Der direkte Vergleich im Energieverbrauch ist einer der Maßstäbe zur Bewertung von Verkehrsmitteln. Wir haben euch hier einmal Diesel-Solo-Bus, Diesel-Gelenkbus und Straßenbahn gegenübergestellt. Besonderheit: Es handelt sich bei den Angaben um real gemessene Werte der Betreiber – keine Herstellerangaben, keine Schätzungen. Wir vergleichen Dieselbusse (Solo und Gelenk) mit zwei Typen moderner Straßenbahnen (30 Meter und 45 Meter) – sowohl im absoluten Energieverbrauch, also auch im Verbrauch pro Personenkilometer.
Abhängig davon, wieviele Fahrgäste befördert werden müssen, haben unterschiedliche Verkehrsmittel in Sachen Energieverbrauch die Nase vorn. Aber das Ergebnis ist ziemlich eindeutig.
Die 30-Meter-Straßenbahn verbraucht immer weniger Energie als ein Diesel-Gelenkbus. Die 30-Meter-Straßenbahn ist folglich immer energieeffizienter als der Gelenkbus – egal, ob 10 oder 100 Fahrgäste transportiert werden.
Im Bereich bis 70 Fahrgäste hat der Diesel-Solobus die Nase knapp vorn. Sowie allerdings mehr als ein Solobus benötigt wird, ist die Straßenbahnvariante in jedem Fall (egal ob 30 oder 45 Meter) effizienter.
Sowie mehr als 100 Fahrgäste befördert werden (also mehr als ein voller Gelenkbus), benötigt auch die 45-Meter-Straßenbahn weniger Energie als Gelenkbusse. Und das obwohl, die Bahn dann nicht einmal zur Hälfte voll ist.
Je mehr Fahrgäste befördert werden, desto größer wird der Energie-Vorteil der Straßenbahnen gegenüber den Dieselbussen.
Diagramm I: Absoluter Energieverbrauch: Wieviel Kilowattstunden werden benötigt, um X Personen mit dem jeweiligen Verkehrsmittel einen Kilometer weit zu befördern?
Diagramm II – spezifischer Energieverbrauch. Wieviel Energie wird pro Kopf benötigt, wenn X Personen mit dem jeweiligen Verkehrsmittel transportiert werden?
Quellen und Fahrzeuge
In den Vergleich fließt die gesamte Busflotte der Rheinbahn ein – denn diese gibt in ihren Nachhaltigkeitsberichten den Verbrauch aufgesplittet auf Solo- und Gelenkbusse an. Insgesamt sind so reale Verbräuche der >400 Linienbusse des Düsseldorfer Verkehrsunternehmen enthalten.
Grundlage für die Energieverbräuche der Straßenbahnen sind Angaben der Dresdener Verkehrsbetriebe für zwei ausgewählte Straßenbahntypen: Die NGT6DD (30 Meter, 184 Plätze) und die NGTD12DD (45 Meter, 260 Plätze). Beide Fahrzeuge sind 2,30 Meter breit und sind rückspeisefähig. Mit dem Einsatz von SuperCaps könnten die Bahnen ihren Verbrauch nochmal spürbar senken.
Anmerkungen zur Interpretation
Der Heizwert von Diesel liegt bei 9,7 kWh pro Liter 1Jan Hoinkis: Chemie für Ingenieure. Wiley-VCH, Weinheim 2015, ISBN 978-3-527-68461-82Bie Berliner BVG beispielsweise setzt einen Faktor von 9,94 kWh/Liter Diesel an. Das BMVI legt in seinem Leitfaden „Berechnung des Energieverbrauches des ÖPNV“ für Diesel einen Faktor … Continue reading. Es handelt sich hierbei um den primär-Energieverbrauch (Tank-to-Wheel). Bei Betrachtung der gesamten Kraftstoffkette verschiebt sich das Verhältnis nochmal deutlich zugunsten der Straßenbahn. Dazu mehr in dem Fachartikel:
Die Fahrkapazitäten der Busse und Bahnen wurden einheitlich gemäß den Vorgaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen ermittelt. Details dazu in dem Fachartikel:
Für die oberleitungsfreie Straßenbahnen gibt es mehrere Technologien. Einige sind bereits seit Jahrzehnten im Einsatz, andere sind kaum über den Prototyp hinausgekommen. Nun geht es um die eigentlich spannende Frage: Wie funktioniert das technisch? Wie bei vielen Themen gibt es auch hier eine Vielzahl an Optionen. Wir stellen sie euch vor, beleuchten Vor- und Nachteile und gehen bei dem aktuellen Favoriten, den sogenannten SuperCaps, tiefer ins Detail.
Dass die CityBahn – so zumindest die aktuellen Prüfungen – auf einigen Abschnitten ohne Oberleitung fahren soll, haben wir bereits in einem früheren Artikel dargelegt. Auch, welche Abschnitte es warum werden sollen.
Bereits 1875 bis 1896 fuhren die Wiesbadener Straßenbahnen ohne Oberleitung: Zuerst mit einem 1-PS-Pferdeantrieb, ab 1889 mit Dampf. Und obgleich die Kombination zwischen Pferdeantrieb und Rasengleis die Möglichkeit mitbrächte, dass auch unterwegs nachgetankt werden kann, gibt es inzwischen modernere Lösungen für eine oberleitungsfreie Führung.
Ganz ohne Oberleitung: APS
Die wohl bekannteste oberleitungsfreie Straßenbahn ist die von Bordeaux. Als in der französischen Hafenstadt von 2000 an eine neue Straßenbahn eingeführt wurde, setzten die Verantwortlichen hier auf APS (Alimentation par le sol), entwickelt vom französischen Straßenbahnhersteller Alstom. Beim APS verläuft mittig zwischen den Straßenbahnschienen eine dritte, stromführende Schiene – zwei Abnehmer unterhalb der Züge stellen den Kontakt her. Die Stromschiene besteht aus acht Meter langen Segmenten, die immer nur dann Spannung führen, wenn sich eine Straßenbahn darüber befindet. Eine Gefährdung von anderen Verkehrsteilnehmern ist damit ausgeschlossen.
Die Straßenbahn Bordeaux verkehrt dank APS innerstädtisch komplett oberleitungsfrei; nur in den Vororten wird auf konventionelle Oberleitung umgestellt. Auch die Städte Sydney, Reims, Angers, Orléans und Tours entschieden sich für einen (abschnittsweisen) oberleitungsfreien Betrieb mittels APS. Rio de Janeiro und Dubai setzen im kompletten Netz auf diese Technik.
Nach massiven Kinderkrankheiten in den Anfangsjahren ist das APS heute weitgehend ausgereift. Es bleibt allerdings anfällig gegenüber stehendem Wasser nach starken Regenfällen sowie beispielsweise Laub und Schnee.
Neben der erhöhten Anfälligkeit sind die Kosten ein schwerwiegender Faktor. So liegen die zusätzlichen Kosten pro Zug bei rund 300.000 Euro (Stand 2011) bei neuen Zügen, für die Umrüstung von alten Zügen bei 400.000 Euro. Der Bau der für die Stromversorgung notwendigen Infrastruktur wird – je nach Quelle – mit knapp 1,8 Millionen Euro pro Kilometer geschätzt (und damit in etwa das Dreifache der konventionellen Oberleitung).
Aus diesem Grund ist das System in den meisten Städten auch nur in Teilabschnitten im Einsatz. Beim Kauf der Straßenbahnen macht man sich außerdem von einem einzigen Hersteller abhängig. Weiterer Nachteil: Konstruktionsbedingt verhindert das APS, dass die Bremsenergie der Straßenbahnen ins Netz zurückgespeist wird. Wenn die Bahnen die Energie wieder aufnehmen sollen, müssen sie dafür eine zusätzliche Batterien oder SuperCaps mitführen.
Das italienische Konkurrenzsystem TramWave ist bislang nur im chinesischen Zhuhai im Einsatz. Auch das Bombardier-System Primove, welches vorbeifahrende Straßenbahnen mittels Induktion mit Energie versorgt, hat es nicht in den flächendeckenden Einsatz geschafft – bislang existiert hier nur eine Teststrecke in Augsburg. Der Einsatz von Batterien erwies sich als effizienter, sodass Primove für Straßenbahnen seit 2011 nicht weiterverfolgt wird. Die Primove-Technologie wird allerdings in mehreren Städten für Busse getestet.
Statt Leitung: Diesel und Wasserstoff
Statt den Strom zur Straßenbahn zu bringen, kann sie diesen natürlich auch selbst erzeugen – per Dieselaggregat oder Brennstoffzelle. In der Tat fahren in Chemnitz und Nordhausen Straßenbahnen, die mit Dieselaggregat betrieben werden – allerdings nur auf Teilstrecken. Die meisten innerstädtischen Verbindungen funktionieren weiterhin mit konventioneller Oberleitung.
Reine Diesel-Straßenbahnen sind nicht in Betrieb. Die Nachteile hier sind vergleichbar mit den Nachteilen von Diesel- gegenüber Oberleitungsbussen: Emissionen, Lärm, Vibrationen, Platzverbrauch durch Motor und Tank, deutlich schlechteres Anfahrdrehmoment, fehlende Möglichkeit der Rückspeisung. Darüber hinaus ist in vielen Einsatzgebieten von Straßenbahnen (Innenstädte) eine Elektrifizierung relativ einfach – der Strom ist oftmals ja schon vor Ort.
Obgleich Brennstoffzellen schon lange verfügbar sind, werden sie erst seit kurzem für den Schienenverkehr genutzt. So liefert Alstom in den nächsten Jahren den ersten Großauftrag an Wasserstoff-betriebenen Regionalzügen nach Frankfurt, einen zweiten nach Niedersachsen. Reine Wasserstoff-Straßenbahnen (“Hydrotrolleys”) sind derzeit allerdings wenig verbreitet. 2015 stellte die chinesische Firma Sifang die erste, rein Wasserstoff betriebene Straßenbahn der Öffentlichkeit vor. Seither sind diese eher punktuell im Einsatz.
SuperCaps und Batterien
Kommen wir zu den am meisten verbreiteten und auch für die CityBahn wahrscheinlichsten Alternativen: Batterie und Kondensatoren.
Batterien, zumeist basierend Lithium-Ionen-Technologie, sind weit verbreitet – ob in Handys, Notebooks oder Elektroautos und -bussen. Straßenbahn-Batterien basieren auf demselben Prinzip – sind nur deutlich größer. Kondensatoren (SuperCaps) hingegen sind bislang vor allem in Schienenfahrzeugen im Einsatz.
Obwohl sich Art und Einsatz von Batterien und Kondensatoren unterscheiden, erfüllen sie letztlich für Straßenbahnen dieselbe Funktion wie für andere Elektrogeräte: Sie speichern Energie und geben diese zu einem späteren Zeitpunkt wieder ab. Mit Hilfe der gespeicherten Energie können die Bahnen dann kurze Abschnitte ohne Oberleitung überbrücken.
Im Detail gibt es handfeste Vorteile, die für die SuperCaps sprechen: Die Kondensatoren vertragen deutlich stärkere Stromflüsse, sie können also binnen Sekunden geladen werden. Eine Stärke, die sie besonders an Haltestellen ausspielen können: Beim Bremsen und Anfahren der Bahnen fließen in kurzer Zeit hohe Ströme, die in der Form von herkömmlichen Batterien nicht aufgenommen werden könnten. Weiterer Vorteil der SuperCaps: Lithium-Ionen-Akkus verlieren bereits nach wenigen tausend Ladezyklen spürbar an Leistung. SuperCaps hingegen überstehen mehrere hunderttausend Zyklen ohne Einbußen.
