Fakt oder Fiktion? Der Rathenauplatz.

Seit kurzem kursiert im Umfeld des Rathenauplatzes ein Flyer zur CityBahn, der es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt und der – fast schon gewohntermaßen – Horrorszenarien heraufbeschwört. Herausgeber ist laut angegebenem Impressum ein Anwohner des Rathenauplatzes.

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels wurde die im Plan mit GUW vermerkte Konstruktion irrtümlicherweise der Gas- und Wasserversorgung zugeschrieben. Tatsächlich gemeint ist damit aber das am Rathenauplatz geplante Gleichrichterunterwerk – also eine Vorrichtung zur Stromversorgung der Tram. Im Sinne der Transparenz bleibt die darauf aufbauende Argumentation im Artikel bestehen, wird aber durchgestrichen.

Unabhängig von einigen unbelegten und unseres Wissens nach falschen Aussagen (wie die Umlage von Kostensteigerungen auf Anlieger) und der moralisch fragwürdigen Aufforderung, Befürworter mögen bitte der Wahlurne fern bleiben, krankt der Flyer (wie auch der offene Brief an den OBR Biebrich, der diesem Flyer voraus ging1Im deutlich umfangreicheren, offenen Brief finden sich weitere, falsche Aussagen. Beispielsweise, dass das Betreten und Überqueren des besonderen Bahnkörpers verboten sei und straßenbündige … Continue reading) an seinem zentralen Argument: Der veralteten Planungsunterlage, auf der er aufbaut.

Das ist auch eine Folge der nicht immer glücklichen Kommunikation rund um das Projekt. Die Planungsunterlagen vom Frühjahr 2019, auf die sich der Autor bezieht, sind seit dem Umbau der CityBahn-Homepage im Frühjahr 2020 nicht mehr online zu finden (weshalb wir sie auf unserer Homepage wieder online stellten). Neuere Pläne sind aktuell nicht online einsehbar.

Nichtsdestotrotz: Das Kernargument ist falsch und mit ihm bröckeln viele der im Flyer und im offenen Brief angebrachten Schlussfolgerungen. Denn: Die Haltestelle am Rathenauplatz wird nicht dreigleisig. Die dreigleisige Haltestelle entstammt früheren Planungsperioden. Ein Blick auf neuere Pläne belegt das – die neuesten Vorlagen vom Stadtplanungsamt zum Rathenauplatz entkräften auch die letzten Aussagen des Flyers.

Die Pläne des Rathenauplatzes

Rathenauplatz aus den Planungsunterlagensatz Frühjahr 2019.

Der linksstehende Plan entstammt den im Frühjahr 2019 veröffentlichen Planungsunterlagen. Der konkrete Plan selbst – ein Blick ins Original zeigts – stammt aus dem April 2018.

Der Plan des Rathenauplatzes aus dem Frühjahr 2020. 2Die Pläne aus dem Frühjahr 2020 sind aus für uns nicht nachvollziehbaren Gründen nicht online einsehbar. Der Rathenauplatz bekommt keine dreigleisige Haltestelle mehr.

Der in grau eingezeichnete, unterirdische Gas- und Wasserschieber, an dessen Verlegung viele Schlussfolgerungen des Flyers anknüpfen, liegt durch den Entfall des dritten Gleises nicht mehr unter der Bahn. Die im Flyer vorgeworfenen „offensichtlichen Planungsfehler“, deren „Kostensteigerungen die auf die Anlieger umgelegt“ werden, sind damit hinfällig.

Der Rathenauplatz gemäß den neuesten Plänen des Stadtplanungsamtes.

Die Argumente im Detail


(© Stadtplanungsamt Wiesbaden und beauftragte Planungsbüros: StadtBahnGestaltung, GRUPPE PLANWERK, VerkehrsConsult Dresden-Berlin GmbH, tagebau architekten + designer)

Die neuesten Unterlagen des Stadtplanungsamtes für den Rathenauplatz zeichnen ein deutlich überarbeitetes Bild.

Fakt oder Fiktion?
Zu den Behauptungen des Flyers.

  • Alle Parkplätze werden wegfallen.
    Fiktion: In den mittlerweile zweieinhalb Jahre alten Plänen sind tatsächlich keine Parkplätze markiert gewesen. Die neuen Pläne zeigen aber: Es sind weiter Parkplätze geplant – wie die 18 Stück auf der östlichen Seite des Platzes (siehe Stadtplanungsamt).
  • offensichtliche Planungsfehler erhöhen die Baukosten
    Fiktion: Die „offensichtlichen Planungsfehler„, auf die sich der Flyer bezieht – die Nicht-Berücksichtigung der unteririschen Gas- und Wasserschieber – sind mit dem nicht mehr geplanten, dritten Gleis haltlos.
  • Fast alle Bäume werden gefällt„.
    Fakt: Auch in den neueren Plänen sind knapp die Hälfte der heute auf dem Rathenauplatz stehenden Bäume betroffen.
  • Ersatzpflanzungen hunderte Meter entfernt„.
    Fiktion: Die Ersatzpflanzungen sollen können auf dem Rathenauplatz stattfinden. Der Plan des Stadtplanungsamtes schlägt dazu 19 (!) Ersatzpflanzungen direkt auf dem Rathenauplatz vor.
  • Kostensteigerungen drohen auf Anlieger umgelegt zu werden
    Fiktion: Etwaige Kostensteigerungen werden auf alle Geldgeber gleichermaßen umgelegt: 10% die Stadt Wiesbaden, 90% Bund und Land. Im Gegenteil – die Anlieger dürfte das sogar freuen. Denn die Kanalsanierungen, die im Rahmen des CityBahn-Baus durchgeführt werden, werden ebenfalls zu 90% aus Bundes- und Landesmitteln gefördert. Ohne CityBahn müsste der Netzbetreiber – die ELW – diese Sanierung allein stemmen und dadurch deutlich mehr Kosten auf die Wiesbadener umlegen.

Quellen

Quellen
1 Im deutlich umfangreicheren, offenen Brief finden sich weitere, falsche Aussagen. Beispielsweise, dass das Betreten und Überqueren des besonderen Bahnkörpers verboten sei und straßenbündige Abschnitte der Tram nicht gefördert würden.
2 Die Pläne aus dem Frühjahr 2020 sind aus für uns nicht nachvollziehbaren Gründen nicht online einsehbar.

Pressemeldung zur laufenden Umfrage der VRM

Diese Pressemitteilung bezieht sich auf die vom 28. September bis 02. Oktober laufende Onlineumfrage zur CityBahn des vrm.

Vorsicht bei Online-Umfragen

Die Ergebnisse von nicht-personalisierten Online-Umfragen sind selten repräsentativ und lassen sich häufig leicht manipulieren. Solche Umfragen bergen daher die Gefahr, ein grob verzerrtes Stimmungsbild zu liefern. Gerade im Vorfeld umkämpfter Abstimmungen (wie der zur CityBahn) kann es passieren, dass vermeintliche Mehrheiten die tatsächliche Wahlentscheidung beeinflussen.

Zum Thema CityBahn wurden bereits verschiedene Online-Umfragen unterschiedlichster Qualität durchgeführt. Diese wurden insbesondere von Gegner*innen dieses Projekts immer wieder massiv bei der eigenen Anhängerschaft beworben und führten so häufig zu stark polarisierten, aber auch recht einseitigen Ergebnissen, da sich kein Querschnitt der Bevölkerung beteiligt hat. 

Der Wiesbadener Kurier hat nun wenige Wochen vor dem Bürgerentscheid das Mainzer Marktforschungsunternehmen m-result mit einer weiteren Umfrage beauftragt, die (so wird es zumindest suggeriert) ein belastbares Stimmungsbild ermitteln soll. Wir wollen uns daher mal ansehen, was eine solche Umfrage leisten kann und was nicht. Wo liegen die Gefahren einer nicht-repräsentativen Umfrage im Vorfeld eines Bürgerentscheids? Hierfür haben wir zwei Sozialwissenschaftlerinnen um eine Einschätzung gebeten:

Analyse

Frei zugängliche Online-Umfragen sind generell mit großer Vorsicht zu genießen. Menschen, die online unterwegs sind und sich dort zu gesellschaftspolitischen Themen äußern, sind jünger als der Durchschnitt und häufiger männlich – egal, ob auf konservativen oder progressiven Internetseiten. 

