09.12. – Hamburg: „Ottensen macht Platz“

Die Notwendigkeit der Verkehrswende wurde vielerorts erkannt. Daher finden an zahlreichen Orten in Deutschland, Europa und weltweit verschiedene Pilotprojekte, Feldversuche und auch bereits dauerhafte Maßnahmen, die darauf abzielen, die Mobilität neu zu organisieren. Weg von einer stark auf das eigene Auto ausgelegten Mobilität, hin zu einer Mobilität, in der der Umweltverbund die Mehrheit aller Wege ausmacht.

Was in Wiesbaden die Fußgängerzone in der Wellritzstraße, ist in Hamburg „Ottensen macht Platz“. Dieses Projekt möchten wir euch hier im Rahmen unseres Adventskalenders vorstellen.

„Ottensen macht Platz“

Im Februar dieses Jahres hat die Altonaer Bezirksversammlung aus dem Experiment eines autoarmen Quartiers ein dauerhaftes Verkehrsmodell gemacht, das auch Auswirkungen auf zukünftige verkehrspolitische Maßnahmen in Deutschland drittgrößter Stadt haben kann.

Seit September 2019 lief im 35.5000 Einwohnende zählenden Distrikt Hamburg-Ottensen, ein Teil des Bezirks Altona, die Verkehrsberuhigungsmaßnahme als Modellprojekt. Testweise wurden sechs Monate lang fünf Straßenzüge für den motorisierten Individualverkehr gesperrt. So konnten u.a. die bereits existierende kleine Fußgängerzone in der Ottenser Hauptstraße, der Spritzenplatz und der Alma-Wartenberg-Platz miteinander verbunden werden.

Projektsgebiet mit Darstellungen von Lieferwegen und sog. Pick-up Points
© Bezirksamt Altona (https://ottensenmachtplatz.de/ueber-das-projekt/)

In dieser Versuchszeit galten die Bestimmungen wie in jeder anderen „normalen“ Fußgängerzone: Be- und Entladen war zwischen 23.00 und 11.00 Uhr erlaubt, Taxis und Marktbeschicker dürfen auch einfahren, genauso Autobesitzende mit Sondergenehmigung (z.B. aufgrund eines privaten Stellplatzes oder Schwerbehinderte).1Ottensen macht Platz: https://ottensenmachtplatz.de/ueber-das-projekt/ Ansonsten blieb der Bereich für Autos und Lkws gesperrt.

Für die Anwohnenden im Projektgebiet, die keinen privaten Stellplatz haben, wurden in umliegenden Parkhäusern vergünstigte Konditionen für Dauerstellplätze verhandelt.

Wie findet Ottensen das?

Während zur Halbzeit des Modells im November 2019 Medien aus dem ganzen Land über den Stadtteil und das Modellprojekt berichteten, hielt sich die Akzeptanz vor Ort vordergründig in Grenzen. Einer nicht repräsentativen Umfrage zufolge fanden nur 15% der Befragten den Zwischenstand gut oder sehr gut.2Artikel über Umfrage von FINK.HAMBURG: https://fink.hamburg/2019/10/ottensen-ist-autofrei-das-sagen-die-anwohner-und-ladenbesitzer/ Wenn man sich dann aber zitierte Aussagen von Befragten in der gleichen Umfrage durchliest, fällt auf, dass die mehrheitliche Meinung ein autofreies Ottensen zu befürworten scheint.

Wir haben eher ein positives Gefühl, dass die Leute sehr viel entspannter sind, weil sie Platz haben zum Laufen. […] Du bist halt sehr limitiert vom Platz her und das macht meiner Meinung nach immer schlechte Laune.

Alexandra Herzog, Filialleiterin eines Modegeschäfts im Projektgebiet3aus SPIEGEL-Bericht bei Facebook: https://www.facebook.com/DerSpiegel/videos/526923478155091

Woran sich viele zu stören schienen, war nicht die autofreie Zone an sich, sondern die Art der Umsetzung. So beklagte der Geschäftsführer eines Möbelgeschäfts sich über die triste Gestaltung der Versuchszone.

Natürlich sollen keine fest installierten Sitzinseln für sechs Monate hingestellt werden. Aber man kann zumindest Palmen oder Rhododendren aufstellen.

Marcus Krützfeldt, Geschäftsführer „Der Schaukelstuhl“4Ottensen ist autofrei: Das sagen die Anwohner und Ladenbesitzer: https://fink.hamburg/2019/10/ottensen-ist-autofrei-das-sagen-die-anwohner-und-ladenbesitzer/

Es gab auch Gegenstimmen. So klagte der Inhaber einer Textilreinigung in einem SPIEGEL-Bericht über Umsatzeinbußen. Eine Anwohnerin gründete sogar eine Bürgerinitiative, um „Ottensen macht Platz“ und die Autofreiheit des Projektgebiets teilweise zurückzudrehen, weil laut ihrer Aussage Anwohnende und Gewerbetreibende unnötig eingeschränkt würden.

So sah die Ottenser Hauptstraße zwischen Mottenburger Straße und Bahrenfelder Straße früher aus. (Bild: Raser in Ottensen, flickr photo by www.sommer-in-hamburg.de, shared under a Creative Commons (CC BY-SA 2.0) license)

Im Vergleich zur Wellritzstraße

Wie schon anfangs erwähnt, drängen sich die Vergleiche zum Versuchsprojekt in der Wellritzstraße zwischen Helenenstraße und Hellmundstraße auf. Doch gibt es ein paar entscheidende Unterschiede.

Die Fußgängerzone in der Wellritzstraße ist deutlich kürzer als das Projekt in Ottensen. Es beschränkt sich auf einen Abschnitt von ca. 120 Metern, während in Hamburg gleich fünf Straßenzüge von insgesamt ca. 760 Metern gesperrt wurden. Das hat natürlich eine größere Anzahl an Betroffenen (Anwohnende, Geschäftstreibende etc.) zur Folge.

Angesiedeltes Gewerbe

Im Versuchsgebiet in Hamburg-Ottensen ist die Gewerbestruktur eine völlig andere als in der Wellritzstraße. Wie bereits erwähnt gibt es dort eine Textilreinigung, aber auch Kleiderläden, eine Buchhandlung sowie Restaurants und Cafés. In der Wellritzstraße befinden sich vor allem Gastronomie, zwei Handyshops sowie der Wellritzhof.

Während der Probephase wurde das Projekt von der TU Hamburg-Harburg wissenschaftlich begleitet. Verkehrszählungen, eine schriftliche Befragung der Anwohnenden und Passantenbefragungen wurden ausgewertet und die Ergebnisse am Ende des Projekts der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Auswertung ist mit in die Entscheidung der Bezirksversammlung eingeflossen. Während das Vorhaben Fußgängerzone Wellritzstraße immer nur etappenweise verlängert wird, erwägen die Verantwortlichen in Ottensen, die Straßenzüge auch durch Umbauten dauerhaft vom Autoverkehr zu entwöhnen.

08.12.: Groningen – freie Fahrt für emissionsfreie Bürger

Wie im Autoscooter, so sieht der Alltag auf den Straßen aus. Quietschende Reifen, Stillstand, Gedränge, Kampf um die Vormacht, Autofahrer gegen Radfahrer, Radfahrer gegen Fußgänger… Die Stadt Groningen in den Niederlanden macht vor, wie es anders aussehen kann: Auch ohne breite Straßen kommen sich die Verkehrsteilnehmer kaum in die Quere.