Nachteilig wirkt sich bei SuperCaps hingegen aus, dass sie gegenüber Batterien eine deutlich geringere Energiedichte aufweisen. Heißt: Pro Kilogramm Gewicht kann nur ein Bruchteil der Energie gespeichert werden. Gleiches Gewicht vorausgesetzt, kann mit einer Batterie allerdings zumindest ein längerer, oberleitungsfreier Abschnitt überbrückt werden. Moderne SuperCaps – so wird es auch in den Untersuchungen für CityBahn angegeben – erlauben den Straßenbahnen (je nach Steigung), zwischen einem und zwei Kilometer ohne Oberleitung zu fahren.
Batterien und SuperCaps haben – neben der Möglichkeit, oberleitungsfrei zu fahren – noch einen weiteren Vorteil: Ihr Einsatz kann massiv Energie sparen. Dazu aber in einem separaten Artikel mehr.
Fazit
Wegen den höheren Baukosten, der Anfälligkeit und der fehlenden Kompatibilität mit der Mainzer Straßenbahn wird die CityBahn vermutlich nicht mit dem APS oder vergleichbaren Systemen gebaut. Und während die Strecke nach Taunusstein ein wenig an die Harzquerbahn und damit an den Dieselantrieb erinnert, ist ein Dieselaggregat für beispielsweise die Biebricher Innenstadt eher nicht das Mittel der Wahl. Eine Kombination aus Diesel, Batterie und SuperCaps verteuert die Bahnen aber massiv; jede Technik benötigt außerdem Platz und erhöht das Gewicht der Bahnen. Wahrscheinlich wird es also auf den Einsatz von SuperCaps hinauslaufen – selbst wenn es in Wiesbaden keine oberleitungsfreien Abschnitte geben wird. Dafür sind die Potentiale der Energieeinsparung zu verlockend.
Hinweis: Wir legen bei unseren Artikeln Wert auf solide, objektive, nachvollziehbar gestaltete Texte. Daher findest Du auch eine Vielzahl an Quellenverweisen und Belegen, Grafiken, Fotos und Erörterungen – zuweilen auch wohlbegründete Schlussfolgerungen. Nichtsdestotrotz sind wir eine rein ehrenamtliche Truppe und haben auch keinen Zugriff auf geheime Quellen. Auch wir kennen nur das, was öffentlich ist, wir uns erarbeiten und recherchieren. Fehler sind also nicht ausgeschlossen. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, weitere wichtige Quellen kennst oder fachliche Fehler – her damit. Am besten per Mail oder unten in die Kommentare.
Beim Vergleich der Energieverbräuche verschiedener Verkehrsmittel dreht es sich oftmals nur um den Verbrauch des Motors. Auf den ersten Blick ist das auch die intuitivste Kennzahl – sie erzählt aber nur einen Teil der Wahrheit. Denn die notwendige Antriebsenergie muss produziert und in den meisten Fällen auch transportiert werden. Sei es direkt per Oberleitung zugeführt, gespeichert in Batterien, in Wasserstoff oder anderen Kraftstoffen wie Diesel oder Gas. Und der Aufwand, der hierfür betrieben wird, schwankt je nach Quelle massiv.
Unterm Strich existiert eine Vielzahl an denkbaren Treibstoffketten, die aus verschiedenen Rohstoffen (Rohöl, Erdgas, Kohl, Biomasse, Uranerz, Wind-/Solarenergie, …) unterschiedliche Treibstoffe (Diesel, Wasserstoff, Elektrizität) herstellen. Der Wirkungsgrad jedes einzelnen Prozessschrittes und auch des Fahrzeugs am Ende der Kette schwankt stark.
Die üblichen Verbrauchsangaben (wie der Verbrauch auf 100 km) beinhaltet zumeist aber nur den direkten Verbrauch des Fahrzeugs. Eine Betrachtung, die sich rein auf das Fahrzeug beschränkt (Tank-to-Wheel), die Aufwände davor aber außen vor lässt, springt daher zu kurz.
Ähnliche Rückverfolgungen lassen sich für alle Antriebsarten durchrechnen. Auch Elektrizität und Wasserstoff müssen schließlich hergestellt werden. Die Komplexität der Prozesse und die schwierige Datenlage führen aber nicht immer zu transparenten Ergebnissen. Mit Hilfe von “Well-to-Wheel”-Betrachtungen, die den Energiebedarf entlang der gesamten Produktionskette untersuchen, lassen sich die unterschiedlichen Antriebstechnologien miteinander vergleichen. Außen vor bleibt dabei in der Regel der Energieaufwand zum Bau der Fahrzeuge und Produktionsstätten. Der Vergleich erfolgt anschließend auf Basis des Gesamtenergieaufwandes pro gefahrenem Fahrzeugkilometer (kWh/km) oder der entsprechenden CO2-Äquivalente (g CO2/km).
Je nach Fragestellung werden verschiedene Verkehrsmittel mit verschiedenen Maßzahlen verglichen. Sei es bei den Kosten, den Emissionen, dem Energieverbrauch – letztlich werden die Werte oft auf den Kilometer heruntergebrochen. Aber Vorsicht: Kilometer ist ungleich Kilometer.
Hier lohnt sich der Blick ins Detail: Bezieht sich die Angabe auf die Fahrzeugkilometer, Platzkilometer oder Personenkilometer? Alle drei Messgrößen haben ihre Berechtigung – sie dürfen für einen brauchbaren Vergleich aber eben nicht vermischt werden. Wir erklären die Unterschiede am Beispiel des Energieverbrauchs.
Der Energieverbrauch pro Fahrzeugkilometer (bzw. pro Wagenkilometer, Nutzkilometer) gibt den blanken Verbrauch für jeden gefahrenen Kilometer an. Dieser Wert ist einfach zu berechnen – hat allerdings seine Nachteile, wenn es um den Vergleich von Verkehrsmitteln verschiedener Größen geht. Logischerweise verbraucht ein Gelenkbus mehr Energie als ein PKW und ein Containerschiff mehr als ein Schlauchboot. Hilfreich ist dieser Wert aber, wenn ähnliche Fahrzeuge verglichen werden sollen – also beispielsweise Solobusse von Hersteller A und von Hersteller B.
Um auch Fahrzeuge verschiedener Größen vergleichen zu können, wird häufig der Energieverbrauch pro Platzkilometer angegeben. Dazu wird der Wert pro Fahrzeugkilometer durch die Anzahl an Plätzen geteilt – also die Frage beantwortet, wie viel Energie zum Transport einer Person verbraucht wird. Damit werden Fahrzeuge verschiedener Größen vergleichbar. Allerdings muss hier auch klar sein, ob sich die Angabe auf die Sitzplätze bezieht oder auch die Stehplätze mit einrechnet.
Die Angabe pro Platzkilometer hat allerdings auch eine Schwäche: Sie geht davon aus, dass die Fahrzeuge zu 100% ausgelastet sind – rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr. Das sind sie aber nicht – weder Autos, noch Busse, noch Bahnen. Daher wird zum Vergleich in ebenfalls der Energieverbrauch pro Personenkilometer herangezogen. Statt der Anzahl an Plätzen wird hier die durchschnittliche Auslastung angenommen – also bei einem PKW beispielsweise 1,3 Personen (statt fünf Plätzen). So kommt man der Realität schon etwas näher. Für die Durchschnittswerte gibt es wahlweise bundeseinheitliche Werte (beispielsweise ermittelt vom VDV) – bei regionalen Besonderheiten lassen sich hier aber auch individuell ermittelte Werte verwenden.
Prinzipiell sind diese Angaben mit jeder beliebigen Kennzahl des ÖPNV denkbar: Energieverbrauch, Kraftstoffverbrauch, Emissionen, Kosten, Unfallhäufigkeit, Personalaufwand. Von der konkreten Fragestellung hängt dann ab, welche der Angaben die sinnvollere ist.
Vergleich der verschiedenen Verkehrsleistung eines VW Golf.
Die CityBahn Wiesbaden wird soweit wie möglich auf besonderen Bahnkörpern fahren – also losgelöst vom restlichen Verkehr. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: höhere Zuverlässigkeit und höhere Geschwindigkeit, da sich die Bahn nicht in den Stau einreihen muss. Wie genau besondere Bahnkörper aussehen können, das seht ihr in einem anderen Artikel.
Das ist freilich nicht überall möglich. Offensichtlichstes Beispiel ist hier die Heuss-Brücke, aber auch in anderen Teilabschnitten wird die CityBahn voraussichtlich mit einem oder mit beiden Gleisen straßenbündig laufen. Soweit möglich, haben wir euch diese Abschnitte auf Basis der aktuell verfügbaren Planungsunterlagen einmal auf die Karte gebracht.
Kreuzungen bleiben in der Darstellung unberücksichtigt.
Status Quo in Mainz
Rund 70% des knapp 30 Kilometer langen Mainzer Straßenbahnnetzes sind auf einem exklusiven, besonderen Bahnkörper ausgeführt. Etwa 15% der Strecken lassen eine Mitnutzung durch beispielsweise Busse zu. Jeweils zwei Kilometer sind straßenbündig geführt oder in einer Mischform – also beispielsweise mit einem Gleis straßenbündig, mit dem zweiten besonders geführt.
Hinweis: Der Artikel wird fakten- und zahlenlastig und möglichst transparent durch eine der grundlegenden Kalkulationen führen, auf der die Anti-Straßenbahn-Bewegung ihre Argumentation aufbaut. Der erste Abschnitt ist allerdings eine durch meine persönliche Meinung geprägte Einführung. Ihr erkennt das an den Sätzen, die mit ‚Ich‘ arbeiten; diese sind auch kursiv geschrieben. Ab dem zweiten Abschnitt ist der Beitrag dann – wie gewohnt – möglichst wertungsneutral.
Hinweis 2: Dieser Artikel stammt aus dem Mai 2019. Im September 2020, also eineinhalb Jahre später, wurde eine aktualisierte Kostenschätzung zur CityBahn veröffentlich. Im Sinne der Nachvollziehbarkeit bleiben die Werte in diesem Artikel aber unverändert – durch die mitgelieferte Excel-Tabelle könnt ihr da flexibel drauf reagieren.
Ich zeige euch im folgenden Artikel, welchen Ursprung diese Behauptung hat – und warum sie schon beim ersten Blick ins Detail wackelt. Denn sie geht auf eine Kalkulation, die erstmalig im August 2018 der IHK Wiesbaden präsentiert wurde, zurück – und diese fußt auf mehreren, diskutablen Annahmen.
Der Beitrag wird recht zahlenlastig, denn wir werden euch diese Kalkulation schrittweise erläutern und die Annahmen, auf denen sie fußt, aufzeigen. Diese Annahmen, so kritikwürdig sie auch sein mögen, wurden seitens des Erstellers der Kalkulation transparent dargelegt und erläutert.
Aber sie wurden in den folgenden Diskussionen bewusst außen vorgelassen. Denn wenn das Ergebnis passt, wird eine Rechnung nicht weiter hinterfragt, geschweige denn verstanden. Mit „die ist drei Mal so teuer“ lässt sich schließlich besser skandieren als mit dem Eingeständnis, dass das Modell seine Schwächen hat. Ich sehe hier eine deutliche, politische Instrumentalisierung der vorgestellten Kalkulation seitens der BI Mitbestimmung. Auch der mehrfache Hinweis auf die nachweisbaren und handfesten Schwächen hielt sie nämlich nicht davon ab, das Märchen weiterhin unkritisch zu verbreiten und damit die Blockadehaltung zu stützen. Vom Urheber der Kalkulation, Ralf Jahncke, fand ich ein gut passendes Zitat in der DVZ – welches mich gerade mit Blick auf die BI Mitbestimmung zum Schmunzeln bringt.
