.0 DE)
  • In Stuttgart, wo die ursprünglich meterspurige Straßenbahn ab den 1980er Jahren sukzessive auf die Normalspur umgebaut wurde. Heute sind einige Strecken noch als Dreischienengleis erhalten, um Museumsfahrten mit den historischen Fahrzeuge zu ermöglichen.
  • Im Bahnhof Putbus auf Rügen, wo sich normalspurige Regionalzüge mit den Schmalspurzügen der Rügenschen Kleinbahn (Rasender Roland) treffen.
Die meterspurige S17 der S-Bahn Zürich. Sie verkehrt auf einem Dreischienengleis – dieses ermöglicht zusätzlich einen normalspurigen Güterverkehr.
(Bild: BDWM ABe 4/8 5011 Spital Muri AG flickr photo by bahn.photos shared under a Creative Commons (BY-ND) license)

Zum Aufwand: Kosten eines Dreischienengleises

Die Menge neu gebauter Dreischienengleise in Deutschland ist übersichtlich; konkrete Zahlen über deren Baukosten halten sich folglich in Grenzen. Zumal für unsere Fragestellung ja nicht der absolute Preis von Interesse ist, sondern die Mehrkosten gegenüber einem Meterspurgleis. Denn die Frage ist ja nicht „Was kostet die Strecke als Dreischienengleis?„, sondern „Was würde die dritte Schiene, die uns die Regionalbahnoption ermöglicht, gegenüber dem geplanten Meterspurgleis mehr kosten?

Und so stützen wir uns im Wesentlichen auf zwei Quellen: Dem Schlussbericht zur vergleichenden Untersuchung der „Kombilösung zur Neugestaltung des ÖPNV im Korridor Darmstadt – Roßdorf – Groß-Zimmern“ (2016) sowie einem persönlichen Gespräch mit Experten des „Zwickauer Modells„, die im Wesentlichen den ersten Bericht stützen.

Konkrete Kosten basieren immer auf einer Vielzahl Rahmenbedingungen – so fußt der Kostenvergleich in Darmstadt auf einer innerstädtischen Strecke mit Pflaster/Asphalt, die Aartalbahn liegt aber frei im Wald. Dennoch liefern sie gute Anhaltspunkte für eine ungefähre Größenordnung.

Zweischienengleis (1.000 mm)Dreischienengleis
(1.000 mm & 1.435 mm)
delta
Gleisbau, eingleisig (inkl. Oberbau und Entwässerung)1.200 EUR/m1.600 EUR/m+33%
Weiche (inkl. Steuerung und Heizung)182.700 EUR/Stück215.000 EUR/Stück+18%
Aus: Untersuchung der „Kombi-Lösung“ zur Neugestaltung des ÖPNV
im Korridor Darmstadt – Roßdorf – Groß-Zimmern

Quintessenz: Die Strecke zwischen Wiesbaden und Bad Schwalbach würde rund ein Drittel teurer. Daran lässt sich noch schrauben – beispielsweise, indem man nur die passenden Schwellen legt – die dritte Schiene für den Regionalverkehr aber noch nicht.

Ein weiterer Vorteil der Dreischienenlösung, den wir aber leider (noch) nicht quantifizieren können: Der Bauablauf würde wahrscheinlich vereinfacht. Denn da der Bau von Bahnstrecken in Regelspur in Deutschland Normalfall ist (Meterspur ist eher selten), sind Bauzüge und Güterwagen für den Materialtransport einfacher verfügbar. Die Sanierung von Regelspurstrecken ist mittlerweile sehr stark automatisiert und daher vergleichsweise schnell möglich. Bauzüge in Meterspur müssten erst importiert werden. Auch könnte die Sanierung der Strecke bereits beginnen, wenn in Mainz der erste Spaten für die CityBahn gestochen wird – dann ist sie bereits einsatzbereit, wenn die CityBahn-Baustellen an der Hochschule ankommen.

Exkurs: Und der Güterverkehr?

Die Reaktivierung der Aartalbahnstrecke in Regelspur bringt einen weiteren Aspekt mit, der hier zumindest angeschnitten werden soll.

Öffentlich betriebene Eisenbahnstrecken müssen zu (definierten) Bedingungen allen interessierten Eisenbahnverkehrsunternehmen [EVU] zur Verfügung gestellt werden. Heißt: Ist die Aartalbahnstrecke reaktiviert, muss der Zugang (unter Berücksichtigung des Personenverkehrs) auch jedem EVU gewährt werden, welches dort Güterverkehr betreiben möchte. Es entsteht also die Möglichkeit, dass zusätzlich zu den Personenzügen regelmäßig oder sporadisch Güterzüge ihren Weg dorthin finden werden – sei es als Bedienung eines Kunden entlang der Strecke oder im Transit.3Genau genommen besteht diese juristische Möglichkeit auch bei der Reaktivierung der Strecke in Meterspur. Da es aber faktisch keinen Schienengüterverkehr in Meterspur in der Region gibt, wäre der … Continue reading

Die Wahrscheinlichkeit hierzu ist aus mehreren Gründen gering – aber dennoch vorhanden und muss daher ehrlicherweise ebenfalls kommuniziert werden.

So ist die Strecke durch ihre Eingleisigkeit, eher kurze Überholgleise und die (noch) fehlende Elektrifizierung unattraktiv, zumal dann bereits ein dichter Takt Personenzüge führe. Zusätzlich existiert nur eine übersichtliche Anzahl an möglichen Kunden und Anschlüssen entlang der Aartalbahnstrecke, die für einen Schienengüterverkehr attraktiv sind.

Allerdings muss das nicht so bleiben – denn wenn möglich, wieso nicht beispielsweise die in den Wirtschaftswäldern geschlagenen Bäume nicht schon dort auf die Schiene verladen? Aktuell befindet sich die nächste Ladestelle in Wiesbaden Ost – also auf der anderen Seite der Stadt.

Weiterlesen

  • Privater Blogbeitrag auf LiniePlus.de, der die Dreischienengleislösung ebenfalls aufgreift – mit sehr konkreten Vorschlägen über Bahnsteige, Gleislagen und Taktschemata: Aartalbahn mit Dreischienengleis reaktivieren. (A. Eisenbach, November 2019)
  • Hat die Diskussion Meterspur vs. Regelspur Auswirkungen auf die Kapazitäten der CityBahn? Ein Blick nach Deutschland. Schmalspurargumente (Bürger Pro CityBahn, 2019).

