15.12. – Avignon und die „Straßenbahn des Glücks“

Heute blicken wir in eine Stadt, die schon durch ihr Stadtbild Geschichte ausstrahlt. Eine hohe Stadtmauer umschließt den Stadtkern. Hier steht der Palast, in dem im 14. Jahrhundert der Papst residierte. Türme und Zinnen bestimmen die Silhouette der Altstadt. Die Rede ist von der südfranzösischen Stadt Avignon, am Zusammenfluss der Rhône und der Durance gelegen. Hier leben rund 93.000 Einwohner, davon rund 15.000 in der Altstadt. Nach Einwohnerzahlen steht Avignon damit auf Platz 46 in Frankreich. 

Straßenbahn Avignon Haltestelle
Reger Andrang herrscht am Eröffnungstag der neuen Straßenbahn an der Haltestelle Gare Centre (Foto: Bernhard Kußmagk)

Genau vor 2 Monaten am 19. Oktober 2019 schlug die Stadt ein neues Kapitel in Ihrer Geschichte auf. Mit einer ersten 5,2 Kilometer langen Linie wurde Avignon die 27. Stadt in Frankreich mit einer Straßenbahn. Noch ist sie damit der zweitkleinste Straßenbahnbetrieb in Frankreich (nach Aubagne). Eine zweite Linie soll aber in drei Jahren folgen, wenn Corona keinen Strich durch die Rechnung macht. Nicht nur für die Einwohner Avignions war die Eröffnung ein besonderer Tag. Auch die Sängerin Mireille Mathieu, 1946 in Avignon geboren aber mittlerweile mit Wohnsitz in Paris, war bei der Eröffnung dabei. Ihr Portrait ziert jetzt einen der 14 neuen Straßenbahnwagen, von denen jeder an eine für die Stadt bedeutende Persönlichkeit erinnert. Am Eröffnungstag freute sich die als „Spatz von Avignon“ bekannte Sängerin sichtlich über die neue Straßenbahn. Die Straßenbahnen böten eine gute Aussicht, seien ökologisch und somit ein Segen für die Stadt1https://youtu.be/ckTZId2Szoo.

„C’est le tramway du bonheur“ 

Mireille Mathieu
Stadttor Avignon
Mittelalter und moderne Straßenbahn treffen in Avignon zusammen. Hier an einem der sieben Haupttore der Stadtmauer, die als besterhaltenes Exemplar gilt (Foto: Bernhard Kußmagk)

Avignons erste Linie mit zehn Haltestellen verbindet die gewachsene Stadt mit der Altstadt. Von Saint-Chamand führt sie bis ans Rhône-Ufer bei Saint-Roch. In vier Jahren soll sie um 3,2 km entlang der Stadtmauer bis nach Saint-Lazare erweitert werden. Mit 26 Meter Länge sind die eingesetzten Straßenbahnwagen des Typs Alstom Citadis X05 Compact zwar vergleichweise kurz – fassen aber noch immer mehr Fahrgäste als ein 18-Meter langer Gelenkbus. Mit einer Breite von 2,40 Meter passen die Bahnen auch durch enge Straßen. Dieser Aspekt ist jetzt schon wichtig und wird mit dem Ausbau des Netzes an Bedeutung gewinnen. Dann soll nämlich auch ein Streckenast in die Altstadt geführt werden.

Straßenbahn in engem Straßenzug
Die 2,40 Meter breiten Straßenbahnen passen auch in enge Straßenzüge, wie hier in der Avenue Saint Ruf, zwischen den Haltestellen Arrousaire und Place Saint Ruf (Foto: Bernhard Kußmagk)