„In meinem Berufsleben würde ich gern einmal etwas erledigen, ohne gegen die grausigen „Reichsbedenkenträger“ ankämpfen zu müssen, die nie etwas vorschlagen, aber immer rummotzen.“
Ich lege euch mit derselben Kalkulation dar, dass an nur fünf Stellen fehlerhaften Annahmen korrigiert werden müssen – und damit belegt wird, dass die CityBahn im Betrieb deutlich günstiger ist als eben jene Busalternative. Ich füge euch die Excel-Datei bei, die diese Kalkulation nachbildet, damit könnt ihr dann selbst auch etwas experimentieren.
Am 06. August 2018 lud die IHK Wiesbaden zur Informationsveranstaltung City-Bahn – Chancen und Risiken für die Wirtschaft. Unter den vortragenden Referenten war auch der Wiesbadener Unternehmer Ralf Jahncke, der seit über 25 Jahren mit der selbst gegründeten Logistik-Unternehmensberatung TransCare Projekte rund um den Globus betreut. In seinem Vortrag, der als Video und als Präsentation online auf Seiten der IHK einsehbar ist, stellt er unter anderem die CityBahn einem gleichwertigen Bussystem gegenüber und kommt dabei zu dem Schluss: Die CityBahn kostet 15ct pro Platzkilometer, das Bussystem nur 4,9ct. Geboren war die Aussage, die CityBahn sei drei Mal teurer.
Noch in derselben Präsentation bot Hr. Jahncke an, die Kalkulation im Detail zu erklären – “wir legen Zahlen offen”. Gesagt, getan – und so war ich im September 2018 vor Ort und hab mir die Berechnungen erläutern lassen. Seit kurzem ist diese Kalkulation auch im Politischen Informationssystem der Stadt Wiesbaden für jedermann einsehbar (PDF der BI Mitbestimmung, Seite 62).
Grundlegende Ansätze der Kalkulation
Die Idee hinter der Kalkulation ist: Was kostet ein Bussystem, welches die konkret geplante CityBahn mit gleicher Transportkapazität abbildet? Diese Busse fahren dazu in dem Ansatz ebenfalls auf eigener Infrastruktur – also abgetrennten Busspuren mit identischem Routenverlauf zur geplanten CityBahn.
Die Kalkulation beleuchtet vier Kostenblöcke: Fahrzeugkosten, Personalkosten, Energiekosten, Infrastrukturkosten. Die einzelnen Blöcke sind mit nachvollziehbaren Einzelpositionen aufgesplittet.
Die Kalkulation rechnet im ersten Schritt aus, welche Transportleistung die CityBahn (in Platzkilometern pro Jahr) erbringt – und dann zurück, wie viele Elektrobusse dafür notwendig wären.
Angenommen ist dabei ein Durchschnitt aus Solo- und Gelenkbus – also ein fiktiver Bus, der zwar baulich nicht existiert, aber für diese Kalkulation dennoch taugt. Er besitzt dazu zwischen Solo- und Gelenkbus gelegene Wert für die Kapazität, den Energieverbrauch, den Kaufpreis.
Im Ergebnis werden die Kosten pro Platzkilometer und die “Total Lifecycle Costs” beider Varianten gegenübergestellt.
Unsere Hauptkritikpunkte an der Kalkulation sind die Verwendung falscher Buskapazitäten, die Verwendung der falschen Anzahl Straßenbahnen, falsche Fahrzeugzahlen der CityBahn, unrealistische Fahrzeugpreise für Elektrobusse, deutlich überhöht angesetzte Baukosten, fehlende Abbildung des Betriebsprogramms (Takt und Doppeltraktion).
In der Konsequenz heißt das: Es werden 99 Busse statt der angesetzten 48 Busse benötigt. Die Elektrobusse sind deutlich teurer als angesetzt, die Infrastruktur deutlich günstiger als angesetzt. Der in der Kalkulation angesetzte Takt von 20 Minuten muss (mindestens) halbiert werden.
Daneben gibt es noch weitere Schwachstellen. So ist die Kalkulation ausdrücklich rein betriebswirtschaftlich – nicht volkswirtschaftlich. Eine Vielzahl an positiven, externen Effekten bleibt also außen vor. Auch ist die bauliche Machbarkeit des fiktiven Busmodells fraglich – allerdings auch nicht Bestandteil der Kalkulation.
Knackpunkt 1: Fahrgastkapazitäten
Die originale Kalkulation setzt einen Durchschnittswert für die Busse von
120 Personen an – was ziemlich genau in der Mitte liegt zwischen den
Herstellerangaben für Solobusse (~100) und für Gelenkbusse (~140-150).
Die Diskussion um die Frage, wie viele Menschen real in einen Bus passen,
ist ermüdend. Und sie soll hier nicht wieder aufgenommen werden – da verweisen
wir auf diesen Artikel: Berechnung von Buskapazitäten. Kurzum – mit einer realistischen
Ermittlung der Buskapazitäten, die so auch der Straßenbahnkapazität zugrunde
liegt, ergibt sich hier ein korrigierter Wert von 85 Fahrgästen (als Mitte
zwischen 70 (Solobus) und 100 (Gelenkbus).
Diese Korrektur allein sorgt dafür, dass die Kosten des Bussystems um knapp
40% steigen. Damit schrumpft der vermeintliche Kostenvorteil der Busse massiv.
Auch sorgt diese Korrektur allein schon dafür, dass die Kosten pro
Platzkilometer (ohne Infrastruktur) bei der CityBahn unter denen der Busse
liegen – die Bahn im laufenden Betrieb also kosteneffizienter ist.
Diese Veränderung ist einleuchtend: Weniger Kapazität in den Bussen
bedeutet, dass deutlich mehr Busse benötigt werden, um die Transportleistung
der Straßenbahn zu erbringen. Und mit steigen die Kosten für Personal,
Abschreibung und Energie.
Knackpunkt 2: Kaufpreis von Elektrobussen
In der Kalkulation ist
ein durchschnittlicher Kaufpreis von 300.000 Euro pro Bus angesetzt – ein
Elektro-Solobus also mit 250.000 Euro angenommen, ein Elektro-Gelenkbus mit
350.000 Euro.
In Realität sind
Elektrobusse aber massiv teurer. Der RNV zahlte
jüngst 500.000 Euro für Elektro-Solobusse; Gelenkbusse liegen mindestens 100.000
Euro darüber. Selbst wenn es hier mittelfristig zu Preissenkungen kommt – die
300.000 Euro sind drastisch unterschätzt.
Ein korrigierter
Kaufpreis hebt hier die Anschaffungskosten der Busse – und mit ihnen die
Abschreibungen, die Zinslast, die Versicherung und die Instandhaltungskosten.
Die Korrektur des Kaufpreises allein auf 500.000 Euro pro Bus steigert die
Kosten pro Platzkilometer für das Bussystem um mehr als 10 Prozent.
Knackpunkt 3: Die Anzahl Fahrzeuge
In der Kalkulation
werden 26 Straßenbahnzüge angesetzt – mit jeweils Platz für 220 Leute und zu
einem Kaufpreis von 3.000.000 Euro pro Stück. Ein Blick in die aktuelle NKU
zeigt aber, dass zur Abwicklung des angedachten Betriebs derzeit
38 Züge geplant werden.
Dass das die Kalkulation verändert, ist nicht ganz intuitiv. Aber mit mehr Straßenbahnen steigt auch die Anzahl an Bussen, um diese zu ersetzen. Und während der Hauptkostenblock auf der Straßenbahnseite (die Infrastruktur) konstant bleibt, steigt dadurch der Kostentreiber von Bussystemen (Personalkosten). Statt 48 Bussen werden nun 70 benötigt.
Knackpunkt 4: Infrastrukturkosten
Die Infrastruktur ist für Straßenbahnen der massivste Kostenblock – und so fallen auf den ersten Blick die angesetzten 500 Millionen Euro für die Strecke der CityBahn auf. Zwar werden die aktuellen Planungen noch aktualisiert – der letzte Stand der Nutzen-Kosten-Untersuchung plant derzeit aber 297 Millionen Euro. Selbst die BI Mitbestimmung setzt bei den Baukosten nur 30% Mehrkosten an. Eine 60%ige Kostensteigerung, die hier unterstellt wird, ist also exorbitant überschätzt.
Werden statt denn 500 Millionen also beispielsweise 350 Millionen Euro angesetzt, sinken die Kosten pro Platzkilometer (inkl. Infrastruktur) für die Straßenbahn um knapp 20%.
Anmerkung: An dieser Stelle sei auf den Kostenblock “Zins auf Invest gemäß GVFG” hingewiesen. Die Formel dieser Kosten erschloss sich mir im Detail nicht, sodass ich sie als konstant angenommen haben. Da sich der Zins relativ zu den Infrastrukturkosten bewegt, überschätze ich ihn also in unserer Anpassung. Damit verschiebt sich das Bild zu Ungunsten der CityBahn.
Exkurs: Die Taktung
Die gesamte, der Kalkulation zugrunde liegende Streckenlänge summiert sich
auf 34,1 Kilometer und entspricht damit der Strecke von Bad Schwalbach über
Wiesbaden zur Heuss-Brücke, zuzüglich der Neubaustrecke auf der Mainzer Seite.
Hier tun sich zwei Schwachstellen auf – zum ersten ist die CityBahn auf der
Mainzer Seite nicht nur auf der Neubaustrecke geplant, sondern soll bis zur
Hochschule Mainz fahren. Damit liegt die Streckenlänge bei 38,5 Kilometer.
Außerdem bedeuten 100 Touren à 34,1 Kilometer genau 50 Fahrten pro Richtung.
Zum Vergleich: Die Buslinie 1 hat heute ziemlich genau 100 Fahrten pro Tag und
Richtung. Die Kalkulation geht also von einem 20-Minuten-Takt aus.
Durch die höhere Fahrleistung sinken die Kosten pro Platzkilometer bei Bus
und Bahn gleichermaßen um knapp 10%, eine Erhöhung der Tourenzahl für einen
Zehnminutentakt um knapp 50%. Die Relation der Kosten Bahn-Bus bleibt aber sehr
ähnlich.
Dass die Taktung der Fahrzeuge relativ niedrig eingeschätzt wurde (bzw. für
eine derart niedrige Taktung zu viele Fahrzeuge), zeigt ein Blick auf die
errechneten, jährlichen Fahrleistungen der Kalkulation. Diese liegen bei 39.346
km (CityBahn) und 39.215 km (Elektrobus) pro Fahrzeug und Jahr.
Eine höhere, jährliche Fahrleistung sorgt dafür, dass sich die Fixkosten
der Infrastruktur und Fahrzeuge auf mehr Beförderungsleistung verteilen und
damit der Preis pro Platzkilometer sinkt. Eine zu niedrig eingeschätzte
Fahrleistung bewirkt hier das Gegenteil.
Exkurs: Doppeltraktion
Die Kalkulation berücksichtigt ebenfalls nicht die Möglichkeit der Doppeltraktion – also dem Kuppeln zweier Straßenbahnen. Zwar wird dies nur in den Hauptverkehrszeiten der Fall sein; der Vorteil liegt aber auf der Hand: Doppelt so viele Fahrgäste bei gleichem Personaleinsatz. In dem Extremfall, dass alle Bahnen per Doppeltraktion fahren, reduzieren sich die Kosten pro Platzkilometer der Straßenbahnen um 20%.
Anmerkung: In der Excel-Tabelle ist dies nachgebildet, indem die Parameter der Straßenbahn verändert werden: Doppelte Kapazität, doppelter Preis, doppelter Energieverbrauch – dafür halbe Fahrzeugzahl und halbe Tourenzahl.
