15.12. – Avignon und die „Straßenbahn des Glücks“

Heute blicken wir in eine Stadt, die schon durch ihr Stadtbild Geschichte ausstrahlt. Eine hohe Stadtmauer umschließt den Stadtkern. Hier steht der Palast, in dem im 14. Jahrhundert der Papst residierte. Türme und Zinnen bestimmen die Silhouette der Altstadt. Die Rede ist von der südfranzösischen Stadt Avignon, am Zusammenfluss der Rhône und der Durance gelegen. Hier leben rund 93.000 Einwohner, davon rund 15.000 in der Altstadt. Nach Einwohnerzahlen steht Avignon damit auf Platz 46 in Frankreich. 

Straßenbahn Avignon Haltestelle
Reger Andrang herrscht am Eröffnungstag der neuen Straßenbahn an der Haltestelle Gare Centre (Foto: Bernhard Kußmagk)

Genau vor 2 Monaten am 19. Oktober 2019 schlug die Stadt ein neues Kapitel in Ihrer Geschichte auf. Mit einer ersten 5,2 Kilometer langen Linie wurde Avignon die 27. Stadt in Frankreich mit einer Straßenbahn. Noch ist sie damit der zweitkleinste Straßenbahnbetrieb in Frankreich (nach Aubagne). Eine zweite Linie soll aber in drei Jahren folgen, wenn Corona keinen Strich durch die Rechnung macht. Nicht nur für die Einwohner Avignions war die Eröffnung ein besonderer Tag. Auch die Sängerin Mireille Mathieu, 1946 in Avignon geboren aber mittlerweile mit Wohnsitz in Paris, war bei der Eröffnung dabei. Ihr Portrait ziert jetzt einen der 14 neuen Straßenbahnwagen, von denen jeder an eine für die Stadt bedeutende Persönlichkeit erinnert. Am Eröffnungstag freute sich die als „Spatz von Avignon“ bekannte Sängerin sichtlich über die neue Straßenbahn. Die Straßenbahnen böten eine gute Aussicht, seien ökologisch und somit ein Segen für die Stadt1https://youtu.be/ckTZId2Szoo.

„C’est le tramway du bonheur“ 

Mireille Mathieu
Stadttor Avignon
Mittelalter und moderne Straßenbahn treffen in Avignon zusammen. Hier an einem der sieben Haupttore der Stadtmauer, die als besterhaltenes Exemplar gilt (Foto: Bernhard Kußmagk)

Avignons erste Linie mit zehn Haltestellen verbindet die gewachsene Stadt mit der Altstadt. Von Saint-Chamand führt sie bis ans Rhône-Ufer bei Saint-Roch. In vier Jahren soll sie um 3,2 km entlang der Stadtmauer bis nach Saint-Lazare erweitert werden. Mit 26 Meter Länge sind die eingesetzten Straßenbahnwagen des Typs Alstom Citadis X05 Compact zwar vergleichweise kurz – fassen aber noch immer mehr Fahrgäste als ein 18-Meter langer Gelenkbus. Mit einer Breite von 2,40 Meter passen die Bahnen auch durch enge Straßen. Dieser Aspekt ist jetzt schon wichtig und wird mit dem Ausbau des Netzes an Bedeutung gewinnen. Dann soll nämlich auch ein Streckenast in die Altstadt geführt werden.

Straßenbahn in engem Straßenzug
Die 2,40 Meter breiten Straßenbahnen passen auch in enge Straßenzüge, wie hier in der Avenue Saint Ruf, zwischen den Haltestellen Arrousaire und Place Saint Ruf (Foto: Bernhard Kußmagk)

Im Gegensatz zu Elektrobussen verkehren die Straßenbahnen den ganzen Tag durch die Stadt – ohne schwere Batterien und Abhängigkeit von Ladezeiten. Es ist daher ein Glück, dass sich das Stadtparlament doch noch für den Bau der Straßenbahn entschieden hat, nachdem diese zu einem politischen Spielball geworden war. Politiker denken in Legislaturperioden. Eine Straßenbahnstrecke muss aber erstmal geplant und genehmigt werden, bevor sie realisiert werden kann. Dies ist bei Straßenbahnprojekten ein längerer Prozess als die Bauzeit selbst. Ändern sich in dieser Zeit die Mehrheitsverhältnisse im Stadtparlament, kann ein Straßenbahnprojekt wieder in Frage gestellt sein. Im Frühjahr 2014 stand auch Avignon vor dieser Situation. Zum Glück war der Stadtrat hier so besonnen eine Studie erstellen zu lassen, um die Konsequenzen eines Ausstiegs aus dem Straßenbahnprojekt prüfen zu lassen. Die Studie kam zu dem Schluss, dass Busse auf eigenen Trassen nur unwesentlich niedrigere Kosten als die Straßenbahn verursacht hätten. Im Falle eines Ausstiegs aus dem Straßenbahnprojekt hätte die Stadt aber 70-80 Millionen Euro verloren. 

Nach zwei Monaten Betrieb ist es noch zu früh, den Erfolg der neuen Straßenbahn zu beurteilen. Erfahrungen aus anderen französischen Städten lassen aber erwarten, dass die Straßenbahn bei der Bevölkerung gut ankommt und bald Wünsche nach einem weiteren Ausbau laut werden.

Rasengleis
Auf Rasengleis fährt die neue Straßenbahn in Avignon an der Stadtmauer entlang (Foto: Bernhard Kußmagk)

Der Autor dankt Bernhard Kußmagk für die Bereitstellung und Nutzungsrechte des Bildmaterials.

13.12. Aarhus: Unterwegs mit der „Letbane“

Wenn ich im Urlaub eine Stadt richtig kennenlernen will, kaufe ich mir eine Tageskarte und setze mich in die Straßenbahn. Ohne auf den Weg achten zu müssen, kann ich dann aus dem Fenster schauen. Draußen zieht die Stadt dann an mir vorüber und verändert sich mit jedem Kilometer Fahrt. 

Innenansicht eines Stadler Tango der Letbane Aarhus
Viel Platz für Kinderwagen, Rollstühle oder Fahrräder bietet der Innenraum der 40-Meter langen Züge des Typs Stadler Tango (Foto: sk)

Als ich im vorletzten Sommer Dänemarks zweitgrößter Stadt Aarhus (277.000 Einwohner) besuchte, nahm ich also den ersten Zug der Straßenbahn ohne mich vorher groß zu informieren. Es war die Linie 1 nach Greena – laut Liniennetzplan 1https://de.wikipedia.org/wiki/Aarhus_Letbane#/media/Datei:Aarhus_Letbane_kort.png trennten mich 14 Stationen von der Zielstation. Schon beim Betreten der Bahn – das Wort „einsteigen“ passt angesichts des niveaugleichen Einstiegs nicht mehr so ganz – fiel mir das angenehme Innendesign der Bahn auf.  Die Sitzpolster weisen keine grellen Muster auf. Ihr Wolltexil wirkt von weiten einfarbig, besteht aber beim näheren Hinsehen aus einer Kombination verschiedener Farben und kontrastierender Streifen. Je nach Lichteinfall bewegt sich die Polsterfarbe daher in einem Spektrum zwischen blau, grau und braun. Es ist ein Stoff, den ich mir auch für das heimische Sofa vorstellen könnte. Kein Wunder, ist er eine Variation eines Klassikers dänischem Texildesigns. 108 Fahrgäste finden in den 40 m langen Bahnen vom Typ Stadler Tango einen Sitzplatz. Die Anzahl der Stehplätze ist mit 148 angegeben 2https://de.wikipedia.org/wiki/Aarhus_Letbane.