Damit eine Umfrage repräsentativ ist, muss sie strengen Auswahlregeln folgen. Nur so kann sie sicherstellen, dass alle Bevölkerungsgruppen ausreichend teilnehmen: Junge wie Alte, Frauen wie Männer, höher wie niedriger Gebildete, Auto- wie Radfahrende. Das können frei zugängliche Online-Umfragen nicht leisten – und diese Schieflage kann auch mit statistischen Methoden nicht ausgeglichen werden.

In der Umfrage für den VRM wurde außerdem nicht sichergestellt, dass Personen nur einmal teilnehmen konnten. Dadurch besteht die Gefahr, dass Personen mit starken Meinungen zur CityBahn – egal ob pro oder contra – durch mehrfache Abstimmung das Ergebnis in ihre Richtung beeinflussen.  Mit technischen Grundkenntnissen und etwas Skrupellosigkeit könnte man gerade bei kleineren Stichproben so die Ergebnisse sogar in ihr Gegenteil verkehren.

Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive bestehen daher große Zweifel daran, dass die Umfrage die Meinung der Wiesbadener Bevölkerung wiedergibt.

Fazit und Forderungen

Egal wie diese (und andere) Online-Umfrage(n) zur CityBahn ausgehen, man sollte sie in keinem Fall als Vorwegnahme des Abstimmungsergebnisses interpretieren. Schon aus methodischen Gründen können sie nie den Grad an Treffsicherheit erzielen, den man von repräsentativen Wahlumfragen auf Bundes- oder Landesebene gewohnt ist.

Vielmehr bergen die Ergebnisse solch fragwürdiger Umfragen gerade im kommunalen Bereich die Gefahr, selbst die tatsächlichen Abstimmungen zu beeinflussen – sei es nun als selbsterfüllende Prophezeiung oder als demobilisierend wirkende, vermeintlich klare Sache.

Daher fordern wir den Wiesbadener Kurier auf, seine Leser*innen ausdrücklich auf die Begrenzungen und Limitierungen solcher Umfragen hinzuweisen und die Ergebnisse nicht als tatsächliches, repräsentatives Stimmungsbild, sondern als mit erheblichen Unsicherheiten und Manipulationsmöglichkeiten verbundenes Befragungsergebnis zu kommunizieren. Keine Wählerin und kein Wähler sollte sich durch diese Umfrage so ent- oder ermutigt fühlen, von ihrem/seinem Wahlrecht keinen Gebrauch mehr zu machen oder ohne großes Nachdenken mit einer gefühlten Mehrheit zu stimmen.

Die Entscheidung darüber, ob die CityBahn kommt oder nicht, fällen die Bürger*innen bis einschließlich 1.11. auf den offiziellen Stimmzetteln einer freien, gleichen und geheimen Wahl und nicht in einem manipulierbaren Online-Formular.

Zur Kreuzung am Landeshaus

Nach der Einrichtung der Umweltspur auf dem 1. Ring kam es an der Kreuzung am Landeshaus wiederholt zu Unfällen und noch öfter zu gefährlichen Situationen. Ursache hierfür waren abbiegende Fahrzeuge, die beim Rechtsabbiegen die geradeaus führende Umweltspur kreuzen mussten. Sowohl Rechtsabbieger als auch Umweltspur hatten gleichzeitig Grün.

Während solche Konstellationen an anderen Kreuzungen in Wiesbaden schon geraume Zeit gut funktionieren (beispielsweise in der Schwalbacher Straße Fahrtrichtung Süden, Höhe Platz der Deutschen Einheit), stellte sich dieser Gewöhnungseffekt am Landeshaus auch nach baulichen Änderungen nicht ein. Konsequenz: Die kurzfristige, dauerhafte Sperrung der Rechtsabbiegemöglichkeit auf dem 1. Ring Richtung Biebricher Allee.

Damit bleiben den Fahrzeugen auf dem 1. Ring aus Richtung Norden kommend wenig praktikable Möglichkeiten, auf die Biebricher Allee zu fahren: Sei es über Mainzer/Schiersteiner Straße und den 2. Ring, über das Wohngebiet am Gutenbergplatz oder per U-Turn am Hauptbahnhof.

Diese Verkehrsführungen sind bei derzeitigem Verkehrsaufkommen vom Ring auf die Biebricher Allee nachteilig und nicht erstrebenswert – eine Lösung allerdings verzwickt. Wir haben daher als Diskussionsgrundlage einige, mögliche Lösungen erdacht, Vor- und Nachteile zusammengefasst und möchten diese mit euch diskutieren.

Der Artikel und die vorgestellten Vorschläge bauen dabei auf diesen Thesen auf:

  • Die Umweltspur als solches wird nicht infrage gestellt, weil sie besonders dem Busverkehr zu spürbar mehr Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit verhilft.
  • Der Status Quo des gesperrten Rechtsabbiegers ist unbefriedigend, weil es keine praktikable Verbindung zwischen dem (aus Richtung Sedanplatz kommenden) 1. Ring und der Biebricher Allee gibt.
  • Der Status vor dem Status Quo war unzureichend, da die Kreuzung in der ausgeführten Gestaltung zu wiederholten Unfällen führte.
  • Der Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Grundsätzlich lassen sich mehrere Werkzeuge zur Lösung anwenden – teilweise auch in Kombination miteinander. Dazu gehören eine veränderte Spurführung, eine veränderte Signalisierung oder eine kreuzungsübergreifende Veränderung der Abbiegemöglichkeiten.

Option A: partielle Aufgabe der Umweltspur

Rot: Umweltspur. Blau: MIV-Spuren.

Die Gefährdungen entstanden durch rechtsabbiegende Fahrzeuge, weil diese die (gleichzeitig grün-habende) Umweltspur kreuzten. In Option A wird die Umweltspur auf dem Abschnitt Gutenbergplatz bis „Am Landeshaus“ wieder abgeschafft und zu einer Mischspur Auto (Rechtsabbieger) und Bus/Rad (Geradeaus).

Vorteile

  • Möglich ohne Veränderung der Ampelanlagen

Nachteile

  • Umweltspuren nicht mehr durchgehend, was zur Senkung der Attraktivität Bus- und Radverkehr führt
  • Lösung erschafft neue Konfliktpunkte an vorheriger Kreuzung, wenn Autos & Busse/Räder parallel in die Kreuzung einfahren und auf dieselbe Spur wollen.

Option B: Getrennte Signalisierung auf dem Ring

Rot: Umweltspur. Blau: MIV-Spuren.

In dieser Variante werden MIV-Spuren und Umweltspur getrennt signalisiert – heißt, es wird eine separate Bus-/Radampel nötig, wie sie an vielen anderen Kreuzungen schon angebracht ist. Da es keine separate Rechtsabbiegerspur der Autos gibt, haben auch geradeausfahrende Autos rot, wenn Busse und Rad grün haben. Busse und Räder haben im Gegenzug Rot, wenn die Autos Grün haben.

Vorteile

  • Möglich ohne Veränderung der Spurführungen

Nachteile

  • Sehr lange Rotphasen für sowohl Bus- als auch den Individualverkehr.
  • Gefährliche Situationen können weiter entstehen, wenn Busse/Räder irrtümlich die MIV-Ampeln als maßgebend ansehen.

Option C: Rechtsabbiegerspur an Kreuzung „Am Landeshaus“

Rot: Umweltspur. Blau: MIV-Spuren. Grün: Neue Rechtsabbiegerspur am Landeshaus.