Unterm Strich
Die einzelnen Knackpunkte beeinflussen sich natürlich gegenseitig – beispielsweise,
wenn durch realistische Fahrgastkapazitäten mehr Busse benötigt werden, die
aber gleichzeitig auch einen höheren Stückpreis haben. Werden die vier dargelegten Hauptknackpunkte (Fahrgastkapazitäten der
Busse, Kaufpreis der Busse, Infrastrukturkosten der Straßenbahn und die Anzahl
an Fahrzeugen) gleichzeitig berücksichtigt, ergibt sich ein gänzlich anderes
Bild:
Ohne die Infrastrukturkosten liegen die Kosten der CityBahn 15% unter denen der Bus-Alternative. Über den gesamten Lebenszyklus des Vergleiches gerechnet ergibt das knapp 105 Millionen Euro, die die Busvariante mehr kostet. Inklusive der Infrastruktur ist die CityBahn – entgegen der Behauptungen der BI Mitbestimmung – mit den korrigierten Werten nicht mehr “drei Mal so teuer”, sondern knapp 40% teurer als die Busvariante. Doch die Kalkulation ist rein betriebswirtschaftlich – dazu nun mehr.
Exkurs: Betriebs- und volkswirtschaftliche Kalkulationen
Bei der vor der IHK vorgestellten Kalkulation handelt es sich um eine rein
betriebswirtschaftliche Betrachtung – also eine reine Gegenüberstellung der
direkt mit der CityBahn (bzw. der Alternative) im Zusammenhang stehenden Kosten
von Bau und Betrieb. (Theoretisch könnten auch die direkten Nutzen mit
einbezogen werden, beispielsweise höhere Fahrgelderlöse durch mehr Fahrgäste.
Derartige Annahmen wurden von der Kalkulation aber außen vorgelassen.)
Infrastrukturprojekte werden volkswirtschaftlich bewertet – und das ist
bundesweiter Standard, egal, ob es sich um Autobahnbrücken, Bahnlinien oder Schleusen
handelt. Der Grund dafür ist einfach: Mit einer verbesserten Infrastruktur
entstehen viele Vorteile und Nutzen, die aber beim Betreiber der Infrastruktur
nicht als Einnahmen einfließen.
Durch eine veränderte ÖPNV-Infrastruktur ergeben sich veränderte Reisezeiten – in die positive und in die negative Richtung. Um diese Unterschiede zu berücksichtigen, werden die Einzelreisezeitdifferenzen ermittelt und mit dem bundeseinheitlich vorgegebenen Satz (7,10 Euro pro Stunde Reisezeit) bewertet. Dieser Wert ist unabhängig von Berufsgruppen und Einkommen.
PKW-Betriebskosten
Ein Teil des prognostizierten Fahrgastzuwaches stammt von Fahrgästen, die vom Auto in die CityBahn umsteigen. Die wegfallenden Autofahrten werden mit – ebenfalls einheitlichen 0,22 Euro pro Pkw-km bewertet.
Zusätzliche Mobilitätsoptionen
Durch zusätzliche oder verbesserte Mobilitätsmöglichkeiten entstehen zusätzliche Fahrten. Es werden also Menschen den ÖPNV für eine Fahrt nutzen, die sie vorher gar nicht (per Auto, Bus, …) gefahren sind. Beispielsweise, wenn ein Anwohner der Ringkirche nun nicht mehr zur Eisdiele in die Dotzheimer Straße läuft, sondern mit der CityBahn zur Eisdiele ans Rheinufer. Diese angenommenen, neuen Fahrten werden mit dem Ticketpreis bewertet.
Unfallfolgekosten
Die Unfallkosten der Fahrzeuge (Straßenbahn, Bus und Pkw) sind verfahrensseitig vorgegeben. Über die Änderungen der Fahrleistungen von Straßenbahnen, Bussen und PKW verändern sich die Unfallwahrscheinlichkeiten und deren Folgekosten.
Schadstoffemissionen
Die Emissionsraten für CO2 sowie die Bewertungsansätze weiterer Schadstoffe sind verfahrensseitig vorgegeben. Dabei werden bei der Straßenbahn auch die Emissionen aus der Stromerzeugung berücksichtigt. Über die Änderungen der Fahrleistung im ÖV und MIV wird die Änderung der Emissionsschäden ermittelt.
Die Bewertung dieser Veränderungen in den externen Kosten und Nutzen ist der Hauptunterschied zwischen betriebs- und volkswirtschaftlichen Bewertungen. Sie sind auch der Grund, wieso Infrastrukturprojekte immer mit öffentlichen Fördermitteln unterstützt werden. Betriebswirtschaftlich rechnen sie sich womöglich nicht. Gesellschaftlich, also volkswirtschaftlich, aber schon.
Der Verkehrslärm in Wiesbaden wird vor allem durch den Straßenverkehr verursacht und erreicht auf vielen Hauptstraßen Pegel, die ernste gesundheitliche Schäden verursachen können.
Für eine spürbare, nachhaltige Verringerung des Verkehrslärms in Wiesbaden gibt es zwei Hebel: die Verminderung der Gesamtzahl an PKW-Fahrzeugen und die Umwandlung von schallreflektierendem Asphalt in Grünflächen. Für beides ist die CityBahn prädestiniert. Andere Hebel (wie die Optimierung von Grünphasen) können zusätzlich punktuell den Lärm vermindern.
Die Umstellung auf Elektrobusse bringt Verbesserungen; der Busverkehr insgesamt hat aber nur kleinen Anteil am Gesamtlärm auf Wiesbadens Straßen.
Die Umstellung auf Elektroautos wird den Motorenlärm im niedrigen Geschwindigkeitsbereich reduzieren; bei Tempo 40 bis 50 km/h werden Elektroautos insgesamt aber genauso laut wie Verbrenner.
»Klingeln bei Bernd Kuhnt, der seit acht Jahren zur Miete an der Biebricher Allee wohnt. Der 64-jährige Lehrer meint: „Ich sehe nicht, welche Verbesserungen die City-Bahn bringen soll.” (…) Dabei überlegt der Anwohner schon seit einiger Zeit, von der Allee fortzuziehen, „der Verkehrslärm ist einfach enorm“, meint Kuhnt.«
Die Lautstärke an vielen der Wiesbadener Hauptverkehrsstraßen knackt die für die Gesundheit bedenklichen Grenzwerte. Alle nennenswerten Hauptstraßen innerhalb des 2. Rings liegen bei einem Mittelungspegel über 65 dB(A). Der 1. Ring, die Schwalbacher Straße, die Rheinstraße sowie vier große Ausfallstraßen (Schiersteiner, Biebricher, Mainzer und Berliner Straße) sogar über 75 dB(A). Eine Erhöhung um zehn Dezibel entspricht hierbei einer Verdoppelung der wahrgenommenen Lautstärke.
Seit im Jahr 2013 die Lärmkartierung des Hessischen Straßenverkehrs abgeschlossen ist, ist Verkehrslärm flächendeckend nachvollziehbar. Aus der interaktiven Karte der Stadt Wiesbaden geht straßengenau die Lärmbelastung hervor – und zeichnet ein beunruhigendes Bild. In den Nachtstunden (22 Uhr bis 6 Uhr) wird es zwar insgesamt leiser; eine Vielzahl der innerstädtischen Straßen ist aber immer noch bedenklich laut und oberhalb des nachts empfohlenen Durchschnittspegels von 55 dB(A).
Entstehung von Straßenverkehrslärm
Jeder zweite Deutsche fühlt sich vom Straßenverkehrslärm belästigt oder gestört, der auf öffentlichen Straßen und Parkplätzen festzustellen ist. Bei den Fahrzeugen im Straßenverkehr gibt es zwei Hauptquellen für Schall: Motor und Reifen. Die Motorgeräusche hängen vor allem von der Motorart (Verbrenner, Elektro), der Beschleunigung und der Drehzahl ab. Verbrenner sind lauter als Elektromotoren, beschleunigende Autos lauter als gleichmäßig fahrende und der Schallpegel umso höher, je mehr Umdrehungen der Motor erzeugt.
Die Rollgeräusche von Reifen hängen (natürlich) von der Fahrzeugmasse, dem Reifentyp, aber auch von der Straßenoberfläche ab. Je schneller ein Auto fährt, desto lauter werden die Rollgeräusche. So wird der gegenüber 10 km/h um 20 Dezibel höhere Lärm bei 50 km/h viermal so laut wahrgenommen. Je nach Geschwindigkeit dominieren bei Fahrzeugen die Motoren- oder die Reifengeräusche. Bei PKWs sind die Reifen ab etwa 30km/h lauter als der Motor, bei Nutzfahrzeugen und Bussen ab 50 bis 60 km/h. Fahren sie langsamer, hört man stärker das Geräusch der Verbrennungsmotoren. Zusätzlich spielt auch die Anzahl an Fahrzeugen eine Rolle. So werden zehn Autos doppelt so laut wahrgenommen wie ein gleich schnell fahrendes einzelnes Auto.
Neben dem Straßenverkehrslärm verursachen natürlich auch Flug-, Schiffs- und Eisenbahnverkehr Lärm. Bahnlärm ist in der Lärmkarte ebenfalls erfasst. Im 24-Stunden-Verlauf verursachen die S- und Regionalbahnen weniger Lärm als beispielsweise der Straßenverkehr am 1. Ring. Nachts sind Straßen- und Schienenverkehrslärm in etwa gleich laut – der Straßenverkehr betrifft allerdings deutlich mehr Menschen.
Welchen Anteil hat der Busverkehr?
Busse prägen den Wiesbadener Verkehr. Besonders direkte Anwohner der Bushaltestellen können ein Lied von den Motorgeräuschen stehender und beschleunigender Busse singen. Daher ist die Frage berechtigt, welchen Anteil die aktuellen Dieselbusse an den Lärmemissionen des Wiesbadener Straßenverkehrs haben.
Wie im vorigen Abschnitt geschildert, ist für Groß- und Nutzfahrzeuge unter 50 km/h das Motorgeräusch das lautere – bei schnelleren Fahrten dominieren die Rollgeräusche der Reifen. Damit ist die primäre Lärmquelle des innerstädtischen Busverkehrs das Motorgeräusch. Aktuell ist Wiesbadens Busflotte noch fast vollständig mit Dieselmotoren bestückt, das soll sich aber mit einem kompletten Umstieg auf Elektrobusse bis 2022 ändern – und damit auch diese Lärmquelle deutlich leiser werden.
In Versuchsanordnungen der Universität Stuttgart wurden die Lärmemissionen von Bussen mit verschiedenen Antriebsformen (Diesel, Hybrid, Brennstoffzelle) verglichen – im Stand, beim Beschleunigen und bei der Vorbeifahrt in verschiedenen Geschwindigkeiten. Gemessen wurde sowohl durch am Straßenrand stehende Mikrofone als auch durch außen am Bus befestigte, mitfahrende Mikrofone.
Das Ergebnis: besonders im Stand und bei niedrigen Geschwindigkeiten bis 30 km/h sind die Hybrid- und Brennstoffzellenbusse spürbar leiser als ihre Dieselkollegen. So sind beispielsweise Dieselbusse bei 20 km/h mehr als doppelt so laut wie elektrisch angetriebene Busse.
Diagramm: Lautstärkepegel von Stadtbussen nach Antriebsart. (Quelle)
Die Umstellung von Diesel- auf Elektrobussen wird den Wiesbadener Straßenverkehrslärm also reduzieren – die Frage ist nur, wie stark. Umgekehrt: Wie hoch ist der Anteil der Busse am gesamten Verkehrslärm?