Dabei zog sich auch durch die 200.000-Einwohner-Stadt im Nordosten der Niederlande, 75 km vom ostfriesischen Leer entfernt, einst die übliche Blechlawine. Bis 1977, als vorausschauende Stadtplaner diesen Zustand nicht nur beklagten, sondern umwälzende Entscheidungen in die Tat umsetzten. Sie ließen den motorisierten Verkehr schlicht nicht mehr durch die Stadtmitte. Die wurde stattdessen in vier Sektoren unterteilt, die mit dem Auto jeweils nur über Sackgasseneinfahrten zu erreichen sind. Um von einem dieser Quartiere ins Nachbarareal zu gelangen, ist es daher notwendig, jeweils auf die vierspurige Ringstraße um das Zentrum zurückzufahren und dort entlang zu kreisen, bis die passende Einfahrt kommt.

Parkanlagen, die grüne Lunge Groningens, sind nur für umweltfreundliche Fortbewegungsmittel passierbar.
(Bild: flickr photo by bramwillemse shared under a Creative Commons (BY-NC-ND) license )

Diese Einschränkung führte dazu, dass die Innenstadt vom motorisierten Durchgangsverkehr mit seinen Beigaben wie Lärm, Abgasen, Stau entlastet ist. Zugleich ist der umweltfreundliche Transit per Rad oder Bus privilegiert. Wer nicht mit dem PKW unterwegs ist, darf sich ungehindert durch die Innenstadt bewegen. Auf diese Weise wird die notorische Benachteiligung der schwächsten Verkehrsteilnehmer auf begrenztem Raum in das Gegenteil verkehrt. Während Autos in der Regel länger brauchen, um auf Umwegen ihr Ziel zu erreichen, haben Radfahrer freie Fahrt auf direkten Weg und die Fußgänger mehr Raum zur Verfügung.

Im Ergebnis schnellte der Anteil von Pedalen an den Fortbewegungsantrieben in Höhe. Heute wird jede zweite Strecke in Groningen auf zwei Rädern zurückgelegt, in der Innenstadt sind es sogar 60 Prozent. Kein Wunder: Das Velo ist dort das mit Abstand schnellste und günstigste Verkehrsmittel. Auch die Verknüpfung mit einem effizienten Nahverkehr, das öffentliche Verleihsystem, gut über die Stadt verteilte Abstellmöglichkeiten und die Einführung von Cargo-Lieferungen machten Groningen zur eigentlichen Fahrradhauptstadt. 1Zukunft Mobilität, 10. Oktober 2013, Martin Randelhoff: „Groningen: Die wahre Fahrradhauptstadt“. … Continue reading

Mit über 60 Prozent Fahrradanteil in der Innenstadt ist Groningen die eigentliche Radhauptstadt.

(Bild: Groningen flickr photo by Claudio Olivares Medina shared under a Creative Commons (BY-NC-ND) license )

Wenig überraschend, verlief die konsequente Umgestaltung des Verkehrssystems auch hier nicht ohne Widerstände. Insbesondere der Einzelhandel fürchtete ohne ungehinderte Zufahrtsmöglichkeit für motorisierte Kunden Umsatzeinbußen. Doch diese Sorge erwies sich als unbegründet, das Gegenteil trat ein. Das entspannte Einkaufserlebnis und die bessere Erkennbarkeit des Angebots aus Radfahrer- oder Fußgängerblickwinkel sorgte für größeren Zulauf.

Natürlich lässt sich solche Verkehrspolitik nur mit Verboten realisieren. Die Autorouten sind reglementiert, anders wäre Chaos programmiert. Dennoch ist den Planern sehr an Wahlfreiheit für die StadtbewohnerInnen gelegen. „Es geht uns darum,“ sagt der Groninger Rad- und Fußverkehrskoordinator Jaap Valkema2Zeit Online, 12. Mai 2018, Mark Spörrle: „Beim Radfahren haben wir schon eine etwas andere Haltung“. Interview mit dem Rad- und Fußverkehrskoordinator Jaap Valkema aus Groningen. … Continue reading, „dass sich die Leute je nach Route bewusst entscheiden, ob sie das Auto, den Bus oder das Fahrrad nehmen. Führt ihr Weg durch einen Park oder ein Wohngebiet, nehmen sie eher das Rad, weil sie dort viel angenehmer fahren können. Wer die Hauptverkehrsstraße entlangmuss, entscheidet sich eher für das Auto.“

Trotz rigoroser Eingriffe war den Reformern stets das Einvernehmen mit den BürgerInnen wichtig. „Wir versuchen das Augenmerk darauf zu lenken, was man dadurch gewinnt, wenn man woanders etwas einschränkt“, beschreibt Koordinator Valkema. „Vor einigen Jahren haben wir zum Beispiel angefangen, die Zahl der Busse in der Innenstadt zu verringern. Den Platz auf der Straße, den wir damit gewonnen haben, wissen die Bürger schon zu schätzen. Oft bestätigt sich auch gar nicht, was die Leute befürchten. Die Innenstadt hat für die Leute viel mehr Aufenthaltsqualität bekommen. Jetzt heißt es sogar: Die Stadt geht nicht weit genug, es sind immer noch zu viele Autos da!“

Vor dem Bahnhof wird es bisweilen eng, noch einen Abstellplatz für seinen Drahtesel zu finden.
(Bild: IMG_4758 flickr photo by stupidhead shared under a Creative Commons (BY-SA) license )

Dass sich im Stadtgebiet die Mehrheit für das Fahrrad entscheidet, hat sicher auch mit dem hohen Anteil von Studierenden, mit 50.000 ein Viertel der Gesamtbevölkerung, zu tun, die den Stadtverantwortlichen den Umstieg erleichtert haben. Doch der Erfolg wird nun stellenweise bereits zum Problem. In den Fahrradschneisen herrscht oft genug so dichtes Gedränge, dass Alternativrouten empfohlen werden. Die Abstellflächen um den Bahnhof sind im Semester hoffnungslos überfüllt, und manche Geschäfte sind von Rädern derart zugeparkt, dass ein Durchkommen kaum noch möglich ist. Manche Ladenbesitzer fürchten bereits, dass radfahrende KundInnen auf Abwege umgeleitet werden. Solche Sorgen würden KollegInnen in anderen Städten herbeisehnen.

Quellen

Quellen
1 Zukunft Mobilität, 10. Oktober 2013, Martin Randelhoff: „Groningen: Die wahre Fahrradhauptstadt“. https://www.zukunft-mobilitaet.net/34091/urbane-mobilitaet/groningen-niederlande-radverkehr-dokumentation/
2 Zeit Online, 12. Mai 2018, Mark Spörrle: „Beim Radfahren haben wir schon eine etwas andere Haltung“. Interview mit dem Rad- und Fußverkehrskoordinator Jaap Valkema aus Groningen. https://www.zeit.de/hamburg/2018-05/elbvertiefung-31-05-2018

06.12.: Kiezblocks in Berlin

Barcelona, Berlin, Biebrich? Vor gut zwei Jahren wurden in Barcelona die ersten Superblocks umgesetzt. Am 30. Oktober letzten Jahres hatte die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg (Berlin) für die Einführung des ersten Superblocks in Berlin gestimmt – doch die Umsetzung lässt in diesem coronagehandicapten Jahr noch immer auf sich warten.