Die Schwächen der Option B können behoben werden, indem die Kreuzung „Am Landeshaus“ eine separate Rechtsabbieger-Spur bekommt. Damit wird es möglich, rechtsabbiegende Autos getrennt mit einer abbiegenden Ampel zu signalisieren – diese könnten dann beispielsweise Grün bekommen, wenn der Verkehr aus der Straße „Am Landeshaus“ Richtung Moritzstraße ebenfalls Fahrt hat.

Vorteile

  • Die separat signalisierte Rechtsabbieger-Spur verhindert gefährliche Situationen
  • In vorhandene Ampelphasen integrierbar

Nachteile

  • Mit der separaten Rechtsabbiegespur verbleibt nur eine Geradeaus-Spur auf dem Ring – zu wenig für das aktuelle Verkehrsaufkommen
  • Die einzig verbleibende Geradeaus-Spur wird zusätzlich durch mögliche Linksabbieger (1. Ring > Moritzstraße) eingeschänkt.

Option D: Verlegung des Abbiegers an die Biebricher Allee

Wie oben dargestellt sprechen die Platzverhältnisse an der Kreuzung zum Landeshaus gegen eine separate Rechtsabbiegerspur. Anders verhält sich das aber eine Kreuzung weiter.

Rot: Umweltspur. Blau: MIV-Spuren. Grün: Neue Rechtsabbiegerspur an der Biebricher Allee.

Der Grünstreifen zwischen 1. Ring und der ersten Baumreihe ist hier breiter als vor dem Landeshaus. Mit einer Reduktion des Grünstreifens wäre es hier möglich, eine explizite Rechtsabbiegerspur zu realisieren, während zwei MIV-Geradeausspuren und die Umweltspur erhalten bleiben. Die Rechtsabbieger-Spur kann dann getrennt signalisiert werden – beispielsweise gleichzeitig mit dem Rechtsabbieger von der Allee auf den Ring.

Anhand erster Schätzungen, basierend auf den gezeigten Satellitenbildern, ist diese Erweiterung möglich, ohne in den Baumbestand eingreifen zu müssen.

Vorteile

  • Die separat signalisierte Rechtsabbieger-Spur verhindert gefährliche Situationen
  • Zwei Geradeaus-Spuren in Richtung Bahnhof bleiben erhalten
  • An der Kreuzung existiert kein Linksabbieger, der den Geradeausverkehr beeinträchtigen kann.

Nachteile

  • Eingriff in den Grünstreifen notwendig (vmtl aber ohne Auswirkungen auf die Bäume)
  • Durch die Bauphase die vermutlich längste Umsetzungsdauer und teuerste Variante

Option E: Partielle Aufgabe der Umweltspur II

Rot: Umweltspur. Blau: MIV-Spuren. Grün: Neue Rechtsabbiegerspur an der Biebricher Allee.

Auch in dieser Variante wird der Rechtsabbieger an die Kreuzung Biebricher Allee verlegt – diesmal ist aber keine weitere Fahrspur auf Kosten des Grünstreifens notwendig. Alternativ wird die Umweltspur zwischen „Am Landeshaus“ und der Biebricher Allee unterbrochen. Die Straße „Am Landeshaus“ würde damit de facto zur Einbahnstraße stadteinwärts.

Vorteile

  • Es verbleiben zwei geradeaus-Spuren auf dem 1. Ring ohne Eingriff in die Grünfläche.
  • Die Konflikte beim Einfädeln in die Spur sind geringer als bei Variante A, da es keine gleichzeitig nebeneinander auf den Ring einbiegenden Busse und Autos aus der Moritzstraße gibt.

Nachteile

  • Die Umweltspur wäre nicht mehr durchgehend.
  • Eine Busschleuse, die es den Bussen (in Richtung Bahnhofstraße) ermöglicht, auf die linke Spur zu wechseln, ist an der Kreuzung Biebricher Allee nicht mehr möglich. Diese müsste dann bereits am Landeshaus installiert werden.

Über Takt, Fahrzeiten und Doppeltraktion

Das wichtigste aus diesem Artikel in Kürze:

  • In der Wiesbadener Innenstadt soll die CityBahn alle fünf Minuten fahren, nach Mainz alle zehn Minuten und alle 15 Minuten in Richtung Taunusstein.
  • Folglich fahren nicht alle Züge die komplette Strecke. Es wird also Züge geben, die an den Stellen enden, an denen die Taktung wechselt: an der Hochschule RheinMain und in Biebrich (Rheinbahnhof).
  • Der Großteil der Fahrten im Wiesbadener Stadtgebiet und nach Mainz kann in Doppeltraktion stattfinden. Es wird allerdings auch Fahrten in Einfachtraktion geben müssen.

Rund um den Takt der CityBahn sammeln sich eine Reihe für die Nutzer interessante Fragen: Wie gestalten sich die Fahrtzeiten? In welchem Takt soll auf den einzelnen Streckenabschnitten gefahren werden? Fährt jede Bahn von Bad Schwalbach bis zur Hochschule Mainz oder wird es mehrere Linien geben? Falls mehrere Linien angedacht sind, so beginnen und enden diese? Wie viele Züge werden dafür (mindestens) benötigt – ist das mit den 38 Fahrzeugen der aktuellen NKU überhaupt zu schaffen? Und wenn ja, wie viele Züge können dann noch in Doppeltraktion fahren? Wir nehmen euch in diesem Artikel mit auf eine Reise durch diese einzelnen Fragen – um im letzten Schritt nachzuweisen, dass die angedachte Zugzahl auch ausreicht. 

Über die Fahrtzeiten

Für die einzelnen Streckenabschnitte sind folgende Fahrzeiten angegeben1https://www.citybahn-verbindet.de/die-linie.html:

AbschnittFahrtzeit
Bad Schwalbach –
Hochschule RheinMain*
30 Minuten
Hochschule RheinMain* –
Wiesbaden Hbf
07 Minuten
Wiesbaden Hbf – Biebrich11 Minuten
Biebrich – Kastel Brückenkopf10 Minuten
Kastel Brückenkopf –
Hochschule Mainz
14 Minuten
Anvisierte Fahrtzeiten gemäß CB GmbH.
* Die tatsächliche Endhaltestelle wird im Bereich Dotzheim/Klarenthal liegen. Da die genaue Routenführung zwischen Hochschule und der Aartalbahn noch diskutiert wird (Stand: Sep 2020), ist hier Hochschule als vorläufige Endhaltestelle angegeben.

Die Fahrtzeiten zeigen: auf einigen Abschnitten wirds deutlich schneller. So wird die Fahrtdauer zwischen Hauptbahnhof und Hochschule RheinMain gegenüber heute halbiert, zwischen Bad Schwalbach und dem Hbf Wiesbaden sinkt sie von 46 Minuten auf 37 Minuten2Vom Kurhaus (Bad Schwalbach) bis zum Wiesbadener Hauptbahnhof benötigen die Busse heute 46 Minuten (Buslinie 274) bzw. 41 Minuten (Buslinie 275). Die Regionalzüge auf der Aartalbahn benötigten … Continue readingZwischen Hauptbahnhof und Biebrich ist die Bahn in etwa so lang unterwegs wie die heutigen Busse, dafür von Biebrich etwas früher am Brückenkopf (vier Minuten schneller).

Über den Takt

Entlang der geplanten CityBahn-Route sind verschiedene Takte vorgesehen. Diese lassen sich der offiziellen Internetseite entnehmen und seien (für die Hauptverkehrszeiten) hier nochmal dargestellt:

  • Bad Schwalbach – Hochschule RheinMain*: alle 15 Minuten
  • Hochschule RheinMain – Biebrich: alle 5 Minuten
  • Biebrich – Hochschule Mainz: alle 10 Minuten

Durch die unterschiedlichen Taktungen auf den einzelnen Abschnitten ergeben sich schon verschiedene Schlussfolgerungen:

  • Es werden nicht alle Züge von Bad Schwalbach zur Hochschule Mainz durchfahren. Das lassen die unterschiedlichen Takte (15 Minuten und 10 Minuten) nicht zu. 
  • Die Züge aus Bad Schwalbach (4 Züge pro Stunde) und alle von Mainz (6 Züge pro Stunde) reichen nicht aus, um in der Innenstadt einen Fünf-Minuten-Takt zu erzeugen. Es müssen also weitere Züge zwischen HSRM und Biebrich pendeln.
  • Durch die verschiedenen Takte ergeben sich logisch (mindestens) zwei Stellen, an denen Züge beginnen, enden und wenden können: An der Hochschule RheinMain und in Biebrich (Rheinbahnhof). 