Mit Blick auf zwei Grafiken lässt sich erahnen, dass die Busse insgesamt einen eher geringen Anteil am Gesamtlärm haben. Denn: Die ‘lautesten’ Straßen (1. Ring, Biebricher & Schiersteiner Straße) sind von vergleichsweise wenigen Bussen befahren, während die Bahnhofstraße mit knapp 1.300 Bussen am Tag – vergleichsweise – leise ist. Auf der Rheinstraße, bei den Messungen ebenfalls in der lautesten Kategorie, fahren heute planmäßig gar keine Busse.
Lärmkartierung (Straße) der Wiesbadener Innenstadt. Braun, Lila und blau zeigen die gesundheitsgefährdenden Lärmpegel.
Aus: https://geoportal.wiesbaden.de/kartenwerk/application/laerm)
Anzahl Linienbusse nach Straße in der Wiesbadener Innenstadt. Werktag außerhalb der Schulferien.
Grundlage bildet der Busfahrplan der ESWE Verkehr im Herbst 2018. Es fehlen: Nachtlinien, Ski-Express, E-Linien und ggf. fahrende AST.
(Darstellung: Bürger Pro CityBahn auf Basis OpenStreetMap (Lizenz). Die Routenführung wurde nach bestem Wissen erstellt, übernimmt aber keine Garantie für die Richtigkeit.)
Dennoch sind Busse mit Elektromotoren besonders im unteren Geschwindigkeitsbereich und im Stand deutlich leiser als dieselbetriebene Fahrzeuge – vor allem im Bereich von Haltestellen und unter 30 km/h dürfte der Unterschied hörbar werden.
Was bringen Elektroautos?
Aus den eben vorgestellten Gründen wirkt sich eine Umstellung auf Elektroautos nur bei niedrigen Geschwindigkeiten positiv auf das Lärmniveau aus. Bei höheren Geschwindigkeiten dominieren die Reifengeräusche – und die sind bei Verbrennern und Elektrofahrzeugen dieselben. Elektroautos vermindern also bei niedrigen Geschwindigkeiten und im Stand den Lärmpegel (etwa an Ampeln, beim Ein-/Ausparken oder in 30er-Zonen). Die Lärmverbesserungen im fließenden Verkehr auf Hauptverkehrsstraßen fallen aber eher gering aus.
Diagramm: Lautstärkepegel von PKW nach Antriebsart. (Quelle)
Schallquelle Straßenbahnen
Hinweis: In diesem Artikel dreht sich alles um den Verkehrslärm. Die Emission von Infraschall und Vibrationen betreffen Anwohner natürlich ebenfalls, werden aber in einem separaten Artikel behandelt. Auch das Quietschen in (zu engen) Kurven wird separat erläutert.
Nun zur spannenden Frage: Wie laut sind Straßenbahnen?
Analog zum Straßenverkehr verursachen auch Züge Lärm – aus drei Hauptquellen: Antriebs-, Roll- und aerodynamische Geräusche. Aerodynamische Geräusche, also Lärm aus den Luftverwirbelungen vorbeifahrender Züge, treten erst bei über 50 km/h spürbar auf und werden erst bei mehr als Tempo 275 km/h zur dominierenden Lärmquelle – können also für die CityBahn getrost ignoriert werden.
Konkret hängen die Lärmemissionen von Straßenbahnen von mehreren Faktoren ab:
Sind die Fahrzeuge Nieder- oder Hochflur? (Entsprechend sitzen die Aggregate unter dem Fahrzeug oder auf dem Dach.)
Fährt die Straßenbahn auf Rasengleisen, Schotter, Asphalt oder anderen Oberflächen?
Wie eng sind die Kurven? Sind die Kurven zu eng, kann es zum charakteristischen Quietschen kommen. Die CityBahn ist mit Kurvenradien von mindestens 25 Metern deutlich großzügiger geplant als zum Beispiel die Mainzelbahn (18 Meter). Auch technische Maßnahmen helfen. (Link 1, Link 2)
In welchem Zustand sind Räder und Gleise? Raue Oberflächen erzeugen mehr Lärm, regelmäßige Wartung (Abschleifen/Abdrehen) wirkt dem entgegen.
Sind die Gleise durch zum Beispiel Sand, Split oder Salz verunreinigt?
Im direkten Lärm-Vergleich durch das bayerische Landesamt für Umweltschutz schneiden Straßenbahnen besonders auf Rasengleisen gut ab. Auf Rasengleisen sind die Bahnen annähernd halb so laut wie Autos.
Schallemisssionen (Mittelungspegel in 25m Abstand) von Personenverkehrsmitteln, bezogen auf eine Leistung von 1.000 Personen/Stunde (rot). Die Werte gehen von vollbesetzten Verkehrsmitteln aus. Bei durchschnittlicher Besetzung mit 1,3 Personen (statt 4) erhöht sich der Läärmpegel der PKS (grau). Aus: BLfU
Verglichen wurden die verschiedenen Verkehrsmittel bei einer Transportleistung von 1.000 Personen pro Stunde bei jeweils voll besetzten Fahrzeugen – also vier Personen pro Auto.
Bei durchschnittlicher Auslastung (also 1,3 Personen / Auto) erhöht sich der Lärmpegel um 5-7 Dezibel – der Autoverkehr ist damit mehr als doppelt so laut wie eine Straßenbahn auf Rasengleis. Bei Straßenbahnen auf der Straße ist der Unterschied geringer; dennoch aber weiterhin spürbar.
Welchen Unterschied die Gestaltung der Gleise ausmacht, lässt sich beispielsweise in Mannheim beobachten. Hier fahren die Bahnen der Linie 3 kurz hintereinander über Rasengleis, Rasenpflastersteine und Pflaster. Ansonsten sind die drei Straßenabschnitte recht ähnlich: Ähnliche Wohnbebauung, Anwohnerstraßen, Parkplätze und sporadisch Bäume. Der Rasen-Abschnitt ist halb so laut als der Pflasterabschnitt, denn Pflaster reflektiert Lärm, während Rasen ihn schluckt.
Gegenüberstellung der Schallpegel bei Pflaster-, Rasenpflaster- sowie Rasengleisen [links] und der parallel verlaufenden Hauptverkehrsstraße [rechts].
Die parallel verlaufende Hauptverkehrsstraße in Mannheim ist übrigens durchgehend so laut, wie es die Straßenbahn dort nur auf den Pflaster-Abschnitten ist.
Schlusswort
Die Sorge, dass mit der Citybahn eine neue Lärmquelle auf Wiesbadens Straßen hinzukommt, ist unbegründet. Im Gegenteil: Straßenbahnen sind nach wissenschaftlichen Messungen ohnehin schon leiser als PKW-, LKW- und auch Dieselbusverkehr. Durch Rasentrassen, besseres Gleismaterial und weitere Kurvenführung wird der Lärm durch die geplante Citybahn noch weiter verringert. Sollte dann noch der Umstieg möglichst vieler, bislang motorisierter Verkehrsteilnehmer auf die Tram gelingen, wird sich die Lärmsituation und damit auch Lebensqualität und Wohnwert in der Kurstadt merklich und nachhaltig verbessern.
Hinweis: Wir legen bei unseren Artikeln Wert auf solide, objektive, nachvollziehbar gestaltete Texte. Daher findest Du auch eine Vielzahl an Quellenverweisen und Belegen, Grafiken, Fotos und Erörterungen – zuweilen auch wohlbegründete Schlussfolgerungen. Nichtsdestotrotz sind wir eine rein ehrenamtliche Truppe und haben auch keinen Zugriff auf geheime Quellen. Auch wir kennen nur das, was öffentlich ist, wir uns erarbeiten und recherchieren. Fehler sind also nicht ausgeschlossen. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, weitere wichtige Quellen kennst oder fachliche Fehler – her damit. Am besten per Mail oder unten in die Kommentare.
Im Rahmen der Planungen wird untersucht, ob die CityBahn auf einigen Abschnitten ohne Oberleitung fahren kann. Dazu sind derzeit vier Abschnitte näher im Gespräch: auf der Theodor-Heuss-Brücke, im Zentrum von Biebrich, auf der Biebricher Allee und an der Ringkirche.
Aus Sicht unserer Bürgerinitiative erscheint es nicht sinnvoll, den Abschnitt über die Theodor-Heuss-Brücke ohne Oberleitung zu gestalten. Zusätzlich sollte darüber nachgedacht werden, die Strecke über den Hauptbahnhofs-Vorplatz ohne Oberleitung zu realisieren.
Fahrzeuge, die über kurze Strecken ohne Oberleitung fahren können, bringen mehrere Vor- und Nachteile mit sich. Diese müssen abgewogen und bewertet werden. Davon hängt es ab, ob die CityBahn tatsächlich abschnittsweise ohne Oberleitung fahren wird.
Querschnitt einer Straßenbahn-Oberleitung im Vergleich mit einem 1-ct-Stück.
(Foto: BI Pro CityBahn)
Auch auf Wunsch vieler an den Workshops beteiligter Bürger wird derzeit untersucht, ob die CityBahn nicht auf einigen Abschnitten ohne Oberleitung fahren kann. Die Planungen werden konkreter – so dass bereits einige Abschnitte in Gespräch sind. Als Ersatz für Oberleitungen existieren verschiedene Technologien – dazu in einem anderen Artikel mehr. Hier soll es um die konkreten Abschnitte gehen, deren Vor- und Nachteile sowie unsere eigenen Vorschläge.
CityBahnroute (schwarz) mit angedachten, oberleitungsfreien Abschnitten (rot) sowie diskussionswürdigen Alternativen (blau).
Bedingt durch die technischen Vorgaben sollten die Abschnitte selbst nicht länger als 1.000 Meter sein. Zwischen den Abschnitten werden schätzungsweise zwei bis drei Kilometer mit Oberleitung benötigt, um den Energiespeicher wieder aufzuladen.
Theodor-Heuss-Brücke
Die Theodor-Heuss-Brücke Anfang der 1930er Jahre. Gut zu Erkennen sind die Oberleitungsmasten, die gleichzeitig die Straßenbeleuchtung tragen. 1931 bis 1934 wurde die Brücke um 5 m verbreitert (von 13,80 m auf 18,80 m).
Fotograf: Willi Kehr, Darmstadt. Quelle: Historisches Bildarchiv der Bundesanstalt für Wasserbau. (Link)
Die Theodor-Heuss-Brücke Anfang der 1930er Jahre. Gut zu Erkennen sind die Oberleitungsmasten, die gleichzeitig die Straßenbeleuchtung tragen. 1931 bis 1934 wurde die Brücke um 5 m verbreitert (von 13,80 m auf 18,80 m).
Fotograf: Willi Kehr, Darmstadt. Quelle: Historisches Bildarchiv der Bundesanstalt für Wasserbau. (Link)
Der – von Mainz aus gesehen – erste, oberleitungsfreie Abschnitt soll die Theodor-Heuss-Brücke werden. Auf den ersten Blick liegen die Gründe der Hand. Durch die exponierte Lage der Heuss-Brücke wären Masten und Leitung umso auffälliger.
Allerdings: Extra Oberleitungsmasten wären gar nicht erforderlich, denn die lassen sich mit den schon heute bestehenden Beleuchtungsmasten kombinieren. Wie übrigens bereits in den 50er Jahren. Die Straßenbahn, die bis dato die Heuss-Brücke querte, fuhr bereits mit Oberleitung. Ein Novum für die Brücke wäre das also nicht – gut erkennbar auf dem rechten Foto.