Quellen

Quellen
1 Eingleisigkeit beschränkt den Takt, in dem Züge in verschiedene Richtungen fahren können. Der Takt kann allerdings weiter gesteigert werden, wenn mehrere Züge hintereinander in dieselbe Richtung (im Blockabstand) fahren. So wäre es beispielsweise möglich, in den Stoßzeiten mehr Züge (und damit einen attraktiveren Takt) in die Hauptrichtung fahren zu lassen. Nach dem Motto: In Doppeltraktion hoch, in doppeltem Takt wieder runter. So könnten CityBahn und Regionalbahn relativ dicht hintereinander in dieselbe Richtung verkehren.
2 Von Gleisen und Schienen bei der EVAG, RuhrBahnBlog
3 Genau genommen besteht diese juristische Möglichkeit auch bei der Reaktivierung der Strecke in Meterspur. Da es aber faktisch keinen Schienengüterverkehr in Meterspur in der Region gibt, wäre der nur mit einem unattraktiven, weiteren Umschlag möglich.

Verkehrswende jetzt – die Straßenbahn für Wiesbaden durchsetzen!

Kommt alle zur Fahrraddemo! Am Dienstag, den 30. Juni um 17:30 Uhr am Hbf Wiesbaden.

Verkehrswende jetzt! Ja zur CityBahn!

In den letzten Monaten wurden während des Corona-Lockdown endlich Schritte unternommen, den tagtäglichen Verkehrsinfarkt in Wiesbaden zu beenden. Die neuen Fahrradwege und Busspuren begrüßen wir sehr. Doch wir wollen mehr!

Um einer neuen Verkehrspolitik zum Durchbruch zu verhelfen, ist es nötig, die seit Jahrzehnten von der Autolobby in Wiesbaden verhinderte Straßenbahn endlich durchzusetzen! Dies kann gelingen, wenn alle politischen und umweltpolitischen Kräfte, die den Bau einer Straßenbahn (Citybahn) unterstützen, für das Projekt offen und entschieden eintreten und zweifelnde Bürger*innen mit guten Argumenten davon überzeugen! Leider geschieht momentan das Gegenteil.

Nehmen wir daher die Verkehrswende selbst in die Hand!

Kommt alle zur Fahrraddemo! Am Dienstag, den 30. Juni um 17:30 Uhr am Hbf Wiesbaden.

Verkehrswende jetzt! Ja zur CityBahn!


Dies ist eine Demo des AKU, die vom Bündnis Verkehrswende unterstützt wird. Wir als BI Pro CityBahn sind Teil des Bündnis Verkehrswende und unterstützen auch die Demo.

Den Demoaufruf des Bündnis Verkehrswende findet ihr hier: https://verkehrswendewiesbaden.wordpress.com/2020/06/26/verkehrswende-fahrraddemo-am-dienstagden-30-juni-um-1730-uhr-hbf-wiesbaden/

Infrastruktur eines BRT

Die hohen Achslasten eines Busses rollen am Straßenbelag nicht spurlos vorbei. Je größer die Achslast, desto größer der Schaden. Besonders auf stark befahrenen Magistralen wird der Straßenbelag stark strapaziert. Und spätestens, wenn die Busse eines ausgebauten Bussystems (BRT) aufgrund ihrer Länge spurgeführt werden, die Reifen also zentimetergenau immer über dieselbe Stelle fahren, bilden sich schnell Spurrillen. Der Fahrkomfort sinkt, der Verschleiß am Fahrzeug steigt.

Die Spurführung hat beim TVR auch einen Nachteil: Immergleiche Belastungen der schweren Fahrzeuge führen zu Spurrillen in der Straße.
(Bild: HÉROUVILLE Saint-Clair CFR0194 flickr photo by NeiTech shared under a Creative Commons (BY-NC-ND) license )
Mainzer Straße Höhe Justiz- und Verwaltungszentrum.
Bushaltestelle Hauptbahnhof.

Warum Beton?

Bei der Entscheidung, ob eine Straße mit Asphalt, mit Beton oder mit Pflaster gestaltet wird, spielt vor allem eines eine Rolle: Die erwartete Belastung. Genauer gesagt: Die erwarteten Achslasten. Denn wie US-amerikanische Wissenschaftler schon in den 1950er Jahren herausfanden, ist die Achslast – nicht die Anzahl der Fahrzeuge – maßgeblich für die Beschädigung der Straße.

Ihr Ergebnis: Der Schaden an der Straße steigt exponentiell mit der Achslast. Eine LKW-Achse mit 7,5 Tonnen schädigt die Straße über 50.000 Mal stärker als eine PKW-Achse mit 500 Kilogramm.

Busse stehen LKWs in Sachen Achslast nicht viel nach. Ein moderner Diesel-Solobus kommt auf Achslasten von 7,5 Tonnen (vorn) sowie 12,5 Tonnen (hinten), ein Gelenkbus auf den drei Achsen auf 7,5 Tonnen, 10 Tonnen und 13 Tonnen. Hinzu kommen zusätzliche Belastungen durch Beschleunigung, Bremsen und Abbiegen.

Straßen(abschnitte), bei denen eine hohe Belastung vorauszusehen ist, werden daher in der Regel aus Beton gebaut. Beton hält unter starker Beanspruchung länger durch, sodass Betonfahrbahnen drei bis vier mal so lange genutzt werden können.

In Wiesbaden sind daher viele Bushaltestellen mit Betonplatten gebaut. Auch einige stark belastete Straßen (wie die Busspur auf der Oranienstraße, die Rheingaustraße oder die Kreuzung Kasteler Straße/Breslauer Straße) sind daher in Betonbauweise errichtet.

Der Kern eines konsequent ausgebauten BRT besteht aus (a) einer dichten Taktfolge, (b) größeren Bussen und (c) einer durchgezogenen Bevorrechtigung. Ein zum BRT ausgebautes Bussystem stellt mit hohen Achslasten in hoher Frequenz besonders hohe Anforderungen an die Fahrbahn. Wenn die Busse dann (aufgrund ihrer Länge) auch noch spurgeführt werden, die Räder also immer dieselbe Stelle befahren, sind Betonfahrbahnen das Gebot der Stunde.

Fahrbahnen aus Asphalt müssten nicht nur drei- bis viermal so oft saniert werden, was sie teurer macht und durch die Baustellen unattraktiver für die Städte. Die sich bildenden Spurrillen senken drüber hinaus den Fahrkomfort und steigern den Fahrzeugverschleiß.

Bau- und Instandhaltungskosten

Während die Baukosten von Asphaltschichten niedriger sind als die von Betonfahrbahnen, müssen diese öfter erneuert werden. Aber auch Betonfahrbahnen müssen gewartet werden. Bei Betrachtung der Lebenszykluskosten für stark beanspruchte Straßen zeigt sich aber ein klarer Sieger.