Verstärkt wird der angenehme Eindruck durch die großzügigen Platzverhältnisse in den 2,65 m breiten Fahrzeugen. In den Mehrzweckbereich passen nicht nur Kinderwagen oder Rollstuhl sondern auch Fahrräder.

Blick aus Stadtbahn auf den Kattegat
Auf den Weg von Aarhus ins 70 Kilometer entfernte Greena fährt die Stadtbahn auch am Ostsee-Ausleger Kattegat entlang (Foto: sk)

Bereits kurz hinter dem Hafen verließ die Strecke das Stadtgebiet. Aus den großen Fenstern blickte ich jetzt direkt auf das Wasser des Kattegat, der zusammen mit dem Skagerrak die Verbindung zwischen Nord- und Ostsee bildet. Nach einer kurzen Strecke an der Küste schwenkte die Strecke wieder ins Landesinnere ein. Rechts und links der Strecke bildeten nun Felder, Wälder und Seen die wechselnde Kulisse. Die blassblaue Bahn hielt nun an kleinen Bahnhöfen, deren Baustil verriet, dass die neue Bahn eine alte Eisenbahnstrecke nutzte. Diese wurde elektrifiziert, da Hybridfahrzeuge teurer und technisch anfälliger sind. Als ich die Endstation Greena erreiche, habe ich 67 Kilometer zurückgelegt und dafür 75 Minuten gebraucht. Mit dem Auto wären es bei wenig Verkehr höchstens 10 Minuten schneller gewesen – Parkplatzsuche nicht eingerechnet. Die 14.500 Einwohner zählende Stadt Greena, auf der Halbinsel Djursland gelegen, bildet den nördlichen Endpunkt der Aarhus Letbane. Letbane heißt übersetzt Stadtbahn. Anders als eine klassische Straßenbahn, die sich meist ihre Fahrspur mit dem Autoverkehr teilt, verkehrt eine Stadtbahn überwiegend auf eigener Trasse. In der Stadt sind dies in Aarhus zwischen den Autofahrspuren verlegte Rasengleise,  dort wo viele Fußgänger kreuzen sind die Schienen in den Plattenbelag integriert. Außerhalb der Stadt fährt die Bahn auf einer Eisenbahntrasse. 

Rasengleis in Aarhus
In der Stadt verkehrt die Letbane auch auf Rasengleis. Hier ein 32,5 Meter lange Stadler Variobahn, die auf der kürzeren Linie 2 zum Einsatz kommt (Foto:sk)

Dank des Verkehrsverbundes Midttraffik konnte ich die Fahrt nach Greena ohne Sorge auch die richtige Fahrkarte zu haben genießen. Schon vor der Reise hatte ich mir online ein 48-Stunden-Touristen-Ticket 3https://www.midttrafik.dk/english/tickets/tourist-ticket-midttrafik-24-48-or-72-hours/ (englisch)für das gesamten Verbundgebiet gekauft.Der Regelbetrieb auf dem erste Abschnitt der Straßenbahn in Aarhus zwischen Hauptbahnhof und Universitätsklinik begann am 22.Dezember 2017. Der Abschnitt nach Greena wird seit dem 30. April 2019 befahren. Die Aarhus Letbane wird gut angenommen. Im Stadtgebiet sind an einem Wochentag – je nach Jahreszeit – zwischen 12.500 und 15.600 Fahrgäste unterwegs. Auf der Strecke nach Greena waren es in den aufkommensschwächeren Monaten Mai und Juni 3000 Fahrgäste pro Tag 4https://www.midttrafik.dk/nyheder/passagertal-pa-letbanen/ (dänisch)

Da an der Strecke neue Wohngebiete entstehen, ist mit einem weiteren Fahrgastzuwachs zu rechnen. Zudem existieren an der Strecke neue Park+Ride-Parkplätze, die bereits mit Lademöglichkeiten für Elektroautos ausgestattet sind. Auch mit der Zuverlässigkeit der neuen Stadtbahn-Züge ist man in Aarhus zufrieden. Die Bilanz der ersten 100 Tage weist einen zu 99,3% stabilen Betrieb aus. In dieser Zeit legten die 26 Bahnen schon 230.000 Kilometer zurück 5https://www.lok-report.de/news/europa/item/6099-daenemark-aarhus-letbanen-laeuft-rund.html.

Aarhus Stadtansicht
Blick auf Aarhus mit der weitläufigen Fußgängerzone in der Innenstadt und rechts im Hintergrund dem Kattegat (Foto: sk)

Eine Reise nach Aarhus, das von Hamburg direkt mit der Eisenbahn erreichbar ist, lohnt sich nach dem Ende der pandemiebedingten Reisebeschränkungen nicht nur wegen der schönen Stadt und der schicken Straßenbahn. Mitten in der Stadt befindet sich auch das Freiluftmuseum Den Gamle By – zu deutsch „die alte Stadt“. Wie im Hessenpark wurden hier alte Gebäude, für die es an ihren Originalstandort keine Verwendung mehr gab, wieder aufgebaut. Anders als in anderen Freilichtmuseen kann man hier aber gleich in drei Epochen eintauchen: in das Jahr 1864, 1927 und 1974. Da die Türen zu den Häusern offen sind, kann man sich auf eine Entdeckungsreise machen. Selbst Keller oder auf dem Speicher wurden authentisch ausgestattet. Insbesondere die Wohnungen des Stadtviertels, welches das Jahr 1974 repräsentiert, sind mit originalen oder nach echten Vorbildern nachgestellten Einrichtungen möbliert. Auf mehrsprachigen Informationstafeln erfährt man wer in der Wohnung gelebt hat. Es kann sogar passieren, dass man noch „Bewohner“ oder Handwerker antrifft. In kaum einen anderen Museum erlebt man die vergangene Zeit so lebensnah. 

Kapitel 2 – Bahnsinnig Steigerung

Seit dem 21. Dezember 2017 fährt im dänischen Aarhus (335 000 Einwohner) wieder eine Straßenbahn. Es ist das erste von drei Neubauprojekten in Dänemark, wo seit 1972 keine Straßenbahn mehr fuhr. Neben Aarhus wird in Odense (180 000 Einwohner) im Jahr 2020 und in Kopenhagen (610 000 Einwohner) im Jahr 2024 eine neue Straßenbahn eröffnet.

