Pressemeldung vom 06. März 2019
Mittlerweile sind mehr als sechs Wochen
vergangen, seit die beiden Anti-CityBahn-BIs ihre Unterschriftenaktionen
gestartet haben. Vom selbst gesteckten Ziel, einen Bürgerentscheid zur
Europawahl zu erzwingen, mussten sie sich zwischenzeitlich verabschieden, weil
die dafür nötigen 6.300 Unterstützerstimmen eben doch nicht so schnell
zusammenkamen. Was sicher auch daran liegt, dass sich die Gegner des Projekts
nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen konnten.
Auch wenn zumindest eine der beiden
Anti-Straßenbahn-BIs ihre Unterschriftensammlung zwischenzeitlich abgeschlossen
hat, so sind sie weder die ersten noch die erfolgreichsten Initiativen in
Sachen Nahverkehr in Wiesbaden.
Bereits 2001 sammelten engagierte
Wiesbadenerinnen und Wiesbadener Unterschriften für ein Bürgerbegehren, dass
die Fortführung des von der FDP blockierten Stadtbahn-Projektes zum Ziel hatte.
Und obwohl die Frist in die ungünstigen Sommerferien geschoben wurde, kamen
innerhalb von nur sechs Wochen 14.200 Unterschriften für eine Stadtbahn in
Wiesbaden zusammen.
14.200 Unterstützerstimmen – das sind mehr
als doppelt so viele, wie heute für die Einleitung eines Bürgerentscheids nötig
sind. Und es waren auch deutlich mehr Menschen als in der Kommunalwahl 2001 für
die FDP gestimmt hatten, welche sich als einzige Partei gegen eine Stadtbahn
aussprach und dann in der neuen Koalition mit der CDU einen Abbruch des
Projekts durchsetzte.
Dass es 2001 dennoch nicht zu einem
Bürgerentscheid für die Stadtbahn kam, lag einzig daran, dass das Gesetz damals
mehr als dreimal so hohe Anforderungen an ein Bürgerbegehren stellte wie heute
und das Taktieren der Gegner die Mobilisierung von noch mehr Menschen
erschwerte. Hätten damals dieselben gesetzlichen Vorschriften gegolten wie
heute, könnten wir möglicherweise schon seit über einem Jahrzehnt ein gut
funktionierendes Tramnetz in unserer Stadt haben.
Wie
in Wiesbaden bisher der Bau eines Tram-Netzes verhindert wurde
Auch wenn heute einige das Gegenteil
behaupten, gab es in Wiesbaden nie einen Entscheid der Bürger über die
Abschaffung oder die Wiedereinführung einer Straßenbahn. Als in den
autofixierten 50ern die alte Wiesbadener Straßenbahn abgeschafft wurde, wurden
die Bürger genauso wenig gefragt, wie in den 2000ern, als gleich zwei Anläufe
zum Aufbau eines neuen Tramnetzes Opfer politischer Taktierereien wurden.
Im Jahr 2001 hatten ironischerweise gerade
die politischen Vorgänger derjenigen, die heute so vehement einen
Bürgerentscheid fordern, offensichtlich kein Interesse an einem echten
Bürgerentscheid: Die FDP hatte zur damaligen Kommunalwahl ganz auf eine
Angstkampagne gegen die Stadtbahn gesetzt, und ein Ende des Projekts in den
folgenden Koalitionsverhandlungen zur Bedingung gemacht. Obgleich die FDP bei
der Wahl gerade mal 12% der Stimmen erlangte, konnte Sie so ihre Ansicht
durchsetzen – obwohl alle anderen Parteien (damals wie heute) dem Projekt
aufgeschlossen und positiv gegenüberstanden.
Ein Versuch engagierter Bürger, einen
Projektabbruch doch noch kurzfristig zu verhindern, scheiterte an den damals
deutlich höheren Anforderungen an Bürgerbegehren und dem ungünstigen Termin
während der Sommerferien.
Die FDP versprach nach der Kommunalwahl
2001 für den ÖPNV den “großen Wurf” – nachzulesen im Wiesbadener Kurier vom 05.
Mai 2001. In den folgenden fünf Jahren solle “richtig was passieren”, beteuerte
der damalige verkehrspolitische Sprecher der FDP, Ulrich Winkelmann. Und obwohl
die FDP in den folgenden zehn Jahren mit Joachim Pös den Verkehrsdezernenten
stellte, blieb es bei blumigen Ankündigungen. Nennenswerte Verbesserungen im
ÖPNV: Fehlanzeige.