Zum Wenden ist aber im Gegensatz zu Mainz keine Wendeschleife nötig, allerdings empfiehlt sich ein drittes Gleis. Die endenden Züge sollen die nachfolgenden Fahrten nicht blockieren, sie müssen also aus dem Weg. Auch ein etwaiges Trennen oder Koppeln von Zügen (Doppeltraktion) kann dann dort stattfinden – abseits vom Hauptfahrweg.

Tatsächlich ist am Wiesbadener Hauptbahnhof noch eine dritte, mögliche Wendestelle eingeplant. Am Kasteler Brückenkopf sollen, entgegen häufig kursierender Gerüchte, weder Züge wenden noch ge- oder entkoppelt werden.

Über die Fahrzeugzahl

Werden die gegebenen Fahrtzeiten und gewünschte Takte übereinandergelegt, lässt sich daraus die Anzahl benötigter Fahrzeuge ableiten. Derartige Schritte der Umlaufplanung sind heute durch Software automatisiert und werden binnen Sekunden automatisch gelöst – auch die darauf basierenden Schichtpläne unter Berücksichtigung gesetzlicher Lenk- und Ruhezeiten. 

Wir werden den ersten Teil zur Ermittlung der Fahrzeugzahl dennoch manuell durchführen. Denn, besonders weil wir bei der CityBahn über (anfangs) nur eine Strecke sprechen, ist dies auch sehr gut nachvollziehbar.

Schritt 0 – der Bildfahrplan

Bildfahrpläne sind seit Erfindung der Eisenbahn genutzte, einfache Mittel zur Darstellung von Zugfahrten und zur Erstellung (einfacher) Tourenpläne. Ein Bildfahrplan ist letztlich ein Zeit-Wege-Diagramm: Die Bahnhöfe X-Achse, die Zeit als Y-Achse (oder v.v.), Zugfahrten werden dann als diagonale Linien eingetragen.

Beispielhaft sei die S-Bahnlinie S8 zwischen Mainz und Wiesbaden dargestellt (eine Fahrtrichtung). Ablesbar ist sowohl der Takt (rot) als auch die Fahrtzeit (blau). Die Zwischenstopps (Wiesbaden Ost und Mainz Nord) wurden der Übersichtlichkeit halber weggelassen.
Bildfahrplan der Buslinie 1. Die Haltestellen sind hier auf der Y-Achse, die Uhrzeiten auf der X-Achse. Dargestellt sind beide Fahrtrichtungen mit Unterwegshaltestellen. Die rot markierten Fahrten könnten von einem Bus abgewickelt werden – sie ergeben einen Umlauf. Insgesamt wären (mindestens) sechs Busse nötig, um alle Umläufe dieser Linie abzudecken.

Die Lösung, die wir im Folgenden entwickeln, ist eine mögliche Lösung – weder die einzige noch automatisch die beste. Aber sie reicht für den Nachweis, dass die 38 Züge ausreichen. Und sie kommt ohne die Wendestelle am Wiesbadener Hauptbahnhof aus.

Wir nähern uns dazu von außen – also von den weniger dicht getakteten Abschnitten Hochschule – Bad Schwalbach sowie Biebrich – Mainz. Und wir starten der Einfachheit halber mit der Annahme, dass die Züge so weit wie möglich durchfahren.

Schritt 1 – Züge von Bad Schwalbach nach Mainz

Im ersten Schritt betrachten wir Züge, die von Mainz bis Bad Schwalbach durchfahren. Diese Züge fahren maximal halbstündlich – anders lässt sich ein 10-Minutentakt auf der einen Seite nicht mit einem 15-Minutentakt auf der anderen Seite kombinieren. Von Endhaltestelle bis Endhaltestelle wären diese Züge 72 Minuten unterwegs. Insgesamt sind dafür sechs Züge nötig – danach ist der erste Zug wieder zurück in Bad Schwalbach und kann von vorn beginnen.

Die dicke-rot markierten Fahrten können von einem Zug durchgeführt werden. Dieser ist nach knapp über zweieinhalb Stunden wieder zurück in Bad Schwalbach – und kann deshalb drei Stunden nach der ersten Fahrt wieder von vorn beginnen.

Schritt 2 – Züge von Bad Schwalbach nach Biebrich

Um den Zieltakt von 15 Minuten nach Taunusstein und Bad Schwalbach zu erreichen, sind weitere Züge notwendig. Diese fahren ebenfalls so weit durch, wie möglich: zum Biebricher Rheinbahnhof.

Diese ergänzenden Umläufe können, wie die Grafik verdeutlicht, mit vier zusätzlichen Zügen abgedeckt werden.

Schritt 3 – Züge von der Hochschule Mainz zur Hochschule Wiesbaden

Noch haben wir zwischen Biebrich und Mainz einen 30-Minuten-Takt – die Züge, die aus Bad Schwalbach durch fahren. Es werden vier weitere Fahrten pro Stunde notwendig, um hier einen Zehnminutentakt zu erreichen. Diese fahren ebenfalls von der Mainzer Hochschule maximal weit bis an die Wiesbadener Hochschule. Wie in der Grafik deutlich wird, werden dafür acht Züge benötigt.

Schritt 4 – Züge von Biebrich zur Hochschule Wiesbaden

Bleibt noch der Abschnitt zwischen Biebrich und Hochschule Wiesbaden. Für einen Fünfminutentakt sollen hier zwölf Züge pro Stunde und Richtung fahren – bisher sind es aber nur zehn. Es fehlen also noch zusätzliche Fahrten zwischen Biebrich und der Hochschule Wiesbaden. Aus der (schon recht vollen) Grafik zeigt sich: hier reichen vier Züge.

Schritt 5 – Fahrzeuge, Doppeltraktion, Linien

Für die in den ersten vier Schritten dargelegten Fahrten werden insgesamt mindestens 22 Züge (6+4+8+3) benötigt. Mit 22 Zügen kann der angestrebte also Takt erreicht werden – allerdings nur in Einfachtraktion.

UmlaufAnzahl Züge
Bad Schwalbach – HS Mainz6
Bad Schwalbach – Biebrich4
HS Mainz – HS Wiesbaden8
Biebrich – HS Wiesbaden4
 Σ22 Züge

Um alle Fahrten in Doppeltraktion durchzuführen, würden (ohne Instandhaltungsreserve) 44 Züge benötigt – mehr als die 38 geplanten. Es werden also auch in den Stoßzeiten Fahrten in Einfachtraktion durchgeführt. Mit Hilfe der 16 noch nicht verplanten Züge wird ein Teil davon zu Doppeltraktionen aufgestockt – aber wie viele?

Mit Blick auf die Fahrgastprognosen zeigt sich, dass das größte Aufkommen im Wiesbadener Stadtgebiet erwartet wird, gefolgt von der Verbindung nach Mainz. Durchgehende Doppeltraktionen nach Taunusstein werden also weniger benötigt.

UmlaufAnzahl ZügeTraktionFahrzeuge
Bad Schwalbach – HS Mainz6Einfach6
Bad Schwalbach – Biebrich4Einfach4
HS Mainz – HS Wiesbaden8Doppelt16
Biebrich – HS Wiesbaden4Doppelt8
 Σ22 Züge Σ34 Züge
Vorschlag einer einfachen Verteilung Einfach- und Doppeltraktionen.

Daraus eröffnet sich eine simple Möglichkeit: Alle Züge aus Bad Schwalbach fahren in Einfachtraktion. Damit ergäbe sich ein rechnerischer Fahrzeugbedarf von 34 Zügen.

