Mit dem Dritten fährt sich’s besser

CityBahn oder Aartalbahn? Meterspur oder Regelspur? RegioTram oder Regionalbahn? An dieser Frage entzünden sich Diskussionen. Erfolgreich wurde hier ein Gegensatz herbeidiskutiert, der eigentlich nicht existiert. Denn beide widersprechen sich nicht – Stichwort Dreischienengleis. Dafür rechtzeitig die Weichen zu stellen, erfordert aber Mut. Ein Plädoyer, sich keine Optionen zu verbauen.

Die CityBahn soll – nachdem Sie von Mainz aus kommend Wiesbaden durchquert hat – auch auf der derzeit stillgelegten Trasse der Aartalbahn nach Taunusstein und Bad Schwalbach fahren. Sie verbindet damit Wiesbaden mit zwei Nachbarstädten, die bislang nur per Bus erreichbar sind und bietet damit mehreren tausend Berufspendlern eine echte Alternative. Hinzu kommen Schul- und Studienverkehre und nicht zu unterschätzende Freizeitströme aus Wiesbaden in den Taunus.

Abendessen spontan zum Waldgeist auf der Eisernen Hand, ohne einen Fahrer zu brauchen? Zum Wandern oder zur Radtour komfortabel den Taunuskamm hoch? Gern.

Zu dieser erstrebenswerten Vision gehört aber auch Ehrlichkeit: Wenn der Abschnitt zwischen Wiesbaden und Bad Schwalbach erst mal komplett auf Meterspur umgebaut wurde, ist die Option einer durchgehenden Regionalzugverbindung zwischen Aartal und Mainz/Frankfurt auf Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte vom Tisch. Denn eine frisch sanierte Bahnstrecke wenige Jahre später nochmal umzubauen, dürfte den Geldgebern schwer zu vermitteln sein. Und ein in Bad Schwalbach endender Regionalzug, der die Pendler aus dem oberen Aartal dort in die CityBahn umsteigen lässt, dürfte nicht für viele attraktiv erscheinen.

Die Straßenbahnhaltestelle Braunschweig Hauptbahnhof im Jahr 2006. Neben den Straßenbahngleisen (1.100mm) waren die Bahnsteige für die normalspurige, aber nie umgesetzte StadtUmlandBahn vorbereitet.

(Bild: User:Brunswyk, Braunschweig Brunswick Busbahnhof 1 (2006), CC BY-SA 3.0)

Deshalb drängt sich geradezu die Frage auf, ob sich Wiesbaden und der Rheingau-Taunus-Kreis diese Option langfristig verbauen wollen. Oder ob uns diese Möglichkeit die Mehrkosten der Dreischienengleis-Lösung nicht vielleicht doch wert ist. Auch auf das Risiko hin, dass die Regionalzugverbindung womöglich nie kommt und das Geld dann umsonst verbaut wurde.

CityBahn und Aartalbahn – Synergien?

In der Zwickauer Innenstadt verkehren die meterspurige Straßenbahn und die regelspurige Vogtlandbahn abschnittsweise parallel. Das gepflasterte Gleis kann durch Busse und Rettungsfahrzeuge befahren werden.
(Bild: Smiley.toeristZwickau trein 4CC BY-SA 4.0)

Neben der technischen Machbarkeit stellt sich natürlich die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines parallelen Betriebes der CityBahn und wie auch immer gearteten Zügen auf der Aartalbahnstrecke. Woraus ergeben sich Synergien aus beiden Systemen?

Die Reaktivierung der Aartalbahn als reine Regionalbahn wurde in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach untersucht – mit jeweils negativem Ergebnis des volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Verhältnisses. Ohne veränderte Rahmenbedingungen besteht auch kein Grund zur Annahme, dass sich das ändern wird.

Gemeinsam mit der CityBahn ergeben sich aber Synergieeffekte, die hier helfen können. Denn beide Verkehrsmittel zielen auf verschiedene Zielgruppen – die Regionalzugverbindung aus dem Aartal auf die Pendler des Aartals mit beispielsweise dem Ziel Frankfurt oder einem Umstieg am Wiesbadener Hauptbahnhof in den Fernverkehr. Die CityBahn stellt eine komfortable und zuverlässige Verbindung für die Einpendler nach Wiesbaden dar – mit zahlreichen Anknüpfungspunkten in der Innenstadt.

Auch in Taunusstein und Bad Schwalbach ergänzen sich beide Systeme. Die Züge der Aartalbahn hielten an drei Punkten: Hahn-Wehen, Bleidenstadt und Bad Schwalbach), werden diese durch die geplanten CityBahn-Haltestellen um die Feinerschließung ergänzt. Zu den drei Regionalzughalten kämen sieben zusätzliche Haltestellen der CityBahn in Taunusstein und Bad Schwalbach hinzu. Auch die Innenstadt Bad Schwalbachs selbst wäre damit angebunden. Die fußläufige Erreichbarkeit der CityBahn-Haltestellen lockt wiederum auch viele Pendler an, um zum Umstieg in die Aartalbahn-Regionalzüge zu fahren.

Auch so kann die CityBahn dazu beitragen, dass die Reaktivierung der Aartalbahn auf der Gesamtlänge wieder wirtschaftlich erscheint. Es ergibt sich bei beiden Systemen gemeinsam also ein deutlich größerer Nutzen durch die Verknüpfung; gleichzeitig sind die Mehrkosten aber überschaubar – doch dazu später mehr.

Bestandsaufnahme: Was die Aartalbahn kann

Auch die Aartalbahnstrecke kann nicht zaubern. Unabhängig vom konkreten Zustand der Gleise, Weichen, Brücken und Tunnel empfiehlt sich daher ein nüchterner Blick auf die generellen Anbindungen und Möglichkeiten der Strecke.

Auf ihren knapp 54 Kilometern verbindet die Aartalbahn Diez (b. Limburg) mit der Landeshauptstadt Wiesbaden. Limburg selbst kann nur durch Kopfmachen in Diez erreicht werden, da keine Verbindungskurve nach Osten existiert. Nach Süden sind Wiesbaden Hauptbahnhof und Mainz-Kastel erreichbar. Eine direkte Verbindung zur Ländchesbahn und in Richtung Wallauer Spange existiert nicht; dazu müsste eine neue Bahnbrücke das Klärwerk kreuzen. Der Bahnhof Wiesbaden Ost wird zwar passiert, allerdings ohne eine Gleisverbindung an die Bahnsteige.

Züge könn(t)en sich derzeit nur in den Bahnhöfen Dotzheim, Hahn-Wehen und Bad Schwalbach begegnen. Da die Aartalbahnstrecke selbst im Wesentlichen aber eingleisig ist, lässt sich der Takt von künftigen Zügen nicht beliebig steigern – irgendwann würden neue, zweigleisige Ausweichstellen notwendig.1Eingleisigkeit beschränkt den Takt, in dem Züge in verschiedene Richtungen fahren können. Der Takt kann allerdings weiter gesteigert werden, wenn mehrere Züge hintereinander in dieselbe Richtung … Continue reading

Zur Technik: Das Dreischienengleis

In aller Ausführlichkeit wurden die verschiedenen Varianten der Gleise, Sicherungssysteme, Stromversorgungen und Co bereits im August 2019 auf unserem Themenabend „CityBahn und Aartalbahn – Konkurrenz, Koexistenz oder Synergien?“ vorgestellt. Für Details gern also auch dort nachschlagen.

Links ein Zug in Regelspur; die meterspurige S-Bahn wurde im Bahnhof „Erdmannlistein“ ausgefädelt. So lassen sich unterschiedliche Fahrzeugbreiten und Einstiegshöhen gut lösen.
Gut zu sehen: Das Dreischienengleis links. Blaupause auch für die Aartalbahn?
(Bild: Dankenswerterweise bereitgestellt von Walter Ruetsch )

Dreischienengleise (oder genereller: Mehrschienengleise) erlauben, dass Züge trotz unterschiedlicher Spurweiten dieselben Strecken benutzen. Sie kommen dort vor, wo Bahnstrecken und -netze, die aus historischen oder technischen Gründen auf verschiedenen Spurweiten fahren, zusammenwachsen. Und so sind sie auch auf der Aartalbahn geboten, wenn ein paralleler Betrieb der CityBahn (1.000 mm Spurweite) und einer wie auch immer gearteten Regionalbahn (1.435 mm Spurweite) stattfinden soll. In Deutschland finden sich aktuell Mehrschienengleise beispielsweise an folgenden Orten:

Um die unterschiedlichen Fahrzeugbreiten auszugleichen, werden die Spurweiten an den beiden gemeinsam genutzte Haltestellen Zwickau Zentrum und Zwickau Stadthalle ausgefädelt; die Züge halten an verschiedenen Seiten des Bahnsteiges.
(Bild: M.Bienick, Kombibahnsteig002, CC BY-SA 2.5.)
  • Im Ruhrgebiet verkehren die Straßenbahn Duisburg (Normalspur) und die Straßenbahnen Mülheim/Essen (Meterspur) teilweise auf denselben Strecken; die Gleise sind als dann als Drei- oder Vierschienengleis ausgeführt. 2Von Gleisen und Schienen bei der EVAG, RuhrBahnBlog
  • In Zwickau, wo seit 1999 Straßenbahnen (Meterspur) gemeinsam mit normalspurigen Regionalbahnen der Vogtlandbahn auf rund 1,3 Kilometer durch die Innenstadt fahren.

Der Bahnhof Putbus auf Rügen. Hier treffen sich die regelspurigen RegioShuttles mit den schmalspurigen Zügen (750mm) der Rügenschen Kleinbahn („Rasender Roland“). Gut zu erkennen ist die Ausfädelung im Vordergrund; die Schmalspurstrecke biegt hier ab.
(Bild: Lapplaender, Rasender Roland 2, CC BY-SA 3.0 DE)
  • In Stuttgart, wo die ursprünglich meterspurige Straßenbahn ab den 1980er Jahren sukzessive auf die Normalspur umgebaut wurde. Heute sind einige Strecken noch als Dreischienengleis erhalten, um Museumsfahrten mit den historischen Fahrzeuge zu ermöglichen.
  • Im Bahnhof Putbus auf Rügen, wo sich normalspurige Regionalzüge mit den Schmalspurzügen der Rügenschen Kleinbahn (Rasender Roland) treffen.
Die meterspurige S17 der S-Bahn Zürich. Sie verkehrt auf einem Dreischienengleis – dieses ermöglicht zusätzlich einen normalspurigen Güterverkehr.
(Bild: BDWM ABe 4/8 5011 Spital Muri AG flickr photo by bahn.photos shared under a Creative Commons (BY-ND) license)

Zum Aufwand: Kosten eines Dreischienengleises

Die Menge neu gebauter Dreischienengleise in Deutschland ist übersichtlich; konkrete Zahlen über deren Baukosten halten sich folglich in Grenzen. Zumal für unsere Fragestellung ja nicht der absolute Preis von Interesse ist, sondern die Mehrkosten gegenüber einem Meterspurgleis. Denn die Frage ist ja nicht „Was kostet die Strecke als Dreischienengleis?„, sondern „Was würde die dritte Schiene, die uns die Regionalbahnoption ermöglicht, gegenüber dem geplanten Meterspurgleis mehr kosten?