Eine oberleitungsfreie Führung über die Heuss-Brücke brächte zusätzlich handfeste, betriebliche Nachteile mit sich. So bliebe es den heutigen Mainzer Straßenbahnfahrzeugen verwehrt, über die Brücke auf der Kasteler Seite etwa bis zum Rheinbahnhof am Industriepark Kalle-Albert zu fahren, da sie auf eine Oberleitung angewiesen sind. Diese, momentan noch nicht vorgesehene Option hätte gerade im Falle einer Störung auf der Wiesbadener Seite oder bei eventuell gewünschten Verstärkerlinien durchaus ihren Charme. Ob sich die CityBahn von vornherein diese Möglichkeit verbauen darf, sollte also zumindest gut durchdacht und diskutiert werden. Besonders, wenn vorwiegend Gründe rein optischer Natur dagegen sprächen.
Querschnitt der Biebricher Allee mit CityBahn. In blau ist über der Tram die Oberleitung und der von Ästen freizuhaltende Bereich gekennzeichnet. In rot exemplarisch) die Allee-Bäume
Bild: CityBahn GmbH)
Ein weiterer für den Verzicht auf die Oberleitung vorgesehener Abschnitt ist die Biebricher Allee. Auf rund 600 Metern Länge zwischen erstem und zweitem Ring, wo knapp 20 Höhenmeter zu überwinden sind, soll die CityBahn nicht nur aus optischen Gründen oben ohne fahren. Der Bereich, in dem die Oberleitung hängt, muss nämlich frei von Laub und Ästen gehalten werden.
Allerdings bietet gerade die Biebricher Allee eigentliche optimale Voraussetzungen für eine Oberleitung. Denn: Die Allee verläuft schnurgerade und die notwendigen Masten stehen bereits heute. Schon heute kreuzen bereits Tragseile die Fahrbahn, an der die Straßenbeleuchtung hängt. Hier wären also lediglich ein zweites Tragseil sowie zwei parallel zur Fahrbahn laufende Leitungen notwendig. Optisch würde sich nicht viel ändern. Zudem sind Oberleitungen im Querschnitt so dick sind wie ein 1-Cent-Stück und fallen daher – wie die Bilder zeigen – gerade in Alleestraßen so gut wie gar nicht auf. Auch verbraucht eine Straßenbahn durch die Steigung der Biebricher Allee auf dem Abschnitt mehr Energie – eigentlich ein Grund pro Oberleitung.
Das aus unserer Sicht überzeugendste Gegenargument gegen eine oberleitungsfreie Führung auf der Biebricher Allee ist aber, dass sie eine oberleitungsfreie Führung am Hauptbahnhof verhindern würde. Dazu später mehr.
Ringkirche
Ringkirche, hier noch mit Oberleitung,
Visualisierung: CityBahn GmbH
Es liegt aus zwei Gründen auf der Hand, die Führung um die Ringkirche ohne Oberleitung zu gestalten: Zum einen sind kurvige Abschnitte aufwendiger zu realisieren als geradlinige, und die Ringkirche soll auf beiden Seiten von der Bahn halbkreisförmig umfahren werden. Zum zweiten verläuft die Strecke hier auf beiden Seiten jeweils eingleisig – insgesamt wären also deutlich mehr Befestigungen und Tragseile notwendig als auf zweigleisigen Strecken.
München, Karlsplatz. In Kurven und Weichenbereichen sind quer verlaufende Abspannungen notwendig. Grade auf freien Plätzen (also ohne Bebauung oder Bäume) wirken diese besonders womöglich präsent. (Bild: 2216 MVG R3 flickr photo by dolanansepur shared under a Creative Commons (BY-NC-ND) license )
Oberleitungen auf geraden Abschnitten sind relativ unauffällig in ihrer Erscheinung und einfach zu realisieren. Aufwändiger und damit auffälliger werden sie an Abbiegungen und in Abschnitten, in denen Weichen vorgesehen sind. Wenn die Leitung nicht geradlinig sondern kurvenförmig verläuft, sind Trag- und Spannseilen notwendig. Diese sind entsprechend auffälliger – wie die Bilder beispielhaft zeigen.
Am Hauptbahnhof wird die CityBahn nicht nur um 90 Grad vom 1. Ring in die Bahnhofstraße einbiegen, sie soll außerdem mit der Stichstrecke in Richtung Tankstelle eine T-Kreuzung bekommen. Entsprechend viele Abspannungen wären notwendig. Im Bereich des Hauptbahnhofes gibt es außerdem wenige Bäume oder Bauwerke, in die sich die Masten und Oberleitungen integrieren lassen. Hier wären also sowohl die Leitungen als auch die Masten besonders auffällig, gerade für Stadtbesucher, die am Hauptbahnhof ankommen oder umsteigen – Pendler und Touristen gleichermaßen.
Daher erscheint eine Führung ohne Oberleitung im Bereich des Hauptbahnhofes attraktiv – auch wenn dafür die oberleitungsfreie Führung in der Biebricher Allee entfallen müsste.
„Die Studie hat gezeigt, dass Immobilieneigentümer über höhere Mieteinnahmen und einen höheren Gebäudewert von einer vorhandenen ÖPNV-Erschließung profitieren – ein positiver externer Effekt.“
Ökonomischer Mehrwert von Immobilien durch ÖPNV-Erschließung (= BBSR-Online-Publikation, Nr. 11/2015). S.39
Familie Giese sucht eine neue Wohnung, da Nachwuchs unterwegs ist. Neben Grundriss und Zustand der Wohnung ist die Lage für die Gieses ein wichtiges Kriterium. Von der Wohnung sollen Einkaufsmöglichkeiten und der öffentliche Nahverkehr fußläufig erreichbar sein. Obwohl Familie Giese einen Pkw besitzt, ist für sie ein guter Nahverkehrsanschluss unverzichtbar. Schließlich kann immer nur ein Ehepartner das Auto nutzen. Für viele Wege lohnt sich auch die Parkplatzsuche nicht. „Da ist man mit dem Fahrrad oder dem Bus schneller“, sagt Frau Giese. Wenn die Kinder größer sind, sollen sie nicht aufs „Elterntaxi“ angewiesen sein, sondern selbstständig unterwegs sein können. Außerdem wollen die Gieses nicht vom Auto abhängig sein. Denn niemand weiß, ob irgendwann körperliche Gebrechen die Fahrtauglichkeit einschränken und ob Autofahren in Zukunft noch so billig sein wird wie heute.
Die CityBahn ist für Immobilien ein positiver Standortfaktor – genauso wie fußläufige Einkaufsmöglichkeiten (Foto: Bürger Pro CityBahn)
Wie Familie Giese geht es vielen Menschen, die eine Wohnung zur Miete oder zum Kauf suchen. Das hat auch die Immobilienwirtschaft erkannt. Ein guter Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr ist beim Rating einer Immobilie ein deutlicher Pluspunkt 1Verband deutscher Pfandbriefbanken e. V. (Hrsg.): Objekt-und Marktrating, 2005, S.34. PDF-Datei. Dabei spielt die Attraktivität, sprich das Fahrtenangebot und die Fahrtdauer zu wichtigen Punkten wie der Innenstadt oder dem Bahnhof, eine wichtige Rolle. Eine im Auftrag des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt und Raumforschung erstellte Studie 2Ökonomischer Mehrwert von Immobilien durch ÖPNV-Erschließung (= BBSR-Online-Publikation, Nr. 11/2015). kommt zu dem Ergebnis, dass deutliche Verbesserungen des Nahverkehrs den Wert von Bestandsimmobilien erhöhen. Für die Studie wurden die Immobilienpreise vor und nach Maßnahmen zur Verbesserung des Nahverkehrsangebots – z.B. dem Bau neuer Straßenbahnstrecken – verglichen. Untersucht wurden dabei sowohl Städte, die kleiner als Wiesbaden sind (Kassel, Erfurt, Saarbrücken und Ulm) als auch deutlich größere Städte (Stuttgart und Berlin).
Schnellere Erreichbarkeit erhöht die Zahlungsbereitschaft
Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist die Bereitschaft von Mietern und Käufern, zugunsten einer schnelleren Erreichbarkeit einer Immobilie mit öffentlichen Verkehrsmitteln einen höheren Preis zu zahlen:
„Der Anteil der ÖPNV-Angebotsqualität an der Miet- und Kaufpreisbildung liegt bei rund 4%. Eine Reduzierung der Reisezeiten um 15 Minuten, was z.B. der Verkürzung der Zugangswege zur Haltestelle um 1.000 Meter durch den Bau einer neuen Haltestelle entspricht, korrespondiert je nach Modell mit um 3,4% bis 4,8% höheren Mieten und mit um 4,0% bis 4,7% höheren Kaufpreisen, wobei sich größere Unterschiede zwischen den verschiedenen Städten und Verkehrssystemen (Schiene/Bus) ergeben.“
Ökonomischer Mehrwert von Immobilien durch ÖPNV-Erschließung (= BBSR-Online-Publikation, Nr. 11/2015). S. 5
Der Anschluss an ein schienengebundenes Verkehrsmittel, wie eine Straßenbahn oder U-Bahn, wirkt sich hierbei besonders positiv auf den Wert einer Immobilie aus:
„Die Untersuchung verschiedener Verkehrssysteme führte zu dem Ergebnis, dass die preislichen Effekte bei einem schienengebundenen ÖV-Angebot deutlich höher ausfallen als bei einer Busbedienung (etwa Faktor 3 für Berlin und Stuttgart) […] Davon ausgehend, dass die meisten Wohnungen in Gebieten mit „hoher Nutzungsdichte“ liegen, führt die Erschließung von Quartieren mit Schieneninfrastruktur zu Preiseffekten von 5-6% und die Erschließung mit Businfrastruktur zu Preiseffekten von 1-2%.“
Ökonomischer Mehrwert von Immobilien durch ÖPNV-Erschließung (= BBSR-Online-Publikation, Nr. 11/2015). S. 19ff
Dies liegt zum einen daran, dass schienengebundene Verkehrsmittel leistungsfähiger, komfortabler und meist auch schneller sind als Busse. Zum anderen garantieren sie auch, dass eine Haltestelle auch in Zukunft noch besteht, während eine Buslinie leichter verlegt oder eingestellt werden kann.
Auch wer Bus und Bahn nicht nutzt, profitiert
Auch wer die verbesserte Nahverkehrsverbindung nicht unmittelbar nutzt, profitiert als „externer Nutzer“ von der
Rückfallebene (für den Fall, das kein Auto zur Verfügung steht)
Straßenentlastung (da die Fahrgäste nicht mit dem Auto unterwegs sind)
von der besseren Erreichbarkeit und dem geringeren Parkplatzbedarf bei Geschäften, Arbeitsplätzen oder Freizeiteinrichtungen
Positive Effekte strahlen dabei auf die gesamte Stadt aus:
„Die erhöhte Erreichbarkeit dieses Gebietes dient aber nicht nur den Gebietsansässigen, sondern erhöht auch den Wert des Netzes für die nicht gebietsansässigen Haushalte – schließlich hat jeder Weg einen Ausgangspunkt und ein Ziel. Insofern ist es plausibel anzunehmen, dass sich auch der Wert aller Gebäude innerhalb des ÖPNV-Netzes erhöht, wenn auch durch eine Einzelmaßnahme sicherlich für die meisten Gebäude nur geringfügig.“
Ökonomischer Mehrwert von Immobilien durch ÖPNV-Erschließung (= BBSR-Online-Publikation, Nr. 11/2015). S. 45
Verzicht auf CityBahn träfe Immobilieneigentümer gleich doppelt
Der Verzicht auf die CityBahn würde Immobilieneigentümer gleich doppelt treffen. Nicht nur die Wertsteigerung fiele weg – ein weiterer Anstieg des Autoverkehrs würde auch die Wohnsituation an den Hauptverkehrsstraßen weiter verschlechtern.