Nach etwa 100 Tagen liegt das Fahrgastaufkommen knapp 40 Prozent über dem Niveau, bei dem Strecke durch Bussen bedient wurde. Sechs Prozent der Fahrgäste verzichten auf die Fahrt mit dem Auto zugunsten der Straßenbahn. Die Immobilienpreise entlang der betriebenen sowie entlang geplanter Strecken ziehen laut ortsansässigen Immobilienmaklern bereits an.

Die Aarhus Letbane ist als Stadt-Umlandbahn konzipiert und verbindet auf derzeit zwei Linien das Stadtzentrum von Aarhus mit den umliegenden Gemeinden. Weitere Streckenverläufe sind in Planung.

12.12. – Caen: Von der Gummibahn zur Straßenbahn

Sie ist das neue „Ungeheuer von Loch Ness“: Die chinesische Straßenbahn ohne Schienen, die immer mal wieder zu nachrichtenschwachen Zeiten in den Medien auftaucht. Neu oder gar bahnbrechend ist die Straßenbahn auf Gummireifen nicht, wie unser heutiger Blick auf die französische Stadt Caen zeigt. Dort fuhr 15 Jahre lang ein als „Transport sur voie réservée“ (TVR) bezeichneter spurgeführter Doppelgelenkbus. Aufgrund anhaltender Probleme wurde Caen mit diesem System aber nie glücklich. Nach dem Motto „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ entschied sich die Stadt 2014 den Betrieb der TVR-Spurbusse einzustellen und durch eine richtige Straßenbahn zu ersetzen. Am 27. Juli 2019 eröffnete Caen seine neue Straßenbahnstrecke. Damit ist Caen die 23. Stadt in Frankreich, die seit 1985 die Straßenbahn wieder eingeführt hat. 

Spurbus und Straßenbahn
Zwei Jahre liegen zwischen diesen beiden Aufnahmen am Bahnhof von Caen: Links der Spurbus TVR und rechts die Straßenbahn (Fotos linkes Bild: Cramos, TVR n°521 de Caen à la gare SNCF par Cramos, CC BY-SA 4.0, rechtes Bild: Bernhard Kußmagk)

Bahn ohne Schienen: Versprechen und Wirklichkeit

Um zu erklären, wie es zu diesem Sinneswandel kam, muss man etwas zurückblicken. Schon 1937 wurde in Caen der Straßenbahnbetrieb zugunsten des Auto- und Busverkehrs stillgelegt. Nach dem Krieg wurde die Stadt mit breiten Straßen autogerecht ausgebaut. Ende der 1980er Jahre merkte man in Caen, dass ein leistungsfähigeres Nahverkehrssystem als der Bus gebraucht wurde. Zur gleichen Zeit testete die Firma Bombardier gerade ihr TVR-System mit spurgeführten Doppelgelenkbussen. Wie bei der chinesischen Straßenbahn ohne Schienen versprach der Hersteller ein System das die Vorteile der Straßenbahn mit geringeren Investitionskosten erreicht. Statt zwei Schienen wurde nur eine Schiene zur Spurführung benötigt. Das Gewicht des Fahrzeugs ruht auf herkömmlichen Busreifen. Als Vorteil wurde auch die Flexiblität gepriesen, da das Fahrzeug den spurgeführten Bereich verlassen kann und dann vom Fahrer gelenkt wird. Voraussetzung dafür ist aber entweder ein separater Dieselantrieb oder eine bei Oberleitungsbussen gebräuchliche doppelpolige Oberleitung. Auch wenn es aus Imagegründen als Straßenbahn bezeichnet wurde, war die „Tramway sur Pneus“ eher ein spurgeführter Oberleitungsbus.

Der Spurbus TVR, wie er bis Ende 2017 in Caen fuhr. Deutlich ist vorne zu erkennen, dass er auf normalen Busreifen fährt und immer die selbe Spur des Straßenbelags belastet. (Bild: Caen flickr photo by Patrick Müller shared under a Creative Commons (BY-NC-ND) license)

Offenbar sind gerade in Städten, die sich früh von der Straßenbahn getrennt haben, die Vorbehalte gegenüber diesem Verkehrsmittel besonders groß. Während im 300 Kilometer entfernten Nantes bereits 1985 wieder die Straßenbahn eingeführt wurde, setzten die Stadtväter von Caen auf den neuen Wunderbus. In Ihrer Euphorie schlugen sie Warnungen vor dem noch nicht ausgereiften System und den langfristigen Folgen in den Wind 1http://www.fea-frauenfeld.ch/caen—vom-pneutram-zum-richtigen-tram.html. Kurzfristige Einsparungen, wie der Verzicht auf Eisenschienen, mussten aufgrund von mittelfristig auftretenden Kosten, wie der Beseitigung von tiefen Spurrillen im Straßenbelag teuer bezahlt werden 2 https://de.wikipedia.org/wiki/TVR_Caen. Bei einem reinen batteriegetriebenen System wie dem chinesischen Spurbus, müssten auch alle paar Jahre die hochpreisigen Batterien getauscht werden. Ein weiterer Nachteil von Spurbussystemen ist die fehlende Möglichkeit die Kapazität durch längere oder zusammengekuppelte Fahrzeuge zu erweitern, da die Länge gesetzlich begrenzt ist. Schließlich macht man sich mit einem speziellen System von einem Hersteller abhängig. Alle diese Probleme machten dem Spurbus in Caen und einem ähnlichen System in Nancy zu schaffen. Die Abhängigkeit von einem Hersteller erwies sich als fatal, als Bombardier 2004 mangels Erfolg die Produktion seiner 25 Meter langen TVR-Busse einstellte und somit auch keine Ersatzteile mehr lieferte. Vier Jahre nach Inbetriebnahme zeichnete sich damit schon ab, dass die Gummibahn in Caen nicht von Dauer sein würde. 

In 18 Monaten zur echten Straßenbahn

In Caen hat man für den spurgeführten Bussen viel Lehrgeld bezahlt. Ende 2017 fuhr der letzte Spurbus, anschließend wurden die Anlagen abgebrochen um Platz für eine richtige Straßenbahn zu machen. Die verbliebenen Spurbusse wurden nach Nancy abgegeben, wo sie als Ersatzteilspender dienen bis auch dort eine richtige Straßenbahn fährt. Auch in Caen bewahrheitete sich die Aussage, dass die reine Bauzeit einer neuen Straßenbahnstrecke „selten länger als anderthalb Jahre dauert“ 3 GRONECK, Christoph (2003): Neue Straßenbahnen in Frankreich. EK-Verlag, S.17. Denn bereits am 27. Juli 2019 konnte das neue 16,2 km langes Tramnetz mit 3 Linien eröffnet werden. Die Bauzeit für die Spurbustrasse war seinerzeit mit 3 Jahren doppelt so lang gewesen.