Asphaltfahrbahn

  • Erneuerung alle 7-10 Jahre
  • Bau-/Sanierungskosten: 50 EUR/m²

Betonfahrbahn

  • Erneuerung alle 30 Jahre
  • Bau-/Sanierungskosten: 150 EUR/m²
  • Instandhaltung (Fugenerhalt): 5 EUR/m²
  • Instandhaltungsintervall (Kaltverguss): alle 15 Jahre
  • 10% der Platten müssen vor Ablauf des Lebenszyklus getauscht werden

Quelle der Richtwerte

Beispielhaft sei mit diesen Richtwerten eine 1.000 Meter lange, vier Meter breite Fahrbahn durchgerechnet. Betrachtungszeitraum seien 30 Jahre.

Asphaltbauweise
Lebensdauer7 Jahre
Bau-/Instandhaltungs-zyklen4,29
Kosten pro Zyklus4.000m²
x 50 EUR/m²
= 200.000 EUR
Gesamtkosten (30 Jahre)4,29 x 200.000 EUR
= 857.000 EUR
Betonbauweise
Lebensdauer30 Jahre
Bau-/Instandhaltungs-zyklen1
Kosten pro Zyklus4.000m² x 150 EUR/m²
= 600.000 EUR
Gesamtkosten der Zyklen1 x 600.000 EUR
= 600.000 EUR
Instandhaltungskosten (Fugen, alle 15 Jahre)2 Zyklen
x 5 EUR/m²
x 4.000 m²
= 40.000 EUR
Instandhaltungskosten (Fahrbahn, 10% der Platten)10%
x 4.000 m²
x 150 EUR/m²
= 60.000 EUR
Gesamtkosten (30 Jahre)700.000 EUR

Baukosten BRT

Quellenlage

Die Datenlage über Baukosten dieser Infrastruktur ist international recht gut – auch dank einer Vielzahl BRT-Projekte vor allem in Asien und Südamerika in den letzten Jahrzehnten. Hier sind vor allem drei Quellen empfehlenswert:

In Deutschland selbst liegen nur wenige Zahlen vor. Klassische BRTs fahren hierzulande nicht, sodass bestenfalls Aussagen über BRT-ähnliche Trassenabschnitte möglich sind. Aber sie tauchen immer wieder als Vergleichsgröße bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen von umfassenden Verkehrskonzepten auf. Auch im Europäischen Nachbarland finden sich hin und wieder Daten.

Im Detail geht aus den Zahlen aber nicht immer hervor, was sie genau beinhalten: Nur die Fahrbahn oder auch die Anpassungen beispielsweise der Ampelanlagen? Sind die Haltestellen inklusive oder on top? Ist die Ausführung mit Asphalt oder Beton, sind die Fahrspuren höhenfrei und beinhalten diese nur eine oder beide Fahrtrichtungen? Insofern empfiehlt sich eine gewisse Achtsamkeit beim Vergleich.

Ist-Zahlen aus Deutschland

Der BRT-Database folgend gibt es in Deutschland nur zwei Bustrassen, die BRT-ähnlich ausgebaut sind:

  • die ÖPNV-Trasse Oberhausen. Sie ist 6,8 Kilometer lang und wurde teilweise auf der Trasse der stillgelegten Bahn der Hüttenwerke Oberhausen erreichtet. Auf ihr verkehren neben einer Straßenbahnlinie mehrere (Schnell-)Buslinien. Kosten der 1996 eröffneten Betonpiste: 15 Millionen Euro pro Kilometer.1Buses with High Level of Service, COST, 2011.
  • der sukzessive erweiterte, mittlerweile wieder teilweise eingestellte Spurbus Essen. In den 1980er Jahren begonnen und auch als Versuchsstrecke für kombinierte Diesel-/Oberleitungsbusse genutzt, variieren die Baukosten sehr stark und sind für heutige BRTs nur wenig aussagekräftig.

Aktuelle Studien aus Deutschland

QuelleBaukosten pro kmJahrQuelle
Stadt Regensburg14,0 Mio2017(Link)
Verkehrsentwicklungsplan Erlangen8,0 Mio2013(Link)
Mobilitätskonzept für einen nachhaltigen Öffentlichen Nah- und Regionalverkehr in Kiel5,4 Mio2019(Link)
Alternativenuntersuchung im Rahmen des Mobilitätsleitbildes Wiesbaden8,5 Mio2019(Link)

Baukosten in Europa

StadtEröffnungsjahrBaukosten pro Kilometer (Mio EUR)*Bemerkungen
Caen200215,7Spurbus TVR „Twisto“
Metz201311,9BRT „Mettis“
Nancy200118,9Spurbus mechanisch
Rouen2001/20028,7/9,3optischer Spurbus
Castellón de la Plana200910,32Oberleitungs-Buslinie
Istanbul20076,63Metrobus Istanbul
Beispielhafte BRT-Bauprojekte in Europa. *Wechselkurse USD-EUR aus jeweiligen Jahren. Daten: BRTData.org

Baukosten weltweit

StadtEröffnungsjahrBaukosten pro Kilometer (Mio EUR)*Bemerkungen
Nagoya, Japan200151,9Yutorito Line
Klang Valley, Malaysia201528,25BRT Sunway Line
Buenos Aires, Argentinien2011 bis 20164,42Metrobus
Brisbane, Australien200051,59South East Busway
Hartford, CT, USA201533,4New Britain-Hartford Busway
Chengdu, China201314,28Chengdu BRT
Haifa, Israel20137,53Metronit
Beispielhafte BRT-Bauprojekte in weltweit. *Wechselkurse USD-EUR aus jeweiligen Jahren. Daten: BRTData.org

Galerie

Quellen

Unsere Nachbarn kommen zu Wort!

In den Wiesbadener Diskussionen um die CityBahn geht leider etwas unter, dass das CityBahn-Projekt ein Gemeinschaftsprojekt der Städte Mainz, Taunusstein, Bad Schwalbach und Wiesbaden ist. Daher wollen wir unsere Städte heute, am Tag der Nachbarn, zu Wort kommen lassen.

Wir haben daher in den letzten Wochen die Bürgermeister der Städte Taunusstein und Bad Schwalbach, Sandro Zehner und Markus Oberndörfer, sowie den Oberbürgermeister der Stadt Mainz, Michael Ebling, um Statements zur CityBahn gebeten. Und alle drei haben schnell geantwortet. Dafür möchten wir hier allen dreien rechtherzlich nochmal danken.

Wir zeigen sie euch hier so, wie die Strecke gebaut werden würden, also von Mainz über Taunusstein nach Bad Schwalbach.