Nach dem einfachen, vorgeschlagenen Schema würden die im Bildfahrplan pink markierten Fahrten in Doppeltraktion durchgeführt, die grauen in Einfachtraktion. Damit führen zwischen Hochschule und Biebrich acht der zwölf Züge pro Stunde in Doppeltraktion. Das ergibt eine rechnerische Fahrgastkapazität von 4.400 Plätzen pro Stunde und Richtung. Zum Vergleich: Die Linien 4 und 14 kommen heute, trotz eines Vier-Minuten-Taktes auf, 1.500 Plätze pro Stunde und Richtung.

Damit wäre ein erheblicher Teil der innerstädtischen Fahrten in Wiesbaden mit Doppeltraktionen abgedeckt und es bliebe eine Fahrzeugreserve von vier Zügen, die sogar hier und da noch Doppeltraktionen in den Taunus zuließe.

Unabhängig von diesen Fahrzeugumläufen stellt sich die Frage nach der Anzahl Linien – also fahren alle Züge der CityBahn unter derselben Liniennummer, obwohl sie unterschiedlich weit fahren? Schon heute ist es bei Buslinien Gang und Gebe, dass nicht alle Fahrzeuge bis an die Endhaltestelle fahren, sondern früher enden. Zu besseren Unterscheidbarkeit empfiehlt sich aber beispielsweise durchaus, Züge, die in den Taunus oder nach Mainz fahren, separat zu betiteln.

Schritt 6 – und nun?

Im realen Leben ist die Frage hier natürlich noch nicht abschließend beantwortet. Denn durch verlängern oder verkürzen der Wendezeiten an den Endbahnhöfen lässt sich die Fahrzeugzahl noch beeinflussen. Hinterfragen lässt sich beispielsweise der Sinn von durchgehenden Zügen Bad Schwalbach – Hochschule Mainz Hochschule. Auch enden in unserem einfachen Modell keine Züge am Wiesbadener Hauptbahnhof – obwohl dies möglich wäre.

Auch auf der Strecke nach Bad Schwalbach sind weitere Modifikationen denkbar: In Doppeltraktion hoch, in Einfachtraktion (dafür doppelt so oft) wieder runter. Die Strecke stellt durch ihre weitestgehende Eingleisigkeit ohnehin zusätzliche Anforderungen – denn die Züge müssen sich ja an vordefinierten Bahnhöfen treffen.

Der nächste Schritt, die Personalplanung, ist mit all den gesetzlichen Vorgaben zu Schicht-, Ruhe- und Lenkzeiten ein Kapitel für sich und wird heute in der Regel softwaregestützt optimiert. Und führt hier zu weit.

Weiterlesen

  • www.citybahn-verbindet.de – Zur geplantem Takt und den Fahrtzeiten
  • www.linieplus.de – Konzeptvorschlag zur Reaktivierung der Aartalbahn mit kombiniertem Regionalbahn-/CityBahnverkehr. Inklusive Taktschema, Bildfahrplan und ausgearbeiteten Kreuzungspunkten. (Privater Beitrag, 29.11.2019, Anton Eisenbach)

Quellen

Quellen
1 https://www.citybahn-verbindet.de/die-linie.html
2 Vom Kurhaus (Bad Schwalbach) bis zum Wiesbadener Hauptbahnhof benötigen die Busse heute 46 Minuten (Buslinie 274) bzw. 41 Minuten (Buslinie 275). Die Regionalzüge auf der Aartalbahn benötigten für diese Strecke 40 Minuten (Stand 1979).

Mit dem Dritten fährt sich’s besser

CityBahn oder Aartalbahn? Meterspur oder Regelspur? RegioTram oder Regionalbahn? An dieser Frage entzünden sich Diskussionen. Erfolgreich wurde hier ein Gegensatz herbeidiskutiert, der eigentlich nicht existiert. Denn beide widersprechen sich nicht – Stichwort Dreischienengleis. Dafür rechtzeitig die Weichen zu stellen, erfordert aber Mut. Ein Plädoyer, sich keine Optionen zu verbauen.

Die CityBahn soll – nachdem Sie von Mainz aus kommend Wiesbaden durchquert hat – auch auf der derzeit stillgelegten Trasse der Aartalbahn nach Taunusstein und Bad Schwalbach fahren. Sie verbindet damit Wiesbaden mit zwei Nachbarstädten, die bislang nur per Bus erreichbar sind und bietet damit mehreren tausend Berufspendlern eine echte Alternative. Hinzu kommen Schul- und Studienverkehre und nicht zu unterschätzende Freizeitströme aus Wiesbaden in den Taunus.

Abendessen spontan zum Waldgeist auf der Eisernen Hand, ohne einen Fahrer zu brauchen? Zum Wandern oder zur Radtour komfortabel den Taunuskamm hoch? Gern.

Zu dieser erstrebenswerten Vision gehört aber auch Ehrlichkeit: Wenn der Abschnitt zwischen Wiesbaden und Bad Schwalbach erst mal komplett auf Meterspur umgebaut wurde, ist die Option einer durchgehenden Regionalzugverbindung zwischen Aartal und Mainz/Frankfurt auf Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte vom Tisch. Denn eine frisch sanierte Bahnstrecke wenige Jahre später nochmal umzubauen, dürfte den Geldgebern schwer zu vermitteln sein. Und ein in Bad Schwalbach endender Regionalzug, der die Pendler aus dem oberen Aartal dort in die CityBahn umsteigen lässt, dürfte nicht für viele attraktiv erscheinen.

Die Straßenbahnhaltestelle Braunschweig Hauptbahnhof im Jahr 2006. Neben den Straßenbahngleisen (1.100mm) waren die Bahnsteige für die normalspurige, aber nie umgesetzte StadtUmlandBahn vorbereitet.

(Bild: User:Brunswyk, Braunschweig Brunswick Busbahnhof 1 (2006), CC BY-SA 3.0)

Deshalb drängt sich geradezu die Frage auf, ob sich Wiesbaden und der Rheingau-Taunus-Kreis diese Option langfristig verbauen wollen. Oder ob uns diese Möglichkeit die Mehrkosten der Dreischienengleis-Lösung nicht vielleicht doch wert ist. Auch auf das Risiko hin, dass die Regionalzugverbindung womöglich nie kommt und das Geld dann umsonst verbaut wurde.

CityBahn und Aartalbahn – Synergien?

In der Zwickauer Innenstadt verkehren die meterspurige Straßenbahn und die regelspurige Vogtlandbahn abschnittsweise parallel. Das gepflasterte Gleis kann durch Busse und Rettungsfahrzeuge befahren werden.
(Bild: Smiley.toeristZwickau trein 4CC BY-SA 4.0)

Neben der technischen Machbarkeit stellt sich natürlich die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines parallelen Betriebes der CityBahn und wie auch immer gearteten Zügen auf der Aartalbahnstrecke. Woraus ergeben sich Synergien aus beiden Systemen?

Die Reaktivierung der Aartalbahn als reine Regionalbahn wurde in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach untersucht – mit jeweils negativem Ergebnis des volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Verhältnisses. Ohne veränderte Rahmenbedingungen besteht auch kein Grund zur Annahme, dass sich das ändern wird.

Gemeinsam mit der CityBahn ergeben sich aber Synergieeffekte, die hier helfen können. Denn beide Verkehrsmittel zielen auf verschiedene Zielgruppen – die Regionalzugverbindung aus dem Aartal auf die Pendler des Aartals mit beispielsweise dem Ziel Frankfurt oder einem Umstieg am Wiesbadener Hauptbahnhof in den Fernverkehr. Die CityBahn stellt eine komfortable und zuverlässige Verbindung für die Einpendler nach Wiesbaden dar – mit zahlreichen Anknüpfungspunkten in der Innenstadt.