Und so fand das Vorhaben einer Stadtbahn
mit der Wahl 2011 wieder seinen Weg auf die kommunalpolitische Agenda – mit
breiter Unterstützung aller Parteien außer der FDP. Diesmal war es der
ehemalige FDP-Stadtverordnete Florian Rentsch, der 2013 als hessischer
Wirtschafts- und Verkehrsminister das Projekt handstreichartig zu Fall brachte.
Dass eine Großstadt wie Wiesbaden heute noch mit einem reinen Bus-ÖPNV rumwursteln muss, ist also nicht das Ergebnis einer bewussten Entscheidung seiner Bürger, sondern das Ergebnis des politischen Taktierens einer Anti-Straßenbahn-Lobby-Gruppe. Eine Gruppe, die jedoch nie eine Mehrheit an der Wahlurne erreichte. Und dass sich ausgerechnet eine Partei, die die Straßenbahn Wiesbaden zwei Mal verhinderte, jetzt – wo sie nicht mehr in einer Regierungsverantwortung steht – plötzlich auf basisdemokratische Werte besinnt und die populistischen Versuche zweier Anti-Straßenbahn-Initiativen unterstützt, ist ein durchschaubar Versuch, eine Straßenbahn erneut zu verhindern.
Wiesbaden braucht einen
besseren Nahverkehr – jetzt!
Wiesbaden hat seine Verkehrsprobleme viel
zu lange vor sich hergeschoben und sich mangels besserer Alternativen immer
mehr Autos, Stau und Parkplatzprobleme eingehandelt. Während viele andere
deutsche Großstädte kontinuierlich ihren ÖPNV ausgebaut haben, hat man hier
dessen Stagnation betrieben. Während auch von Wiesbadener Steuergeldern in
anderen Städten neue Tram-Trassen gebaut wurden, beschäftigte man sich hier
lieber mit neoliberalen Rationalisierungs-Spielchen, wie der Wibus.
Gerade diejenigen, die damals wie heute
verbittert eine Straßenbahn bekämpfen, hätten mehr als ein Jahrzehnt die Mittel
und die Zeit gehabt, die angeblichen Alternativen zu entwickeln, die sie heute
wieder von anderen fordern. Dass sie dies unterlassen haben, belegt entweder
dass es diese “Alternativen” gar nicht gibt, oder das man trotz aller
Lippenbekenntnisse überhaupt kein Interesse an einem stärkeren und attraktiven
ÖPNV hat.
Angesichts von wachsender Bevölkerung und
wachsender Mobilität, Schadstoffproblemen und Klimawandel kann sich Wiesbaden
eine weitere Blockade nicht länger leisten. Die Zeit zum Handeln ist jetzt!
Die CityBahn ist der realistischste und
durchdachteste Vorschlag zum ÖPNV-Ausbau, der aktuell auf dem Tisch liegt. Und
wir von der BI ProCityBahn tun unser Bestes, dieses Projekt konstruktiv im
Sinne unserer Stadt mitzugestalten und dabei zu helfen, dass die Wünsche und
Bedürfnisse möglichst vieler Menschen in diese Planungen einfließen.
Diejenigen, die das Projekt CityBahn (aus
welchen Gründen auch immer) ablehnen, sehen wir in der Pflicht, selbst einen
ebenso realistischen Vorschlag zur Weiterentwicklung des ÖPNVs vorzulegen.
Konstruktives Handeln würde uns viel weiter bringen als Fundamentalopposition.
Und die Zeit, die man jetzt in rechtlich fragwürdige, inhaltliche einseitige,
zeitlich übereilte und von der Zielsetzung her destruktive Bürgerbegehren
gesteckt hat, hätte man (z.B. im Rahmen eines Mobilitätsleitbildes) besser in die
Entwicklung eigener konstruktiver Vorschläge investieren können.
Die Bürgerinnen und Bürger nach einer
Entscheidung zu fragen, macht nur dann Sinn, wenn Sie eine echte Wahl zwischen
konkreten Lösungsoptionen haben und möglichst umfassend über deren Ziele und
Konsequenzen informiert sind. Ein Einfach-weiter-wurschteln wie 2001 und 2013
kann angesichts der heutigen Herausforderungen keine Option mehr sein.
Weitere Informationen
Informationen zum Bürgerbegehren 2001 finden Sie unter http://stadtbahn-ja.de/ sowie im Archiv der Wiesbadener Tageszeitungen. Bei Bedarf gewähren wir Ihnen gerne Einsicht in die uns vorliegenden Zeitungsausschnitte. Aus urheberrechtlichen Gründen können wir diese leider nicht mit dieser PM versenden.