Straßenbahn in Caen - historisches Umfeld
Die neue Straßenbahn von Caen passt ins historische Umfeld des Place Saint-Pierre. Ein Straßenbahnzug hat das Fassungvermögen von 150 durchschnittlich besetzter Pkw (Foto: Bernhard Kußmagk)

In Frankreich ist die Straßenbahn nicht nur ein Verkehrsmittel um bequem von A nach B zu kommen. Mit dem Bau der Strecke werden auch Stadträume aufgewertet. Da sich Straßenbahnschienen mit den verschiedensten Materialien – wie Steinplatten, Pflasterungen oder Vegetation – kombinieren lassen, gibt es zahllose Möglichkeiten zur Integration ins Stadtbild. So ist in Caen die Hälfte der Strecke jetzt als Rasengleis ausgeführt. Auch die Straßenbahnwagen, mit ihrem schicken Design und in Frankreich fast immer ohne Werbung, dienen nicht nur der Aufnahme der Fahrgäste sondern auch der Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt. Wie in vielen anderen französischen Städten konnten daher auch die Bürger von Caen über das Design der neuen Straßenbahnen abstimmen4http://www.tramway.at/caen/caen.html.

Straßenbahn Caen Wohnbebauung
Mit ihrer Rasentrasse fügt sich die neue Straßenbahn von Caen auch in Wohnumfeld ein. Hier aufgenommen an der Avenue de la Grande Cavée, westlich der Endhaltestelle Hérouville Saint-Clair (Foto: Bernhard Kußmagk)

Kein großer Preisunterschied

War die Straßenbahn auf Stahlrädern jetzt wirklich so viel teuer als die „Tramway sur Pneus“? Nein, denn für den Bau der Spurbusanlagen mussten schon im Jahr 2002 samt Fahrzeugen 227 Mio Euro bezahlt werden 5https://en.wikipedia.org/wiki/Caen_Guided_Light_Transit. Die 1,5 km längeren Straßenbahnstrecken kosteten 2018 rund 250 Mio. Euro, dazu kamen rund 51,5 Millionen Euro für die neuen leistungsfähigeren Straßenbahnwagen 6https://de.wikipedia.org/wiki/Stra%C3%9Fenbahn_Caen. In Frankreich betrug die Preissteigerung zwischen 2002 und 2018 rund 25% 7z.B. zu berechnen auf https://www.laenderdaten.info/Europa/Frankreich/Inflationsraten.php. Bei heutigem Geldwert lagen die Bau- und Fahrzeugkosten für den Spurbus also bei rund 283 Mio. Euro. Vergleicht man nun noch die Lebensdauer der beiden Systeme (15 Jahre für den Spurbus, mindestens 30 Jahre für die Straßenbahn) hat sich in Sachen Spurbus das Sprichwort „Wer billig kauft, kauft teuer“ bewahrheitet. 

Der Autor dankt Bernhard Kußmagk für die Bereitstellung und Nutzungsrechte des Bildmaterials.

07.12. Luxemburg: In einem Jahr zehn Mal um die Welt

Die neue Straßenbahnstrecke durch Luxemburg, Hauptstadt des gleichnamigen Großherzogtums, hat ihr nächstes Etappenziel erreicht. Seit dem 13. Dezember 2020 fährt die Straßenbahn jetzt zum Hauptbahnhof und damit direkt ins Stadtzentrum.1https://www.urban-transport-magazine.com/%EF%BB%BFluxemburg-die-tram-erreicht-den-hauptbahnhof/

Weitere Verlängerung im Süden bis zum Neubaugebiet Cloche d’Or und im Nordwesten bis zum Flughafen sind in Vorbereitung. Im Jahr 2023 soll dann die Strecke mit einer Gesamtlänge von 17 Kilometern fertig sein. Das „Luxtram“ genannte Projekt zeigt gut, wie eine Straßenbahnstrecke bereits vom ersten Bauabschnitt an Nutzen bringen kann.

Schon der erste Abschnitt, am 10. Dezember 2017 eröffnet, verbesserte in Kombination mit dem neue Bahnhaltepunkt Pfaffenthal-Kirchberg und einer doppelten Standseilbahn die Erschließung eines großen Gewerbegebiets am Kirchberg. Neben dem Messegelände Luxexpo haben hier das Europaparlament, die Universität und zahlreiche Unternehmen der Finanzbranche ihren Sitz. Weitere Firmen werden noch folgen. Bis 2030 rechnet die Stadt mit einer Verdoppelung der Pendlerzahlen zum Kirchberg auf insgesamt 60.000.2https://de.wikipedia.org/wiki/Stater_Tram Um in den Stoßzeiten des Berufsverkehrs genügend Kapazität zu haben, waren daher leistungsfähige Verkehrsmittel gefragt. 

In 1 Minute 39 Meter hochgefahren

Standseilbahn
Zwei parallel angeordnete automatische Standseilbahnen verbinden die Bahnstation Pfaffenthal mit dem höher gelegenen Kirchberg. Zur Beschleunigung der Abwicklung sind Ein- und Ausstiegsseite getrennt (Foto: sk)

Die vollautomatische Standseilbahn, die den Bahnhalt Pfaffenthal mit der neuen Straßenbahnhaltestelle verbindet, ist daher gleich als Doppelanlage ausgeführt. Sind die Kabinen der einen Anlage unterwegs, kann in der anderen Anlage eingestiegen werden. Die Wartezeit ist auf diese Weise minimal. Zudem ist auch bei Ausfall einer Anlage der Betrieb gewährleistet. Dank geräumiger Kabinen ist die Beförderung von Rollstuhlnutzern, Kinderwagen und Fahrrädern kein Problem. In einer Minute Fahrzeit sind 39 Meter Höhenunterschied überwunden und die Bus- und Straßenbahnhaltestelle am Brückenkopf der Pont Grand-Duchesse Charlotte erreicht. Betreiber der Standseilbahn, die kostenlos genutzt werden kann, ist die luxemburgische Staatsbahn CFL. 

Eröffnung Seilbahn
Die Gäste der Eröffnung der Standseilbahn am 10. Dezember 2017 ließen sich von Kälte und Schneefall nicht die Laune verderben (Foto: GilPe unter Lizenz CC BY-SA 3.0)

Täglich nutzen 23.500 Fahrgäste die Straßenbahn

Der gleichzeitig mit der Standseilbahn eröffnete erste Bauabschnitt der Straßenbahn führt von der Bahnstation zum Messegelände mit Haltstellen an der Philharmonie, dem Europarlament und der Universitätsbibliothek. Ein halbes Jahr später erfolgte bereits die Verlängerung zum Stäreplaz/Etoile und im Dezember 2020 zum Hauptbahnhof. Am Stadtrand sind Park+Ride-Anlagen vorgesehen, die den Umstieg in die Tram für Autofahrer aus dem Umland erleichtern sollen.