Mainz

Taunusstein

Bad Schwalbach

Herr Bürgermeister Oberndörfer hat uns nicht nur dieses Statement gegeben, sondern ein noch viel längeres. Das möchten wir euch natürlich nicht vorenthalten:

Liebe Wiesbadenerinnen und Wiesbadener,

gute Nachbarn sind füreinander da. Unter diesen Grundsatz möchte ich mein Engagement für den Bau der CityBahn stellen. Wenn die Bürger und Bürgerinnen von Wiesbaden und Bad Schwalbach füreinander da sein wollen, dann sollten sie gemeinsam für die Vorteile dieses großen Projektes eintreten. Rund 19 000 Beschäftigte pendeln täglich aus unserem Gebiet nach Wiesbaden, und rund 4000 aus Wiesbaden zu uns. All diesen Menschen kann die CityBahn eine saubere und schnelle Alternative zu Bus und Auto bieten. Und in Zukunft werden es noch mehr sein. Denn wenn in Wiesbaden Mieten und Immobilien immer teurer werden, dann können wir in Bad Schwalbach gerade jungen Familien und Start-ups vernünftige Preise bieten. Solche Neubürger sind uns willkommen, können uns in Bad Schwalbach stärken, ohne ihre Bindungen und ihre Nähe zu Wiesbaden mit seiner Geschäfts- und Kulturwelt zu verlieren. Die CityBahn kann deshalb dazu beitragen, dass Bad Schwalbach wächst, dass sich Wirtschaft und Infrastruktur positiv entwickeln und die Stadt damit umso attraktiver auch für Wiesbadener und Wiesbadenerinnen wird: eine reizvolle Ergänzung zur Landeshauptstadt als naher Wohnort im Grünen mit Ruhe und guter Luft. Und ein schnell und bequem zu erreichendes Naherholungsgebiet mit seinen Wegen für Spaziergänger und Wanderer durch den Taunus.  In dieses Projekt haben wir bereits aus voller Überzeugung investiert und damit einen Beitrag auch für Wiesbadens Entwicklung geleistet. Denn wir wollen gute Nachbarn sein, in der Region und für Wiesbaden.

Auf gute Nachbarschaft also,
Ihr Markus Oberndörfer

Bürgermeister
Bad Schwalbach

Und Wiesbaden?

Bekanntermaßen warten wir auf den Bürgerentscheid hier in Wiesbaden – und mit uns eben auch unsere Nachbarn. Unser Standpunkt zur CityBahn ist klar. Die Stimmen weiterer Fürsprechenden aus Wiesbaden haben wir bereits gesammelt, ihr findet sie hier:

Mehr Legitimität durch gute Information und hohe Wahlbeteiligung

Das Ergebnis des Bürgerentscheids zur CityBahn wird die nächsten Jahrzehnte des Wiesbadener Verkehrs maßgeblich prägen – unabhängig davon, wie er ausgeht. Solch weitreichende Beschlüsse sollten nicht allein von Minderheiten oder auf Basis unzureichender Informationen getroffen werden. Ein solcher Bürgerentscheid verdient eine möglichst große Legitimation durch eine hohe Wahlbeteiligung sowie einen Wahlkampf, der die flächendeckende Information und Mobilisierung der Bevölkerung ermöglicht.

Gerade im Hinblick auf die mit dem weiteren Verlauf der Corona-Pandemie verbundene Ungewissheit fordern wir daher, dass…

  • die Stadt Wiesbaden die notwendigen Beschlüsse in die Wege leitet, um den Entscheid (und ggf. die Kommunalwahl) als Briefwahl abzuhalten und den Bürgern direkt die Briefwahlunterlagen zuzusenden. Die Bayerische Kommunalwahl im März hat eindrucksvoll bewiesen, dass sich die Wahlbeteiligung so massiv steigern lässt.
  • der Bürgerentscheid erst dann stattfindet, wenn der Pandemieverlauf und die Infektionsschutzmaßnahmen im Vorfeld eine angemessene Informations- und Wahlkampfarbeit zulassen.

Flächendeckende Briefwahl zum Entscheid

Falls sich die Wiesbadener Stadtpolitik in der Stadtverordnetenversammlung im Juli also dazu entscheidet, den Bürgerentscheid zur CityBahn im November diesen Jahres anzusetzen, muss sie zeitgleich Maßnahmen ergreifen, die eine möglichst hohe Wahlbeteiligung ermöglichen – obwohl der Termin dann mit keiner anderen Wahl kombiniert wird.

Ein Blick nach Mainz zeigt: Bei einem singulären Bürgerentscheid, der mit keiner anderen Wahl gekoppelt wird, ist die Wahlbeteiligung eher niedrig.

Mit Blick auf die äußerst positiven Erfahrungen der Bayrischen Kommunalwahl im März diesen Jahres fordern wir deshalb, den Bürgerentscheid zur CityBahn durch eine flächendeckende Briefwahl durchzuführen.

Durch den flächendeckenden und automatischen Versand der Briefwahlunterlagen konnte die Wahlbeteiligung in bayrischen Städten zur Kommunalwahl signifikant erhöht werden – in einigen Städten sogar um über zehn Prozentpunkte.

Briefwahlen gewinnen ohnehin stetig an Bedeutung; die Briefwahlquote hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten mehr als verdoppelt. Der Mehraufwand durch den Versand der Unterlagen an alle Wahlberechtigten ist angesichts der Wichtigkeit des Projektes und der stärkeren Legitimation mehr als akzeptabel. Zumal gleichzeitig die ehrenamtlichen Wahlhelfer entlastet werden, da die Wahllokale nicht mehr ganztägig geöffnet sein müssen.

Ein Versand von Briefwahlunterlagen an alle Wahlberechtigten lässt den Besuch im Wahllokal entfallen. Er wäre damit auch der richtige Schritt zur Vorsorge, um angesichts der derzeit unvorhersehbaren Entwicklung in der Corona-Pandemie auch bei kurzfristigen Änderungen der Gefährdungslage die Wahl für jeden Wähler (und Wahlhelfer) sicher durchführen zu können. Das ist auch mit Blick auf die Kommunalwahl im März 2021 eine wertvolle Option.

Wahlkampf muss auch zum Entscheid möglich sein

Eine derartig wichtige Entscheidung verdient einen ordentlichen Wahlkampf. Und das umso mehr, wenn der Bürgerentscheid getrennt von der Kommunalwahl durchgeführt wird.

Das Informations- und Diskussionsbedürfnis ist weiter hoch. Das zeigt auch der enorme Zulauf zu Veranstaltungen zum Thema CityBahn – seien es die Fachinformationsabende der CityBahn GmbH, die entscheidenden Ortsbeirats- oder Stadtverordnetensitzungen oder die Veranstaltungen der beteiligten Bürgerinitiativen.

Ein Wahlkampf besteht aber nicht nur aus Plakate-Kleben. Es gibt Infostände, Gespräche mit Anwohnern, Diskussionsveranstaltungen. Die Hessische Gemeindeordnung sieht ausdrücklich Bürgerversammlungen vor.