Im Jahr 2003 eröffnete Straßenbahn zum Frankfurter Rebstockbad. Die Straßenbahn war Voraussetzung für die Neubaugebiete „City West“ und „Rebstockpark“ (Foto: Bürger Pro CityBahn)
Ohne CityBahn sinkt auch die Chance, die aufgrund des Nachfrageüberhanges4vgl. Immobilienpreise und Mietspiegel Wiesbaden auf Capital.de dringend benötigten Neubaugebiete zu entwickeln. Für viele Investoren ist ein leistungsfähiger Nahverkehrsanschluss Voraussetzung für ihr Engagement – erhöht sie doch deutlich die Vermarktungschancen. Selbst in Frankfurt am Main, wo der Immobilienmarkt boomt, war die vertragliche Zusicherung eines Straßenbahn- bzw. U-Bahnanschluss Vorbedingung für die Entwicklung der Neubaugebiete Rebstock, Frankfurter Bogen, Riedberg und Europaviertel. Auch für das Projekt „Ostfeld“ in Wiesbaden erscheint eine Erschließung ohne ein leistungsfähiges Verkehrsmittel wie eine Straßenbahn schwer vorstellbar.
Und die Mieter – sind sie die Leidtragenden, wenn Immobilienbesitzer von der Wertsteigerung profitieren? Nein, denn laut Studie wird nur ein Teil des erzielten Nutzens auf die Miet- oder Kaufpreise durchgereicht.
„Im Ergebnis dieser einfachen Rechnungen werden 1/5 des Nutzens der Fahrgäste aus der (verbesserten) ÖPNV-Erschließung über die Miete auf die Immobilieneigentümer durchgereicht. Das Ergebnis ist übertragbar auf die Kaufpreise.“
Ökonomischer Mehrwert von Immobilien durch ÖPNV-Erschließung (= BBSR-Online-Publikation, Nr. 11/2015). S. 44
Auch Mieter und Käufer profitieren daher als aktive oder externe Nutzer von der CityBahn.
Update 2020: Die dargestellten Informationen basieren auf den Planungsunterlagen aus dem April 2019. Wir arbeiten an einer zeitnahen Aktualisierung 🙂
Wenige Themen stoßen im Rahmen der CityBahn-Diskussion auf derart emotionale Reaktionen wie die geplante Streckenführung über die Biebricher Allee und die Folgen für deren Baumbestand. Da wundert es auch nicht, dass hier besonders Ängste geschürt werden und Falschinformationen im Umlauf sind.
Zeit also, einen Blick auf die aktuelle Planung zur Biebricher Allee zu werfen. Die öffentlich einsehbaren Planungsunterlagen stammen aus dem April 2018 – ein neuerer Stand für diesen Abschnitt wird voraussichtlich im Laufe der nächsten Wochen im Rahmen der öffentlichen Informationsveranstaltungen präsentiert. Wir werfen einen Blick auf die verfügbaren Unterlagen für die Biebricher Allee – wohl wissend, dass in naher Zukunft im Rahmen der Fachinformationsveranstaltung aktuellere Pläne veröffentlicht werden. Für einen ersten Blick und die Erklärung, wie die Haltestellengestaltung und der Baumbestand zusammenhängt.
Die Planungsunterlagen der CityBahn sind mit dem Stand 04. April 2018 online abrufbar. (Die Unterlagen selbst findet ihr hier: Link) Auf 23 einzelnen Lageplänen lässt sich hier der gesamte Verlauf der geplanten CityBahn von Mainz bis zur Hochschule nachvollziehen. Auch die Konzepte über die Anordnung des Straßenraumes und der Haltestellen sind enthalten – inklusive der Maße. Doch Vorsicht: Die Unterlagen sind nun mehrere Monate alt, seitdem hat sich einiges verändert. So wurden Ende Februar neue Unterlagen für den Abschnitt Hauptbahnhof – Hochschule präsentiert – gegenüber dem April-Planungsstand hat sich einiges getan. So wurde zum Beispiel eine zusätzliche Haltestelle eingeplant.
Planungsunterlagen der CityBahn, April 2018. Hier ein Ausschnitt der Biebricher Allee auf Höhe Heiligenbornstraße (oben) und Babelstraße (unten). Zu sehen ist sowohl der geplante CityBahn-Bahnkörper (rot), die geplante Straßenführung und auch die Bäume (graue Kreise). Die Maßangaben (schwarz) zeigen Breiten und Abstände an. (Quelle: www.citybahn-verbindet.de)
Die CityBahn soll auf der Biebricher Allee – wie an den meisten anderen Strecken auch – auf einem besonderen Bahnkörper fahren. Was das genau bedeutet und welche Vorteile und Chancen sich daraus auch für die Anwohner der Biebricher Allee ergeben, haben wir in einem separaten Artikel dargestellt.
Die Unterlagen sehen (Stnd 04/2018) auf der Biebricher Allee drei Haltestellen vor: Eine im Bereich der Fischerstraße, eine an der Ecke Biebricher Allee/2. Ring und eine dritte auf Höhe der Rudolf-Voigt-Straße. (Das heißt übrigens nicht, dass die heutigen Bushaltestellen entfallen – doch dazu ebenfalls in einem separaten Artikel mehr).
Was zum Zeitpunkt der Erstellung der Pläne noch nicht feststand, ist die konkrete Ausgestaltung der Haltestellen. Die Kernfrage ist hier: Wo genau liegen die Bahnsteige? Die zwei prinzipiellen Möglichkeiten Mittellage und Randlage haben beide Vor- und Nachteile sowie direkte Auswirkungen auf Verkehrsführung und Baumbestand. In den Unterlagen selbst sind beide Varianten zu finden – wir schauen uns beide im Detail an.
Bahnsteige in Mittellage
Planungsunterlagen der CityBahn, Stand: April 2018. Hier ein Ausschnitt der Biebricher Allee Ecke 2. Ring. Zu sehen ist ist die angedachte Haltestelle „Heuss-Ring/Sportpark“ mit Bahnsteigen in Mittellage. (Quelle: www.citybahn-verbindet.de)
Die Haltestelle „Theodor Heuss Ring“ ist in den Unterlagen exemplarisch in Mittellage dargestellt. Das heißt: Die Bahnsteige sind direkt an den CityBahn-Gleisen – die vorbeiführende Straße für den übrigen Verkehr wird außen herum geschwenkt.
Der Vorteil dieser Lage sind die im Vergleich geringeren Auswirkungen auf den Autoverkehr. Die Fahrgäste der CityBahn können den Bahnsteig dann per Ampel oder Zebrastreifen erreichen. Auch können Fahrgäste aussteigen, ohne direkt auf der Fahrbahn zu stehen und damit den Autoverkehr zu kreuzen.
Der Nachteil dieser Variante wird auf obiger Darstellung offenbar: Die Straße wird insgesamt breiter. Im Bereich der Rechtsabbiegerspur auf den Ring und unterhalb der Haltestelle schneidet die Straße dadurch die grauen Kreise – also die Bäume. Diese Bäume würden dann gefällt.
Bahnsteige in Seitenlage
Planungsunterlagen der CityBahn, Stand: April 2018. Zu sehen ist ist die angedachte Haltestelle „Rudolf-Vogt-Straße“ mit Bahnsteigen in Seitenlage. (Quelle: www.citybahn-verbindet.de)
Dem gegenüber steht eine Ausführung in Seitenlage. Heißt: In der Mitte die Gleise, dann die Straße, dann der Bahnsteig mit den Wartebereichen. Die Fahrgäste warten hier also zwischen den Bäumen, die Haltestellen werden entsprechend gepflastert. Fährt eine CityBahn ein, müssen allerdings die Autos zurückgehalten werden, idealerweise per Ampel. Schließlich steigen die Fahrgäste direkt auf der Fahrbahn aus.
Die Bäume allerdings bleiben stehen – denn warten kann man auch unter den Bäumen. Für Häuschen und Bänke gibt es schließlich genug Platz.
Gegenüberstellung der verschiedenen Varianten am Beispiel der Haltestelle „Theodor-Heuss-Ring“. Links: Mittellage aus den Planungsunterlagen, Mitte: Mittellage (schematisch). Rechts: Seitenlage (schematisch). (Mitte & Rechts: eigene Darstellungen auf Basis geoportal.wiesbaden.de) Es fehlt die schematische Darstellen eines Bahnsteiges mittig zwischen den Gleisen. Da hier sowohl Gleise als auch Straße nach außen geschwenkt werden müssen, ist der Platzbedarf größer als in den anderen Varianten.
Im direkten Vergleich werden die Unterschiede besser ersichtlich – hier am Beispiel der Haltestelle am Theodor-Heuss-Ring. Links ist der Ausschnitt aus den offiziellen Planungsunterlagen. Mitte und rechts die Haltestelle in schematischer Darstellung; die CityBahn-Gleise als grüne Linie, die Autofahrspuren als blaue Linie. Der Wartebereich als braune Box.
In der Mittellage (mittlere Darstellung) werden die Straßen nach außen verschwenkt – die rot markierten Bäume müssten dafür weichen. In Randlage können die Bäume (grün) bleiben.
Die Planer schlagen Haltestellen in Mittellage vor, sodass nur an den drei Haltestellen auf der Allee weniger als zehn bis fünfzehn Prozent der Bäume weichen und an anderer Stelle in Wiesbaden wieder gepflanzt werden müssten.
Die Planer favorisierten zunächst die Mittellage, da diese aus oben genannten Gründen weniger direkte Auswirkungen auf den Autoverkehr hat. Die Bürgerbeteiligung favorisiert allerdings klar die zweite Variante.
Für den Streckenverlauf über die Biebricher Allee forderten die Bürgerinnen und Bürger im Dialog eine Lösung, die den Baumbestand schont und den Alleecharakter der Straße bewahrt.
In beiden Varianten – Mittellage und Seitenlage – müssen die Fahrgäste irgendwann die Fahrbahn der Autos kreuzen, um zur Straßenbahn zu kommen. Der Unterschied ist nur der Zeitpunkt.
Liegen die Wartebereiche in Seitenlage, muss der Autoverkehr bei jeder haltenden CityBahn angehalten werden. Ob es dadurch deutlich mehr Ampeln auf der Biebricher Allee gibt, darf allerdings bezweifelt werden. So liegen die Haltestellen Fischerstraße und Heuss-Ring dort, wo heute bereits Ampeln stehen. Diese gilt es dann nur intelligenter zu takten.
Liegen die Wartebereiche in der Mitte, kann der Autoverkehr erst einmal unbeeindruckt weiterfließen, wenn eine Bahn hält. Die Fahrgäste können zeitversetzt über die Straße geführt werden. Wegen der Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h kommt dafür eigentlich nur eine Ampelschaltung in Frage. Mit einer intelligenten Schaltung kann hier aber darauf Wert gelegt werden, dass der Verkehrsfluss möglichst wenig beeinflusst wird.
Lediglich im Bereich der angedachten Haltestelle Rudolf-Vogt-Straße (auf Höhe von REWE) stehen heute keine Ampeln, hier kämen in beiden Fällen also welche hinzu. Das eröffnet allerdings auch eine neue Chance: Mit einer Ampel entstünde hier eine neue Kreuzungsmöglichkeit für Fußgänger, die zu REWE oder zur Apotheke wollen. Heute müssen sie entweder zur Haltestelle Gottfried-Kinkel-Straße oder zum Landesdenkmal, um die Biebricher Allee sicher zu kreuzen.