Straßenbahn am Kirchberg
Die neue Straßenbahnlinie erschließt zunächst den Kirchberg, wo sich das Messegelände, das Europäische Parlament, die Universität sowie zahlreiche Firmen der Finanzbranche angesiedelt haben. Die 45 Meter langen Straßenbahnen verkehren auf eigener begrünter Trasse. Parallel dazu verlaufen Fuß- und Radwege sowie die Autofahrbahnen. Das Bild entstand kurz nach Eröffnung am 03.01.2018 (Foto: sk)

Schon bevor die Strecke die innenstadt erreichte, befördert die Straßenbahn bereits täglich durchschnittlich 23.500 Fahrgäste. Insgesamt waren es im ersten Betriebsjahr 4,6 Millionen Fahrgäste 3http://www.lessentiel.lu/de/luxemburg/story/die-tram-ist-zehnmal-um-die-welt-gefahren-21600543 Besonders während der dreiwöchigen Schueberfouer, einem der größten Jahrmärkte Europas, konnte die Straßenbahn ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. In der Zeit des Rummels nahmen 490.000 Menschen die Tram – an jedem der Wochenenden waren dies bis zu 40.000 Fahrgäste 4https://www.lok-report.de/news/europa/item/7020-luxemburg-ausgezeichnete-tram-auslastung-zur-schueberfouer.html Die tatsächlichen Fahrgastzahlen lagen damit weit über den Prognosen. Im ersten Jahr legten die Straßenbahnzüge eine Strecke von 405.000 Kilometer zurück – das entspricht 10 Erdumrundungen. Bei den Fahrgästen kommt die neue Straßenbahn gut an. Laut einer Umfrage würden 83 Prozent der Befragten die Tram ihren Angehörigen empfehlen. 

Innenraum Straßenbahn
Sehr modern präsentiert sich die Luxemburger Straßenbahn innen. Die Hartschalensitze sind aber nur etwas für Kurzstreckenfahrgäste (Foto: sk)

Platz für bis zu 420 Fahrgäste

Mit der alten Straßenbahn, die von 1875 bis 1964 in der Stadt verkehrte hat die neue Luxtram nicht viele Gemeinsamkeiten. Die 45 Meter langen Straßenbahnwagen bieten Raum für bis zu 420 Fahrgäste. Acht Doppeltüren auf jeder Seite ermöglichen einen bequemen stufenlosen Einstieg. Markierungen auf dem Bahnsteig zeigen Rollstuhlfahrern an wo die Tür mit Aufstellfläche zum Stehen kommt. Bei einer Taktfrequenz zwischen drei und sechs Minuten können 10.000 Fahrgäste pro Stunde und Fahrtrichtung befördert werden 5http://www.luxtram.lu/de/kapazitaet/. Dabei sehen die silber-schwarzen Züge mit bunten Glasscheiben an den Türen auch noch zeitlos elegant aus. 

Seit März 2020 kostenfreier Nahverkehr

Mit der neuen Straßenbahn rüstet sich Luxemburg für den Fahrgastzuwachs, der mit der Einführung des kostenfreien Nahverkehr im Land Luxemburg einhergeht. Durch Steuern finanziert ist die Fahrt in Zügen (nur in der 2.Klasse), Bussen und Straßenbahnen für jeden kostenlos. Damit hat das Fürstentum eine Weltpremiere hingelegt. Ziel der Maßnahme ist es den ÖPNV-Anteil zu steigern. Auch wenn der Start dieser Maßnahme in die Corona-Pandemie fiel, wird sie in Luxemburg positiv bewertet. Denn auch wenn wegen Corona die Auswirkungen auf die Fahrgastzahlen noch nicht ersichtlich sind, ist der ÖPNV sicher finanziert und braucht keine Coronahilfe. Es bleibt abzuwarten ob nach Corona genügend Autofahrer zum umsteigen bewegt werden können oder ob Fahrgastgewinne des ÖPNV in erster Linie zulasten des Fuß- und Radverkehrs gehen. Interessant wird auch sein, ob die Kapazität des ÖPNV dann für alle Fahrgäste ausreicht.

Auch in Hinblick auf das in vielen deutschen Städten diskutierte 365 Euro-Ticket wird es spannend, welche Erfahrungen der für die Fahrgäste kostenlose Nahverkehr in Luxemburg auch in Zeiten ohne pandemiebedingte Ausnahmen erbringt.

Grüne Gleise

Der Begriff Rasengleise kehrt immer wieder zurück. Die CityBahn soll soweit wie möglich getrennt von der Straße, also getrennt vom übrigen Autoverkehr, verkehren. Dazu sind besondere Bahnkörper notwendig – und diese sollen, da wo möglich, hauptsächlich als Rasengleis ausgeführt werden.

Was besondere Bahnkörper allgemein bedeuten und wie diese aussehen können, haben wir in einem anderen Beitrag dargestellt. Hier geht es im Detail um Rasengleise – und was diese für positive Effekte nicht nur auf das Stadtbild, sondern auch die Luftqualität und das Mikroklima haben.

Vorteile von Rasengleisen

Die Begrünung von Straßenbahngleisen ist keine neue Erfindung. Bereits in den 1930er Jahren verkehrten einige Straßenbahnlinien in Berlin auf Rasengleisen 1http://www.werkstadtmobilitaet.de/portfolio/artikel-gruenes-gleis.pdf. Heute mehr denn je erfreuen sie sich wachsender Beliebtheit: In den letzten zehn Jahren hat sich die Länge begrünter Straßenbahngleise in Deutschland auf 600 Kilometer verdoppelt. 2http://www.werkstadtmobilitaet.de/portfolio/artikel-gruenes-gleis.pdf. Dadurch konnten die Städte über einhundert Hektar zusätzliche Grünflächen in den Städten hinzugewinnen, wo zuvor Pflaster und Asphalt waren. 3http://www.gruengleisnetzwerk.de/images/downloads/wirkung.pdf. Die Führung auf Rasengleisen verbindet gleich mehrere Vorteile:

  • positive Auswirkungen auf den städtischen Wasserhaushalt
  • Abkühlung der Luft im Sommer
  • Aufnahme und Bindung von Schadstoffen
  • verringert Lärmemissionen

„Die Straßenbahn hat uns einen Park gebracht“, sagen die Bürger von Strasbourg

Aus: tramway.at

Auswirkungen auf den Wasserhaushalt

Eine Straßenbahn fährt zwischen Bäumen über eine Rasenfläche. Die Rasenfläche erweitert einen Park. Im Hintergrund alte und moderne Gebäude.
Im französischen Angers (rd. 150.000 Einwohner) erweitert eine grüne Straßenbahntrasse eine Parkanlage (Foto: Archiv BUND Berlin)

Im Gegensatz zu asphaltierten Straßen fließt Regenwasser nicht direkt in die Kanalisation, sondern wird von den Grünflächen gebunden. Je nach konkreter Vegetation werden 50% bis 70% des Regenwassers von den Pflanzen zurückgehalten. Von dort verdunstet es später wieder. Der Rest wird deutlich gleichmäßiger und über einen längeren Zeitraum an die Kanalisation abgegeben – mit direkten Vorteilen für die Abwasserkanäle und Klärwerke. Selbst vollständig gesättigte Grünflächen geben das überschüssige Wasser deutlich gleichmäßiger ab.