All diese Informations- und Wahlkampfmaßnahmen lassen sich nicht adäquat durch Postwurfsendungen oder Internetseiten ersetzen. In Anbetracht der Bedeutung der Entscheidung muss sichergestellt sein, dass diese auch im Vorfeld des Entscheides stattfinden können. Das ist mit Blick auf den ungewissen, weiteren Verlauf der Pandemie nur schwer abzuschätzen. Aber dennoch nicht weniger notwendig.

Höhere Wahlbeteiligung durch automatische Briefwahl

Durch den automatischen Versand von Wahlunterlagen an alle Wähler kann die Wahlbeteiligung spürbar erhöht werden. Das zeigt ein Blick auf die Bayrische Kommunalwahl im März 2020.

Die Krise zur Chance: Höhere Wahlbeteiligung durch Briefwahl

Zwei Wochen nach der Bayrischen Kommunal-Hauptwahl kam es am 29. März in 121 Städten und Gemeinden zu Stichwahlen. Die Stichwahl selbst – so beschloss es die Landesregierung mit Rücksicht auf die Corona-Pandemie – wurde als reine Briefwahl durchgeführt. Die Wahllokale blieben geschlossen, alle Bürger bekamen automatisch Briefwahlunterlagen zugesendet.

Das hatte einen deutlich positiven Effekt auf die Wahlbeteiligung: In 109 der 121 Stichwahlen lag die Wahlbeteiligung höher als bei der Hauptwahl – in einigen Städten stieg die Wahlbeteiligung um über zehn Prozentpunkte, in Ingolstadt gar um zwölf Prozent.

Der Anstieg der Beteiligung zur Stichwahl ist kein „traditionell bayerisches Phänomen“. Das zeigt ein Blick auf die vorherige, bayerische Kommunalwahl 2014: Dort stieg die Beteiligung zur Stichwahl nur in fünf Gemeinden; in 55 sank sie teilweise drastisch. Die hohe Wahlbeteiligung ist daher höchstwahrscheinlich auf die automatische Zusendung der Wahlunterlagen zurückzuführen.

Dass sinkende Wahlbeteiligungen bei Stichwahlen eher Standard sind, zeigt auch ein Blick nach Hessen: Insgesamt 92 der aktuell amtierenden Bürgermeister und Landräte in Hessen sind durch eine Stichwahl im Amt. Bei 81 dieser Stichwahlen lag die Wahlbeteiligung niedriger als bei der Hauptwahl.

Die Hessischen Stichwahlen zeigen drei außergewöhnliche Ausreißer nach oben: Bei den Stichwahlen in Bad Karlshafen, Offenbach (Main) und Friedberg (Hessen) lag die Wahlbeteiligung bei der Stichwahl um mehr als zehn Prozentpunkte höher als bei den Hauptwahlen. In Bad Karlshafen musste die Stichwahl nach einem skurrilen Scherz eines Wahlhelfers in einem Bezirk wiederholt werden; die Wiederholungswahl hatte durch die mediale Aufmerksamkeit eine enorme Wahlbeteiligung von 81,3%. Der Tag Stichwahlen in Offenbach und Friedberg fiel mit der Bundestagswahl 2017 zusammen – der Grund für die gestiegene Beteiligung.

Auch in den Hessischen Direktwahlen nimmt die Wahlbeteiligung zur Stichwahl hin also meist ab – dargestellt sind hier die jeweils letzten Landrats- und (Ober-)Bürgermeisterwahlen. Das Muster ist folglich auch hier offensichtlich – die Beteiligung bei der Stichwahl ist in der Regel geringer als bei der Hauptwahl. Die Landrats- und Bürgermeisterwahlen finden an keinem zentralen Termin statt, sodass hier der Zeitraum von 2014 bis 2020 ausgewählt ist. Dargestellt ist jeweils die letzte Wahl – sofern es eine Stichwahl war.

Zwei Jahre BI Pro CityBahn

Heute vor zwei Jahren wurde der Verein „Bürger Pro CityBahn e.V.“ gegründet. Wir wollen daher einen kleinen Blick zurück auf ein paar Highlights aus vielen werfen. Und im Anschluss gibt es auch noch einen kleinen Teaser 🙂

Bus-Flashmob

Am 30. September 2018 haben wir eine größere Aktion gestartet.

Bei dem Bus-Flashmob hatten die Leute Spaß. Im Normalfall ist es aber weniger spaßig, so eng beieinander zu stehen. Zu Stoßzeiten (vor Corona) war das aber eher Regel denn Ausnahme. (C) Bürgerinitiative Pro Citybahn

Das Ziel war, 145 Menschen in diesen Gelenkbus hineinzubekommen – das war die Herstellerangabe für die Kapazität dieses Busses und das von einigen Parteien und Initiativen behauptete Fassungsvermögen. Selbst bei Quetschen haben „nur“ 128 Personen hineingepasst – eine sichere Fahrt wäre dabei auch aus rechtlicher Sicht aber nicht möglich gewesen, weil der Sicherheitsbereich vorne im Bus nicht freigehalten wurden.

Für die „Fahrgäste“ beim Flashmob war die Grenze für eine angenehme Busfahrt bei etwa 80 Menschen. Bei etwa 100 Menschen war es auch mit dem letzten Funken Komfort dahin. Wir haben damit gezeigt, dass Kapazitätsberechnungen, die auf den Kapazitätsangaben der Bushersteller basieren, schlicht falsch sind. Außerdem war damit klar, dass wir mehr Kapazitäten im Wiesbadener ÖPNV brauchen, um diesen komfortabler und attraktiver zu machen.

Unsere Infoveranstaltungen

Letztes Jahr haben wir zwei Informationsveranstaltungen für euch organisiert.

  • CityBahn & Aartalbahn: Konkurrenz, Koexistenz oder Synergien?
  • CityBahn & Bäume: Auswirkungen und Chancen

Das waren zwei Themen, die viele Menschen interessiert hat, die rund um das Thema Citybahn mitdiskutiert haben. Die beiden Angebote wurden dementsprechend auch gut angenommen. Auf der Bühne standen Fachleute und Experten – von der CityBahn GmbH, von der Aartalbahn und vom Wiesbadener Grünflächenamt.

Politisch aktiv

Neben unserer Informationsarbeit führen wir auch Gespräche mit den politischen Verantwortlichen, um das Citybahn-Projekt an den Punkten zu verbessern, bei denen wir Verbesserungsbedarf sehen. Eine wichtige Verbesserung, die wir mit angestoßen haben, war z.B. die Einrichtung eines Baustellen- und Entschädigungsmanagements.

Beim Baustellenmanagement geht es darum, die Einschränkungen, die durch die Baustellen bedingt sind, zeitlich wie räumlich möglichst klein zu halten. Das Entschädigungsmanagement hat zum Ziel, dass Gewerbetreibende, die während der Baumaßnahmen Umsatzeinbußen haben, finanziell unterstützt werden.

