07.12. Luxemburg: In einem Jahr zehn Mal um die Welt

Die neue Straßenbahnstrecke durch Luxemburg, Hauptstadt des gleichnamigen Großherzogtums, hat ihr nächstes Etappenziel erreicht. Seit dem 13. Dezember 2020 fährt die Straßenbahn jetzt zum Hauptbahnhof und damit direkt ins Stadtzentrum.1https://www.urban-transport-magazine.com/%EF%BB%BFluxemburg-die-tram-erreicht-den-hauptbahnhof/

Weitere Verlängerung im Süden bis zum Neubaugebiet Cloche d’Or und im Nordwesten bis zum Flughafen sind in Vorbereitung. Im Jahr 2023 soll dann die Strecke mit einer Gesamtlänge von 17 Kilometern fertig sein. Das „Luxtram“ genannte Projekt zeigt gut, wie eine Straßenbahnstrecke bereits vom ersten Bauabschnitt an Nutzen bringen kann.

Schon der erste Abschnitt, am 10. Dezember 2017 eröffnet, verbesserte in Kombination mit dem neue Bahnhaltepunkt Pfaffenthal-Kirchberg und einer doppelten Standseilbahn die Erschließung eines großen Gewerbegebiets am Kirchberg. Neben dem Messegelände Luxexpo haben hier das Europaparlament, die Universität und zahlreiche Unternehmen der Finanzbranche ihren Sitz. Weitere Firmen werden noch folgen. Bis 2030 rechnet die Stadt mit einer Verdoppelung der Pendlerzahlen zum Kirchberg auf insgesamt 60.000.2https://de.wikipedia.org/wiki/Stater_Tram Um in den Stoßzeiten des Berufsverkehrs genügend Kapazität zu haben, waren daher leistungsfähige Verkehrsmittel gefragt. 

In 1 Minute 39 Meter hochgefahren

Standseilbahn
Zwei parallel angeordnete automatische Standseilbahnen verbinden die Bahnstation Pfaffenthal mit dem höher gelegenen Kirchberg. Zur Beschleunigung der Abwicklung sind Ein- und Ausstiegsseite getrennt (Foto: sk)

Die vollautomatische Standseilbahn, die den Bahnhalt Pfaffenthal mit der neuen Straßenbahnhaltestelle verbindet, ist daher gleich als Doppelanlage ausgeführt. Sind die Kabinen der einen Anlage unterwegs, kann in der anderen Anlage eingestiegen werden. Die Wartezeit ist auf diese Weise minimal. Zudem ist auch bei Ausfall einer Anlage der Betrieb gewährleistet. Dank geräumiger Kabinen ist die Beförderung von Rollstuhlnutzern, Kinderwagen und Fahrrädern kein Problem. In einer Minute Fahrzeit sind 39 Meter Höhenunterschied überwunden und die Bus- und Straßenbahnhaltestelle am Brückenkopf der Pont Grand-Duchesse Charlotte erreicht. Betreiber der Standseilbahn, die kostenlos genutzt werden kann, ist die luxemburgische Staatsbahn CFL. 

Eröffnung Seilbahn
Die Gäste der Eröffnung der Standseilbahn am 10. Dezember 2017 ließen sich von Kälte und Schneefall nicht die Laune verderben (Foto: GilPe unter Lizenz CC BY-SA 3.0)

Täglich nutzen 23.500 Fahrgäste die Straßenbahn

Der gleichzeitig mit der Standseilbahn eröffnete erste Bauabschnitt der Straßenbahn führt von der Bahnstation zum Messegelände mit Haltstellen an der Philharmonie, dem Europarlament und der Universitätsbibliothek. Ein halbes Jahr später erfolgte bereits die Verlängerung zum Stäreplaz/Etoile und im Dezember 2020 zum Hauptbahnhof. Am Stadtrand sind Park+Ride-Anlagen vorgesehen, die den Umstieg in die Tram für Autofahrer aus dem Umland erleichtern sollen.