Uneindeutige Unterlagen sorgen für wenig Klarheit
Illustration der Biebricher Allee mit CityBahn. Zu sehen hier die Haltestelle in Randlage (zwischen den Bäumen). Die Straße führt hier zwischen Wartebereich und Bahn durch und wird für die Barrierefreiheit leicht angehoben. So kann es aussehen. (Bild: Klaus Trommer)
Ein Teil der kursierenden Fehlinformationen und Ängste ist vermutlich auch den nicht ganz eindeutigen und einheitlichen Veröffentlichungen der CityBahn GmbH geschuldet. Die Varianten und Favoriten haben sich im Laufe der Monate verändert; die veröffentlichten Unterlagen wurden nicht immer angepasst. So heißt es zum Beispiel in der Zusammenfassung des Bürgerdialogs:
Für die Biebricher Allee schlagen die Planer beispielsweise Haltestellen in Mittellage vor, sodass nur an den drei Haltestellen auf der Allee weniger als zehn bis fünfzehn Prozent der Bäume weichen und an anderer Stelle in Wiesbaden wieder eingepflanzt werden müssten.
Direkt darunter findet sich dann eine Darstellung der Bahnsteige in Seitenlage. Und obgleich die Bürgerbeteiligung ein klares Votum für die Seitenlage abgab, kursieren die „zehn bis fünfzehn Prozent der Bäume“ weiter – obwohl diese Angabe ja eben nur bei einer Ausgestaltung in Mittellage stimmt.
https://vimeo.com/315249175
Welche Bedeutung haben Bäume für die Stadt und sind neue Straßenbahnen vereinbar mit alten Baumbeständen? Ein Baum- und ein Verkehrsexperte vom BUND Naturschutz Berlin zum Thema Bäume und Straßenbahn.
Fazit: Wie viele Bäume sind es denn nun?
Als Zusammenfassung der vorigen Ausführungen lässt sich sagen: Wir wissen bald mehr. Denn die 10-15% der Bäume müssten dann weichen, wenn die Bahnsteige mittig gebaut werden. Klares Votum der Bürgerbeteiligung und auch unser Favorit ist die Ausführung in Seitenlage. Dann blieben diese Bäume stehen. Die Entscheidung – „Bäume erhalten“ oder „Autoverkehr leicht verbessern“ – ist aus unserer Sicht übrigens eindeutig.
Es gibt zwei kleine „Aber“: Erstens stehen sowohl am Anfang der Biebricher Allee (Höhe Fischerstraße) als auch am Ende (Höhe Wingertstraße) einzelne Bäume in der Straßenmitte. Auf Höhe Fischerstraße sind es zehn, auf Höhe Wingertstraße vierzehn. Ob die Bahn an diesen vorbeifahren kann, müsste nochmal gemessen werden. In den Planungsunterlagen sind diese Bäume jedoch für die Bahn entfernt – vermutlich, um die Biebricher Allee in diesen Abschnitten auch mit der CityBahn vierspurig zu erhalten. Das Erscheinungsbild der Biebricher Allee wird durch diese Bäume allerdings nicht geprägt.
Das zweite Aber betrifft das Wurzelwerk: Im Herbst 2018 wurde das Wurzelwerk untersucht – sowohl auf der Biebricher Allee als auch auf der Rheinstraße wurden sogenannte Wurzelsuchgräben gegraben. Zwar sollten die Ergebnisse der Untersuchung im Laufe des Herbsts veröffentlicht werden – sie liegen aber noch nicht vor. Hier kann es durchaus passieren, dass in Einzelfällen Wurzelwerk derart ungünstig gewachsen ist, dass es entfernt werden muss.
Beide Varianten – Mittel- und Seitenlage – lassen sich übrigens barrierefrei ausführen. In der Mittellage fährt die Bahn einfach zentimetergenau an den Bahnsteig. In Seitenlage müssen sich dafür Straße und Einstiegshöhe der Bahn auf derselben Höhe befinden – auch das ist kein Problem, wie das Beispielfoto aus Freiburg zeigt. Ob dafür die Straße erhöht oder die Trasse der Bahn abgesenkt wird, bleibt abzuwägen. Der Effekt ist derselbe.
Exkurs: Vor- und Nachteile von Mittel- und Seitenlage der Gleise
Klassische Seitenlage.Der aktuelle Planungsstand für die Biebricher Allee: Die Gleise laufen in MittellageAuch eine Variante: Die Gleise laufen in gespreizter Lage.
Neben der Frage, ob die Bahnsteige der CityBahn in der Biebricher Allee in Mittel- oder Seitenlage liegen, lässt sich diese Frage auch für die Gleise generell stellen. Die allgemeinen Möglichkeiten Mittellage, Seitenlage und gespreizte Lage sind oben schematisch dargestellt. Alle Varianten haben ihre eigenen Vor- und Nachteile – dennoch sind einige deutlich häufiger anzutreffen; die gespreizte Lage hingegen fast nie. Bestimmende Rahmenbedigungen sind hier hauptsächlich die Bewertung des Unfallrisikos, der zur Verfügung stehende Platz, der Verkehrsfluss der verschiedenen Teilnehmer und die Stadtgestaltung.
Direkte Auswirkung hat die Gestaltung für den Fahrgastwechsel – denn in der gespreizten Lage fährt die Straßenbahn in jede Richtung am Straßenrand, ein Kreuzen der Straße durch die Fahrgäste daher nicht notwendig. In Mittellage kreuzen die Personen immer eine Auto-Fahrspur; in Seitenlage zumindest von einer Seite. Die gespreizte Lage hat allerdings den Nachteil, dass hier die möglichen Beeinträchtigungen der Straßenbahn durch abbiegenden MIV, liegengebliebene oder ’nur mal eben haltende‘ Fahrzeuge und Lieferverkehr am größten sind.1vgl. U. Vismann (2015) in: Bautechnische Zahlentafeln, S. 1313. Gleichzeitig ist in den Varianten, in denen beide Autospuren direkt nebeneinander verlaufen (Seiten- und gespreizte Lage) der MIV weniger anfällig für Pannenfahrzeuge: diese lassen sich dann durch Ausweichen in die Gegenfahrbahn umfahren.
Zum Unfallrisiko der Varianten
Unfallrisiken bestehen vor allem dann, wenn sich die Wege verschiedener Verkehrsteilnehmer kreuzen. An Kreuzungen entstehen dort, wo sich die möglichen Pfade Kreuzen oder ineinander münden Konfliktpunkte. Je nach Ausgestaltung der Kreuzung sind dies mal mehr, mal weniger – deshalb ist ein Kreisverkehr in der Regel auf sicherer als eine normale Kreuzung. Faustformel ist hier: Je weniger Konfliktpunkte, desto sicherer die Kreuzung für die Verkehrsteilnehmer.2Neben der bloßen Anzahl der Konfliktpunkte spielen natürlich auch andere Faktoren wir die Anzahl an Fahrzeugen, deren Geschwindigkeit, deren Fahrtrichtung, Sichtverhältnisse, (…) eine Rolle. Je nach dem, ob die Gleise der Straßenbahn nun mittig, seitlich oder gespreizt liegen, entstehen mehr oder weniger Konfliktpunkte – die denkbaren Varianten sind hier schematisch dargestellt. Für die Biebricher Allee sind vor allem die Einmündungen in die Anliegerstraßen interessant, da an größeren Kreuzungen auch heute schon per Ampel gesteuert wird.
Die Fahrpuren (Auto) sind in schwarz dargestellt, die CityBahn blau und die Konfliktpunkte in rot.
Bild 1: Normale T-Kreuzung, wie sie heute beispielswese die Einmündungen in die Anwohnerstraßen darstellen.
Bild 2: T-Kreuzung mit CityBahn-Gleisen in gespreizter Lage.
Bild 3: T-Kreuzung mit CityBahn-Gleisen in Mittellage. Die linke Variante (ohne Linksabbieger) lässt einen durchgehenden, besonderen Bahnkörper zu.
Bild 4: T-Kreuzung mit CityBahn-Gleisen in Seitenlage. Die Kreuzung geht auf der Auto-Seite der Straße ab, berührt die Gleise also nicht.
Bild 5: T-Kreuzung mit CityBahn-Gleisen in Seitenlage. Die Kreuzung geht auf der Bahn-Seite der Straße ab, berührt die Gleise also beide Gleise. Beim Abbiegen muss auf Bahnen in beide Fahrtrichtungen geachtet werden.
Aus den schematischen Darstellungen lassen sich schon einige Aussagen über Unfallrisiken ableiten. Bei Gleisen in gespreizter Lage werden, egal in welcher Konstellation, immer Bahngleise gekreuzt. Gleichzeitig ist hier aber die Fahrtrichtung klar – beim Einbiegen auf die Hauptstraße kommen Autos und Bahn aus derselben Richtung (von links). Beim Einbiegen in die Anliegerstraße muss lediglich auf die Bahn von hinten geachtet werden.
Gleise in Seitenlage bieten die Möglichkeit, dass zumindest eine Seite der Straße (die Bahn-abgewandte Seite) mit Kreuzungen ausgestattet werden kann, die die Gleise nicht berühren (Bild 4). Die Konfliktpunkte entsprechen hier denjenigen einer normale T-Kreuzung ohne Bahn. Auf der Gegenseite (Bild 5) müssen dafür beide Gleise gekreuzt werden. Führen die Gleise hingegen in Mittellage (Bild 2), gibt es entweder die wenigsten oder die meisten Konfliktpunkte: Je nach dem, ob Linksabbiegen erlaubt wird oder nicht.
Untersuchungen der Gesellschaft Deutscher Versicherer deuten darauf hin, dass die Unfallhäufigkeit an Straßen mit Trams in Mittellage signifikant höher ist als an Straßen mit Seitenlage.3https://www.gdv.de/de/medien/aktuell/unfallrisiko-strassenbahn-12002 Genannte Ursache ist hier eine für die anderen Teilnehmer unübersichtlichere Kreuzung. Daher empfiehlt die GDV für Kreuzungen hier
Das Wenden und Abbiegen von Kraftfahrzeugen ist möglichst eindeutig mit Ampeln zu sichern oder baulich bzw. verkehrstechnisch zu unterbinden. Straßenbahnen sollten an Ampelkreuzungen gesonderte Phasen erhalten, damit es zu keinen Konflikten mit Autofahrern kommt.
Oberste Planungsprämisse für die Biebricher Allee ist der Erhalt möglichst vieler Bäume.
C. Müller, Mailänder Consult
Die Planungen für die Biebricher Allee sehen eine Führung in Mitellage vor. Neben den oben genannten Vor- und Nachteilen hat diese Führung hier einen wesentlichen Grund: die Bäume. Denn in einer seitlichen Führung sind die Auswirkungen auf das Wurzelwerk deutlich größer; die in die Straße hineinragenden Äste müssten deutlich stärker beschnitten werden.
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Änderungen dieses Artikels
Die Planung der CityBahn fließt – das heißt, dass sich Details, Rahmenbedingungen und Erkenntnisse ändern können. Auch sind wir in Recherche und Aufarbeitung natürlich nicht vor Fehlern gefeit. Wir arbeiten die neuen Erkenntnisse in die bestehenden Artikel ein – um dennoch transparent zu bleiben, findet ihr hier eine Übersicht über die Änderungen dieses Artikels.
17. März 2019: Einarbeitung des Exkurses zur gespreizten, Mittel- und Seitenlage der Gleise.
Neben der bloßen Anzahl der Konfliktpunkte spielen natürlich auch andere Faktoren wir die Anzahl an Fahrzeugen, deren Geschwindigkeit, deren Fahrtrichtung, Sichtverhältnisse, (…) eine Rolle.