Im Gegensatz zu Elektrobussen verkehren die Straßenbahnen den ganzen Tag durch die Stadt – ohne schwere Batterien und Abhängigkeit von Ladezeiten. Es ist daher ein Glück, dass sich das Stadtparlament doch noch für den Bau der Straßenbahn entschieden hat, nachdem diese zu einem politischen Spielball geworden war. Politiker denken in Legislaturperioden. Eine Straßenbahnstrecke muss aber erstmal geplant und genehmigt werden, bevor sie realisiert werden kann. Dies ist bei Straßenbahnprojekten ein längerer Prozess als die Bauzeit selbst. Ändern sich in dieser Zeit die Mehrheitsverhältnisse im Stadtparlament, kann ein Straßenbahnprojekt wieder in Frage gestellt sein. Im Frühjahr 2014 stand auch Avignon vor dieser Situation. Zum Glück war der Stadtrat hier so besonnen eine Studie erstellen zu lassen, um die Konsequenzen eines Ausstiegs aus dem Straßenbahnprojekt prüfen zu lassen. Die Studie kam zu dem Schluss, dass Busse auf eigenen Trassen nur unwesentlich niedrigere Kosten als die Straßenbahn verursacht hätten. Im Falle eines Ausstiegs aus dem Straßenbahnprojekt hätte die Stadt aber 70-80 Millionen Euro verloren. 

Nach zwei Monaten Betrieb ist es noch zu früh, den Erfolg der neuen Straßenbahn zu beurteilen. Erfahrungen aus anderen französischen Städten lassen aber erwarten, dass die Straßenbahn bei der Bevölkerung gut ankommt und bald Wünsche nach einem weiteren Ausbau laut werden.

Rasengleis
Auf Rasengleis fährt die neue Straßenbahn in Avignon an der Stadtmauer entlang (Foto: Bernhard Kußmagk)

Der Autor dankt Bernhard Kußmagk für die Bereitstellung und Nutzungsrechte des Bildmaterials.

12.12. – Caen: Von der Gummibahn zur Straßenbahn

Sie ist das neue „Ungeheuer von Loch Ness“: Die chinesische Straßenbahn ohne Schienen, die immer mal wieder zu nachrichtenschwachen Zeiten in den Medien auftaucht. Neu oder gar bahnbrechend ist die Straßenbahn auf Gummireifen nicht, wie unser heutiger Blick auf die französische Stadt Caen zeigt. Dort fuhr 15 Jahre lang ein als „Transport sur voie réservée“ (TVR) bezeichneter spurgeführter Doppelgelenkbus. Aufgrund anhaltender Probleme wurde Caen mit diesem System aber nie glücklich. Nach dem Motto „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ entschied sich die Stadt 2014 den Betrieb der TVR-Spurbusse einzustellen und durch eine richtige Straßenbahn zu ersetzen. Am 27. Juli 2019 eröffnete Caen seine neue Straßenbahnstrecke. Damit ist Caen die 23. Stadt in Frankreich, die seit 1985 die Straßenbahn wieder eingeführt hat. 

Spurbus und Straßenbahn
Zwei Jahre liegen zwischen diesen beiden Aufnahmen am Bahnhof von Caen: Links der Spurbus TVR und rechts die Straßenbahn (Fotos linkes Bild: Cramos, TVR n°521 de Caen à la gare SNCF par Cramos, CC BY-SA 4.0, rechtes Bild: Bernhard Kußmagk)

Bahn ohne Schienen: Versprechen und Wirklichkeit

Um zu erklären, wie es zu diesem Sinneswandel kam, muss man etwas zurückblicken. Schon 1937 wurde in Caen der Straßenbahnbetrieb zugunsten des Auto- und Busverkehrs stillgelegt. Nach dem Krieg wurde die Stadt mit breiten Straßen autogerecht ausgebaut. Ende der 1980er Jahre merkte man in Caen, dass ein leistungsfähigeres Nahverkehrssystem als der Bus gebraucht wurde. Zur gleichen Zeit testete die Firma Bombardier gerade ihr TVR-System mit spurgeführten Doppelgelenkbussen. Wie bei der chinesischen Straßenbahn ohne Schienen versprach der Hersteller ein System das die Vorteile der Straßenbahn mit geringeren Investitionskosten erreicht. Statt zwei Schienen wurde nur eine Schiene zur Spurführung benötigt. Das Gewicht des Fahrzeugs ruht auf herkömmlichen Busreifen. Als Vorteil wurde auch die Flexiblität gepriesen, da das Fahrzeug den spurgeführten Bereich verlassen kann und dann vom Fahrer gelenkt wird. Voraussetzung dafür ist aber entweder ein separater Dieselantrieb oder eine bei Oberleitungsbussen gebräuchliche doppelpolige Oberleitung. Auch wenn es aus Imagegründen als Straßenbahn bezeichnet wurde, war die „Tramway sur Pneus“ eher ein spurgeführter Oberleitungsbus.