Straßenbahn am Kirchberg
Die neue Straßenbahnlinie erschließt zunächst den Kirchberg, wo sich das Messegelände, das Europäische Parlament, die Universität sowie zahlreiche Firmen der Finanzbranche angesiedelt haben. Die 45 Meter langen Straßenbahnen verkehren auf eigener begrünter Trasse. Parallel dazu verlaufen Fuß- und Radwege sowie die Autofahrbahnen. Das Bild entstand kurz nach Eröffnung am 03.01.2018 (Foto: sk)

Schon bevor die Strecke die innenstadt erreichte, befördert die Straßenbahn bereits täglich durchschnittlich 23.500 Fahrgäste. Insgesamt waren es im ersten Betriebsjahr 4,6 Millionen Fahrgäste 3http://www.lessentiel.lu/de/luxemburg/story/die-tram-ist-zehnmal-um-die-welt-gefahren-21600543 Besonders während der dreiwöchigen Schueberfouer, einem der größten Jahrmärkte Europas, konnte die Straßenbahn ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. In der Zeit des Rummels nahmen 490.000 Menschen die Tram – an jedem der Wochenenden waren dies bis zu 40.000 Fahrgäste 4https://www.lok-report.de/news/europa/item/7020-luxemburg-ausgezeichnete-tram-auslastung-zur-schueberfouer.html Die tatsächlichen Fahrgastzahlen lagen damit weit über den Prognosen. Im ersten Jahr legten die Straßenbahnzüge eine Strecke von 405.000 Kilometer zurück – das entspricht 10 Erdumrundungen. Bei den Fahrgästen kommt die neue Straßenbahn gut an. Laut einer Umfrage würden 83 Prozent der Befragten die Tram ihren Angehörigen empfehlen. 

Innenraum Straßenbahn
Sehr modern präsentiert sich die Luxemburger Straßenbahn innen. Die Hartschalensitze sind aber nur etwas für Kurzstreckenfahrgäste (Foto: sk)

Platz für bis zu 420 Fahrgäste

Mit der alten Straßenbahn, die von 1875 bis 1964 in der Stadt verkehrte hat die neue Luxtram nicht viele Gemeinsamkeiten. Die 45 Meter langen Straßenbahnwagen bieten Raum für bis zu 420 Fahrgäste. Acht Doppeltüren auf jeder Seite ermöglichen einen bequemen stufenlosen Einstieg. Markierungen auf dem Bahnsteig zeigen Rollstuhlfahrern an wo die Tür mit Aufstellfläche zum Stehen kommt. Bei einer Taktfrequenz zwischen drei und sechs Minuten können 10.000 Fahrgäste pro Stunde und Fahrtrichtung befördert werden 5http://www.luxtram.lu/de/kapazitaet/. Dabei sehen die silber-schwarzen Züge mit bunten Glasscheiben an den Türen auch noch zeitlos elegant aus. 

Seit März 2020 kostenfreier Nahverkehr

Mit der neuen Straßenbahn rüstet sich Luxemburg für den Fahrgastzuwachs, der mit der Einführung des kostenfreien Nahverkehr im Land Luxemburg einhergeht. Durch Steuern finanziert ist die Fahrt in Zügen (nur in der 2.Klasse), Bussen und Straßenbahnen für jeden kostenlos. Damit hat das Fürstentum eine Weltpremiere hingelegt. Ziel der Maßnahme ist es den ÖPNV-Anteil zu steigern. Auch wenn der Start dieser Maßnahme in die Corona-Pandemie fiel, wird sie in Luxemburg positiv bewertet. Denn auch wenn wegen Corona die Auswirkungen auf die Fahrgastzahlen noch nicht ersichtlich sind, ist der ÖPNV sicher finanziert und braucht keine Coronahilfe. Es bleibt abzuwarten ob nach Corona genügend Autofahrer zum umsteigen bewegt werden können oder ob Fahrgastgewinne des ÖPNV in erster Linie zulasten des Fuß- und Radverkehrs gehen. Interessant wird auch sein, ob die Kapazität des ÖPNV dann für alle Fahrgäste ausreicht.

Auch in Hinblick auf das in vielen deutschen Städten diskutierte 365 Euro-Ticket wird es spannend, welche Erfahrungen der für die Fahrgäste kostenlose Nahverkehr in Luxemburg auch in Zeiten ohne pandemiebedingte Ausnahmen erbringt.

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