Die simple Idee stammt aus Barcelona: Die Wohnviertel vom Durchgangsverkehr befreien und so Platz für die Anwohner zu schaffen – zum Aufenthalt, zum Leben, für Gastronomie, Grün, Rad und Fußverkehr.

Superblock
Konzept eines „Superblocks“ Grafik: Agéncia d’Ecologia Urbana de Barcelona

Dabei hilft das schachbrettartige Layout der Stadt ungemein. Statt Verkehr auf allen Straßen zuzulassen, werden mehrere Wohnblocks zu einem Superblock zusammengefasst. Die inneren Straßen werden zu Fußgängerzonen – Notfallfahrzeuge kommen weiterhin rein, per Zugangskontrollen ebenso die Anwohner. Durchgangsverkehr muss draußen bleiben. Für den Lieferverkehr werden wohldefinierte Parkplätze vor- und freigehalten.

Der Wasserturm in der Fidicinstraße im Berliner Bergmannkiez. (Bild: JoachimKohlerBremen, Fidicinstr. 36 und Wasserturm (Kopischstr. 7) in Berlin-Kreuzberg, CC BY-SA 4.0)

Ganz so radikal wie in Barcelona dürfte der Superblock im Berliner Bergmannkiez zwar nicht ausfallen – denn Fahrten mit dem PKW werden weiter möglich. Allerdings soll die Verkehrsführung angepasst werden. Autos, die von einer Hauptstraße in das Viertel einbiegen, werden so geleitet, dass sie auf derselben Hauptstraße wieder rauskommen. Parken, Be- und Entladen soll damit weiter möglich sein – Durchfahren aber nicht. Für die schnellen Radfahrer (also den Rad-Transitverkehr) sollen auf den umgebenden Hauptstraßen Radwege entstehen – und diese damit aus dem Viertel ebenfalls raushalten.

Der Bergmannkiez

Der Bergmannkiez ist mit einer Fläche von knapp 60 Hektar in etwa so groß wie das historische Fünfeck in Wiesbaden. Dem Beschluss voraus war die Anwohnerinitiative „Bergmannkiez für Menschen statt für Durchgangsverkehr.“ gegangen. Sie hatten in einer Umfrage die Zustimmung der Mehrheit der Anwohner*innen erhalten. Mittlerweile heißt es aus der zuständigen Bezirksverwaltung nur noch zurückhaltend, die Ergebnisse der Befragung würden von der „Fachabteilung bearbeitet.“

Gut möglich, dass auf diese Weise ein Straßenzug im nördlich gelegenen Waldseeviertel das Rennen macht. Die Bezirksverwaltung Reinickendorf empfahl dem Bezirksamt ohne Gegenstimmen, „temporäre Modalfilter“ – im Volksmund auch Blumenkübel genannt – zu installieren.

Derart einfache Maßnahmen sollten könnten auch in geeigneten Bereichen in Wiesbaden untersucht werden – denn auch hier leiden Anwohner vielerorts unter dem Durchgangsverkehr.

05.12. – Wien: Das 365€-Ticket im Gesamtkonzept

Zum 1. Mai 2012 wurde in Wien als erster Stadt überhaupt das 365€-Ticket von der rot-grünen Wiener Regierung eingeführt. Die Wiener Grünen hatten sogar eine Jahreskarte für nur 100€ zunächst gefordert. Auch so erbrachte das 365€-Ticket eine Preisreduktion von 85€.1Wiener Linien: Die Jahreskarte um 1 Euro pro Tag: https://www.diepresse.com/682709/wiener-linien-die-jahreskarte-um-1-euro-pro-tag Die Ticketpreise wurden seither nicht erhöht.

1., Innere Stadt — Changing After 101 Years
Eine Straßenbahn der Linie 2.
(Bild: Douglas Sprott, 1., Innere Stadt — Changing After 101 Years, als gemeinfrei gekennzeichnet (CC BY-NC 2.0), Details auf Creative Commons)

Damit bietet Wien eine im Vergleich zu anderen Städten ausgesprochen günstige Jahreskarte für Erwachsene an:

Eine Randnotiz

Senioren ab 63 Jahre zahlen sogar nur 235€ für eine Jahreskarte in Wien, Schüler*innen können für nur 70€ die öffentlichen Verkehrsmittel in Wien und im Umland nutzen.2Ticketpreise in Wien: https://www.wienerlinien.at/eportal3/ep/channelView.do/pageTypeId/66526/channelId/-46648

Auswirkungen auf den Modal Split in Wien

Der Modal Split gibt an, welcher Anteil an Wegen mit welchem Verkehrsmittel zurückgelegt wird. Dabei belegen die „Öffis“ in Wien halb von Corona-Zeiten seit Jahren einen Wert von etwa 40% (im Vergleich zu 29% in 1993). Dieser Wert hat sich aber seit der Einführung der 365€-Jahreskarte nicht sonderlich verändert (2012: 39%). 3Laut Studie macht nicht 365-Euro-Ticket, sondern das Angebot Wiens Öffis attraktiv: … Continue reading

Es ist ja schön, wenn meine Fahrkarte günstig ist, aber wenn der Bus nur alle 20 Minuten kommt, bringt das auch nichts.

Sprecher der Wiener Linien4Jahresticket 365 Euro: Deutsche Städte mögen Wiener Modell: https://www.tagesspiegel.de/politik/oeffentlicher-nahverkehr-jahresticket-365-euro-deutsche-staedte-moegen-wiener-modell/22751878.html

Was der Sprecher der Wiener Linien anspricht, haben die Wiener Linien auch weitergedacht. So wurde in Wien in den letzten Jahren u.a. der Nahverkehr massiv ausgebaut. Jährlich investiert Wien 400 Millionen Euro in das Netz. Die größten Projekte der letzten Jahre sind dabei:

  • die Verlängerung der U2 in das Neubaugebiet Seestadt Aspern, die weit vor der Fertigstellung des Wohngebiets fertig war, damit die neuen Bewohner*innen dort sich direkt daran gewöhnen können, sowie
  • der Bau der neuen U5.

Aber auch zahlreiche kleine Maßnahmen tragen dazu bei, dass Wien als Musterbeispiel für attraktiven ÖPNV gilt. Und hierin scheint auch der Erfolg der Wiener Linien begründet zu sein. Eine starke Verdichtung des Liniennetzes und des Fahrplantaktes haben erheblich zu den Fahrgastzuwächsen in Wien in den letzten Jahren beigetragen.

Flexity D 301 Linie 67 Fahrtrichtung Otto Probst Platz

(Flexity D 301 by Manfred Helmer (c) bildstrecke.at)

Einen besonderen Wiener Rekord hält ULF. Die Abkürzung steht für „Ultra Low Floor“ und meint Niederflurfahrzeuge in Wien. Diese im gesamten Innenraum stufenfreien Züge haben eine Einstiegshöhe von nur 18 cm (Weltrekord), so dass schon höhere Bordsteine für einen barrierefreien Einstieg genügen. Im Gegensatz zu Bussen braucht es dafür weder ein langsames sorgfältiges Heranfahren, noch Kippen des Wagens oder Ausklappen einer Rampe, geht also einfach und schnell. Für höhere Bahnsteige ist der gesamte Zug höhenverstellbar.