Und so stützen wir uns im Wesentlichen auf zwei Quellen: Dem Schlussbericht zur vergleichenden Untersuchung der „Kombilösung zur Neugestaltung des ÖPNV im Korridor Darmstadt – Roßdorf – Groß-Zimmern“ (2016) sowie einem persönlichen Gespräch mit Experten des „Zwickauer Modells„, die im Wesentlichen den ersten Bericht stützen.

Konkrete Kosten basieren immer auf einer Vielzahl Rahmenbedingungen – so fußt der Kostenvergleich in Darmstadt auf einer innerstädtischen Strecke mit Pflaster/Asphalt, die Aartalbahn liegt aber frei im Wald. Dennoch liefern sie gute Anhaltspunkte für eine ungefähre Größenordnung.

Zweischienengleis (1.000 mm)Dreischienengleis
(1.000 mm & 1.435 mm)
delta
Gleisbau, eingleisig (inkl. Oberbau und Entwässerung)1.200 EUR/m1.600 EUR/m+33%
Weiche (inkl. Steuerung und Heizung)182.700 EUR/Stück215.000 EUR/Stück+18%
Aus: Untersuchung der „Kombi-Lösung“ zur Neugestaltung des ÖPNV
im Korridor Darmstadt – Roßdorf – Groß-Zimmern

Quintessenz: Die Strecke zwischen Wiesbaden und Bad Schwalbach würde rund ein Drittel teurer. Daran lässt sich noch schrauben – beispielsweise, indem man nur die passenden Schwellen legt – die dritte Schiene für den Regionalverkehr aber noch nicht.

Ein weiterer Vorteil der Dreischienenlösung, den wir aber leider (noch) nicht quantifizieren können: Der Bauablauf würde wahrscheinlich vereinfacht. Denn da der Bau von Bahnstrecken in Regelspur in Deutschland Normalfall ist (Meterspur ist eher selten), sind Bauzüge und Güterwagen für den Materialtransport einfacher verfügbar. Die Sanierung von Regelspurstrecken ist mittlerweile sehr stark automatisiert und daher vergleichsweise schnell möglich. Bauzüge in Meterspur müssten erst importiert werden. Auch könnte die Sanierung der Strecke bereits beginnen, wenn in Mainz der erste Spaten für die CityBahn gestochen wird – dann ist sie bereits einsatzbereit, wenn die CityBahn-Baustellen an der Hochschule ankommen.

Exkurs: Und der Güterverkehr?

Die Reaktivierung der Aartalbahnstrecke in Regelspur bringt einen weiteren Aspekt mit, der hier zumindest angeschnitten werden soll.

Öffentlich betriebene Eisenbahnstrecken müssen zu (definierten) Bedingungen allen interessierten Eisenbahnverkehrsunternehmen [EVU] zur Verfügung gestellt werden. Heißt: Ist die Aartalbahnstrecke reaktiviert, muss der Zugang (unter Berücksichtigung des Personenverkehrs) auch jedem EVU gewährt werden, welches dort Güterverkehr betreiben möchte. Es entsteht also die Möglichkeit, dass zusätzlich zu den Personenzügen regelmäßig oder sporadisch Güterzüge ihren Weg dorthin finden werden – sei es als Bedienung eines Kunden entlang der Strecke oder im Transit.3Genau genommen besteht diese juristische Möglichkeit auch bei der Reaktivierung der Strecke in Meterspur. Da es aber faktisch keinen Schienengüterverkehr in Meterspur in der Region gibt, wäre der … Continue reading

Die Wahrscheinlichkeit hierzu ist aus mehreren Gründen gering – aber dennoch vorhanden und muss daher ehrlicherweise ebenfalls kommuniziert werden.

So ist die Strecke durch ihre Eingleisigkeit, eher kurze Überholgleise und die (noch) fehlende Elektrifizierung unattraktiv, zumal dann bereits ein dichter Takt Personenzüge führe. Zusätzlich existiert nur eine übersichtliche Anzahl an möglichen Kunden und Anschlüssen entlang der Aartalbahnstrecke, die für einen Schienengüterverkehr attraktiv sind.

Allerdings muss das nicht so bleiben – denn wenn möglich, wieso nicht beispielsweise die in den Wirtschaftswäldern geschlagenen Bäume nicht schon dort auf die Schiene verladen? Aktuell befindet sich die nächste Ladestelle in Wiesbaden Ost – also auf der anderen Seite der Stadt.

Weiterlesen

  • Privater Blogbeitrag auf LiniePlus.de, der die Dreischienengleislösung ebenfalls aufgreift – mit sehr konkreten Vorschlägen über Bahnsteige, Gleislagen und Taktschemata: Aartalbahn mit Dreischienengleis reaktivieren. (A. Eisenbach, November 2019)
  • Hat die Diskussion Meterspur vs. Regelspur Auswirkungen auf die Kapazitäten der CityBahn? Ein Blick nach Deutschland. Schmalspurargumente (Bürger Pro CityBahn, 2019).

Quellen

Quellen
1 Eingleisigkeit beschränkt den Takt, in dem Züge in verschiedene Richtungen fahren können. Der Takt kann allerdings weiter gesteigert werden, wenn mehrere Züge hintereinander in dieselbe Richtung (im Blockabstand) fahren. So wäre es beispielsweise möglich, in den Stoßzeiten mehr Züge (und damit einen attraktiveren Takt) in die Hauptrichtung fahren zu lassen. Nach dem Motto: In Doppeltraktion hoch, in doppeltem Takt wieder runter. So könnten CityBahn und Regionalbahn relativ dicht hintereinander in dieselbe Richtung verkehren.
2 Von Gleisen und Schienen bei der EVAG, RuhrBahnBlog
3 Genau genommen besteht diese juristische Möglichkeit auch bei der Reaktivierung der Strecke in Meterspur. Da es aber faktisch keinen Schienengüterverkehr in Meterspur in der Region gibt, wäre der nur mit einem unattraktiven, weiteren Umschlag möglich.

Infrastruktur eines BRT

Die hohen Achslasten eines Busses rollen am Straßenbelag nicht spurlos vorbei. Je größer die Achslast, desto größer der Schaden. Besonders auf stark befahrenen Magistralen wird der Straßenbelag stark strapaziert. Und spätestens, wenn die Busse eines ausgebauten Bussystems (BRT) aufgrund ihrer Länge spurgeführt werden, die Reifen also zentimetergenau immer über dieselbe Stelle fahren, bilden sich schnell Spurrillen. Der Fahrkomfort sinkt, der Verschleiß am Fahrzeug steigt.

Die Spurführung hat beim TVR auch einen Nachteil: Immergleiche Belastungen der schweren Fahrzeuge führen zu Spurrillen in der Straße.
(Bild: HÉROUVILLE Saint-Clair CFR0194 flickr photo by NeiTech shared under a Creative Commons (BY-NC-ND) license )
Mainzer Straße Höhe Justiz- und Verwaltungszentrum.
Bushaltestelle Hauptbahnhof.

Warum Beton?

Bei der Entscheidung, ob eine Straße mit Asphalt, mit Beton oder mit Pflaster gestaltet wird, spielt vor allem eines eine Rolle: Die erwartete Belastung. Genauer gesagt: Die erwarteten Achslasten. Denn wie US-amerikanische Wissenschaftler schon in den 1950er Jahren herausfanden, ist die Achslast – nicht die Anzahl der Fahrzeuge – maßgeblich für die Beschädigung der Straße.

Ihr Ergebnis: Der Schaden an der Straße steigt exponentiell mit der Achslast. Eine LKW-Achse mit 7,5 Tonnen schädigt die Straße über 50.000 Mal stärker als eine PKW-Achse mit 500 Kilogramm.

Busse stehen LKWs in Sachen Achslast nicht viel nach. Ein moderner Diesel-Solobus kommt auf Achslasten von 7,5 Tonnen (vorn) sowie 12,5 Tonnen (hinten), ein Gelenkbus auf den drei Achsen auf 7,5 Tonnen, 10 Tonnen und 13 Tonnen. Hinzu kommen zusätzliche Belastungen durch Beschleunigung, Bremsen und Abbiegen.

Straßen(abschnitte), bei denen eine hohe Belastung vorauszusehen ist, werden daher in der Regel aus Beton gebaut. Beton hält unter starker Beanspruchung länger durch, sodass Betonfahrbahnen drei bis vier mal so lange genutzt werden können.

In Wiesbaden sind daher viele Bushaltestellen mit Betonplatten gebaut. Auch einige stark belastete Straßen (wie die Busspur auf der Oranienstraße, die Rheingaustraße oder die Kreuzung Kasteler Straße/Breslauer Straße) sind daher in Betonbauweise errichtet.

Der Kern eines konsequent ausgebauten BRT besteht aus (a) einer dichten Taktfolge, (b) größeren Bussen und (c) einer durchgezogenen Bevorrechtigung. Ein zum BRT ausgebautes Bussystem stellt mit hohen Achslasten in hoher Frequenz besonders hohe Anforderungen an die Fahrbahn. Wenn die Busse dann (aufgrund ihrer Länge) auch noch spurgeführt werden, die Räder also immer dieselbe Stelle befahren, sind Betonfahrbahnen das Gebot der Stunde.

Fahrbahnen aus Asphalt müssten nicht nur drei- bis viermal so oft saniert werden, was sie teurer macht und durch die Baustellen unattraktiver für die Städte. Die sich bildenden Spurrillen senken drüber hinaus den Fahrkomfort und steigern den Fahrzeugverschleiß.