Auch in Taunusstein und Bad Schwalbach ergänzen sich beide Systeme. Die Züge der Aartalbahn hielten an drei Punkten: Hahn-Wehen, Bleidenstadt und Bad Schwalbach), werden diese durch die geplanten CityBahn-Haltestellen um die Feinerschließung ergänzt. Zu den drei Regionalzughalten kämen sieben zusätzliche Haltestellen der CityBahn in Taunusstein und Bad Schwalbach hinzu. Auch die Innenstadt Bad Schwalbachs selbst wäre damit angebunden. Die fußläufige Erreichbarkeit der CityBahn-Haltestellen lockt wiederum auch viele Pendler an, um zum Umstieg in die Aartalbahn-Regionalzüge zu fahren.

Auch so kann die CityBahn dazu beitragen, dass die Reaktivierung der Aartalbahn auf der Gesamtlänge wieder wirtschaftlich erscheint. Es ergibt sich bei beiden Systemen gemeinsam also ein deutlich größerer Nutzen durch die Verknüpfung; gleichzeitig sind die Mehrkosten aber überschaubar – doch dazu später mehr.

Bestandsaufnahme: Was die Aartalbahn kann

Auch die Aartalbahnstrecke kann nicht zaubern. Unabhängig vom konkreten Zustand der Gleise, Weichen, Brücken und Tunnel empfiehlt sich daher ein nüchterner Blick auf die generellen Anbindungen und Möglichkeiten der Strecke.

Auf ihren knapp 54 Kilometern verbindet die Aartalbahn Diez (b. Limburg) mit der Landeshauptstadt Wiesbaden. Limburg selbst kann nur durch Kopfmachen in Diez erreicht werden, da keine Verbindungskurve nach Osten existiert. Nach Süden sind Wiesbaden Hauptbahnhof und Mainz-Kastel erreichbar. Eine direkte Verbindung zur Ländchesbahn und in Richtung Wallauer Spange existiert nicht; dazu müsste eine neue Bahnbrücke das Klärwerk kreuzen. Der Bahnhof Wiesbaden Ost wird zwar passiert, allerdings ohne eine Gleisverbindung an die Bahnsteige.

Züge könn(t)en sich derzeit nur in den Bahnhöfen Dotzheim, Hahn-Wehen und Bad Schwalbach begegnen. Da die Aartalbahnstrecke selbst im Wesentlichen aber eingleisig ist, lässt sich der Takt von künftigen Zügen nicht beliebig steigern – irgendwann würden neue, zweigleisige Ausweichstellen notwendig.1Eingleisigkeit beschränkt den Takt, in dem Züge in verschiedene Richtungen fahren können. Der Takt kann allerdings weiter gesteigert werden, wenn mehrere Züge hintereinander in dieselbe Richtung … Continue reading

Zur Technik: Das Dreischienengleis

In aller Ausführlichkeit wurden die verschiedenen Varianten der Gleise, Sicherungssysteme, Stromversorgungen und Co bereits im August 2019 auf unserem Themenabend „CityBahn und Aartalbahn – Konkurrenz, Koexistenz oder Synergien?“ vorgestellt. Für Details gern also auch dort nachschlagen.

Links ein Zug in Regelspur; die meterspurige S-Bahn wurde im Bahnhof „Erdmannlistein“ ausgefädelt. So lassen sich unterschiedliche Fahrzeugbreiten und Einstiegshöhen gut lösen.
Gut zu sehen: Das Dreischienengleis links. Blaupause auch für die Aartalbahn?
(Bild: Dankenswerterweise bereitgestellt von Walter Ruetsch )

Dreischienengleise (oder genereller: Mehrschienengleise) erlauben, dass Züge trotz unterschiedlicher Spurweiten dieselben Strecken benutzen. Sie kommen dort vor, wo Bahnstrecken und -netze, die aus historischen oder technischen Gründen auf verschiedenen Spurweiten fahren, zusammenwachsen. Und so sind sie auch auf der Aartalbahn geboten, wenn ein paralleler Betrieb der CityBahn (1.000 mm Spurweite) und einer wie auch immer gearteten Regionalbahn (1.435 mm Spurweite) stattfinden soll. In Deutschland finden sich aktuell Mehrschienengleise beispielsweise an folgenden Orten:

Um die unterschiedlichen Fahrzeugbreiten auszugleichen, werden die Spurweiten an den beiden gemeinsam genutzte Haltestellen Zwickau Zentrum und Zwickau Stadthalle ausgefädelt; die Züge halten an verschiedenen Seiten des Bahnsteiges.
(Bild: M.Bienick, Kombibahnsteig002, CC BY-SA 2.5.)
  • Im Ruhrgebiet verkehren die Straßenbahn Duisburg (Normalspur) und die Straßenbahnen Mülheim/Essen (Meterspur) teilweise auf denselben Strecken; die Gleise sind als dann als Drei- oder Vierschienengleis ausgeführt. 2Von Gleisen und Schienen bei der EVAG, RuhrBahnBlog
  • In Zwickau, wo seit 1999 Straßenbahnen (Meterspur) gemeinsam mit normalspurigen Regionalbahnen der Vogtlandbahn auf rund 1,3 Kilometer durch die Innenstadt fahren.

Der Bahnhof Putbus auf Rügen. Hier treffen sich die regelspurigen RegioShuttles mit den schmalspurigen Zügen (750mm) der Rügenschen Kleinbahn („Rasender Roland“). Gut zu erkennen ist die Ausfädelung im Vordergrund; die Schmalspurstrecke biegt hier ab.
(Bild: Lapplaender, Rasender Roland 2, CC BY-SA 3.0 DE)
  • In Stuttgart, wo die ursprünglich meterspurige Straßenbahn ab den 1980er Jahren sukzessive auf die Normalspur umgebaut wurde. Heute sind einige Strecken noch als Dreischienengleis erhalten, um Museumsfahrten mit den historischen Fahrzeuge zu ermöglichen.
  • Im Bahnhof Putbus auf Rügen, wo sich normalspurige Regionalzüge mit den Schmalspurzügen der Rügenschen Kleinbahn (Rasender Roland) treffen.
Die meterspurige S17 der S-Bahn Zürich. Sie verkehrt auf einem Dreischienengleis – dieses ermöglicht zusätzlich einen normalspurigen Güterverkehr.
(Bild: BDWM ABe 4/8 5011 Spital Muri AG flickr photo by bahn.photos shared under a Creative Commons (BY-ND) license)

Zum Aufwand: Kosten eines Dreischienengleises

Die Menge neu gebauter Dreischienengleise in Deutschland ist übersichtlich; konkrete Zahlen über deren Baukosten halten sich folglich in Grenzen. Zumal für unsere Fragestellung ja nicht der absolute Preis von Interesse ist, sondern die Mehrkosten gegenüber einem Meterspurgleis. Denn die Frage ist ja nicht „Was kostet die Strecke als Dreischienengleis?„, sondern „Was würde die dritte Schiene, die uns die Regionalbahnoption ermöglicht, gegenüber dem geplanten Meterspurgleis mehr kosten?

Und so stützen wir uns im Wesentlichen auf zwei Quellen: Dem Schlussbericht zur vergleichenden Untersuchung der „Kombilösung zur Neugestaltung des ÖPNV im Korridor Darmstadt – Roßdorf – Groß-Zimmern“ (2016) sowie einem persönlichen Gespräch mit Experten des „Zwickauer Modells„, die im Wesentlichen den ersten Bericht stützen.

Konkrete Kosten basieren immer auf einer Vielzahl Rahmenbedingungen – so fußt der Kostenvergleich in Darmstadt auf einer innerstädtischen Strecke mit Pflaster/Asphalt, die Aartalbahn liegt aber frei im Wald. Dennoch liefern sie gute Anhaltspunkte für eine ungefähre Größenordnung.