Der Spurbus TVR, wie er bis Ende 2017 in Caen fuhr. Deutlich ist vorne zu erkennen, dass er auf normalen Busreifen fährt und immer die selbe Spur des Straßenbelags belastet. (Bild: Caen flickr photo by Patrick Müller shared under a Creative Commons (BY-NC-ND) license)

Offenbar sind gerade in Städten, die sich früh von der Straßenbahn getrennt haben, die Vorbehalte gegenüber diesem Verkehrsmittel besonders groß. Während im 300 Kilometer entfernten Nantes bereits 1985 wieder die Straßenbahn eingeführt wurde, setzten die Stadtväter von Caen auf den neuen Wunderbus. In Ihrer Euphorie schlugen sie Warnungen vor dem noch nicht ausgereiften System und den langfristigen Folgen in den Wind 1http://www.fea-frauenfeld.ch/caen—vom-pneutram-zum-richtigen-tram.html. Kurzfristige Einsparungen, wie der Verzicht auf Eisenschienen, mussten aufgrund von mittelfristig auftretenden Kosten, wie der Beseitigung von tiefen Spurrillen im Straßenbelag teuer bezahlt werden 2 https://de.wikipedia.org/wiki/TVR_Caen. Bei einem reinen batteriegetriebenen System wie dem chinesischen Spurbus, müssten auch alle paar Jahre die hochpreisigen Batterien getauscht werden. Ein weiterer Nachteil von Spurbussystemen ist die fehlende Möglichkeit die Kapazität durch längere oder zusammengekuppelte Fahrzeuge zu erweitern, da die Länge gesetzlich begrenzt ist. Schließlich macht man sich mit einem speziellen System von einem Hersteller abhängig. Alle diese Probleme machten dem Spurbus in Caen und einem ähnlichen System in Nancy zu schaffen. Die Abhängigkeit von einem Hersteller erwies sich als fatal, als Bombardier 2004 mangels Erfolg die Produktion seiner 25 Meter langen TVR-Busse einstellte und somit auch keine Ersatzteile mehr lieferte. Vier Jahre nach Inbetriebnahme zeichnete sich damit schon ab, dass die Gummibahn in Caen nicht von Dauer sein würde. 

In 18 Monaten zur echten Straßenbahn

In Caen hat man für den spurgeführten Bussen viel Lehrgeld bezahlt. Ende 2017 fuhr der letzte Spurbus, anschließend wurden die Anlagen abgebrochen um Platz für eine richtige Straßenbahn zu machen. Die verbliebenen Spurbusse wurden nach Nancy abgegeben, wo sie als Ersatzteilspender dienen bis auch dort eine richtige Straßenbahn fährt. Auch in Caen bewahrheitete sich die Aussage, dass die reine Bauzeit einer neuen Straßenbahnstrecke „selten länger als anderthalb Jahre dauert“ 3 GRONECK, Christoph (2003): Neue Straßenbahnen in Frankreich. EK-Verlag, S.17. Denn bereits am 27. Juli 2019 konnte das neue 16,2 km langes Tramnetz mit 3 Linien eröffnet werden. Die Bauzeit für die Spurbustrasse war seinerzeit mit 3 Jahren doppelt so lang gewesen.