Einer der Elektrobusse, die durch die Wiener Innenstadt fahren. (Bild: Andrew Nash, Vienna Electric Bus April 2013 – 1, als gemeinfrei gekennzeichnet (CC BY-SA 2.0), Details auf Creative Commons)

Die Parkraumbewirtschaftung in Wien trägt aber auch einen entscheidenden Teil dazu bei. So kostet beispielsweise das sog. „Parkpickerl“ für Bewohnende des 1. Wiener Bezirk 10€ pro Monat, also 240€ für zwei Jahre. Die Mehreinnahmen verwendet die Stadt Wien dann wiederum für überwiegend für den Ausbau der ÖPNV. Da überlegt man sich dann insgesamt natürlich mehrmals, ob man nicht lieber auf die Öffis umsteigt.

Dynamische Fahrgastinformation zeigt dicht hinereinader ankommende Busse der Linie 6
Die Echtzeitauskunft zeigt es: Der 10-Minutentakt bei der Linie 6 ist durcheinandergeraten. Der Abstand der einzelnen Busse der Linie 6 verringert sich. Verspätungen und mehrere hinterherfahrende Busse einer Linie sind die Folge (Foto: Bürger Pro Citybahn)

Um sich am Wiener Vorbild zu orientieren, würde es auch in Wiesbaden weitergehende Maßnahmen brauchen, u.a.:

  • eine Neuverteilung des Straßenraums zugunsten des Umweltverbundes, damit Taktverdichtungen nicht im Stau stehen bleiben,
  • eine effektive Parkraumbewirtschaftung , die z.B. das kostenlose Parken im Innenstadtbereich beendet und den knappen Parkraum damit den Kurzzeitparkern, Shoppern und Arztbesuchern bereitstellt
  • eine Steigerung der Kapazität und der Attraktivität der ESWE Verkehr

Hier liefert die CityBahn ein für eine erste Stufe gutes Konzept, das den Nahverkehr in Wiesbaden auf stabilere Beine stellen kann. Vermutlich würden die Bewohner*innen unserer Stadt am Ende dieses Umwandlungsprozesses ähnlich zufrieden sein wie die Bürger*innen Wiens.

04.12. – In der Geburtsstadt des Autos mit der Bahn unterwegs

Die Mannheimer Geschichte wurde schon immer vom Verkehr geprägt. In Mannheim wurde der elektrische Aufzug erfunden, Traktoren, Luftschiffe, Raketenflugzeuge – aber auch das Fahrrad, das Auto und der Führerschein als solches.1 Mannheim brüstet sich auch mit der Erfindung des Spaghetti-Eises. Aber das sei nur als Anekdote am Rande erwähnt.

Auch der öffentliche Nahverkehr in Mannheim zeichnet sich neben seiner bemerkenswerten Leistungsfähigkeit auch durch Mut zum Experimentieren aus. Mitte der 1970er Jahre verkehrte mit dem Aerobus ein Zwitter zwischen Bus und Seilbahn. In den 90ern wurde eine Strecke auf Spurbusse umgerüstet – also handelsübliche Busse, die durch zusätzliche, seitliche Rollen spurgeführt wurden. 2015 fuhren die ersten Akkubusse, geladen durch Induktion. All diese Ideen sind mittlerweile Geschichte. Eines blieb: Die Straßenbahn.

Die Haltestelle Abendakademie mit Blickrichtung Süden – im Hintergrund das Stadtschloss. Die unauffälligen Bordsteine im Haltestellenbereich sorgen für barrierefreien Einstieg.
(Jan Rehschuh, Streetcar Straßenbahn Tram Mannheim RNV Rhein-Neckar-Verbund 19, CC BY 3.0)

Das gemeinsam betriebene Straßenbahnnetz von Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg bringt es auf 25 Linien, 299 Kilometer Strecke, 190 Züge und eine halbe Million Fahrgäste – jeden Tag. Tendenz in allen Bereichen steigend. Neue Linien, neue Haltestellen, neue Fahrzeuge, neue Fahrgäste.

Hingucker in Mannheim ist die Fußgängerzone – die Planken. Im Zentrum der Innenstadt – der Quadrate – gelegen, bildet die Zone gleichzeitig die Shoppingadresse schlechthin. 1975 wurden die Planken zur Fußgängerzone. Obwohl der Einzelhandel Bedenken äußerte, dass weniger Autos gleich weniger Kunden bedeuten, beteiligen sich Handel und IHK konstruktiv an der Ausgestaltung der Planken und steuern freiwillig mehr als eine Million DM bei. Bereits ein halbes Jahr vor der Eröffnung werden die ersten, neuen Bäume gepflanzt – die Zone in den folgenden Jahrzehnten immer wieder erweitert (z.B. 1977, 1979, 2007, 2016).

Fußgänger, Radfahrer, Straßenbahnen, Bäume – alles da. Paradeplatz, Blickrichtung Norden. Hinten Rechts befindet sich ein Lidl – mit Haltestelle, aber ohne einen einzigen Parkplatz.
(Jan Rehschuh, Streetcar Straßenbahn Tram Mannheim RNV Rhein-Neckar-Verbund 12, CC BY 3.0)

Heute teilen sich Fußgänger, Radfahrer und acht Straßenbahnlinien die Fußgängerzone. Zentraler Umsteigeort der Bahnen ist gleichzeitig der Kern der Shoppingmeilen: Der Paradeplatz. Gleichzeitig fährt in den Quadraten kein einziger Linienbus – die Bahnen leisten hier alle Arbeit.

Auf den autofreien Straßen floriert der Einzelhandel. Beispiel Zentralitätskennziffer: Sie gibt an, wie stark der örtliche Einzelhandel überregionale Kunden anzieht. Ein Wert von 100 zeichnet ein ausgeglichenes Bild: Im Handel vor Ort wird genauso viel Geld ausgegeben, wie die Einwohner zur Verfügung haben. Bei Werten unter 100 gehen die Einheimischen auswärts shoppen, Orte mit Werten über 100 ziehen auswärtige Kunden an.

Der Marktplatz in Mannheim. Noch ist wenig los, im Hintergrund überholt ein Notarztwagen. Rechts der Haltestelle (hier nicht im Bild): Ein großer Supermarkt, der ohne Parkplätze auskommt.
(A tram stop at the Marktplatz in Mannheim, Germany flickr photo by Anguskirk shared under a Creative Commons (BY-NC-ND) license )

Mannheim belegt hier mit >150 den bundesweiten Spitzenplatz aller Städte über 200.000 Einwohner. Vereinfacht: In Mannheim setzt der Einzelhandel 50% mehr Geld um, als die Mannheimer Einwohner zur Verfügung haben. Die Stadt zieht also massiv Einkäufer aus dem Umland an. (Zum Vergleich: Mainz liegt bei 109, Wiesbaden bei knapp 112). Auf dem Mannheimer Marktplatz gibt es nicht nur rege besuchte Wochenmärkte – sondern auch einen großen Supermarkt. Und das ohne einen einigen Parkplatz, dafür aber mit Straßenbahnhaltestelle vor der Haustür.