Zweischienengleis (1.000 mm)Dreischienengleis
(1.000 mm & 1.435 mm)
delta
Gleisbau, eingleisig (inkl. Oberbau und Entwässerung)1.200 EUR/m1.600 EUR/m+33%
Weiche (inkl. Steuerung und Heizung)182.700 EUR/Stück215.000 EUR/Stück+18%
Aus: Untersuchung der „Kombi-Lösung“ zur Neugestaltung des ÖPNV
im Korridor Darmstadt – Roßdorf – Groß-Zimmern

Quintessenz: Die Strecke zwischen Wiesbaden und Bad Schwalbach würde rund ein Drittel teurer. Daran lässt sich noch schrauben – beispielsweise, indem man nur die passenden Schwellen legt – die dritte Schiene für den Regionalverkehr aber noch nicht.

Ein weiterer Vorteil der Dreischienenlösung, den wir aber leider (noch) nicht quantifizieren können: Der Bauablauf würde wahrscheinlich vereinfacht. Denn da der Bau von Bahnstrecken in Regelspur in Deutschland Normalfall ist (Meterspur ist eher selten), sind Bauzüge und Güterwagen für den Materialtransport einfacher verfügbar. Die Sanierung von Regelspurstrecken ist mittlerweile sehr stark automatisiert und daher vergleichsweise schnell möglich. Bauzüge in Meterspur müssten erst importiert werden. Auch könnte die Sanierung der Strecke bereits beginnen, wenn in Mainz der erste Spaten für die CityBahn gestochen wird – dann ist sie bereits einsatzbereit, wenn die CityBahn-Baustellen an der Hochschule ankommen.

Exkurs: Und der Güterverkehr?

Die Reaktivierung der Aartalbahnstrecke in Regelspur bringt einen weiteren Aspekt mit, der hier zumindest angeschnitten werden soll.

Öffentlich betriebene Eisenbahnstrecken müssen zu (definierten) Bedingungen allen interessierten Eisenbahnverkehrsunternehmen [EVU] zur Verfügung gestellt werden. Heißt: Ist die Aartalbahnstrecke reaktiviert, muss der Zugang (unter Berücksichtigung des Personenverkehrs) auch jedem EVU gewährt werden, welches dort Güterverkehr betreiben möchte. Es entsteht also die Möglichkeit, dass zusätzlich zu den Personenzügen regelmäßig oder sporadisch Güterzüge ihren Weg dorthin finden werden – sei es als Bedienung eines Kunden entlang der Strecke oder im Transit.3Genau genommen besteht diese juristische Möglichkeit auch bei der Reaktivierung der Strecke in Meterspur. Da es aber faktisch keinen Schienengüterverkehr in Meterspur in der Region gibt, wäre der … Continue reading

Die Wahrscheinlichkeit hierzu ist aus mehreren Gründen gering – aber dennoch vorhanden und muss daher ehrlicherweise ebenfalls kommuniziert werden.

So ist die Strecke durch ihre Eingleisigkeit, eher kurze Überholgleise und die (noch) fehlende Elektrifizierung unattraktiv, zumal dann bereits ein dichter Takt Personenzüge führe. Zusätzlich existiert nur eine übersichtliche Anzahl an möglichen Kunden und Anschlüssen entlang der Aartalbahnstrecke, die für einen Schienengüterverkehr attraktiv sind.

Allerdings muss das nicht so bleiben – denn wenn möglich, wieso nicht beispielsweise die in den Wirtschaftswäldern geschlagenen Bäume nicht schon dort auf die Schiene verladen? Aktuell befindet sich die nächste Ladestelle in Wiesbaden Ost – also auf der anderen Seite der Stadt.

Weiterlesen

  • Privater Blogbeitrag auf LiniePlus.de, der die Dreischienengleislösung ebenfalls aufgreift – mit sehr konkreten Vorschlägen über Bahnsteige, Gleislagen und Taktschemata: Aartalbahn mit Dreischienengleis reaktivieren. (A. Eisenbach, November 2019)
  • Hat die Diskussion Meterspur vs. Regelspur Auswirkungen auf die Kapazitäten der CityBahn? Ein Blick nach Deutschland. Schmalspurargumente (Bürger Pro CityBahn, 2019).

Quellen

Quellen
1 Eingleisigkeit beschränkt den Takt, in dem Züge in verschiedene Richtungen fahren können. Der Takt kann allerdings weiter gesteigert werden, wenn mehrere Züge hintereinander in dieselbe Richtung (im Blockabstand) fahren. So wäre es beispielsweise möglich, in den Stoßzeiten mehr Züge (und damit einen attraktiveren Takt) in die Hauptrichtung fahren zu lassen. Nach dem Motto: In Doppeltraktion hoch, in doppeltem Takt wieder runter. So könnten CityBahn und Regionalbahn relativ dicht hintereinander in dieselbe Richtung verkehren.
2 Von Gleisen und Schienen bei der EVAG, RuhrBahnBlog
3 Genau genommen besteht diese juristische Möglichkeit auch bei der Reaktivierung der Strecke in Meterspur. Da es aber faktisch keinen Schienengüterverkehr in Meterspur in der Region gibt, wäre der nur mit einem unattraktiven, weiteren Umschlag möglich.

Infrastruktur eines BRT

Die hohen Achslasten eines Busses rollen am Straßenbelag nicht spurlos vorbei. Je größer die Achslast, desto größer der Schaden. Besonders auf stark befahrenen Magistralen wird der Straßenbelag stark strapaziert. Und spätestens, wenn die Busse eines ausgebauten Bussystems (BRT) aufgrund ihrer Länge spurgeführt werden, die Reifen also zentimetergenau immer über dieselbe Stelle fahren, bilden sich schnell Spurrillen. Der Fahrkomfort sinkt, der Verschleiß am Fahrzeug steigt.

Die Spurführung hat beim TVR auch einen Nachteil: Immergleiche Belastungen der schweren Fahrzeuge führen zu Spurrillen in der Straße.
(Bild: HÉROUVILLE Saint-Clair CFR0194 flickr photo by NeiTech shared under a Creative Commons (BY-NC-ND) license )
Mainzer Straße Höhe Justiz- und Verwaltungszentrum.
Bushaltestelle Hauptbahnhof.

Warum Beton?

Bei der Entscheidung, ob eine Straße mit Asphalt, mit Beton oder mit Pflaster gestaltet wird, spielt vor allem eines eine Rolle: Die erwartete Belastung. Genauer gesagt: Die erwarteten Achslasten. Denn wie US-amerikanische Wissenschaftler schon in den 1950er Jahren herausfanden, ist die Achslast – nicht die Anzahl der Fahrzeuge – maßgeblich für die Beschädigung der Straße.

Ihr Ergebnis: Der Schaden an der Straße steigt exponentiell mit der Achslast. Eine LKW-Achse mit 7,5 Tonnen schädigt die Straße über 50.000 Mal stärker als eine PKW-Achse mit 500 Kilogramm.

Busse stehen LKWs in Sachen Achslast nicht viel nach. Ein moderner Diesel-Solobus kommt auf Achslasten von 7,5 Tonnen (vorn) sowie 12,5 Tonnen (hinten), ein Gelenkbus auf den drei Achsen auf 7,5 Tonnen, 10 Tonnen und 13 Tonnen. Hinzu kommen zusätzliche Belastungen durch Beschleunigung, Bremsen und Abbiegen.

Straßen(abschnitte), bei denen eine hohe Belastung vorauszusehen ist, werden daher in der Regel aus Beton gebaut. Beton hält unter starker Beanspruchung länger durch, sodass Betonfahrbahnen drei bis vier mal so lange genutzt werden können.

In Wiesbaden sind daher viele Bushaltestellen mit Betonplatten gebaut. Auch einige stark belastete Straßen (wie die Busspur auf der Oranienstraße, die Rheingaustraße oder die Kreuzung Kasteler Straße/Breslauer Straße) sind daher in Betonbauweise errichtet.