Straßenbahn in Caen - historisches Umfeld
Die neue Straßenbahn von Caen passt ins historische Umfeld des Place Saint-Pierre. Ein Straßenbahnzug hat das Fassungvermögen von 150 durchschnittlich besetzter Pkw (Foto: Bernhard Kußmagk)

In Frankreich ist die Straßenbahn nicht nur ein Verkehrsmittel um bequem von A nach B zu kommen. Mit dem Bau der Strecke werden auch Stadträume aufgewertet. Da sich Straßenbahnschienen mit den verschiedensten Materialien – wie Steinplatten, Pflasterungen oder Vegetation – kombinieren lassen, gibt es zahllose Möglichkeiten zur Integration ins Stadtbild. So ist in Caen die Hälfte der Strecke jetzt als Rasengleis ausgeführt. Auch die Straßenbahnwagen, mit ihrem schicken Design und in Frankreich fast immer ohne Werbung, dienen nicht nur der Aufnahme der Fahrgäste sondern auch der Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt. Wie in vielen anderen französischen Städten konnten daher auch die Bürger von Caen über das Design der neuen Straßenbahnen abstimmen4http://www.tramway.at/caen/caen.html.

Straßenbahn Caen Wohnbebauung
Mit ihrer Rasentrasse fügt sich die neue Straßenbahn von Caen auch in Wohnumfeld ein. Hier aufgenommen an der Avenue de la Grande Cavée, westlich der Endhaltestelle Hérouville Saint-Clair (Foto: Bernhard Kußmagk)

Kein großer Preisunterschied

War die Straßenbahn auf Stahlrädern jetzt wirklich so viel teuer als die „Tramway sur Pneus“? Nein, denn für den Bau der Spurbusanlagen mussten schon im Jahr 2002 samt Fahrzeugen 227 Mio Euro bezahlt werden 5https://en.wikipedia.org/wiki/Caen_Guided_Light_Transit. Die 1,5 km längeren Straßenbahnstrecken kosteten 2018 rund 250 Mio. Euro, dazu kamen rund 51,5 Millionen Euro für die neuen leistungsfähigeren Straßenbahnwagen 6https://de.wikipedia.org/wiki/Stra%C3%9Fenbahn_Caen. In Frankreich betrug die Preissteigerung zwischen 2002 und 2018 rund 25% 7z.B. zu berechnen auf https://www.laenderdaten.info/Europa/Frankreich/Inflationsraten.php. Bei heutigem Geldwert lagen die Bau- und Fahrzeugkosten für den Spurbus also bei rund 283 Mio. Euro. Vergleicht man nun noch die Lebensdauer der beiden Systeme (15 Jahre für den Spurbus, mindestens 30 Jahre für die Straßenbahn) hat sich in Sachen Spurbus das Sprichwort „Wer billig kauft, kauft teuer“ bewahrheitet. 

Der Autor dankt Bernhard Kußmagk für die Bereitstellung und Nutzungsrechte des Bildmaterials.

Straßenbahnen steigern den Immobilienwert

„Die Studie hat gezeigt, dass Immobilieneigentümer über höhere Mieteinnahmen und einen höheren Gebäudewert von einer vorhandenen ÖPNV-Erschließung profitieren – ein positiver externer Effekt.“

Ökonomischer Mehrwert von Immobilien durch ÖPNV-Erschließung (= BBSR-Online-Publikation, Nr. 11/2015). S.39

Familie Giese sucht eine neue Wohnung, da Nachwuchs unterwegs ist. Neben Grundriss und Zustand der Wohnung ist die Lage für die Gieses ein wichtiges Kriterium. Von der Wohnung sollen Einkaufsmöglichkeiten und der öffentliche Nahverkehr fußläufig erreichbar sein. Obwohl Familie Giese einen Pkw besitzt, ist für sie ein guter Nahverkehrsanschluss unverzichtbar. Schließlich kann immer nur ein Ehepartner das Auto nutzen. Für viele Wege lohnt sich auch die Parkplatzsuche nicht. „Da ist man mit dem Fahrrad oder dem Bus schneller“, sagt Frau Giese. Wenn die Kinder größer sind, sollen sie nicht aufs „Elterntaxi“ angewiesen sein, sondern selbstständig unterwegs sein können. Außerdem wollen die Gieses nicht vom Auto abhängig sein. Denn niemand weiß, ob irgendwann körperliche Gebrechen die Fahrtauglichkeit einschränken und ob Autofahren in Zukunft noch so billig sein wird wie heute.