Bau- und Instandhaltungskosten

Während die Baukosten von Asphaltschichten niedriger sind als die von Betonfahrbahnen, müssen diese öfter erneuert werden. Aber auch Betonfahrbahnen müssen gewartet werden. Bei Betrachtung der Lebenszykluskosten für stark beanspruchte Straßen zeigt sich aber ein klarer Sieger.

Asphaltfahrbahn

  • Erneuerung alle 7-10 Jahre
  • Bau-/Sanierungskosten: 50 EUR/m²

Betonfahrbahn

  • Erneuerung alle 30 Jahre
  • Bau-/Sanierungskosten: 150 EUR/m²
  • Instandhaltung (Fugenerhalt): 5 EUR/m²
  • Instandhaltungsintervall (Kaltverguss): alle 15 Jahre
  • 10% der Platten müssen vor Ablauf des Lebenszyklus getauscht werden

Quelle der Richtwerte

Beispielhaft sei mit diesen Richtwerten eine 1.000 Meter lange, vier Meter breite Fahrbahn durchgerechnet. Betrachtungszeitraum seien 30 Jahre.

Asphaltbauweise
Lebensdauer7 Jahre
Bau-/Instandhaltungs-zyklen4,29
Kosten pro Zyklus4.000m²
x 50 EUR/m²
= 200.000 EUR
Gesamtkosten (30 Jahre)4,29 x 200.000 EUR
= 857.000 EUR
Betonbauweise
Lebensdauer30 Jahre
Bau-/Instandhaltungs-zyklen1
Kosten pro Zyklus4.000m² x 150 EUR/m²
= 600.000 EUR
Gesamtkosten der Zyklen1 x 600.000 EUR
= 600.000 EUR
Instandhaltungskosten (Fugen, alle 15 Jahre)2 Zyklen
x 5 EUR/m²
x 4.000 m²
= 40.000 EUR
Instandhaltungskosten (Fahrbahn, 10% der Platten)10%
x 4.000 m²
x 150 EUR/m²
= 60.000 EUR
Gesamtkosten (30 Jahre)700.000 EUR

Baukosten BRT

Quellenlage

Die Datenlage über Baukosten dieser Infrastruktur ist international recht gut – auch dank einer Vielzahl BRT-Projekte vor allem in Asien und Südamerika in den letzten Jahrzehnten. Hier sind vor allem drei Quellen empfehlenswert:

In Deutschland selbst liegen nur wenige Zahlen vor. Klassische BRTs fahren hierzulande nicht, sodass bestenfalls Aussagen über BRT-ähnliche Trassenabschnitte möglich sind. Aber sie tauchen immer wieder als Vergleichsgröße bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen von umfassenden Verkehrskonzepten auf. Auch im Europäischen Nachbarland finden sich hin und wieder Daten.

Im Detail geht aus den Zahlen aber nicht immer hervor, was sie genau beinhalten: Nur die Fahrbahn oder auch die Anpassungen beispielsweise der Ampelanlagen? Sind die Haltestellen inklusive oder on top? Ist die Ausführung mit Asphalt oder Beton, sind die Fahrspuren höhenfrei und beinhalten diese nur eine oder beide Fahrtrichtungen? Insofern empfiehlt sich eine gewisse Achtsamkeit beim Vergleich.

Ist-Zahlen aus Deutschland

Der BRT-Database folgend gibt es in Deutschland nur zwei Bustrassen, die BRT-ähnlich ausgebaut sind:

  • die ÖPNV-Trasse Oberhausen. Sie ist 6,8 Kilometer lang und wurde teilweise auf der Trasse der stillgelegten Bahn der Hüttenwerke Oberhausen erreichtet. Auf ihr verkehren neben einer Straßenbahnlinie mehrere (Schnell-)Buslinien. Kosten der 1996 eröffneten Betonpiste: 15 Millionen Euro pro Kilometer.1Buses with High Level of Service, COST, 2011.
  • der sukzessive erweiterte, mittlerweile wieder teilweise eingestellte Spurbus Essen. In den 1980er Jahren begonnen und auch als Versuchsstrecke für kombinierte Diesel-/Oberleitungsbusse genutzt, variieren die Baukosten sehr stark und sind für heutige BRTs nur wenig aussagekräftig.

Aktuelle Studien aus Deutschland

QuelleBaukosten pro kmJahrQuelle
Stadt Regensburg14,0 Mio2017(Link)
Verkehrsentwicklungsplan Erlangen8,0 Mio2013(Link)
Mobilitätskonzept für einen nachhaltigen Öffentlichen Nah- und Regionalverkehr in Kiel5,4 Mio2019(Link)
Alternativenuntersuchung im Rahmen des Mobilitätsleitbildes Wiesbaden8,5 Mio2019(Link)

Baukosten in Europa

StadtEröffnungsjahrBaukosten pro Kilometer (Mio EUR)*Bemerkungen
Caen200215,7Spurbus TVR „Twisto“
Metz201311,9BRT „Mettis“
Nancy200118,9Spurbus mechanisch
Rouen2001/20028,7/9,3optischer Spurbus
Castellón de la Plana200910,32Oberleitungs-Buslinie
Istanbul20076,63Metrobus Istanbul
Beispielhafte BRT-Bauprojekte in Europa. *Wechselkurse USD-EUR aus jeweiligen Jahren. Daten: BRTData.org

Baukosten weltweit

StadtEröffnungsjahrBaukosten pro Kilometer (Mio EUR)*Bemerkungen
Nagoya, Japan200151,9Yutorito Line
Klang Valley, Malaysia201528,25BRT Sunway Line
Buenos Aires, Argentinien2011 bis 20164,42Metrobus
Brisbane, Australien200051,59South East Busway
Hartford, CT, USA201533,4New Britain-Hartford Busway
Chengdu, China201314,28Chengdu BRT
Haifa, Israel20137,53Metronit
Beispielhafte BRT-Bauprojekte in weltweit. *Wechselkurse USD-EUR aus jeweiligen Jahren. Daten: BRTData.org

Galerie

Quellen

Mehr Legitimität durch gute Information und hohe Wahlbeteiligung

Das Ergebnis des Bürgerentscheids zur CityBahn wird die nächsten Jahrzehnte des Wiesbadener Verkehrs maßgeblich prägen – unabhängig davon, wie er ausgeht. Solch weitreichende Beschlüsse sollten nicht allein von Minderheiten oder auf Basis unzureichender Informationen getroffen werden. Ein solcher Bürgerentscheid verdient eine möglichst große Legitimation durch eine hohe Wahlbeteiligung sowie einen Wahlkampf, der die flächendeckende Information und Mobilisierung der Bevölkerung ermöglicht.

Gerade im Hinblick auf die mit dem weiteren Verlauf der Corona-Pandemie verbundene Ungewissheit fordern wir daher, dass…

  • die Stadt Wiesbaden die notwendigen Beschlüsse in die Wege leitet, um den Entscheid (und ggf. die Kommunalwahl) als Briefwahl abzuhalten und den Bürgern direkt die Briefwahlunterlagen zuzusenden. Die Bayerische Kommunalwahl im März hat eindrucksvoll bewiesen, dass sich die Wahlbeteiligung so massiv steigern lässt.
  • der Bürgerentscheid erst dann stattfindet, wenn der Pandemieverlauf und die Infektionsschutzmaßnahmen im Vorfeld eine angemessene Informations- und Wahlkampfarbeit zulassen.

Flächendeckende Briefwahl zum Entscheid

Falls sich die Wiesbadener Stadtpolitik in der Stadtverordnetenversammlung im Juli also dazu entscheidet, den Bürgerentscheid zur CityBahn im November diesen Jahres anzusetzen, muss sie zeitgleich Maßnahmen ergreifen, die eine möglichst hohe Wahlbeteiligung ermöglichen – obwohl der Termin dann mit keiner anderen Wahl kombiniert wird.

Ein Blick nach Mainz zeigt: Bei einem singulären Bürgerentscheid, der mit keiner anderen Wahl gekoppelt wird, ist die Wahlbeteiligung eher niedrig.

Mit Blick auf die äußerst positiven Erfahrungen der Bayrischen Kommunalwahl im März diesen Jahres fordern wir deshalb, den Bürgerentscheid zur CityBahn durch eine flächendeckende Briefwahl durchzuführen.

Durch den flächendeckenden und automatischen Versand der Briefwahlunterlagen konnte die Wahlbeteiligung in bayrischen Städten zur Kommunalwahl signifikant erhöht werden – in einigen Städten sogar um über zehn Prozentpunkte.

Briefwahlen gewinnen ohnehin stetig an Bedeutung; die Briefwahlquote hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten mehr als verdoppelt. Der Mehraufwand durch den Versand der Unterlagen an alle Wahlberechtigten ist angesichts der Wichtigkeit des Projektes und der stärkeren Legitimation mehr als akzeptabel. Zumal gleichzeitig die ehrenamtlichen Wahlhelfer entlastet werden, da die Wahllokale nicht mehr ganztägig geöffnet sein müssen.

Ein Versand von Briefwahlunterlagen an alle Wahlberechtigten lässt den Besuch im Wahllokal entfallen. Er wäre damit auch der richtige Schritt zur Vorsorge, um angesichts der derzeit unvorhersehbaren Entwicklung in der Corona-Pandemie auch bei kurzfristigen Änderungen der Gefährdungslage die Wahl für jeden Wähler (und Wahlhelfer) sicher durchführen zu können. Das ist auch mit Blick auf die Kommunalwahl im März 2021 eine wertvolle Option.

Wahlkampf muss auch zum Entscheid möglich sein

Eine derartig wichtige Entscheidung verdient einen ordentlichen Wahlkampf. Und das umso mehr, wenn der Bürgerentscheid getrennt von der Kommunalwahl durchgeführt wird.

Das Informations- und Diskussionsbedürfnis ist weiter hoch. Das zeigt auch der enorme Zulauf zu Veranstaltungen zum Thema CityBahn – seien es die Fachinformationsabende der CityBahn GmbH, die entscheidenden Ortsbeirats- oder Stadtverordnetensitzungen oder die Veranstaltungen der beteiligten Bürgerinitiativen.

Ein Wahlkampf besteht aber nicht nur aus Plakate-Kleben. Es gibt Infostände, Gespräche mit Anwohnern, Diskussionsveranstaltungen. Die Hessische Gemeindeordnung sieht ausdrücklich Bürgerversammlungen vor.