Der gut besuchte Wochenmarkt auf dem Marktplatz. Im Vordergrund kreuzen Fußgänger die Gleise auf dem kurzen Weg zur barrierefreien Haltestelle. Unvorstellbar, würden die Leute hier mit Auto statt mit ÖPNV anreisen.
(Photo: Andreas Praefcke, Mannheim Rathaus Marktplatz 2005, CC BY 3.0)

Neben der massiven Erweiterung des Straßenbahnnetzes verfolgt die Stadt Mannheim nun auch das Ziel, den Lieferverkehr aus der Fußgängerzone rauszuhalten. Dazu wurden designierte Lieferzonen eingerichtet – die Lieferfahrzeuge halten nicht mehr in der Fußgängerzone direkt, sondern auf Parallel- oder Seitenstraßen. Die letzten Meter werden dann per Sackkarre oder Lastenameise zurückgelegt werden. Poller und erhöhte Polizeipräsenz sorgen hier für die Umsetzung.

Quellen

Quellen
1 Mannheim brüstet sich auch mit der Erfindung des Spaghetti-Eises. Aber das sei nur als Anekdote am Rande erwähnt.

03.12. – Curitiba: begrüntes Wachstum

Curitiba, 1654 als Goldgräberlager gegründet und seit 1854 die Hauptstadt des Staates Paraná im Südosten Brasiliens, boomt. Die südbrasilianische Metropole wächst und wächst, beinahe explosionsartig. Ihre Einwohnerzahl schnellte seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts von 180.000 auf heute knapp 2 Millionen hoch, das ebenfalls expandierende Umland nicht mitgerechnet.

Dieser weltweit zu beobachtende Sog der Ballungsräume zieht üblicherweise Probleme wie Slumbildung, Verkehrschaos, Luft- und Wasserverschmutzung sowie die Zerstörung natürlicher Ruheräume mit sich. Ohne Rücksicht auf die Umwelt, versuchen die Verantwortlichen meist etwas hilflos die wachsende Autoflut mit Schnellstraßen, komplizierten Ampelsteuerungen und Parkhäusern zu kanalisieren. Das Auto wird zum heimlichen Chefplaner, bestimmt die Straßenführung, beeinflusst die Lage von Wohngebieten, Geschäftsvierteln, Gewerbe- und Industriezonen und prägt sogar das soziale Gefüge.

Nicht so in Curitiba. Trotz der für die Region typischen Armut und Finanzschwäche weist die Millionenstadt eine viel geringere Umweltverschmutzung, eine etwas niedrigere Kriminalitätsrate und ein höheres allgemeines Bildungsniveau auf. Woran liegt das?

Die Stadtplaner unter dem vorausschauenden Bürgermeister Jaime Lerner, einem Architekten und Raumplaner, bis 1992 an der Stadtspitze, haben sich über eingefahrene Stereotypen hinweggesetzt und modellhaft vorgeführt, wie sich mit einfachen, umweltkonformen Maßnahmen die Probleme eines rasch expandierenden Gemeinwesens besser lösen lassen als mit aufwendiger Technik. Eine fortschrittliche Verwaltung räumt dem öffentlichen Nahverkehr Vorrang vor dem Individualverkehr ein, bezieht die Umwelt ein statt sie auszugrenzen, beteiligt die Bürger an der Stadtplanung statt diese von oben auf dem Reißbrett zu verfügen.

Es begann mit Vorkehrungen vor Überflutungen. Die Uferzonen der fünf saisonal anschwellenden Flüsse wurden von jeder Besiedlung freigeräumt, stattdessen Parkflächen angelegt und nicht weniger als eine Million Bäume gepflanzt. Wo heute der Botanische Garten liegt, dümpelte früher eine stinkende Müllhalde vor sich hin. Auch nicht mehr benutzbare Fabrikgebäude und Bauten in den Überschwemmungsgebieten wurden zu Sport- und Freizeitanlagen umgebaut. Buslinien und Radwege verbinden diese Grünzonen mit dem innerstädtischen Verkehrssystem.

Exklusive, breite Bustrassen und modern gestaltete Hochbahnsteige (links hinter dem Bus) erlauben der Stadt den Einsatz eines leistungsfähigen Metrobussystems.

(Bild: Missão Russa ao Brasil flickr photo by EMBARQ Brasil | WRI Brasil Cidades Sustentáveis shared under a Creative Commons (BY-NC) license )

Wohl der augenfälligste Unterschied zu anderen Städten: Es gibt kein abgezirkeltes Zentrum, in das überfüllte Schnellstraßen münden – mit dem üblichen durch Auto-Pendler verursachten Verkehrsinfarkt. Curitiba dagegen förderte während der siebziger Jahre ein sternförmiges Wachstum entlang festgelegter Achsen. Zugleich sorgte es durch die Entwicklung von Massentransportmitteln für gute Verbindungen zwischen Wohngebieten, Geschäftsvierteln und Arbeitsstätten. Dieses Straßennetz und das öffentliche Verkehrssystem haben das Stadtbild entscheidend geprägt.

Auf den Mittelstreifen der fünf Hauptachsen haben Schnellbusse freie Fahrt. Beiderseits sind schmale lokale Straßen zur Anbindung der bebauten Areale angelegt. Einen Block weiter verläuft jeweils eine breite Einbahnstraße, die auf der einen Seite in die City hinein und auf der anderen aus ihr heraus führt. Ergänzend zu den Schnellbuslinien gibt es lokale Busse und solche, die zwischen den Stadtteilen verkehren; hinzu kommen Zubringer in den Außenbezirken. Große Terminals an den Enden der Trassen sowie mittelgroße überdachte Haltestellen im Abstand von etwa zwei Kilometern erleichtern das Umsteigen auf andere Linien, deren Benutzung im Fahrpreis inbegriffen ist.

Durch gesetzliche Regelung der Flächennutzung unmittelbar neben den Hauptachsen ließ sich eine dichte Besiedlung erreichen, die Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe einschließt. Die Stadt unterstützt dieses Wachstumsmuster mit einem öffentlichen Transportsystem, das auf Bequemlichkeit und Schnelligkeit ausgerichtet ist. Der öffentliche Personentransport ebenso wie Fußgänger genießen Priorität vor privaten Kraftfahrzeugen. Radwege und Fußgängerbereiche sind fester Bestandteil des Verkehrsnetzes, während andernorts großangelegte Straßenbauprogramme nur noch größere Blechlawinen, Staus, Parkplatznöte und Luftverschmutzung verursacht haben.

Mit der großflächigen Anlage von Grünanlagen in Überschwemmungsgebieten begann die Umwandlung von Curitiba in eine lebenswerte und umweltfreundliche Metropole.

(Bild: Curitiba Botanic Garden panorama flickr photo by eugeni_dodonov shared under a Creative Commons (BY) license )

Trotz des effizienten und komfortablen Vorankommens geben die Bewohner Curitibas im Durchschnitt nur rund 10 Prozent ihres geringen Einkommens für Beförderungszwecke aus – für Brasilien ist das relativ wenig. Allerdings ist auch hier der Kampf gegen das Statussymbol Auto nicht zu gewinnen. Die Zahl der Privatautos pro Kopf liegt in Curitiba sogar noch über dem Landesdurchschnitt. Allerdings für den Weg zur Arbeit nehmen drei Viertel aller Pendler den Bus – was einem täglichen Fahrgastaufkommen von über 1,3 Millionen entspricht. Dank großer Nachfrage und effizienter Nutzung vermag das öffentliche Nahverkehrssystem sich selbst zu tragen. Zugleich ist der Benzinverbrauch pro Kopf der Bevölkerung um 25 Prozent geringer als in vergleichbaren Städten Brasiliens. Entsprechend hat Curitiba mit die sauberste Luft im Land.