Mietangebot mit Nennung der CityBahn
Die CityBahn ist für Immobilien ein positiver Standortfaktor – genauso wie fußläufige Einkaufsmöglichkeiten (Foto: Bürger Pro CityBahn)

Wie Familie Giese geht es vielen Menschen, die eine Wohnung zur Miete oder zum Kauf suchen. Das hat auch die Immobilienwirtschaft erkannt. Ein guter Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr ist beim Rating einer Immobilie ein deutlicher Pluspunkt 1Verband deutscher Pfandbriefbanken e. V. (Hrsg.): Objekt-und Marktrating, 2005, S.34. PDF-Datei. Dabei spielt die Attraktivität, sprich das Fahrtenangebot und die Fahrtdauer zu wichtigen Punkten wie der Innenstadt oder dem Bahnhof, eine wichtige Rolle. Eine im Auftrag des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt und Raumforschung erstellte Studie 2Ökonomischer Mehrwert von Immobilien durch ÖPNV-Erschließung (= BBSR-Online-Publikation, Nr. 11/2015). kommt zu dem Ergebnis, dass deutliche Verbesserungen des Nahverkehrs den Wert von Bestandsimmobilien erhöhen. Für die Studie wurden die Immobilienpreise vor und nach Maßnahmen zur Verbesserung des Nahverkehrsangebots – z.B. dem Bau neuer Straßenbahnstrecken – verglichen. Untersucht wurden dabei sowohl Städte, die kleiner als Wiesbaden sind (Kassel, Erfurt, Saarbrücken und Ulm) als auch deutlich größere Städte (Stuttgart und Berlin).

Schnellere Erreichbarkeit erhöht die Zahlungsbereitschaft

Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist die Bereitschaft von Mietern und Käufern, zugunsten einer schnelleren Erreichbarkeit einer Immobilie mit öffentlichen Verkehrsmitteln einen höheren Preis zu zahlen:

„Der Anteil der ÖPNV-Angebotsqualität an der Miet- und Kaufpreisbildung liegt bei rund 4%. Eine Reduzierung der Reisezeiten um 15 Minuten, was z.B. der Verkürzung der Zugangswege zur Haltestelle um 1.000 Meter durch den Bau einer neuen Haltestelle entspricht, korrespondiert je nach Modell mit um 3,4% bis 4,8% höheren Mieten und mit um 4,0% bis 4,7% höheren Kaufpreisen, wobei sich größere Unterschiede zwischen den verschiedenen Städten und Verkehrssystemen (Schiene/Bus) ergeben.“

Ökonomischer Mehrwert von Immobilien durch ÖPNV-Erschließung (= BBSR-Online-Publikation, Nr. 11/2015). S. 5

Der Anschluss an ein schienengebundenes Verkehrsmittel, wie eine Straßenbahn oder U-Bahn, wirkt sich hierbei besonders positiv auf den Wert einer Immobilie aus:

„Die Untersuchung verschiedener Verkehrssysteme führte zu dem Ergebnis, dass die preislichen Effekte bei einem schienengebundenen ÖV-Angebot deutlich höher ausfallen als bei einer Busbedienung (etwa Faktor 3 für Berlin und Stuttgart) […] Davon ausgehend, dass die meisten Wohnungen in Gebieten mit „hoher Nutzungsdichte“ liegen, führt die Erschließung von Quartieren mit Schieneninfrastruktur zu Preiseffekten von 5-6% und die Erschließung mit Businfrastruktur zu Preiseffekten von 1-2%.“

Ökonomischer Mehrwert von Immobilien durch ÖPNV-Erschließung (= BBSR-Online-Publikation, Nr. 11/2015). S. 19ff

Dies liegt zum einen daran, dass schienengebundene Verkehrsmittel leistungsfähiger, komfortabler und meist auch schneller sind als Busse. Zum anderen garantieren sie auch, dass eine Haltestelle auch in Zukunft noch besteht, während eine Buslinie leichter verlegt oder eingestellt werden kann.