Der Antrag „Baustellen- und Entschädigungsmanagement“ wurde am 04. Februar dieses Jahres im Verkehrsausschuss angenommen. (Hier geht’s zum Politischen Informationssystem PiWi.)

Ein paar Impressionen

Ein Blick in die Zukunft …

Wir hatten ursprünglich einiges vor für 2020. Doch das Coronavirus hat vermutlich die Pläne von allen Menschen ziemlich zunichte gemacht. „Abstand halten“ ist die Devise und das machen natürlich auch wir.

Das ändert aber natürlich nichts daran, dass wir uns weiter für die Citybahn in Wiesbaden einsetzen – nur eben in anderer Form. Die Themen, die wir ursprünglich behandeln wollten, sind jetzt mindestens genauso wichtig wie vorher: Barrierefreiheit im ÖPNV und das aktuell aufgrund der Coronakrise heiß diskutierte Thema Einzelhandel und Citybahn.

Aber auch das „klassische Informieren“ geht weiter. Die Anwohnenden in und um die Biebricher Allee hatten z.B. vor ein paar Wochen bereits unseren Flyer im Briefkasten, samt einer eigenen Beilage speziell für sie. (Hier geht’s zu unserem Flyer, und hier zu unserer Seite speziell für die Biebricher Allee.) Und weitere Bereiche werden folgen.

… und der kleine Teaser

Aber auch auf anderen Wegen werdet ihr von uns hören und lesen – analog und/oder digital. Lasst euch also einfach überraschen. Und als kleiner Teaser: wir werden demnächst auf jeden Fall eure Hilfe brauchen. Ladet schon mal eure Kamera- oder Handyakkus 🙂

Unfreiwillige Verkehrsexperimente

Die Diskussion um den Zusammenhang Autoverkehr – Schadstoffemission flammt durch die coronabedingten Verkehrsveränderungen wieder auf – vermutlich zu unrecht. Denn ein neutraler Blick auf die Messwerte zeigt: In den Wochen nach dem Lockdown lagen die Stickoxidmesswerte in Wiesbaden knapp 30% unter den Werten vor dem Lockdown. Eine Analyse der Hochschule RheinMain kam zu Erkenntnis, dass der Autoverkehr durch den Corona-Lockdown ebenfalls um knapp ein Drittel einbrach. 

Deutschlandweit hat sich mit Start der Anti-Corona-Maßnahmen der Verkehr drastisch gewandelt. Der Flugverkehr kam praktisch zum Erliegen, der Autoverkehr brach spürbar ein. Die Menschen, die noch unterwegs sind, tun dies stärker zu Fuß oder per Rad. Wegfallende Fahrgäste des ÖPNV wiederum wechseln, zumindest zum Teil, ins eigene Auto.

Das veränderte Mobilitätsverhalten zieht weitere Fragen nach sich – auch um den Zusammenhang zwischen dem Autoverkehr und den Luftschadstoffen. Vor allem die Konzentration der Stickoxide – maßgeblicher Messwert für Dieselfahrverbote – erzeugt einige Diskussionen. 

Zusammenhang Verkehr und Emissionen

Dass (Auto-)Verkehr grundsätzlich Schadstoffe emittiert, ist wenig überraschend. Und so ist auch ein Zusammenhang zwischen Intensität des Kraftfahrzeugverkehrs und dem Level der jeweiligen Emissionen trivial. Einen offensichtlichen Zusammenhang zeigt schon, wenn die Wochenganglinie der NO2-Emissionen und die Wochenganglinie des Staulevels in Wiesbaden gemeinsam betrachtet werden: Beide zeigen dieselben Schwankungen an Werktagen mit den zwei selben Stoßzeiten, morgens und abends.

Gegenüberstellung der Wochenganglinie der gemessenen NO2-Emissionen (Durchschnitt 2019, normiert auf Wochenmittelwert, Messwerte Ringkirche) und dem TomTom-Traffic Index Congestion Level für Wiesbaden (2019).

Der Knackpunkt aber – und darum drehen sich die aktuellen Diskussionen – wie viel der gemessenen Emissionen stammen aus dem Autoverkehr? Die Grundthese: Ein coronabedingt massiv rückläufiger Autoverkehr müsste auch zu einer massiv rückläufigen Stickoxidbelastung in den Städten führen. Soweit unstrittig, wirft diese Annahme aber zwei weitere Fragen auf: 

  • Wie stark ist der (Auto-)Verkehr tatsächlich zurückgegangen?
  • Wie stark ist die Luftschadstoffbelastung, vor allem die Stickoxide, parallel gesunken?

Die aufflammenden Diskussionen sind nicht weniger emotional und ideologisch geprägt als die Diskussionen um die Dieselfahrverbote selbst. Und so wundert es nicht, dass nicht jede davon rational geführt wird und sie daher grundsätzlich mit einer gewissen Vorsicht zu genießen sind.

Spätestens, wenn Zeitungsartikel (wie beispielsweise im Focus veröffentlicht) von den über 300 Messstationen in Deutschland 4 (in Worten: vier) herauspicken, um daraus Schlussfolgerungen für die gesamte Republik zu ziehen, sollten die Alarmglocken läuten. Und das ist nur eine von zahlreichen Schwachstellen des besagten Artikels.

Auch die singuläre Betrachtung von einzelnen Messwerten, von Momentaufnahmen, ist wenig aussagekräftig. Ebenso wenig, wie eine einzelne Temperaturmessung Aussagen über Klimaveränderungen geben kann, ermöglicht ein einzelner Luft-Messwert irgendwelche Schlussfolgerungen über die Entwicklung der Schadstoffbelastungen.  Aus einem singulären Wert Schlussfolgerungen abzuleiten ist daher hochgradig unseriös – das hält aber auch Wiesbadener Bürgerinitiativen nicht davon ab, genau das zu versuchen und daraus politisches Kapital zu schlagen.

Dennoch ist es interessant, dass derzeit landauf landab TROTZ des derzeit deutlich reduzierten Berufs- & Freizeitverkehrs die Luftwerte an den Messstellen offensichtlich NICHT unter die von der EU festgelegten und streitbaren Grenzwerte fallen.

Die (…) aufgestellte Anzeigetafel auf der Schwalbacher Straße …) leuchten rot wie sonst im Winter und zur Rushhour. Ob am Ostermontag morgens um 8 Uhr oder am gestrigen Dienstag am Nachmittag 17 Uhr.

Newsletter „Luftwerte Innenstädte“ der BI Mitbestimmung, 15. April 20201Ob oder ob nicht die behaupteten Spitzen tatsächlich existierten, darf der geneigte Leser gern den online zugänglichen Messdaten des HLNUG entnehmen ;)

Nicht umsonst sind die öffentlich zugänglichen Messwerte stets Zeitreihen – also viele Messwerte im Zeitverlauf, oft Stunden- und Tagesmittelwerte. Und so lässt sich die Frage, ob die Luftschadstoffbelastungen analog zum Verkehr sinken, nur mit Hilfe dieser Zeitreihen beantworten.