Die Stadtverwaltung hat früh gelernt, dass sinnvolle Planungen allein nicht ausreichen. Am Anfang standen eine Vision und ein Grundkonzept für die künftige Stadtentwicklung. Umgesetzt wurde es jedoch nicht durch das bürokratische Verordnen eines Maßnahmenkatalogs, sondern mittels Einbindung der Bürger und Anreizen zur Beteiligung.

Dazu gehört insbesondere ein öffentliches Informationssystem, das unmittelbar Auskunft über Bodennutzungs- und Bebauungsmöglichkeiten für jedes beliebige Grundstück gibt. Wer eine Betriebs- oder Erneuerungsgenehmigung erhalten will, muss angeben, welche Auswirkungen auf den Verkehr und städtische Belange zu erwarten sind. Die schnelle Verfügbarkeit dieser Informationen wirkt der Bodenspekulation entgegen; die Angaben sind aber ebenso wichtig für den Entwurf des Haushaltsplans, da Grundsteuern die Haupteinnahmequelle der Stadt bilden.

Auch die verschiedenen Stadtzentren laden rund um die Uhr zum Verweilen ein. Nirgendwo sonst in brasilianischen Metropolen können sich Besucher so sicher fühlen wie in Curitiba.
(Bild: Curitiba flickr photo by Rodrigo Faustini shared under a Creative Commons (BY-NC-ND) license )

Statt die Polizeipräsenz zu erhöhen, hat Curitiba das Konzept der 24-Stunden-Straße entwickelt: einer Passage mit Restaurants und Geschäften, die Tag und Nacht geöffnet sind. Ein voller Erfolg. Während andere Großstadtzentren nach Feierabend veröden oder zu Brutstätten von Kriminalität werden, lädt Curitiba als weltoffene, pulsierende Stadt zum Verweilen ein.

Erwünschtes Verhalten wird auch sonst gefördert. Eigentümer von Grundstücken in der Altstadt können ihr Bebauungsrecht auch in anderen Stadtteilen ausüben. So wird die historische Bausubstanz erhalten, während die Besitzer fairen Ersatz bekommen. Bis in den privaten Bereich zielen Anreize zu Gemeinsinn. Curitibas Freie Umweltuniversität bietet Hausgehilfen, Polieren, Ladenbesitzern und anderen kostenlose Kompaktkurse, um sie über die ökologischen Auswirkungen selbst der einfachsten alltäglichen Verrichtungen zu unterrichten. Die von geschulten Fachkräften abgehaltenen Lehrgänge sind Voraussetzung für die Arbeitserlaubnis in einigen Berufen wie Taxifahren, aber viele Interessenten besuchen sie freiwillig.

Die Stadt sorgt auch dafür, dass weniger Abfälle entstehen und der Rest wirksam beseitigt wird. Die Bürger recyceln täglich eine Papiermenge, die über tausend Bäumen entspricht. Die Initiative „Müll ist nicht gleich Müll“ hat mehr als 70 Prozent der Haushalte dazu gebracht, wiederverwendbares Material sammelgerecht zu sortieren. Das Müll-Abkauf-Programm für Gebiete mit armer Bevölkerung hilft, Stadtbereiche sauber zu halten, die konventionell schwierig zu entsorgen wären: Schon seit den 90er Jahren könnten Familien aus sozial schwachen Vierteln tonnenweise Müll in Nahrungsmittel oder Bus-Gutscheine eintauschen. Im Rahmen der Aktion „Alles sauber!“ werden überdies zeitweilig Arbeitslose und Rentner angestellt, um Schmuddelecken aufzuräumen. So werden nicht nur Ressourcen geschont und Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen. Die Stadt ist noch mal schöner geworden.

02.12. Grenzüberschreitend: Mit der Straßenbahn in die „Capitale de Noël“

Straßenbahnen verbinden, auch über Grenzen hinweg. Seit 2017 kann man von Kehl (rund 35.700 Einwohner) im Westen Baden-Württembergs über den Rhein direkt ins Zentrum von Straßburg (rund 277.000 Einwohner) fahren.

Letztes Jahr pünktlich zu Beginn des Weihnachtsmarktes in der elsässischen Metropole, die sich selbst als Weihnachtshauptstadt („Capitale de Noël“) bezeichnet, wurde die Strecke dieses Jahr von der bisherigen Endstelle am Kehler Bahnhof bis zum Rathaus in der Stadtmitte verlängert. Montag bis Freitag nutzten zwischen 4.000 – 5.500 Fahrgäste täglich die neue Verbindung. Schon im ersten Monat verdoppelten sich die Fahrgastzahlen gegenüber der vorher bestehenden Busanbindung. So hat die Straßenbahnanbindung Kehls vor Beginn der Corona-Pandemie auch zur Belebung des dortigen Einzelhandels beigetragen, da viele Straßburger wegen der günstigen Einkaufsmöglichkeiten nach Kehl kammen. Auch die Wirtschaft profitiert von der neuen Linie. Während Arbeitsplätze in Straßburg rar sind, gibt es in Kehl und dem angrenzenden Ortenaukreis einen Arbeitskräftemangel. Durch die auch für Pendler attraktive Straßenbahnverbindung konnten viele dieser Stellen besetzt werden.

Eine Straßenbahnverbindung zwischen Kehl und Straßburg bestand schon einmal. Die politische Situation zwischen Deutschland und Frankreich nach dem ersten Weltkrieg beendete aber den Betrieb der 1898 eröffneten Straßenbahnverbindung. Das endgültige Aus kam dann 1944, als die Brücke zwischen Straßburg und Kehl gesprengt wurde. Aber auch in Straßburg endete 1960 der Straßenbahnbetrieb. Dem damaligen Trend folgend kaufte man lieber neue Busse, als in die Straßenbahn zu investieren. In den folgenden Jahren wurde der zunehmende Individualverkehr und die sich damit verschlechternde Luftqualität aber immer mehr zum Problem. Ein leistungsfähiges und attraktives Verkehrsmittel musste her. Nachdem sich eine automatisch betriebene U-Bahn als zu teuer erwies, fasste das Stadtparlament von Straßburg 1989 den Grundsatzbeschluss zur Wiedereinführung der Straßenbahn. Fünf Jahre später konnte bereits die erste Linie eröffnet werden. Heute bilden die sechs Straßenbahnlinien die Hauptachsen des ÖPNV-Angebots, das durch 28 Buslinien ergänzt wird.