All diese Informations- und Wahlkampfmaßnahmen lassen sich nicht adäquat durch Postwurfsendungen oder Internetseiten ersetzen. In Anbetracht der Bedeutung der Entscheidung muss sichergestellt sein, dass diese auch im Vorfeld des Entscheides stattfinden können. Das ist mit Blick auf den ungewissen, weiteren Verlauf der Pandemie nur schwer abzuschätzen. Aber dennoch nicht weniger notwendig.

Unfreiwillige Verkehrsexperimente

Die Diskussion um den Zusammenhang Autoverkehr – Schadstoffemission flammt durch die coronabedingten Verkehrsveränderungen wieder auf – vermutlich zu unrecht. Denn ein neutraler Blick auf die Messwerte zeigt: In den Wochen nach dem Lockdown lagen die Stickoxidmesswerte in Wiesbaden knapp 30% unter den Werten vor dem Lockdown. Eine Analyse der Hochschule RheinMain kam zu Erkenntnis, dass der Autoverkehr durch den Corona-Lockdown ebenfalls um knapp ein Drittel einbrach. 

Deutschlandweit hat sich mit Start der Anti-Corona-Maßnahmen der Verkehr drastisch gewandelt. Der Flugverkehr kam praktisch zum Erliegen, der Autoverkehr brach spürbar ein. Die Menschen, die noch unterwegs sind, tun dies stärker zu Fuß oder per Rad. Wegfallende Fahrgäste des ÖPNV wiederum wechseln, zumindest zum Teil, ins eigene Auto.

Das veränderte Mobilitätsverhalten zieht weitere Fragen nach sich – auch um den Zusammenhang zwischen dem Autoverkehr und den Luftschadstoffen. Vor allem die Konzentration der Stickoxide – maßgeblicher Messwert für Dieselfahrverbote – erzeugt einige Diskussionen. 

Zusammenhang Verkehr und Emissionen

Dass (Auto-)Verkehr grundsätzlich Schadstoffe emittiert, ist wenig überraschend. Und so ist auch ein Zusammenhang zwischen Intensität des Kraftfahrzeugverkehrs und dem Level der jeweiligen Emissionen trivial. Einen offensichtlichen Zusammenhang zeigt schon, wenn die Wochenganglinie der NO2-Emissionen und die Wochenganglinie des Staulevels in Wiesbaden gemeinsam betrachtet werden: Beide zeigen dieselben Schwankungen an Werktagen mit den zwei selben Stoßzeiten, morgens und abends.

Gegenüberstellung der Wochenganglinie der gemessenen NO2-Emissionen (Durchschnitt 2019, normiert auf Wochenmittelwert, Messwerte Ringkirche) und dem TomTom-Traffic Index Congestion Level für Wiesbaden (2019).

Der Knackpunkt aber – und darum drehen sich die aktuellen Diskussionen – wie viel der gemessenen Emissionen stammen aus dem Autoverkehr? Die Grundthese: Ein coronabedingt massiv rückläufiger Autoverkehr müsste auch zu einer massiv rückläufigen Stickoxidbelastung in den Städten führen. Soweit unstrittig, wirft diese Annahme aber zwei weitere Fragen auf: 

  • Wie stark ist der (Auto-)Verkehr tatsächlich zurückgegangen?
  • Wie stark ist die Luftschadstoffbelastung, vor allem die Stickoxide, parallel gesunken?

Die aufflammenden Diskussionen sind nicht weniger emotional und ideologisch geprägt als die Diskussionen um die Dieselfahrverbote selbst. Und so wundert es nicht, dass nicht jede davon rational geführt wird und sie daher grundsätzlich mit einer gewissen Vorsicht zu genießen sind.

Spätestens, wenn Zeitungsartikel (wie beispielsweise im Focus veröffentlicht) von den über 300 Messstationen in Deutschland 4 (in Worten: vier) herauspicken, um daraus Schlussfolgerungen für die gesamte Republik zu ziehen, sollten die Alarmglocken läuten. Und das ist nur eine von zahlreichen Schwachstellen des besagten Artikels.

Auch die singuläre Betrachtung von einzelnen Messwerten, von Momentaufnahmen, ist wenig aussagekräftig. Ebenso wenig, wie eine einzelne Temperaturmessung Aussagen über Klimaveränderungen geben kann, ermöglicht ein einzelner Luft-Messwert irgendwelche Schlussfolgerungen über die Entwicklung der Schadstoffbelastungen.  Aus einem singulären Wert Schlussfolgerungen abzuleiten ist daher hochgradig unseriös – das hält aber auch Wiesbadener Bürgerinitiativen nicht davon ab, genau das zu versuchen und daraus politisches Kapital zu schlagen.

Dennoch ist es interessant, dass derzeit landauf landab TROTZ des derzeit deutlich reduzierten Berufs- & Freizeitverkehrs die Luftwerte an den Messstellen offensichtlich NICHT unter die von der EU festgelegten und streitbaren Grenzwerte fallen.

Die (…) aufgestellte Anzeigetafel auf der Schwalbacher Straße …) leuchten rot wie sonst im Winter und zur Rushhour. Ob am Ostermontag morgens um 8 Uhr oder am gestrigen Dienstag am Nachmittag 17 Uhr.

Newsletter „Luftwerte Innenstädte“ der BI Mitbestimmung, 15. April 20201Ob oder ob nicht die behaupteten Spitzen tatsächlich existierten, darf der geneigte Leser gern den online zugänglichen Messdaten des HLNUG entnehmen ;)

Nicht umsonst sind die öffentlich zugänglichen Messwerte stets Zeitreihen – also viele Messwerte im Zeitverlauf, oft Stunden- und Tagesmittelwerte. Und so lässt sich die Frage, ob die Luftschadstoffbelastungen analog zum Verkehr sinken, nur mit Hilfe dieser Zeitreihen beantworten.

Veränderte Verkehrsbelastung in Wiesbaden

Der Verkehr war in den letzten Wochen starken Einschränkungen unterworfen – und ist es noch immer. Freizeitverkehre, Schul- und Universitätsbesuche finden fast gar nicht mehr statt, Einkaufsverkehre stark reduziert. Firmen gingen zu einem spürbaren Anteil ins HomeOffice, in Kurzarbeit, in Freistellungen über. Gleichzeitig wechseln Leute vom ÖPNV aufs Rad oder ins eigene Auto.

Die Erwartung, dass hierdurch auch der (Auto-)Verkehr drastisch sinkt, entspricht erstmal auch  den Wahrnehmungen. Die Straßen sind leerer, der Verkehr fließt flüssiger, der früher in Wiesbaden alltägliche Stau ist seltener. Aber passt hier das Bauchgefühl tatsächlich auch zu harten, messbaren Zahlen?

Einen ersten Hinweis geben GoogleMaps und der Navigationsgerätehersteller TomTom. Beide arbeiten mit und veröffentlichen nicht nur live-Verkehrsdaten, sie errechnen und publizieren auch durchschnittliche Verkehrsdaten. Heißt: Wie stark staut es sich normalerweise – errechnet aus Ist-Daten der Anwender. Sowohl TomTom als auch GoogleMaps bestätigen die Vermutung – der (Auto-)Verkehr ist flüssiger. Konkret heißt das: Weniger Stau, weniger verkehrsbedingte Verzögerungen.

Screenshot des TomTom Traffic Index (16. April). In rot die Ist-Stauwerte für Wiesbaden, gepunktet die durchschnittlichen Stauwerte für Wiesbaden zu dem jeweiligen Zeitpunkt. Der Screenshot beinhaltet das Osterwochenende; Donnerstag, Dienstag und Mittwoch zeigen aber klar: Der Verkehr läuft besser. Vor allem die Spitzen in der RushHour morgens und abends fehlen.

Sowohl die Daten von TomTom und auch GoogleMaps zeigen: Der Verkehr fließt aktuell spürbar besser. Aber heißt das jetzt auch, dass weniger Autos unterwegs sind? Wenn ja – wieviele?

Die Verkehrslage in Wiesbaden lt. Google Maps. Links die Ist-Verkehrslage am Mittwoch, den 15. April, 18 Uhr. Rechts die normale Verkehrslage an einem durchschnittlichen Mittwoch zu dieser Zeit.

Ein Zusammenhang zwischen “Anzahl Autos” und “Intensität von Verkehrsstaus” ist unzweifelhaft – aber er ist nicht linear. Soll heißen: Doppelt so viele Autos erzeugen nicht doppelt so viel Stau, halb so viele Autos halbieren ihn nicht. Der Zusammenhang ist exponentiell, dynamisch, von einer Vielzahl Faktoren abhängig und daher eigenes, spannendes Forschungsgebiet der Stauforschung

Details führen hier zu weit – nur lässt sich aus den Stau-Auswertungen von TomTom, die für die abendliche RushHour am 15. April 2020, 16 Uhr ein Rückgang der congestion von 61% (average für diese Zeit) auf tatsächlich gemessene 30% angeben, eben nicht schließen, dass nur halb soviele Fahrzeuge unterwegs waren. Die Frage, wieviele Autos nun tatsächlich weniger unterwegs sind, lässt sich damit also bestenfalls erahnen.

Die Straßenverkehrsmengen scheinen sich auf einem Niveau von 70% von ’normal‘ zu stabilisieren. Wenn das, was wir jetzt erleben, der ’notwendige‘ Autoverkehr ist, dann ist das mengenmäßig doch noch recht viel“, so Prof. Dr. Blees. Aktuell sei aber gegebenenfalls mit Verlagerungen vom ÖPNV zum motorisierten Individualverkehr zu rechnen, was man wiederum herausrechnen müsse. „Andererseits haben unsere Straßen mit nur 30% weniger Autoverkehr schon sehr an Aufenthaltsqualität gewonnen“, so der Verkehrsanalyst.

Aus: Weniger Verkehr durch Corona? HSRM, 07. April 2020

Einen anderen Ansatz der Beantwortung dieser Frage hat die HochSchule RheinMain in einem Screencast gewählt: Durch Auswertung von Zählschleifen, die an Kreuzungen im Boden eingelassen sind. 

Quintessenz: Der (Auto-)Verkehr scheint sich derzeit auf 70% des vor-Corona-Niveaus einzupendeln. Diese Beobachtung deckt sich auch mit anderen, deutschen Großstädten. Gleichzeitig – und auch das deckt sich mit anderen Städten – verschwinden die RushHour-Spitzen weitestgehend und mit mit ihnen der Stau in den Stoßzeiten.