Veränderte Verkehrsbelastung in Wiesbaden

Der Verkehr war in den letzten Wochen starken Einschränkungen unterworfen – und ist es noch immer. Freizeitverkehre, Schul- und Universitätsbesuche finden fast gar nicht mehr statt, Einkaufsverkehre stark reduziert. Firmen gingen zu einem spürbaren Anteil ins HomeOffice, in Kurzarbeit, in Freistellungen über. Gleichzeitig wechseln Leute vom ÖPNV aufs Rad oder ins eigene Auto.

Die Erwartung, dass hierdurch auch der (Auto-)Verkehr drastisch sinkt, entspricht erstmal auch  den Wahrnehmungen. Die Straßen sind leerer, der Verkehr fließt flüssiger, der früher in Wiesbaden alltägliche Stau ist seltener. Aber passt hier das Bauchgefühl tatsächlich auch zu harten, messbaren Zahlen?

Einen ersten Hinweis geben GoogleMaps und der Navigationsgerätehersteller TomTom. Beide arbeiten mit und veröffentlichen nicht nur live-Verkehrsdaten, sie errechnen und publizieren auch durchschnittliche Verkehrsdaten. Heißt: Wie stark staut es sich normalerweise – errechnet aus Ist-Daten der Anwender. Sowohl TomTom als auch GoogleMaps bestätigen die Vermutung – der (Auto-)Verkehr ist flüssiger. Konkret heißt das: Weniger Stau, weniger verkehrsbedingte Verzögerungen.

Screenshot des TomTom Traffic Index (16. April). In rot die Ist-Stauwerte für Wiesbaden, gepunktet die durchschnittlichen Stauwerte für Wiesbaden zu dem jeweiligen Zeitpunkt. Der Screenshot beinhaltet das Osterwochenende; Donnerstag, Dienstag und Mittwoch zeigen aber klar: Der Verkehr läuft besser. Vor allem die Spitzen in der RushHour morgens und abends fehlen.

Sowohl die Daten von TomTom und auch GoogleMaps zeigen: Der Verkehr fließt aktuell spürbar besser. Aber heißt das jetzt auch, dass weniger Autos unterwegs sind? Wenn ja – wieviele?

Die Verkehrslage in Wiesbaden lt. Google Maps. Links die Ist-Verkehrslage am Mittwoch, den 15. April, 18 Uhr. Rechts die normale Verkehrslage an einem durchschnittlichen Mittwoch zu dieser Zeit.

Ein Zusammenhang zwischen “Anzahl Autos” und “Intensität von Verkehrsstaus” ist unzweifelhaft – aber er ist nicht linear. Soll heißen: Doppelt so viele Autos erzeugen nicht doppelt so viel Stau, halb so viele Autos halbieren ihn nicht. Der Zusammenhang ist exponentiell, dynamisch, von einer Vielzahl Faktoren abhängig und daher eigenes, spannendes Forschungsgebiet der Stauforschung

Details führen hier zu weit – nur lässt sich aus den Stau-Auswertungen von TomTom, die für die abendliche RushHour am 15. April 2020, 16 Uhr ein Rückgang der congestion von 61% (average für diese Zeit) auf tatsächlich gemessene 30% angeben, eben nicht schließen, dass nur halb soviele Fahrzeuge unterwegs waren. Die Frage, wieviele Autos nun tatsächlich weniger unterwegs sind, lässt sich damit also bestenfalls erahnen.

Die Straßenverkehrsmengen scheinen sich auf einem Niveau von 70% von ’normal‘ zu stabilisieren. Wenn das, was wir jetzt erleben, der ’notwendige‘ Autoverkehr ist, dann ist das mengenmäßig doch noch recht viel“, so Prof. Dr. Blees. Aktuell sei aber gegebenenfalls mit Verlagerungen vom ÖPNV zum motorisierten Individualverkehr zu rechnen, was man wiederum herausrechnen müsse. „Andererseits haben unsere Straßen mit nur 30% weniger Autoverkehr schon sehr an Aufenthaltsqualität gewonnen“, so der Verkehrsanalyst.

Aus: Weniger Verkehr durch Corona? HSRM, 07. April 2020

Einen anderen Ansatz der Beantwortung dieser Frage hat die HochSchule RheinMain in einem Screencast gewählt: Durch Auswertung von Zählschleifen, die an Kreuzungen im Boden eingelassen sind. 

Quintessenz: Der (Auto-)Verkehr scheint sich derzeit auf 70% des vor-Corona-Niveaus einzupendeln. Diese Beobachtung deckt sich auch mit anderen, deutschen Großstädten. Gleichzeitig – und auch das deckt sich mit anderen Städten – verschwinden die RushHour-Spitzen weitestgehend und mit mit ihnen der Stau in den Stoßzeiten.

Entwicklung der Schadstoffbelastung in Wiesbaden

Die Auswertung, wie wir sie gleich für Wiesbaden vorstellen, lassen sich analog auch für die anderen Messstationen in Hessen und der Republik anstellen. Die Rohdaten stammen vom HLNUG, welches die Messwerte für die Stationen auf der Homepage komfortabel bereit stellt.

In Wiesbaden sind aktuell drei Messstationen aktiv: An der Ringkirche, an der Schiersteiner Straße (zwischen 1. und 2. Ring) und die Station Wiesbaden-Süd nahe der Autobahnanschlussstelle A66 Wiesbaden-Biebrich.

Von einigen Spitzen abgesehen liefert die Station in Wiesbaden Süd traditionell niedrige Messwerte unterhalb des Grenzwertes von 40 µg/m³ [NO2]. In welchem Maße das mit den anhaltenden Bauarbeiten an der Salzbachtalbrücke und dem sich deshalb andere Routen suchenden Verkehre zusammenhängen mag, ist sicherlich eine spannende Diskussion für einen anderen Artikel.

Die Station an der Wiesbadener Ringkirche ist direkt am 1. Ring gelegen und liefert ihre Messwerte mehr oder weniger live an beispielsweise die Anzeige an der Schwalbacher Straße, die Stadtluftanzeiger und früher ebenfalls an die Platane auf dem Bahnhofsvorplatz.

Sie entspricht zwar nicht den Vorgaben über die Platzierung von Messstationen und ist daher für Diskussionen um das Dieselfahrverbot irrelevant. Sie ist allerdings 15 Jahre älter als ihre (maßgebliche) Schwester in der Schiersteiner Straße und wird daher für Langzeit-Zeitreihen beibehalten. Sie misst außerdem eine größere Bandbreite von Schadstoffen. 