Nach Nantes und Grenoble war Straßburg die dritte französische Stadt, die nach Stilllegung die Straßenbahn wieder einführte. Seitdem folgten 21 französische Städte ihrem Vorbild. Mit der alten Tram hat die neue Straßenbahn aber nicht mehr viel gemein. Denn man nutzte nicht nur den technischen Fortschritt, sondern legte auch viel Wert auf gutes Design und eine optimale Einbindung in das Stadtbild. Wo früher Asphalt dominierte, wurde der Straßenraum neu aufgeteilt und Platz für die auf Rasengleis verkehrende Straßenbahn und neue Bäume geschaffen. Fast ohne Werbung und in eleganter Lackierung in weiß, braun- und grünmetallic sind die modernen Bahnen ohne Stufen heute aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken.

01.12. – Ljubljana: Geht doch!

Was für manchen notorischen Autofahrer einer schauderhaften Schreckensvision gleichkommt – in Wiesbadens Partnerstadt ist dies seit Jahren – im Wortsinn – gängige Praxis. Im gesamten Altstadtkern der slowenischen Hauptstadt Ljubljana dröhnt kein Verbrennungsmotor. Seit 2007 sind die Gassen rund um den Fluss Ljubljanica vollkommen autofrei. Mobilität findet hier zu Fuß, mit dem Fahrrad oder, wer Bedarf hat, kostenfrei auf einem der gemächlich zirkulierenden Elektrokarren, Marke „Kavalier“, statt.

Sind die zentralen Einkaufsstraßen seitdem verödet? Die Konsumenten in die Außenbezirke ausgewichen? Der Anschein ist ein anderer. Die Geschäfte im Stadtzentrum erscheinen gut besucht, tote Schaufenster sind nicht zu erkennen. Ein Restaurant, Café oder Lokal reiht sich in dichter Folge an das andere. Sie nehmen sich dabei nicht gegenseitig die Gäste weg, im Gegenteil: für jeden Bedarf gibt es den passenden Ort. Sicher ist das zu einem guten Teil dem studentischen Milieu und dem florierenden Tourismus zu verdanken. Aber Besucher zieht es schließlich nicht ohne Grund in spürbar entspannte Gefilde. Zudem finden sie dort nicht nur Souvenirs, sondern auch Lebensmittel, Drogeriewaren, Kleidung und Bücher Absatz. Einkaufen macht ganz offenkundig mehr Spaß ohne Gefahr, Gehetze und Lärm.

Früher Parkplatz, heute Marktplatz: Ernte einer ertragreichen Stadtgestaltung. (Bild: Ljubljana: Central Market flickr photo by Jorge Franganillo shared under a Creative Commons (BY) license )

Wo sich früher ein qualmender Autopulk durch romantisch anmutende Gassen wälzte, laden neugestaltete Promenaden zum Flanieren, ganzjährig geöffnete Außenterrassen zum Verweilen ein. Der einst größte Parkplatz der Innenstadt beherbergt heute Bühnen, Freiluftkinos oder Marktstände. Die Anwohner können ihre Fahrzeuge unterirdisch abstellen. Doch die einstige Blechflut wird nicht einfach um eine autofreie Oase herumgeleitet. Während die Altstadt zur Fußgängerzone wurde, machten sich die Stadtgestalter bereits an die Verkehrsberuhigung der Innenstadt und kappten dabei auch die schon von den Römern angelegte, frühere Hauptverkehrsader. Hier haben nun Busse, Räder und Füße Vorrang. Insbesondere für RadfahrerInnen ist die slowenische Hauptstadt mit hunderten von eigenen Fahrspuren und einem flächendeckenden Verleihsystem ein Paradies. Unter den 20 fahrradfreundlichsten Städten der Welt rangiert sie zeitweise auf Platz 8.

Viel Platz für Menschen bietet die Altstadt von Wiesbadens Partnerstadt Ljubljana. (Bild: Ljubljana flickr photo by ChrisYunker shared under a Creative Commons (BY) license )

Natürlich erntete die einschneidende Umgestaltung einer legendären Verkehrshölle zum stadtplanerischen Vorzeigeprojekt nicht bei allen 280.000 BewohnerInnen auf Anhieb Beifall. Viele Widerstände waren zu überwinden, die oft aus der Macht jahrzehntealter Gewohnheiten resultierten.

Der verantwortliche Stadtplaner Janez Kozelj wählte dabei nicht den Weg langwieriger Diskussionen und Bürgerbefragungen, ein besonderer Umstand kam ihm zugute. Bauzäune, um die der übliche Verkehrsfluss zwei Jahre lang geleitet werden musste, gewöhnten die Einheimischen behutsam an eine neue Straßenführung. „Eine Baustelle ist leichter zu verkaufen als eine Begegnungszone“, erklärte der Architekturprofessor unumwunden. Irgendwann kannten die Verkehrsteilnehmer es nicht mehr anders und hatten sich damit arrangiert, inzwischen auch mit der lärm-, stress- abgas- und risikoarmen Fortbewegung angefreundet.

Autositze finden mitunter nachhaltige Verwendung, hier in einem Straßentheater unter freiem Himmel. (Bild: DSC06688 flickr photo by Bryce Edwards shared under a Creative Commons (BY) license )

So bevorzugten die Verantwortlichen geschaffene Tatsachen, die die meisten Skeptiker überzeugten. Und die Verkehrswende kam mit Siebenmeilenstiefeln nach Ljubljana. Die Liste von Bürgermeister Zoran Jankovic regiert souverän mit absoluter Mehrheit im Stadtparlament. Die unter seiner Ägide erzielten Erfolge sind nicht von der Hand zu weisen: Während 2003 noch 58 Prozent aller Wege in Ljubljana mit dem Auto zurückgelegt wurden, waren sind es 2013 nur mehr 42 Prozent. Der Anteil der zu Fuß zurückgelegten Strecken vergrößerte sich von 19 auf 35 Prozent.

Allerdings beschränken sich diese Fortschritte bislang weitgehend auf die Glanzseite der historisch gewachsenen Stadt. In den Wohnbezirken dümpelt das Bussystem noch vor sich hin, und viele Bewohner bevorzugen daher zur Fortbewegung das eigene Fahrzeug, weitgehend von Verbrennungsmotoren betrieben.

Dennoch honorierte die Europäische Kommission die Bemühungen der slowenischen Hauptstadt um nachhaltige Mobilität, aber auch schonende Landnutzung, Luftqualität, Lärm- und Müllvermeidung, Wasserreinhaltung, regenerative Energie, grünes Wachstum, Natur- und Artenvielfalt 2016: mit der Ernennung zur „Grünen Hauptstadt Europas“.

07.12. Luxemburg: In einem Jahr zehn Mal um die Welt

Die neue Straßenbahnstrecke durch Luxemburg, Hauptstadt des gleichnamigen Großherzogtums, hat ihr nächstes Etappenziel erreicht. Seit dem 13. Dezember 2020 fährt die Straßenbahn jetzt zum Hauptbahnhof und damit direkt ins Stadtzentrum.1https://www.urban-transport-magazine.com/%EF%BB%BFluxemburg-die-tram-erreicht-den-hauptbahnhof/

Weitere Verlängerung im Süden bis zum Neubaugebiet Cloche d’Or und im Nordwesten bis zum Flughafen sind in Vorbereitung. Im Jahr 2023 soll dann die Strecke mit einer Gesamtlänge von 17 Kilometern fertig sein. Das „Luxtram“ genannte Projekt zeigt gut, wie eine Straßenbahnstrecke bereits vom ersten Bauabschnitt an Nutzen bringen kann.