Entwicklung der Schadstoffbelastung in Wiesbaden

Die Auswertung, wie wir sie gleich für Wiesbaden vorstellen, lassen sich analog auch für die anderen Messstationen in Hessen und der Republik anstellen. Die Rohdaten stammen vom HLNUG, welches die Messwerte für die Stationen auf der Homepage komfortabel bereit stellt.

In Wiesbaden sind aktuell drei Messstationen aktiv: An der Ringkirche, an der Schiersteiner Straße (zwischen 1. und 2. Ring) und die Station Wiesbaden-Süd nahe der Autobahnanschlussstelle A66 Wiesbaden-Biebrich.

Von einigen Spitzen abgesehen liefert die Station in Wiesbaden Süd traditionell niedrige Messwerte unterhalb des Grenzwertes von 40 µg/m³ [NO2]. In welchem Maße das mit den anhaltenden Bauarbeiten an der Salzbachtalbrücke und dem sich deshalb andere Routen suchenden Verkehre zusammenhängen mag, ist sicherlich eine spannende Diskussion für einen anderen Artikel.

Die Station an der Wiesbadener Ringkirche ist direkt am 1. Ring gelegen und liefert ihre Messwerte mehr oder weniger live an beispielsweise die Anzeige an der Schwalbacher Straße, die Stadtluftanzeiger und früher ebenfalls an die Platane auf dem Bahnhofsvorplatz.

Sie entspricht zwar nicht den Vorgaben über die Platzierung von Messstationen und ist daher für Diskussionen um das Dieselfahrverbot irrelevant. Sie ist allerdings 15 Jahre älter als ihre (maßgebliche) Schwester in der Schiersteiner Straße und wird daher für Langzeit-Zeitreihen beibehalten. Sie misst außerdem eine größere Bandbreite von Schadstoffen. 

NO2-Messwerte der Station Ringkirche im Tagesverlauf. Dienstag, 17. März [links, vor Lockdown] und Dienstag, der 14. April [rechts, nach Lockdown]. Visualisierung via Stadtluftanzeiger.
Am 17. März wird der Grenzwert in 14 Stunden überschritten, am 14. April nur in zwei Stunden. Auch einzelne Tage sind nur beschränkt aussagekräftig, was langfristige Trends anbelangt.

Für die Frage, wie sich die Luft-Schadstoffe durch die coronabedingten Verkehrsveränderungen entwickeln, konzentrieren wir uns auf die drei Wiesbadener Stationen sowie den derzeit Hauptdiskutierten Luftschadstoff Stickstoffdioxid. Für Hessen sind dabei drei Stichtage relevant: 

Veränderung der Stickoxid-Messwerte durch Lockdown

Im Folgenden seien die Durchschnittswerte für die drei Wiesbadener Messstationen in verschiedenen Zeiträumen dargestellt Zwei Zeiträume liegen vor dem Lockdown (Jahresbeginn bis Lockdown bzw. zwei Wochen direkt vor dem Lockdown), der Dritte umfasst die zwei Wochen nach dem Lockdown.

Angegeben sind die relativen Veränderung nach dem Lockdown. Hier zeigten sich bei allen Wiesbadener Messstationen stabile Reduktionen um ein Viertel bis ein Drittel. Zum Vergleich sei dieselbe Darstellung für 2019er-Daten ebenfalls gegeben.

Mittelwert NO2
2020
RingkircheSchiersteiner StraßeWiesbaden Süd
KW 01-1143,3 µg/m³47,9 µg/m³26,9 µg/m³
KW 10/1139,5 µg/m³44,9 µg/m³23,9 µg/m³
KW 13/1430,3 µg/m³29,3 µg/m³18,0 µg/m³
∆ zu KW 01 bis 11-29,9%-38,9%-33,3%
∆ zu KW 10 und 11-23,3%-34,8%-25,0%

In den zwei Wochen nach dem Lockdown (Kalenderwochen 13 und 14) lagen die Messwerte im Schnitt rund 30% niedriger als im Vergleich mit den zwei Wochen vor dem Lockdown. Auch im Vergleich mit den Werten seit Jahresbeginn sieht das Bild ähnlich aus.

Mittelwert NO2
2019
RingkircheSchiersteiner StraßeWiesbaden Süd
KW01-1149,3 µg/m³52,1 µg/m³31,9 µg/m³
KW10/1136,3 µg/m³45,1 µg/m³17,5 µg/m³
KW13/1454,6 µg/m³53,1 µg/m³36,3 µg/m³
∆ zu KW 01 bis 11+10,8%+2,0%+13,8%
∆ zu KW 01 bis 11+50,2%+17,8%+107,2%

NO2-Messwerte in Wiesbaden im Zeitverlauf

Das Diagramm zeigt die Stundenmittelwerte an Stickstoffdioxid an der Schiersteiner Straße und der Ringkirche vom 02. März bis zum 05. April 2020. Mittendrin: Das Wochenende des Dritten Lockdown-Schritts mit über mehrere Tage anhaltenden, historisch niedrigen Messwerten. So akkurat diese Darstellung auch ist, fällt es aber schwer, mit ihrer Hilfe Schlussfolgerungen zu ziehen oder Zusammenhänge zu erkennen.

Die Messwerte schwanken deutlich – abhängig vom Tagesverlauf (und damit der Verkehrbelastung), dem Wind, den Temperaturen, dem Niederschlag, (…) Ein Blick auf die Tagesmittelwerte hilft da schon weiter. Der Tagesmittelwert glättet die stündlichen Spitzen und liefert damit ein etwas klareres Bild.

Vergleich: Grenzwertüberschreitungen vor und nach dem Lockdown

Das Bild wird etwas eindeutiger, wenn nicht der absolute Messwert angezeigt wird – sondern die Differenz zum Grenzwert – für die Frage, wie oft der Grenzwert geknackt wurde. Hier für die Messstation Ringkirche auf Basis der Stundenmittelwerte für die Kalenderwochen 10 bis 14. Am Ende der KW 12 fand der Dritte LockDown-Schritt statt. Zum Vergleich sind darunter ebenfalls die Messwerte für die KW 10 bis 14 des Vorjahres abgebildet.

Darstellung der Grenzwertüber- und unterschreitungen. Ringkirche, Stundenmittelwerte. Ende der KW12 war der dritte Lockdown-Schritt.

Zum Vergleich: Selber Zeitraum (KW 10 bis KW 14) ein Jahr zuvor.

Aus diesen Gegenüberstellungen lässt sich optisch schon erkennen: Nach dem Hessischen Lockdown Es wird grüner – und zwar sowohl im Vergleich zur Vor-Lockdown-Zeit, als auch im Vergleich mit denselben Wochen im Jahr zuvor. Die Zählung, wie oft die Stundenmittelwerte den Grenzwert knacken (oder nicht), verdeutlicht das Bild noch einmal. Links 2019, Rechts 2020.

Dazwischen gibt es ohne Zweifel noch immer Spitzen; also Stundenmittelwerte, die den Grenzwert knacken. Aber es sind weniger – und letztlich sind es nicht die Stundenmittelwerte, die zählen, sondern die Tages-, Wochen- und Monatswerte. Und deren Durchschnittswerte sprechen bislang eine eindeutige Sprache. 

Fazit

Die dargestellten Analysen beziehen sich auf wenige Wochen und sind auch damit nicht vor Kritik gefeit. Sie sind zwar um Welten aussagefähiger als einzelne Messwerte; das Grundproblem des eher kleinen Zeitraums bleibt aber. Der Lockdown läuft und ist aktuell erst wenige Wochen alt.

Wirklich belastbare Erkenntnisse werden erst bei schrittweiser Lockerung der Corona-Maßnahmen möglich – unter sehr genauer Beobachtung der Verkehrssituation.

Nichtsdestotrotz lässt sich wohlwollend zur Kenntnis nehmen, dass der beobachtete Rückgang der Stickoxid-Konzentration um rund ein Drittel ziemlich gut zum Rückgang der Fahrzeugzahlen (ebenfalls um die 30%) zu passen scheint.

Dass trotz 30%-igem Rückgang der Fahrzeugzahlen der Grenzwert punktuell (oder in anderen Städten flächendeckend) geknackt wird, ändert an dieser Erkenntnis auch nichts.

Quellen

Quellen
1 Ob oder ob nicht die behaupteten Spitzen tatsächlich existierten, darf der geneigte Leser gern den online zugänglichen Messdaten des HLNUG entnehmen ;)

Bewerbung zum Autosphärenreservat

Die Landeshauptstadt Wiesbaden soll als „Autosphärenreservat“ unter Ensembleschutz gestellt werden. Der ADAC Hessen hat, unterstützt von Bürgerinitiativen und Verbänden wie dem VDA, beim Landesamt für Denkmalschutz einen entsprechenden Antrag eingereicht. Als Anschauungsobjekt autogerechter Urbanität, heißt es in der Begründung, komme der Stadt europaweite Bedeutung zu.

Ihr einzigartiges Verkehrsgefüge dürfe nicht durch nachträgliche verkehrspolitische Eingriffe, insbesondere nicht durch Einziehung von Schienentrassen, zerstört werden. Schließlich seien solche noch weitgehend unverändert erhaltenen Vorrangflächen für motorisierte individuelle Mobilität, angesichts einer dem Zeitgeist geschuldeten Verkehrswendewelle, bald eine schwindende Rarität und in ihrem Bestand bedroht. Somit gelte es hier ein einzigartiges Autotop aus einer prägenden Epoche der Nachkriegszeit vor einer unwiederbringlichen Umgestaltung zu bewahren.

Die Initiatoren fordern die Stadtverantwortlichen zugleich auf, den unter Bestandsschutz zu stellenden „Freiluftpark für freie Fahrt“ als Ausflugsziel für Reisegruppen und Studienobjekt für nachwachsende Generationen, bei der man bisweilen keine Vorstellung mehr von PKW-freundlicher Mobilität voraussetzen könne, aktiv zu bewerben. In diesem Ziel, heißt es in dem Antrag, könne man auf Unterstützung liberaler Stadtpolitiker ebenso zählen wie auf, einzelne überzeugte, so wörtlich: „Widerstandskämpfer“ für den Erhalt des überlieferten Straßenbildes.

Weltpremiere in Wiesbaden

Bei der Vorbeifahrt am ESWE-Betriebshof entdeckte unser Leser Friedhelm G. diesen ungewöhnlichen Bus. Anfragen bei ESWE-Verkehr nach näheren Details blieben unbeantwortet. Aus gut unterrichteten Kreisen konnten wir aber erfahren, dass der Bus in den Werkstatt der ESWE in Eigenleistung aus drei Mercedes Citaro-Gelenkbussen entstand. Angesichts des Fahrermangels und weiter steigenden Fahrgastzahlen will ESWE damit unabhängig vom Projekt Citybahn Möglichkeiten der Kapazitätssteigerung testen.