Je nach Auswahl der Grasart speichert jeder Quadratmeter Rasengleis jährlich zwischen 400 und 550 Liter Regenwasser, welches nicht in die Kanalisation gelangt. 100 Meter Rasengleis halten somit jährlich zwischen 240 und 330 Kubikmeter Wasser zurück – das sind acht bis zehn ausgefüllte Seecontainer.

Temperatur und Klima in den Straßen

Auf einer grünen Trasse durchfährt die Tram das Kunstwerk Mae West auf dem Münchener Effnerplatz.
(SuPperLot, Dr.-Ing. Siegfried Wetzel, MaeWestStrBahn1, CC BY-SA 3.0 DE)

Rasengleise beeinflussen das Mikro-Klima in den Straßen gleich auf mehreren Wegen positiv – besonders im Sommer. Denn das (wie oben erläuterte, ) zurückgehaltene Wasser verdunstet über die Pflanzen wieder – und kühlt damit die Luft. Jeder verdunstende Liter Wasser kühlt 200 Kubikmeter Luft um 10° Celsius. Jeder Quadratmeter Rasengleis kann durch gespeicherte Regenwasser also 80.000 Kubikmeter Luft um 10° abkühlen – das sind 2.000 Seecontainer. Die Werte beziehen sich hierbei auf das gesamte Jahr, die Abkühlung selbst geschieht natürlich im Sommer stärker als im Winter.

Gleichzeitig verhindern die Pflanzen, dass sich der Boden auch bei intensiver Sonneneinstrahlung stark aufheizt. Versuche in Dresden zeigen, dass sich Schotter bei direkter Sonneneinstrahlung bis über 50°C erhitzt – Pflanzendecken aber nur auf 25°C bis 30°C.4http://www.gruengleisnetzwerk.de/images/downloads/wirkung.pdf. Gleichzeitig speichern Pflanzen Temperaturen deutlich weniger als Schotter. Die Gleise und damit die Luft in den Straßen kühlen sich also nachts deutlich schneller wieder ab.

Weil sich die Grünflächen nicht so stark erhitzen, erhitzen sich auch die Gleise selbst nicht. Die verringerten Temperaturschwankungen wirken sich positiv auf die Lebensdauer und den Zustand der Schienen aus und senken so das Risiko etwa von Schienenbrüchen.

Aufnahme und Bindung von Schadstoffen

Rasengleise mit künstlerisch angeordneten Betonplatten im französischen Le Havre.
(Foto: S. Kyrieleis)

Pflanzen binden Schadstoffe. Das bezieht sich nicht nur auf Schadstoffe in der Luft (vor allem Feinstaub). So binden Sedum-Pflanzen Feinstaub an ihrer Oberfläche – von dort aus wird der Staub dann entweder von Regen fortgespült oder gezielt gereinigt.5http://www.gruengleisnetzwerk.de/images/downloads/wirkung.pdf Gleichzeitig verhindern die Pflanzen, dass Thermik, Wind und Verkehr auf dem Boden liegende Partikel aufwirbeln.

Zusätzlich wandeln Pflanzen allgemein, also auch Rasengleise, Kohlendioxid in Sauerstoff um. Je nach Pflanzenart können außerdem bestimmte Schadstoffe wie Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe verstoffwechselt und damit dauerhaft buchstäblich aus dem Verkehr gezogen werden. 6http://www.gruengleisnetzwerk.de/images/downloads/wirkung.pdf

Verringerte Lärmemissionen

Eine schwarze Autofahrbahn aus Asphalt, daneben eine Straßenbahn deren Schienen in eine Rasenfläche eingefasst sind.
Sieht besser aus als Asphalt und bietet ökologische Vorteile: Rasengleis im polnischen Poznan (Posen) (Foto: Bürger Pro Citybahn)

Begrünte Gleise senken die Lärmemissionen vorbeifahrender Straßenbahnen. Die konkrete Höhe der Senkung ist von Faktoren wie der Art und Höhe der Vegetation im Gleis abhängig.

In den gesetzlichen Bestimmungen zur Berechnung von Schallimmissionen716. BImSchV, Anlage 2 (zu §4), Schall 03 Absatz 5.4. https://www.gesetze-im-internet.de/bimschv_16/anlage_2.html sind daher bei Rasengleisen Lärm-Abschläge von durchschnittlich 2,8dB vorgesehen. Messungen der TU Dresden mit verschiedenen Fahrzeugtypen und Gleisarten haben ergeben, dass sich die Lautstärke bei der Verwendung von Rasen- statt Asphaltdecken bei sonst gleichem Oberbau um 5 bis 8dB reduziert. Zum Vergleich: Eine Reduktion um 10dB entspricht einer Halbierung der empfundenen Lautstärke. Eine Lärmreduktion wurd vor allem bei Geschwindigkeiten zwischen 25 udn 65 km/h nachgewiesen.8https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP14/Drucksachen/5000/14_5259_D.pdf

Die konkreten Messungen der TU Dresden schwankten für Rasengleise und Niederflurstraßenbahnen 9Untergrund: Schotter und Querschwellen, Messpunkt 7,5 Meter von der Gleisachse entfernt. Die Lärmemissionen sind neben der Gleisgestaltung selbst auch von anderen Faktoren wie den Fahrzeugen und dem … Continue reading zwischen 71 und 75 dB. 10https://tu-dresden.de/bu/verkehr/ibv/gvb/ressourcen/dateien/Abschlussarbeiten/Schemmel.pdf?lang=de. Das liegt irgendwo zwischen einem Wasserkocher und den Hintergrundgeräuschen eines Großraumbüros. 11https://www.hoerex.de/service/presseservice/trends-fakten/wie-laut-ist-das-denn.html. Ein mit 50km/h vorbeifahrender Bus bringt es auf 78dB – und zwar unabhängig vom Antrieb. 12http://i-sme.de/wp/wp-content/uploads/2018/06/LeisE_Elektrische_Antriebe_im_Busverkehr_Endpublikation.pdf, Seite 11. Zur Erinnerung: Eine Steigerung von 10dB wirkt subjektiv doppelt so laut.