Auch wer Bus und Bahn nicht nutzt, profitiert

Auch wer die verbesserte Nahverkehrsverbindung nicht unmittelbar nutzt, profitiert als „externer Nutzer“ von der

  • Rückfallebene (für den Fall, das kein Auto zur Verfügung steht)
  • Straßenentlastung (da die Fahrgäste nicht mit dem Auto unterwegs sind)
  • von der besseren Erreichbarkeit und dem geringeren Parkplatzbedarf bei Geschäften, Arbeitsplätzen oder Freizeiteinrichtungen

Positive Effekte strahlen dabei auf die gesamte Stadt aus:

„Die erhöhte Erreichbarkeit dieses Gebietes dient aber nicht nur den Gebietsansässigen, sondern erhöht auch den Wert des Netzes für die nicht gebietsansässigen Haushalte – schließlich hat jeder Weg einen Ausgangspunkt und ein Ziel. Insofern ist es plausibel anzunehmen, dass sich auch der Wert aller Gebäude innerhalb des ÖPNV-Netzes erhöht, wenn auch durch eine Einzelmaßnahme sicherlich für die meisten Gebäude nur geringfügig.“

Ökonomischer Mehrwert von Immobilien durch ÖPNV-Erschließung (= BBSR-Online-Publikation, Nr. 11/2015). S. 45

Angesichts der Ergebnisse der bundesweiten Studie wundert sich die Bürgerinitiative „Pro CityBahn“, dass der Interessenverband der Wiesbadener Immobilieneigentümer „Haus und Grund“ das Projekt CityBahn bereits vor Bekanntwerden der konkreten Streckenführung vehement abgelehnt hat.3 Verein „Haus & Grund“ Wiesbaden plädiert für geänderte Stellplatzsatzung / Gegen City-Bahn (Wiesbadener Kurier, 25.11.2017)

Verzicht auf CityBahn träfe Immobilieneigentümer gleich doppelt

Der Verzicht auf die CityBahn würde Immobilieneigentümer gleich doppelt treffen. Nicht nur die Wertsteigerung fiele weg – ein weiterer Anstieg des Autoverkehrs würde auch die Wohnsituation an den Hauptverkehrsstraßen weiter verschlechtern.

Straßenbahn in der Leonardo-da-Vinci-Allee in Frankfurt am Main
Im Jahr 2003 eröffnete Straßenbahn zum Frankfurter Rebstockbad. Die Straßenbahn war Voraussetzung für die Neubaugebiete „City West“ und „Rebstockpark“ (Foto: Bürger Pro CityBahn)

Ohne CityBahn sinkt auch die Chance, die aufgrund des Nachfrageüberhanges4vgl. Immobilienpreise und Mietspiegel Wiesbaden auf Capital.de dringend benötigten Neubaugebiete zu entwickeln. Für viele Investoren ist ein leistungsfähiger Nahverkehrsanschluss Voraussetzung für ihr Engagement – erhöht sie doch deutlich die Vermarktungschancen. Selbst in Frankfurt am Main, wo der Immobilienmarkt boomt, war die vertragliche Zusicherung eines Straßenbahn- bzw. U-Bahnanschluss Vorbedingung für die Entwicklung der Neubaugebiete Rebstock, Frankfurter Bogen, Riedberg und Europaviertel. Auch für das Projekt „Ostfeld“ in Wiesbaden erscheint eine Erschließung ohne ein leistungsfähiges Verkehrsmittel wie eine Straßenbahn schwer vorstellbar.

Und die Mieter – sind sie die Leidtragenden, wenn Immobilienbesitzer von der Wertsteigerung profitieren? Nein, denn laut Studie wird nur ein Teil des erzielten Nutzens auf die Miet- oder Kaufpreise durchgereicht.

„Im Ergebnis dieser einfachen Rechnungen werden 1/5 des Nutzens der Fahrgäste aus der (verbesserten) ÖPNV-Erschließung über die Miete auf die Immobilieneigentümer durchgereicht. Das Ergebnis ist übertragbar auf die Kaufpreise.“

Ökonomischer Mehrwert von Immobilien durch ÖPNV-Erschließung (= BBSR-Online-Publikation, Nr. 11/2015). S. 44

Auch Mieter und Käufer profitieren daher als aktive oder externe Nutzer von der CityBahn.