Die erste Testfahrt, die mit einer Sondergenehmigung absolviert wurde, offenbarte aber schon einige Probleme. Der Bus versperrte öfters Kreuzungsbereiche, oder konnte Haltestellen wegen parkender Autos oder anderer Busse nicht anfahren.

Eigentlich hätte der Bus nach der Testfahrt wieder auf das Betriebsgelände gefahren werden sollen. Um Beschädigungen auf dem engen Betriebshof zu verhindern, parkte man ihn aber zunächst außerhalb. Zuvor kam es im Kreisverkehr in der Gartenfeldstraße zum gefürchteten Self-Gridlock; einer Situation, in der sich der Bus im Kreisverkehr festfuhr und aufgrund seiner schieren Länge selbst blockierte.1Ältere Leser kennen diese Situation vom Snake-spielen auf dem Nokia.

Auch einige technische Daten wurden bekannt: Der Bus mit fünf Gelenken erreicht eine Länge von 54 Meter und hat ein Leergewicht von 52 Tonnen. Die Sitzplatzanzahl beträgt 138. Insgesamt verfügt der Bus damit über 450 Plätze (Herstellerangaben) bzw. 300 Plätze (realistische Angaben). Derzeit ist noch ein Dieselmotor eingebaut. Überlegungen den Bus zu elektrifizieren, scheitern am zusätzlichen Platz und Gewicht für die Batterien.

Für Fahrgäste bedeutet dieser Bus – falls er im Linienverkehr eingesetzt wird – eine Umstellung. Durch seine Länge hält der Bus an mehreren Haltestellen gleichzeitig – bei vollen Bussen empfiehlt es sich also, bereits beim Einstieg die richtige Tür zu wählen. Allerdings können die Fahrgäste hier auch profitieren: Wer seine Haltestelle verpasst, läuft dann im Bus einfach nach hinten und kann so an der letzten Haltestelle aussteigen.

Sollte sich der Bus nicht bewähren, gibt es für die beteiligten ESWE-Mitarbeiter einen kleinen Trost. Derzeit suchen die Autoren des Guinness-Buch der Rekorde den längsten Omnibus der Welt. Ein Eintrag dürfte den Wiesbadenern sicher sein. Auch sind erste Zeichnungen für den weltweit ersten Doppelstock-Doppelgelenkbus in internen ESWE-Foren aufgetaucht.

Quellen

Quellen
1 Ältere Leser kennen diese Situation vom Snake-spielen auf dem Nokia.

Wiesbadener: #StaySafe

Liebe Wiesbadener,

um auch in Pandemiezeiten umweltfreundlich unterwegs zu sein, empfehlt sich jetzt wie selten zuvor der Umstieg aufs eigene Rad – die Fitnessstudios haben eh zu, ihr tut was für Körper, Gesundheit und Umwelt. Und – die Straßen sind in Stoßzeiten deutlich leerer als üblich. Nutzt also die Chance.

Zu Fuß ist Wiesbaden ohnehin schon sehr stark. Auch wenn die Fußwege hier und da nicht breit genug sind, um den empfohlenen Abstand einzuhalten, wenn ihr euch beim Laufen begegnet. Bitte geht auch weiterhin überdurchschnittlich oft zu Fuß!

Dann bleibt auch für die, die weiter den ÖPNV nutzen, genug Platz in Bus und Bahn, um trotz ‚gemeinsamer‘ Fahrt den empfohlenen Abstand einzuhalten. Haltet Abstand, denkt ans Hände waschen (oder desinfizieren, wenn waschen nicht geht) und meidet, soweit es geht, die Stoßzeiten. Bleibt daheim, wenn ihr Symptome habt. Kurz: #StaySafe.

Wie für uns alle ist diese Situation auch für die ESWE Verkehrsgesellschaft mbH Neuland. Bitte seht also nach, wenn bei der Umstellung auf den Samstagsfahrplan nicht alles sofort rumläuft. Denn auf insgesamt deutlich weniger Fahrgäste bei dennoch vorhandenen, morgendlichen und abendlichen RushHourSpitzen muss man sich erst einstellen. Also: Meldet volle Busse an die ESWE Verkehr (oder an uns, wir leiten es entsprechend weiter). Zusammen mit den Meldungen der eigenen Fahrer erlaubt das der ESWE, kurzfristig die Stellen zu identifizieren, an denen der Samstagsfahrplan eben nicht ausreicht. Meldet euch auch, wenn ihr jetzt komplett abgeschnitten seid (weil eurer Buslinie nur unter der Woche fährt.)

Spaziergänge und Radtouren eignen sich prima, um beim guten Bäcker um die Ecke ein frisches Brot zu kaufen oder bei eurem Stammrestaurant Essen mitzunehmen. Passt auf euch, eure Mitmenschen und eure Lieblingsgeschäfte/-bars/-restaurants auf, unterstützt euch gegenseitig, seid nachsichtig und demütig.

Lasst euch nicht vereinnahmen, wenn Personen oder Gruppierungen die Pandemie ausnutzen wollen, um aus ihr politisches Kapital zu schlagen. Und schon gar nicht, wenn die Leute, Bürgerinitiativen und Parteien, die Öffentlichen Nahverkehr jetzt als Infektionsherd zu brandmarken versuchen, dieselben sind, die vor Corona einen Bus erst als voll angesehen haben, wenn sieben Personen auf jedem Quadratmeter stehen. Diese Argumentation ist perfide und zynisch. Und sie verschweigt (möglicherweise bewusst), dass Städte wie beispielsweise Taipeh und Singapur, die im Umgang mit Corona als erfolgreich und vorbildlich gelten, einen ÖPNV-Anteil von über 40% haben – das ist doppelt bis drei Mal so hoch wie Wiesbaden.

Stellungnahme zu den Frageentwürfen für den Bürgerentscheid

In den Unterlagen zum Verkehrsausschuss wurden im politischen Informationssystem Wiesbaden erste Entwürfe für die mögliche Fragestellung zum Bürgerentscheid zur CityBahn kommuniziert. So sehr sich diese im Detail unterscheiden mögen, begrüßen wir die entscheidende Gemeinsamkeit: Die CityBahn soll als Bestandteil eines Gesamtkonzeptes für die Mobilität in Wiesbaden zur Abstimmung gestellt werden.

Seit dem Sommer letzten Jahres haben Vertreter der Stadtgesellschaft aus vielen Institutionen und Unternehmen zusammen mit Fachleuten ein Mobilitätsleitbild für Wiesbaden entwickelt. Die Vielzahl der dort erarbeiteten Lösungen zeigt umfassend auf, wie die Teilnehmer sich die Fortbewegung in der Stadt von morgen und übermorgen vorstellen. Dieses Gesamtpaket soll nun den Bürgern zur Entscheidung vorgelegt werden.

Eine Straßenbahn für Wiesbaden ist Teil dieses Gesamtpakets. Natürlich ist sie kein Allheilmittel für alle Verkehrsprobleme unserer Stadt, aber sie bildet das Rückgrat für den Wiesbadener Verkehr der Zukunft: umweltfreundlich und effizient, beginnend mit einer Linie, mit dem Ziel, ein ganzes Liniennetz zu bauen. Deswegen wäre es wenig sinnvoll, allein über die Einführung der CityBahn abzustimmen. Umso begrüßenswerter ist es daher, dass hier ein attraktives Gesamtkonzept zur Abstimmung gestellt werden sol, bestehend aus einer Vielzahl von Einzellösungen, die sich gegenseitig hervorragend ergänzen, aber eben auch bedingen. So lässt sich z.B. eine Ausweitung des ÖPNV-Netzes durch Shuttles oder bessere Anbindungen nur dann realisieren, wenn dieses Netz in seinem Kern so leistungsfähig ist, dass es die steigende Nachfrage bewältigen kann und trotzdem attraktiv bleibt. Auch der Ausbau der regionalen Verbindungen (Wallauer Spange) bedingt ein leistungsfähiges Nahverkehrsmittel, welches die steigenden Nutzerzahlen verlässlich an die Bahnhöfe anbindet.

Natürlich ist es legitim, dieses Paket als Ganzes oder in Teilen abzulehnen. Nur wäre es dann die zwingende und verantwortungsvolle Konsequenz, selbst konkrete und realisierbare Alternativen vorzuschlagen, die zu einem vergleichbar gut abgestimmten Gesamtkonzept und einer dauerhaften Verbesserung der Verkehrssituation führen würden. Da, unseres Wissens, bisher niemand irgendein realistisches konkret ausgearbeitetes Alternativkonzept vorgelegt hat, und auch im Leitbildprozess keine dahingehenden belastbaren Vorschläge gekommen sind, ist das Konzept, das in der Fragestellung skizziert wird, der realistischste Vorschlag zur Weiterentwicklung des Wiesbadener Stadtverkehrs. Dieser Vorschlag sollte den Bürgern als Ganzes zur Entscheidung vorgelegt werden und nicht zerlegt in zusammenhanglose Einzelteile.

Für die zu entscheidende Fragestellung wünschen wir uns, dass die Rathauskooperation der Stadtverordnetenversammlung dieses Gesamtkonzept in einer möglichst allgemeinverständlichen Formulierung zur Abstimmung vorschlägt. Den Wähler*innen muss es möglich sein, ohne Verkehrsplanungs-„Fachchinesisch“ zu verstehen, für welches Maßnahmenpaket sie beim Bürgerentscheid ihre Stimme abgeben und welche Konsequenzen Zustimmung oder Ablehnung haben.

Zum Verein Bürger Pro CityBahn e.V.

Bei Bürger pro CityBahn e.V. engagieren sich Menschen aus Wiesbaden und Umgebung für die Verkehrswende in Wiesbaden und einen nachhaltigen Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs in unserer Region. Die Planung und den Bau der CityBahn begleiten wir konstruktiv und wirken auf eine bestmöglichen Lösung für unsere Stadt hin. Ein Schwerpunkt unserer Arbeit besteht darin, die Stadtöffentlichkeit über die Rahmenbedingungen zu informieren und das Projekt in einen konstruktiven Dialog zu begleiten. Wir verstehen die CityBahn als einen essentiellen Baustein auf dem Weg zu einer lebenswerteren, verkehrsärmeren und grüneren Stadt. 