NO2-Messwerte der Station Ringkirche im Tagesverlauf. Dienstag, 17. März [links, vor Lockdown] und Dienstag, der 14. April [rechts, nach Lockdown]. Visualisierung via Stadtluftanzeiger.
Am 17. März wird der Grenzwert in 14 Stunden überschritten, am 14. April nur in zwei Stunden. Auch einzelne Tage sind nur beschränkt aussagekräftig, was langfristige Trends anbelangt.

Für die Frage, wie sich die Luft-Schadstoffe durch die coronabedingten Verkehrsveränderungen entwickeln, konzentrieren wir uns auf die drei Wiesbadener Stationen sowie den derzeit Hauptdiskutierten Luftschadstoff Stickstoffdioxid. Für Hessen sind dabei drei Stichtage relevant: 

Veränderung der Stickoxid-Messwerte durch Lockdown

Im Folgenden seien die Durchschnittswerte für die drei Wiesbadener Messstationen in verschiedenen Zeiträumen dargestellt Zwei Zeiträume liegen vor dem Lockdown (Jahresbeginn bis Lockdown bzw. zwei Wochen direkt vor dem Lockdown), der Dritte umfasst die zwei Wochen nach dem Lockdown.

Angegeben sind die relativen Veränderung nach dem Lockdown. Hier zeigten sich bei allen Wiesbadener Messstationen stabile Reduktionen um ein Viertel bis ein Drittel. Zum Vergleich sei dieselbe Darstellung für 2019er-Daten ebenfalls gegeben.

Mittelwert NO2
2020
RingkircheSchiersteiner StraßeWiesbaden Süd
KW 01-1143,3 µg/m³47,9 µg/m³26,9 µg/m³
KW 10/1139,5 µg/m³44,9 µg/m³23,9 µg/m³
KW 13/1430,3 µg/m³29,3 µg/m³18,0 µg/m³
∆ zu KW 01 bis 11-29,9%-38,9%-33,3%
∆ zu KW 10 und 11-23,3%-34,8%-25,0%

In den zwei Wochen nach dem Lockdown (Kalenderwochen 13 und 14) lagen die Messwerte im Schnitt rund 30% niedriger als im Vergleich mit den zwei Wochen vor dem Lockdown. Auch im Vergleich mit den Werten seit Jahresbeginn sieht das Bild ähnlich aus.

Mittelwert NO2
2019
RingkircheSchiersteiner StraßeWiesbaden Süd
KW01-1149,3 µg/m³52,1 µg/m³31,9 µg/m³
KW10/1136,3 µg/m³45,1 µg/m³17,5 µg/m³
KW13/1454,6 µg/m³53,1 µg/m³36,3 µg/m³
∆ zu KW 01 bis 11+10,8%+2,0%+13,8%
∆ zu KW 01 bis 11+50,2%+17,8%+107,2%

NO2-Messwerte in Wiesbaden im Zeitverlauf

Das Diagramm zeigt die Stundenmittelwerte an Stickstoffdioxid an der Schiersteiner Straße und der Ringkirche vom 02. März bis zum 05. April 2020. Mittendrin: Das Wochenende des Dritten Lockdown-Schritts mit über mehrere Tage anhaltenden, historisch niedrigen Messwerten. So akkurat diese Darstellung auch ist, fällt es aber schwer, mit ihrer Hilfe Schlussfolgerungen zu ziehen oder Zusammenhänge zu erkennen.

Die Messwerte schwanken deutlich – abhängig vom Tagesverlauf (und damit der Verkehrbelastung), dem Wind, den Temperaturen, dem Niederschlag, (…) Ein Blick auf die Tagesmittelwerte hilft da schon weiter. Der Tagesmittelwert glättet die stündlichen Spitzen und liefert damit ein etwas klareres Bild.

Vergleich: Grenzwertüberschreitungen vor und nach dem Lockdown

Das Bild wird etwas eindeutiger, wenn nicht der absolute Messwert angezeigt wird – sondern die Differenz zum Grenzwert – für die Frage, wie oft der Grenzwert geknackt wurde. Hier für die Messstation Ringkirche auf Basis der Stundenmittelwerte für die Kalenderwochen 10 bis 14. Am Ende der KW 12 fand der Dritte LockDown-Schritt statt. Zum Vergleich sind darunter ebenfalls die Messwerte für die KW 10 bis 14 des Vorjahres abgebildet.

Darstellung der Grenzwertüber- und unterschreitungen. Ringkirche, Stundenmittelwerte. Ende der KW12 war der dritte Lockdown-Schritt.

Zum Vergleich: Selber Zeitraum (KW 10 bis KW 14) ein Jahr zuvor.

Aus diesen Gegenüberstellungen lässt sich optisch schon erkennen: Nach dem Hessischen Lockdown Es wird grüner – und zwar sowohl im Vergleich zur Vor-Lockdown-Zeit, als auch im Vergleich mit denselben Wochen im Jahr zuvor. Die Zählung, wie oft die Stundenmittelwerte den Grenzwert knacken (oder nicht), verdeutlicht das Bild noch einmal. Links 2019, Rechts 2020.

Dazwischen gibt es ohne Zweifel noch immer Spitzen; also Stundenmittelwerte, die den Grenzwert knacken. Aber es sind weniger – und letztlich sind es nicht die Stundenmittelwerte, die zählen, sondern die Tages-, Wochen- und Monatswerte. Und deren Durchschnittswerte sprechen bislang eine eindeutige Sprache. 

Fazit

Die dargestellten Analysen beziehen sich auf wenige Wochen und sind auch damit nicht vor Kritik gefeit. Sie sind zwar um Welten aussagefähiger als einzelne Messwerte; das Grundproblem des eher kleinen Zeitraums bleibt aber. Der Lockdown läuft und ist aktuell erst wenige Wochen alt.

Wirklich belastbare Erkenntnisse werden erst bei schrittweiser Lockerung der Corona-Maßnahmen möglich – unter sehr genauer Beobachtung der Verkehrssituation.

Nichtsdestotrotz lässt sich wohlwollend zur Kenntnis nehmen, dass der beobachtete Rückgang der Stickoxid-Konzentration um rund ein Drittel ziemlich gut zum Rückgang der Fahrzeugzahlen (ebenfalls um die 30%) zu passen scheint.

Dass trotz 30%-igem Rückgang der Fahrzeugzahlen der Grenzwert punktuell (oder in anderen Städten flächendeckend) geknackt wird, ändert an dieser Erkenntnis auch nichts.

Quellen

Quellen
1 Ob oder ob nicht die behaupteten Spitzen tatsächlich existierten, darf der geneigte Leser gern den online zugänglichen Messdaten des HLNUG entnehmen ;)