Niederflurwagen der VAG unterwegs im Freiburger Stadtteil Vauban auf Rasengleisen.
(Bild: Dr. Christopher Kleinheitz)

Und die Kosten?

Wie bei jedem Baustein hängt auch am Thema „Rasengleise“ die berechtigte Kostenfrage. Kurz vorab: Eine detailliertere als die öffentlich einsehbare NKU der CityBahn liegt uns auch nicht vor.

Eine allgemeingültige Aussage zu den Kosten ist nicht möglich. Aus diesem Grund tragen wir Beispiele und konkrete Zahlen aus den Rasengleisprojekten anderer Städte zusammen. Es ist einleuchtend, dass ein rudimentäres Schottergleis billiger ist als ein Rasengleis13http://www.taz.de/!825144/. Asphalt-/Pflasterdecken und Rasengleise liegen allerdings gleichauf. 14https://zidapps.boku.ac.at/abstracts/download.php?dataset_id=8223&property_id=107&role_id=NONE Prinzipiell zu unterscheiden sind hier die Baukosten und die Wartungskosten.

Wir starten mit dem einfacheren von beiden: Den Wartungskosten; also dem Aufwand, der zur Grünpflege (mähen, wässern, düngen, …) betrieben wird. Der hier anfallende Aufwand hängt im wesentlichen davon ab, (a) welche Pflanzen verwendet werden, (b) in welcher Höhe diese sitzen (auf Höhe der Schienenoberkante oder versenkt dazwischen) sowie (c) die Art des Oberbaus – also wie genau der Bereich unter den Pflanzen ausgeführt ist.15Wie bei allen anderen Grünanlagen haben natürlich auch Bewässerung, Schatten, Temperaturen und Co. ihren Einfluss. Alle drei Einflussfaktoren haben direkte Auswirkungen auf die Mäh-Häufigkeit und den Bewässerungsbedarf.

  • Der Substrataufbau ist denkbar einfach: 12 cm Schotter als Drainageschicht, darauf 5 cm Humus. Bewässert wird das Gleis nicht, auch um das Gras nicht zu schnellem Wachstum „anzuspornen“; zweimal jährlich wird gemäht.“ (Zur Situation in Linz, tramway.at)
  • Im Gegensatz zu sonstigen Rasenflächen wird die Pflege im Rasengleis unter anderem aus Kostengründen deutlich reduziert. Im Schnitt erfolgen circa vier bis sechs Mähgänge im Jahr, vor allem, um die Schienen vom Bewuchs frei zu halten.“ (Aus: neuelandschaft.de)
  • In Graz müssen die Gleisbegrünungen nicht gemäht werden. (…) Bei den anderen Begrünungen wird das Gras gar nicht so hoch. Man geht von 0,5-1 Euro/m² im Jahr an Kosten für die Pflege und Erhaltung aus, aber das ist unabhängig davon ob es sich um eine Raseneindeckung handelt oder um eine mit Asphalt. Asphaltflächen müssen genauso gereinigt werden: gekehrt oder abgespritzt.“ (Graz, aus: „Grüne Gleise für Graz„)
  • Der Pflegeaufwand sorgt für höhere Kosten, doch das ist es dem Unternehmen wert: „Durch unseren Bahnbetrieb nehmen wir diesen städtischen Raum in Anspruch, also möchten wir auch Verantwortung für dessen Verschönerung übernehmen.“ (Zur Situation in Köln, aus: ihkplus)

Zusammenfassend kosten Rasengleise in der Wartung mehr Geld als reine Schottergleise. Im Vergleich mit Pflaster/Asphalt scheinen im Betrieb aber keine Mehrkosten zu entstehen: Denn der Mehraufwand durch z.B. etwaige Bewässerung und Mähen wird durch wegfallende Straßenreinigung kompensiert.

Im Bereich der Baukosten stellen wir aktuell noch Quellen zusammen. Die Fragestellung ist hier deutlich komplexer, da das Ergebnis maßgeblich davon abhängt, wie der restliche Oberbau gestaltet ist.

Hinweis: Wir legen bei unseren Artikeln Wert auf solide, objektive, nachvollziehbar gestaltete Texte. Daher findest Du auch eine Vielzahl an Quellenverweisen und Belegen, Grafiken, Fotos und Erörterungen – zuweilen auch wohlbegründete Schlussfolgerungen. Nichtsdestotrotz sind wir eine rein ehrenamtliche Truppe und haben auch keinen Zugriff auf geheime Quellen. Auch wir kennen nur das, was öffentlich ist, wir uns erarbeiten und recherchieren. Fehler sind also nicht ausgeschlossen. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, weitere wichtige Quellen kennst oder fachliche Fehler – her damit. Am besten per Mail oder unten in die Kommentare.

Quellen

Quellen
1, 2 http://www.werkstadtmobilitaet.de/portfolio/artikel-gruenes-gleis.pdf
3, 4, 5, 6 http://www.gruengleisnetzwerk.de/images/downloads/wirkung.pdf
7 16. BImSchV, Anlage 2 (zu §4), Schall 03 Absatz 5.4. https://www.gesetze-im-internet.de/bimschv_16/anlage_2.html
8 https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP14/Drucksachen/5000/14_5259_D.pdf
9 Untergrund: Schotter und Querschwellen, Messpunkt 7,5 Meter von der Gleisachse entfernt. Die Lärmemissionen sind neben der Gleisgestaltung selbst auch von anderen Faktoren wie den Fahrzeugen und dem Zustand der Schienen selbst abhängig.
10 https://tu-dresden.de/bu/verkehr/ibv/gvb/ressourcen/dateien/Abschlussarbeiten/Schemmel.pdf?lang=de
11 https://www.hoerex.de/service/presseservice/trends-fakten/wie-laut-ist-das-denn.html
12 http://i-sme.de/wp/wp-content/uploads/2018/06/LeisE_Elektrische_Antriebe_im_Busverkehr_Endpublikation.pdf, Seite 11.
13 http://www.taz.de/!825144/
14 https://zidapps.boku.ac.at/abstracts/download.php?dataset_id=8223&property_id=107&role_id=NONE
15 Wie bei allen anderen Grünanlagen haben natürlich auch Bewässerung, Schatten, Temperaturen und Co. ihren Einfluss.

Besondere Bahnkörper

In der Diskussion um die konkrete Gestaltung der CityBahn taucht immer wieder ein Begriff auf: besonderer Bahnkörper. Hintergrund ist, dass die CityBahn soweit wie möglich getrennt von der Straße, also getrennt vom übrigen Autoverkehr verkehren soll.

Wieso besondere Bahnkörper?