Kontakt

Für Rückfragen und Interviews stehen wir Ihnen gerne per Mail (presse@proCityBahn.de) zur Verfügung.

Fairness für Gewerbetreibende statt liberaler Ränkespiele

Die Bürgerinitiative Pro CityBahn sieht in einem umsichtigen Baustellenmanagement und einem fairen Lastenausgleich für die betroffenen Gewerbetreibenden einen essentielle Voraussetzung für den Bau einer Straßenbahn in Wiesbaden und begrüßt daher einen entsprechenden Beschluss, der auch auf unsere Anregung hin im Verkehrsausschuss gefasst wurde. Dass ausgerechnet die FDP diese wirtschaftsfreundliche Entscheidung aus fadenscheinigen Gründen nicht mittragen wollte und zu populistischen Unterstellungen missbraucht, können wir nicht nachvollziehen.

Entscheidung im Verkehrsausschuss

Am Dienstag beschloss der Wiesbadener Verkehrsausschuss eine Initiative zum „Baustellen- und Entschädigungsmanagement“ für die CityBahn. Ziel: Die klare Kommunikation der Bauarbeiten und Bauphasen sowie die Klarstellung, dass Einzelhändler und Gewerbetreibende von der Stadt finanziell (und durch andere Maßnahmen) unterstützt werden, wenn sie durch die CityBahn-Bauarbeiten ungebührlich negativ betroffen sind.

Damit wird umgesetzt, was Branchenverbände schon lange fordern: 

Bereits im September 2018 schrieb die IHK Wiesbaden in ihrem Positionspapier zur CityBahn: „Beeinträchtigungen für Gewerbebetriebe während der Bauzeit müssen so gering wie möglich gehalten werden. Als Instrumente eignen sich ein Entschädigungsmanagement, ein koordiniertes Baustellenmanagement und ein Baustellenmarketing.“ Auch die Einzelhandels-Werbegemeinschaft Wiesbaden wunderbar positionierte sich ähnlich: „Sollte das Projekt tatsächlich umgesetzt werden, muss in der späteren Bauphase den Geschäftsleuten aktiv geholfen werden, um Härten entgegenzuwirken.“ 

Diese berechtigten Anliegen führten u.a. zur Ernennung des ehemaligen Wirtschaftsdezernenten Detlev Bendel zum zentralen Ansprechpartner für den Handel und nun zum genannten Beschluss im Verkehrsausschuss.

Gegen diesen Antrag stimmte jedoch die FDP Fraktion. Die Begründung: Mit dem Beschluss würden Stimmen gekauft, die Zusage von Entschädigungen öffne finanziell außerdem ein Fass ohne Boden. Über das Entschädigungsmanagement solle erst *nach* einem Bürgerentscheid entschieden werden.

Hintergrund

Maßnahmen zum Management von Baustellen und Entschädigungen sind in anderen Städten bei ähnlichen Bauprojekten Standard (weitere Informationen hierzu und Best Practices aus anderen Städten finden sie unter https://procitybahn.de/vom-umgang-mit-baustellen/). Es gehört mit Blick auf den kommenden Bürgerentscheid auch zu einer würdigen demokratischen Entscheidung dazu, dass alle Beteiligten vor der Entscheidung wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie über das Projekt entscheiden. Gerade der Handel braucht Planungssicherheit. 

Umso bemerkenswerter ist es, dass die FDP Wiesbaden, die bislang nicht müde wurde, auf die (berechtigten) Sorgen der Gewerbetreibenden zu verweisen, nun den entsprechenden Antrag ablehnte. Andere Parteien hätten sich über eine Umsetzung der eigenen Forderungen gefreut – sie gar als politischen Sieg verkauft. Wie die Ablehnung des Antrags offenbart, hat die Absicherung des Einzelhandels und Gewerbes hier offensichtlich keine Priorität. Ungewissheit und Ängste sollen nicht beseitigt, Risiken nicht reduziert werden – sondern werden zur Verhinderung der CityBahn instrumentalisiert. Es geht offensichtlich nicht darum, pragmatisch Probleme zu lösen und Sicherheit zu schaffen, sondern darum, ein Feindbild am Leben zu erhalten. Verbesserungen werden dabei als Wettbewerbsverzerrung empfunden.

Auch das Scheinargument „besser als eine Entschädigung wäre, den Schaden gar nicht erst entstehen zu lassen“ zieht da nicht: Seit Jahren wächst der Verkehr in der Stadt – jährlich mehr Autos, mehr Staus, mehr Parksuchverkehr und -chaos, leidende Grünflächen und fehlende Aufenthaltsqualität. Darunter leiden nicht nur Anwohner, Fußgänger, Radfahrer, der ÖPNV und die Autofahrer selbst – auch daraus resultierend ein heute schon leidender Einzelhandel. Der Schaden ist bereits da und ein struktureller Umbau des Wiesbadener Verkehrs unumgänglich. Baustellen und temporäre Beeinträchtigungen würden schließlich auch mögliche Alternativen zu einer CityBahn nach sich ziehen – wie auch immer diese aussehen könnten (wir warten hier ja immer noch auf Vorschläge der CityBahn-Gegner).

Ob Wiesbaden eine CityBahn bekommt oder nicht, das entscheidet keiner der Verbände, keine der Parteien und auch keine der Bürgerinitiativen allein – das entscheiden die Wiesbadener Bürger! Wir aber tragen die Verantwortung dafür, dass im Falle einer Entscheidung dafür die Weichen so gestellt sind, dass diese Projekt im Bau wie im Betrieb so gut und nachhaltige wie möglich umgesetzt wird. Sich dieser Verantwortung aus taktischen Gründen zu entziehen, wäre kurzsichtig und unverantwortlich.

Wir freuen uns daher auf den weiteren Dialog mit all jenen Verbänden, Gruppen und Parteien, die wirklich an guten Lösungen für unsere Stadt mitarbeiten wollen. Auch wenn sie sich vielleicht noch nicht festgelegt haben, wie unsere Mobilität in Zukunft konkret aussehen soll.  

Zum Verein Bürger Pro CityBahn e.V.

Bei Bürger pro CityBahn e.V. engagieren sich Menschen aus Wiesbaden und Umgebung für die Verkehrswende in Wiesbaden und einen nachhaltigen Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs in unserer Region. Die Planung und den Bau der CityBahn begleiten wir konstruktiv und wirken auf eine bestmöglichen Lösung für unsere Stadt hin. Ein Schwerpunkt unserer Arbeit besteht darin, die Stadtöffentlichkeit über die Rahmenbedingungen zu informieren und das Projekt in einen konstruktiven Dialog zu begleiten. Wir verstehen die CityBahn als einen essentiellen Baustein auf dem Weg zu einer lebenswerteren, verkehrsärmeren und grüneren Stadt. 

Kontakt

Für Rückfragen und Interviews stehen wir Ihnen gerne per Mail (presse@proCityBahn.de) oder telefonisch (Martin Kraft, +49 (178)  40 55 55 2) zur Verfügung.

Vom Umgang mit Baustellen

Baustellen, verbunden mit Einschränkungen im Verkehr, mit Lärm und Emissionen, bringen immer negative Beeinträchtigungen für Anlieger, Besucher und Co mit sich. Und da ist es auch gleich, ob es sich um Straßenbahnbaustellen, grundsanierte Leitungsnetze, Brücken, Tunnel, Tiefgaragen oder Neubauten handelt. Wobei immer betont werden muss, dass im Falle des Straßenbahnprojekts keineswegs die ganze Stadt zur Großbaustelle wird, sondern jeweils einzelne Etappen für einen überschaubaren Zeitraum von einigen Monaten.

Hinweis: Dieser Artikel basiert auf dem Beitrag „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ für unseren Adventskalender 2019.

Dennoch: Baustelle bleibt Baustelle. Und um Bauarbeiten, die einen Übergang in eine künftig verbesserte Situation zu überstehen, verdienen besonders betroffene Anwohner, Einzelhändler und Gewerbetreibende Unterstützung. Deshalb werfen wir noch einmal einen Blick über die Stadtgrenzen hinaus, auf der suche nach nachahmenswerten Modellen.

Notwendiger Umbau des Verkehrs

Der Verkehr in Wiesbaden, und diese Einsicht eint Befürworter und Gegner der Straßenbahn gleichermaßen, bedarf eines grundlegenden Umbaus. Die einseitige Öffnung der einer anderen Epoche entstammenden Stadt für eine stetig wachsende Flut von Autos übersteigt das, was Wiesbadens Straßen leisten können, bereits seit Jahren. Die Folgen kennt jeder: Tagtäglicher Stau, endlose Parkplatzsuche und ein Kollaps des Stadtverkehrs schon bei kleinen Störungen.

Wer ‘Augen zu und durch’ für eine Option hält, ist einer Illusion verfallen. Denn der zunehmende Verkehr ist keine Phase, die wir überstehen müssen; der sich schon von selbst irgendwie löst, wenn wir einfach nur noch ein wenig durchhalten.

„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.“ 

Verkehr ist kein Schicksal, sondern das Produkt unserer Handlungen und Entscheidungen. Der Verkehr in Wiesbaden muss neu organisiert werden. Das lässt sich nicht durch ein paar Pinselstriche hier und da gewährleisten, sondern bedarf einer strukturellen Neuordnung. 

Unabhängig davon, ob das per Straßenbahn (die wenig überraschend unser Favorit ist), per BRT, per U-Bahn oder sonstigen Verkehrsmitteln geschieht: Die Änderungen in Wiesbaden werden spürbar und vor allem deutliche Bauarbeiten nach sich ziehen.

Aktuelle Entwicklungen in Wiesbaden

In aller Kürze seien hier die aktuellen Entwicklungen und Presseberichte zu dem Thema „Baustellen und Entschädigungsmanagement“ dargelegt:

Best-Practice aus anderen Städten

Wiesbaden ist weder die erste noch die letzte Stadt in Deutschland, in der der örtliche Einzelhandel von Baumaßnahmen betroffen ist. Deshalb gibt es in fast allen Städten Beispiele für gelungene (oder eben nicht gelungene), baubegleitende Maßnahmen, die dafür sorgen, dass die Auswirkungen auf Anwohner, Einzelhändler, Gewerbetreibende und Kunden so gering wie möglich ausfallen.