Schon der erste Abschnitt, am 10. Dezember 2017 eröffnet, verbesserte in Kombination mit dem neue Bahnhaltepunkt Pfaffenthal-Kirchberg und einer doppelten Standseilbahn die Erschließung eines großen Gewerbegebiets am Kirchberg. Neben dem Messegelände Luxexpo haben hier das Europaparlament, die Universität und zahlreiche Unternehmen der Finanzbranche ihren Sitz. Weitere Firmen werden noch folgen. Bis 2030 rechnet die Stadt mit einer Verdoppelung der Pendlerzahlen zum Kirchberg auf insgesamt 60.000.2https://de.wikipedia.org/wiki/Stater_Tram Um in den Stoßzeiten des Berufsverkehrs genügend Kapazität zu haben, waren daher leistungsfähige Verkehrsmittel gefragt. 

In 1 Minute 39 Meter hochgefahren

Standseilbahn
Zwei parallel angeordnete automatische Standseilbahnen verbinden die Bahnstation Pfaffenthal mit dem höher gelegenen Kirchberg. Zur Beschleunigung der Abwicklung sind Ein- und Ausstiegsseite getrennt (Foto: sk)

Die vollautomatische Standseilbahn, die den Bahnhalt Pfaffenthal mit der neuen Straßenbahnhaltestelle verbindet, ist daher gleich als Doppelanlage ausgeführt. Sind die Kabinen der einen Anlage unterwegs, kann in der anderen Anlage eingestiegen werden. Die Wartezeit ist auf diese Weise minimal. Zudem ist auch bei Ausfall einer Anlage der Betrieb gewährleistet. Dank geräumiger Kabinen ist die Beförderung von Rollstuhlnutzern, Kinderwagen und Fahrrädern kein Problem. In einer Minute Fahrzeit sind 39 Meter Höhenunterschied überwunden und die Bus- und Straßenbahnhaltestelle am Brückenkopf der Pont Grand-Duchesse Charlotte erreicht. Betreiber der Standseilbahn, die kostenlos genutzt werden kann, ist die luxemburgische Staatsbahn CFL. 

Eröffnung Seilbahn
Die Gäste der Eröffnung der Standseilbahn am 10. Dezember 2017 ließen sich von Kälte und Schneefall nicht die Laune verderben (Foto: GilPe unter Lizenz CC BY-SA 3.0)

Täglich nutzen 23.500 Fahrgäste die Straßenbahn

Der gleichzeitig mit der Standseilbahn eröffnete erste Bauabschnitt der Straßenbahn führt von der Bahnstation zum Messegelände mit Haltstellen an der Philharmonie, dem Europarlament und der Universitätsbibliothek. Ein halbes Jahr später erfolgte bereits die Verlängerung zum Stäreplaz/Etoile und im Dezember 2020 zum Hauptbahnhof. Am Stadtrand sind Park+Ride-Anlagen vorgesehen, die den Umstieg in die Tram für Autofahrer aus dem Umland erleichtern sollen.

Straßenbahn am Kirchberg
Die neue Straßenbahnlinie erschließt zunächst den Kirchberg, wo sich das Messegelände, das Europäische Parlament, die Universität sowie zahlreiche Firmen der Finanzbranche angesiedelt haben. Die 45 Meter langen Straßenbahnen verkehren auf eigener begrünter Trasse. Parallel dazu verlaufen Fuß- und Radwege sowie die Autofahrbahnen. Das Bild entstand kurz nach Eröffnung am 03.01.2018 (Foto: sk)

Schon bevor die Strecke die innenstadt erreichte, befördert die Straßenbahn bereits täglich durchschnittlich 23.500 Fahrgäste. Insgesamt waren es im ersten Betriebsjahr 4,6 Millionen Fahrgäste 3http://www.lessentiel.lu/de/luxemburg/story/die-tram-ist-zehnmal-um-die-welt-gefahren-21600543 Besonders während der dreiwöchigen Schueberfouer, einem der größten Jahrmärkte Europas, konnte die Straßenbahn ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. In der Zeit des Rummels nahmen 490.000 Menschen die Tram – an jedem der Wochenenden waren dies bis zu 40.000 Fahrgäste 4https://www.lok-report.de/news/europa/item/7020-luxemburg-ausgezeichnete-tram-auslastung-zur-schueberfouer.html Die tatsächlichen Fahrgastzahlen lagen damit weit über den Prognosen. Im ersten Jahr legten die Straßenbahnzüge eine Strecke von 405.000 Kilometer zurück – das entspricht 10 Erdumrundungen. Bei den Fahrgästen kommt die neue Straßenbahn gut an. Laut einer Umfrage würden 83 Prozent der Befragten die Tram ihren Angehörigen empfehlen. 

Innenraum Straßenbahn
Sehr modern präsentiert sich die Luxemburger Straßenbahn innen. Die Hartschalensitze sind aber nur etwas für Kurzstreckenfahrgäste (Foto: sk)

Platz für bis zu 420 Fahrgäste

Mit der alten Straßenbahn, die von 1875 bis 1964 in der Stadt verkehrte hat die neue Luxtram nicht viele Gemeinsamkeiten. Die 45 Meter langen Straßenbahnwagen bieten Raum für bis zu 420 Fahrgäste. Acht Doppeltüren auf jeder Seite ermöglichen einen bequemen stufenlosen Einstieg. Markierungen auf dem Bahnsteig zeigen Rollstuhlfahrern an wo die Tür mit Aufstellfläche zum Stehen kommt. Bei einer Taktfrequenz zwischen drei und sechs Minuten können 10.000 Fahrgäste pro Stunde und Fahrtrichtung befördert werden 5http://www.luxtram.lu/de/kapazitaet/. Dabei sehen die silber-schwarzen Züge mit bunten Glasscheiben an den Türen auch noch zeitlos elegant aus. 

Seit März 2020 kostenfreier Nahverkehr

Mit der neuen Straßenbahn rüstet sich Luxemburg für den Fahrgastzuwachs, der mit der Einführung des kostenfreien Nahverkehr im Land Luxemburg einhergeht. Durch Steuern finanziert ist die Fahrt in Zügen (nur in der 2.Klasse), Bussen und Straßenbahnen für jeden kostenlos. Damit hat das Fürstentum eine Weltpremiere hingelegt. Ziel der Maßnahme ist es den ÖPNV-Anteil zu steigern. Auch wenn der Start dieser Maßnahme in die Corona-Pandemie fiel, wird sie in Luxemburg positiv bewertet. Denn auch wenn wegen Corona die Auswirkungen auf die Fahrgastzahlen noch nicht ersichtlich sind, ist der ÖPNV sicher finanziert und braucht keine Coronahilfe. Es bleibt abzuwarten ob nach Corona genügend Autofahrer zum umsteigen bewegt werden können oder ob Fahrgastgewinne des ÖPNV in erster Linie zulasten des Fuß- und Radverkehrs gehen. Interessant wird auch sein, ob die Kapazität des ÖPNV dann für alle Fahrgäste ausreicht.

Auch in Hinblick auf das in vielen deutschen Städten diskutierte 365 Euro-Ticket wird es spannend, welche Erfahrungen der für die Fahrgäste kostenlose Nahverkehr in Luxemburg auch in Zeiten ohne pandemiebedingte Ausnahmen erbringt.