Dadurch verkehrt die Bahn unabhängig vom sonstigen Verkehr und damit zuverlässiger und stabiler. Sie kann buchstäblich am Stau vorbeifahren. Daneben hat diese Variante aber auch andere Vorteile: Sie kann schmaler ausgeführt werden. Straßenbahnen sind zwar ähnlich breit (oder breiter) als Busse – durch die Spurführung fährt sie aber jederzeit zentimetergenau. Heißt: Der Abstand sowohl zwischen den Gleisen als auch zu anderen Objekten wie Bäumen oder Masten kann kleiner gehalten werden. Zwei reine CityBahn-Gleise benötigen damit weniger Platz als zwei Busspuren. Während zwei Gleise insgesamt knapp unter sechs Metern Breite beanspruchen, werden für zwei Busspuren sieben Meter benötigt. Dieser eine Meter Unterschied ermöglicht es, an engen Stellen wie der Biebricher Allee Bäume zu erhalten.

Die Führung auf besonderen Bahnkörpern führt nicht nur zu höheren Fahrtgeschwindigkeiten und pünktlicherer Ankunft – die Bahn wird dank dieser Vorteile attraktiv, die Fahrgastzahlen wachsen deutlich an. Genau deshalb schreibt der Gesetzgeber diese Führung auch als Bedingung vor, um über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) Fördermittel des Bundes zu erhalten.1http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/035/1303590.pdf Darüber hinaus eröffnen besondere Bahnkörper die Möglichkeit, das Straßenbild deutlich aufzuwerten. Wir haben deshalb eine Reihe von Beispielen zusammengestellt, wie diese ausgeführt werden können. Doch zunächst ein kleiner Exkurs über die rechtlichen Grundlagen.

Besondere Bahnkörper und die finanzielle Förderung

Durch Zuschüsse von Bund und Land müssen bis zu 87,5% der Baukosten der CityBahn nicht von den beteiligten Kommunen getragen werden. Die gesetzliche Grundlage dafür ist das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Dieses regelt, welche Vorhaben unter welchen Bedingungen finanziell gefördert werden. So heißt es unter anderem:

(1) Die Länder können folgende Vorhaben durch Zuwendungen aus den Finanzhilfen fördern: (…) 2. Bau oder Ausbau von Verkehrswegen der a) Straßenbahnen, Hoch- und Untergrundbahnen sowie Bahnen besonderer Bauart, (…) soweit sie dem öffentlichen Personennahverkehr dienen, und auf besonderem Bahnkörper geführt werden.

Aus: GVFG §2 (Förderfähige Vorhaben), Abs. 1 Nr. 2.

Die Förderung des Bauvorhabens setzt als voraus, dass die CityBahn weitestgehend auf besonderem Bahnkörper verkehrt. Was genau ein besonderer Bahnkörper dann ist, definiert die Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BOStrab):

Besondere Bahnkörper liegen im Verkehrsraum öffentlicher Straßen, sind jedoch vom übrigen Verkehrsraum mindestens durch Bordsteine oder Hecken oder Baumreihen oder andere ortsfeste körperliche Hindernisse getrennt.

Aus: BOStrab §16, Abs. 4 Nr. 3

Besondere Bahnkörper können gegenüber der Straße niveaugleich oder aber (leicht) erhöht oder gesenkt ausgeführt werden. Sie müssen aber Teil des allgemeinen Verkehrsraums bleiben – eine Führung als Hochbahn oder U-Bahn ist damit nicht abgedeckt.

Beispiele für besondere Bahnkörper

Für die konkrete Ausführung von besonderen Bahnkörpern gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten. Wir haben deshalb hier Beispiele zusammengetragen:

Das klassische Schotterbett – nicht schön, aber es wird (zum Glück) seltener – denn selbst bestehende Straßenbahnbetriebe gehen dazu über, Rasenflächen in der Fahrspur anzulegen.

(14-10-19 Essen Thyssen Krupp – Frohnhauser Str Tw 1608 – 02 flickr photo by tramfan239 shared under a Creative Commons (BY-NC) license )

Rasengleise, hier in Chemnitz. Nicht nur deutlich schöner als Schotter, sondern auch besser fürs Klima. Rasengleise binden Emissionen und schlucken Lärm. Außerdem heizen sie sich auch bei intensiver Sonneneinstrahlung aus maximal 35°C auf – Schotter und Asphalt hingegen auf über 50°C.

(Falk2, J30 030 Turnstraße, 0690 435, CC BY-SA 4.0)

Rasengleise sind die optisch schönsten und prominentesten Vertreter aus der Kategorie „besondere Bahnkörper„. Hintergründe über Möglichkeiten der Ausführung sowie weitere Vorteile von Rasengleisen haben wir in einem separaten Artikel im Detail dargestellt.

Auch das ist ein besonderer Bahnkörper – baulich getrennt von der Straße durch einen abgeflachten Bordstein. Im Notfall können hier auch Rettungswagen, Polizei und Feuerwehr fahren. Gelegentlich werden diese auch regulär durch Linienbusse genutzt.

(Bukk, Bremen Schwachhauser vor St Ursula, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons)

Auch das ist ein besonderer Bahnkörper – hier durch einen Bordstein von der Straße getrennt. Das Gleisbett selbst ist durch Pflastersteine befestigt.

(Um die Ecke geschaut | München flickr photo by TrainPhotographyDE shared under a Creative Cmmons (BY-NC) license )
Besonderer Bahnkörper – hier mit Kopfsteinpflaster. Macht sich in Innenstädten und Fußgängerzonen besonders gut. Hier ein Beispiel aus Freiburg.

(Straßenbahn Freiburg im Breisgau – CAF Urbos flickr photo by RicardCodina shared under a Creative Commons (BY-NC-SA) license)

Besonderer Gleiskörper, hier in Budapest. Abgetrennt von der Straße sind die Gleise durch kleine Betonhalbhindernisse – im Notfall lassen sich diese allerdings auch befahren.
(Budapest Tram flickr photo by ctj71081 shared under a Creative Commons (BY-NC) license)

Ein Hybrid: Durch Rasenpflastersteine teilweise grün und trotzdem befestigt. Im Notfall also ebenfalls befahrbar. Abgetrennt von der Straße durch Bäume, somit auch ein Beispiel für besondere Bahnkörper.

(Tram route #4 in Helsinki flickr photo by Paarma shared under a Creative Commons (BY-NC-ND) license )

Hinweis: Wir legen bei unseren Artikeln Wert auf solide, objektive, nachvollziehbar gestaltete Texte. Daher findest Du auch eine Vielzahl an Quellenverweisen und Belegen, Grafiken, Fotos und Erörterungen – zuweilen auch wohlbegründete Schlussfolgerungen. Nichtsdestotrotz sind wir eine rein ehrenamtliche Truppe und haben auch keinen Zugriff auf geheime Quellen. Auch wir kennen nur das, was öffentlich ist, wir uns erarbeiten und recherchieren. Fehler sind also nicht ausgeschlossen. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, weitere wichtige Quellen kennst oder fachliche Fehler – her damit. Am besten per Mail oder unten in die Kommentare.

Quellen

Quellen
1 http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/035/1303590.pdf