Das beginnt bereits mit einer frühzeitigen Kommunikation des Zeitplans sowie der Einbindung der Betroffenen in die Planung. Auch die ständige Präsenz eines Ansprechpartners vor Ort, der sowohl für Anwohner als auch Besucher Fragen beantwortet, kleine Probleme sofort und vor Ort klärt und die großen Dollpunkte ‘nach oben’ kommuniziert, kann viele Konflikte schon im Vorfeld aus dem Weg räumen. So beispielsweise geschehen in Mainz bei der Sanierung der Straßenbahngleise am Mainzer Hauptbahnhof im Sommer 2019. Die Stadt München stellte den inhabergeführten Geschäften im sogenannten Ruffinihaus während der zweijährigen Sanierung des Gebäudes Ersatzflächen zur Verfügung. So konnten die Einzelhändler während der Bauarbeiten in zentral gelegene Ausstellungsflächen des Stadtmuseums umziehen.

Die Handelskammern dieser Republik haben vielfach bereits Best-Practice-Beispiele rund um das Thema Baustellenmarketing zusammengetragen – zu Einstieg verlinken wir hier einige Broschüren mit Dutzenden kleinen wie großen Maßnahmen, Ideen und Praxisbeispielen:

Zwei Städte wollen wir aber näher unter die Lupe nehmen: Ulm und Karlsruhe. Gerade weil besonders in Karlsruhe der Umfang der Bauarbeiten das Wiesbadener CityBahn-Bauvorhaben um ein Vielfaches übersteigen, lohnt sich ein Blick auf deren Ideen für eine allgemeinverträgliche Umsetzung.

Ulm: Gratis-ÖPNV an Samstagen

Ulm baut um: Unter dem Dach des “Masterplan citybahnhof ulm” werden mehrere Großbauprojekte in unmittelbarer Nachbarschaft koordiniert. Der Hauptbahnhof selbst bekommt ein neues Empfangsgebäude und eine Fußgängerunterführung, die nun auch das westlich des Bahnhofs gelegene Dichterviertel anschließt. 

Auf den Bahnhofsvorplatz wird die neue Straßenbahnlinie 2 verlegt, darunter entsteht ein neues Parkhaus, es entsteht ein neuer Busbahnhof, mehrere neue Gewerbe- und Einzelhandelsimmobilien in den “Sedelhöfen” und nicht zuletzt ein neues Gebäude, in dem die Stadt Ulm künftig ihre “zentralen Bürgerdienste” verkehrsgünstig konzentriert.

Über fünf Jahre lang sind der Ulmer Hauptbahnhof und seine Umgebung somit eine Großbaustelle – und das unter rollendem Rad. Denn sowohl Fernzüge, Busse, Straßenbahnen als auch der Straßenverkehr vor dem Hauptbahnhof, der Friedrich-Ebert-Straße, sollen, so gut es geht, weiter rollen.

Neben vielen bemerkenswerten Begleitmaßnahmen rund um diese Baustelle – von einer umfassenden Bürgerbeteiligung über Live-WebCams, Baustellenführungen und Infopoints hin zu einem “Kreativ Wettbewerb BAUEN” für Kinder und Jugendliche gibt es eine Maßnahme, die besondere Beachtung verdient: der kostenlosen Nahverkehr.

Die Umbaumaßnahmen des Projektes ‚citybahnhof ulm‘ auf einen Blick. (Bild: Stadt Ulm.)

Die Stadt Ulm befürchtete, dass langwierige Bauarbeiten sowohl Touristen als auch Einheimische aus der Innenstadt vertreiben und dadurch Einzelhandel und Gastronomie Einbußen bescheren könnten, zumal die Bauarbeiten auch den Parkraum einschränken.

Im Dezember 2018 beschloss der Ulmer Gemeinderat daher einstimmig: Nahverkehr innerhalb der Stadt gibt es an den Samstagen gratis. Zunächst auf neun Monate begrenzt, wurde diese Maßnahme wegen ihres Erfolgs vor wenigen Tagen bis Mitte 2022 verlängert.

„Die komplette Steigerung um zehn Prozent zeigt, dass wir mit einem attraktiven Angebot auf dem richtigen Weg sind. Dies ist ein toller Erfolg, mehr Leute zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen!“

Gunter Czisch, Bürgermeister der Stadt Ulm

Ulms Bürgermeister Gunter Czisch zeigt sich von der Idee überzeugt: An Samstagen seien nun 45% mehr Fahrgäste im ÖPNV unterwegs als zuvor. Aber auch unter der Woche stiegen die Fahrgastzahlen und führten so zu einem Gesamtzuwachs von zehn Prozent.

Weiterlesen

Karlsruhe: Koordiniertes Marketing

Auch in Karlsruhe wird unter dem Titel Kombilösung Karlsruhe fleißig gebaut: Um die Leistungsfähigkeit des Karlsruher Straßenbahnnetzes weiter zu erhöhen, soll die Bahn auf einzelnen, innerstädtischen Abschnitten unter die Erde verlegt werden. So soll die Straßenbahn, die bislang durch die Fußgängerzone fährt, künftig unterirdisch verkehren. Hinzu kommt eine oberirdische Neubaustrecke auf der Kriegsstraße sowie ein unterirdischer Abzweig Richtung Süden. Insgesamt knapp dreieinhalb Kilometer Straßenbahntunnel sind dafür notwendig.

Der Stadtbahntunnel wird dabei in offener Bauweise gebaut. Das bedeutet: Die Straße wird aufgerissen, ein ca. 13 Meter tiefer Graben ausgehoben, die Stadtbahngleise und sonstige Leitungen reingebaut, der Tunnel per Deckel verschlossen und anschließend oben wieder gepflastert oder bepflanzt.

Die Baustelle der unterirdischen Haltestelle Marktplatz im November 2016. (Bild: Simon-Martin, Karlsruhe Baustelle Marktplatz-Nov 2016, CC BY-SA 4.0)

Was aufwendig klingt, ist auch aufwendig: Der Baubeginn war 2010, mit der Inbetriebnahme des Tunnels wird aktuell nicht vor 2021 gerechnet. Dass die Straßenbahnen oberirdisch weiterfahren, während der Tunnel gebaut wird, verkompliziert die Bauarbeiten. Im Rahmen der Entschädigungen, die Einzelhändlern bei Umsatzeinbußen durch erhebliche Baustellen in der Regel zustehen, wurden in Karlsruhe in den ersten acht Baujahren insgesamt 13 Millionen Euro ausgezahlt. 

Zusätzlich legte die Stadt einen Innenstadtfonds auf. Aus diesem können mit weiteren Projekten die anliegenden Einzelhändler gefördert werden – Veranstaltungen, Marketingmaßnahmen, Gewinnspiele und Co. Bereits im ersten Jahr wurden 29 Ideen mit jeweils mehreren tausend Euro aus diesen Mitteln. Dazu zählen beispielsweise Straßenfeste, Lichtinstallationen, großflächige Werbung für Geschäfte auf Fahrzeugen der Karlsruher Verkehrsbetriebe oder eine neue, gemeinsame Internetpräsenz der inhabergeführten Einzelhändler der betroffenen Straßenzüge.

Vorher

Nachher

Bild: Mit freundlicher Genehmigung von (c) Frederik Buchleitner

Die Bauarbeiten in der Karlsruher Innenstadt übertreffen die, die für die Wiesbadener CityBahn nötig sind, um ein Vielfaches – sowohl zeitlich als auch finanziell. Die Aushebung des Innenstadt-Tunnels ist viel mehr mit dem Bau einer U-Bahn vergleichbar. Deshalb ist Vorsicht geboten, die Auswirkungen dieser Baumaßnahmen auf Wiesbaden zu übertragen. Nichtsdestotrotz bieten die Ansätze rund um das Karlsruher Baustellenmarketing wertvolle Ideen.

Weiterlesen

Ideen für Wiesbaden

Angeregt durch das Beispiel vieler anderer Städte muss auch Wiesbaden das Rad nicht neu erfinden. Gleichwohl gilt es, diejenigen Lösungen zu wählen, die auch (oder gerade) in unserer Stadt besonders gut greifen und die negativen Folgen von Bauarbeiten so weit wie möglich abfedern.

„Kommt her, trotz Baustelle“, laute die Botschaft, die alle mittragen müssten, so Haussmann. Vereinzelte Gewerbetreibende, die ihrer Verärgerung in lokalen Medien Luft machten, schadeten dagegen der gesamten wer Geschäftsumgebung, weil sie Kunden abschreckten.

Kommunikationsforscher André Haussmann in: Allgemeine Zeitung, 13. Dezember 2017

Wer könnte diese Ideen besser entwickeln und beurteilen, als die betroffenen Anwohner, Einzelhändler und Gewerbetreibende selbst; unterstützt von IHK und städtischen Behörden? Nichtsdestotrotz wollen wir folgend unsere einige Ideen und Anforderungen umreißen. Aber Anregungen und Wünsche seien uns im Zeichen der Weihnachtszeit erlaubt:

  • eine klare Kommunikation der einzelnen Bauphasen, des Zeitplans, der Art der Bauarbeiten und der angedachten Verkehrsführung sowohl für den Anwohner-/Lieferverkehr als auch für Besucher und Transit ist unumgänglich.
  • die Einbeziehung von Anwohnern sowie ortsansässigen Einzelhändlern und Gewerbetreibenden in die Entwicklung der Marketingmaßnahmen und der Verkehrsführung.
  • die ständige Präsenz eines Ombudsmanns/Baustellenmanagers an einem Infopoint vor Ort.
  • die Auflage eines Innenstadtfonds (nach Karlsruher Modell) zur Förderung von Einzelhandels- und Stadtteilinitiativen während der Bauarbeiten.
  • die Zurverfügungstellung von Werbeflächen für besonders betroffene Einzelhändler, beispielsweise an den Außenflächen der ESWE-Busse.
  • die Bereitstellung alternativen Einzelhandelsflächen für besonders betroffene Einzelhändler
  • die Preisreduktion bzw. Freigabe des öffentlichen Nahverkehrs in den von Bauarbeiten besonders betroffenen Stadtteilen
  • die Einrichtung von hochfrequenten Shuttles zwischen Umsteigepunkten und Parkplätzen zur Entlastung der von Bauarbeiten beeinträchtigten Hauptverkehrsstraßen. 
  • die Prüfung der temporären Einrichtung von Busspuren parallel zu den Baustellen, um die Leistungsfähigkeit und Geschwindigkeit des Busverkehrs und der Shuttles zu gewährleisten.

Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dir fehlt ein wesentlicher Punkt? Dann ab in die Kommentare damit!