Der Kern eines konsequent ausgebauten BRT besteht aus (a) einer dichten Taktfolge, (b) größeren Bussen und (c) einer durchgezogenen Bevorrechtigung. Ein zum BRT ausgebautes Bussystem stellt mit hohen Achslasten in hoher Frequenz besonders hohe Anforderungen an die Fahrbahn. Wenn die Busse dann (aufgrund ihrer Länge) auch noch spurgeführt werden, die Räder also immer dieselbe Stelle befahren, sind Betonfahrbahnen das Gebot der Stunde.

Fahrbahnen aus Asphalt müssten nicht nur drei- bis viermal so oft saniert werden, was sie teurer macht und durch die Baustellen unattraktiver für die Städte. Die sich bildenden Spurrillen senken drüber hinaus den Fahrkomfort und steigern den Fahrzeugverschleiß.

Bau- und Instandhaltungskosten

Während die Baukosten von Asphaltschichten niedriger sind als die von Betonfahrbahnen, müssen diese öfter erneuert werden. Aber auch Betonfahrbahnen müssen gewartet werden. Bei Betrachtung der Lebenszykluskosten für stark beanspruchte Straßen zeigt sich aber ein klarer Sieger.

Asphaltfahrbahn

  • Erneuerung alle 7-10 Jahre
  • Bau-/Sanierungskosten: 50 EUR/m²

Betonfahrbahn

  • Erneuerung alle 30 Jahre
  • Bau-/Sanierungskosten: 150 EUR/m²
  • Instandhaltung (Fugenerhalt): 5 EUR/m²
  • Instandhaltungsintervall (Kaltverguss): alle 15 Jahre
  • 10% der Platten müssen vor Ablauf des Lebenszyklus getauscht werden

Quelle der Richtwerte

Beispielhaft sei mit diesen Richtwerten eine 1.000 Meter lange, vier Meter breite Fahrbahn durchgerechnet. Betrachtungszeitraum seien 30 Jahre.

Asphaltbauweise
Lebensdauer7 Jahre
Bau-/Instandhaltungs-zyklen4,29
Kosten pro Zyklus4.000m²
x 50 EUR/m²
= 200.000 EUR
Gesamtkosten (30 Jahre)4,29 x 200.000 EUR
= 857.000 EUR
Betonbauweise
Lebensdauer30 Jahre
Bau-/Instandhaltungs-zyklen1
Kosten pro Zyklus4.000m² x 150 EUR/m²
= 600.000 EUR
Gesamtkosten der Zyklen1 x 600.000 EUR
= 600.000 EUR
Instandhaltungskosten (Fugen, alle 15 Jahre)2 Zyklen
x 5 EUR/m²
x 4.000 m²
= 40.000 EUR
Instandhaltungskosten (Fahrbahn, 10% der Platten)10%
x 4.000 m²
x 150 EUR/m²
= 60.000 EUR
Gesamtkosten (30 Jahre)700.000 EUR

Baukosten BRT

Quellenlage

Die Datenlage über Baukosten dieser Infrastruktur ist international recht gut – auch dank einer Vielzahl BRT-Projekte vor allem in Asien und Südamerika in den letzten Jahrzehnten. Hier sind vor allem drei Quellen empfehlenswert:

In Deutschland selbst liegen nur wenige Zahlen vor. Klassische BRTs fahren hierzulande nicht, sodass bestenfalls Aussagen über BRT-ähnliche Trassenabschnitte möglich sind. Aber sie tauchen immer wieder als Vergleichsgröße bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen von umfassenden Verkehrskonzepten auf. Auch im Europäischen Nachbarland finden sich hin und wieder Daten.

Im Detail geht aus den Zahlen aber nicht immer hervor, was sie genau beinhalten: Nur die Fahrbahn oder auch die Anpassungen beispielsweise der Ampelanlagen? Sind die Haltestellen inklusive oder on top? Ist die Ausführung mit Asphalt oder Beton, sind die Fahrspuren höhenfrei und beinhalten diese nur eine oder beide Fahrtrichtungen? Insofern empfiehlt sich eine gewisse Achtsamkeit beim Vergleich.

Ist-Zahlen aus Deutschland

Der BRT-Database folgend gibt es in Deutschland nur zwei Bustrassen, die BRT-ähnlich ausgebaut sind:

  • die ÖPNV-Trasse Oberhausen. Sie ist 6,8 Kilometer lang und wurde teilweise auf der Trasse der stillgelegten Bahn der Hüttenwerke Oberhausen erreichtet. Auf ihr verkehren neben einer Straßenbahnlinie mehrere (Schnell-)Buslinien. Kosten der 1996 eröffneten Betonpiste: 15 Millionen Euro pro Kilometer.1Buses with High Level of Service, COST, 2011.
  • der sukzessive erweiterte, mittlerweile wieder teilweise eingestellte Spurbus Essen. In den 1980er Jahren begonnen und auch als Versuchsstrecke für kombinierte Diesel-/Oberleitungsbusse genutzt, variieren die Baukosten sehr stark und sind für heutige BRTs nur wenig aussagekräftig.

Aktuelle Studien aus Deutschland

QuelleBaukosten pro kmJahrQuelle
Stadt Regensburg14,0 Mio2017(Link)
Verkehrsentwicklungsplan Erlangen8,0 Mio2013(Link)
Mobilitätskonzept für einen nachhaltigen Öffentlichen Nah- und Regionalverkehr in Kiel5,4 Mio2019(Link)
Alternativenuntersuchung im Rahmen des Mobilitätsleitbildes Wiesbaden8,5 Mio2019(Link)

Baukosten in Europa

StadtEröffnungsjahrBaukosten pro Kilometer (Mio EUR)*Bemerkungen
Caen200215,7Spurbus TVR „Twisto“
Metz201311,9BRT „Mettis“
Nancy200118,9Spurbus mechanisch
Rouen2001/20028,7/9,3optischer Spurbus
Castellón de la Plana200910,32Oberleitungs-Buslinie
Istanbul20076,63Metrobus Istanbul
Beispielhafte BRT-Bauprojekte in Europa. *Wechselkurse USD-EUR aus jeweiligen Jahren. Daten: BRTData.org

Baukosten weltweit

StadtEröffnungsjahrBaukosten pro Kilometer (Mio EUR)*Bemerkungen
Nagoya, Japan200151,9Yutorito Line
Klang Valley, Malaysia201528,25BRT Sunway Line
Buenos Aires, Argentinien2011 bis 20164,42Metrobus
Brisbane, Australien200051,59South East Busway
Hartford, CT, USA201533,4New Britain-Hartford Busway
Chengdu, China201314,28Chengdu BRT
Haifa, Israel20137,53Metronit
Beispielhafte BRT-Bauprojekte in weltweit. *Wechselkurse USD-EUR aus jeweiligen Jahren. Daten: BRTData.org

Galerie

Quellen

Mehr Legitimität durch gute Information und hohe Wahlbeteiligung

Das Ergebnis des Bürgerentscheids zur CityBahn wird die nächsten Jahrzehnte des Wiesbadener Verkehrs maßgeblich prägen – unabhängig davon, wie er ausgeht. Solch weitreichende Beschlüsse sollten nicht allein von Minderheiten oder auf Basis unzureichender Informationen getroffen werden. Ein solcher Bürgerentscheid verdient eine möglichst große Legitimation durch eine hohe Wahlbeteiligung sowie einen Wahlkampf, der die flächendeckende Information und Mobilisierung der Bevölkerung ermöglicht.

Gerade im Hinblick auf die mit dem weiteren Verlauf der Corona-Pandemie verbundene Ungewissheit fordern wir daher, dass…

  • die Stadt Wiesbaden die notwendigen Beschlüsse in die Wege leitet, um den Entscheid (und ggf. die Kommunalwahl) als Briefwahl abzuhalten und den Bürgern direkt die Briefwahlunterlagen zuzusenden. Die Bayerische Kommunalwahl im März hat eindrucksvoll bewiesen, dass sich die Wahlbeteiligung so massiv steigern lässt.
  • der Bürgerentscheid erst dann stattfindet, wenn der Pandemieverlauf und die Infektionsschutzmaßnahmen im Vorfeld eine angemessene Informations- und Wahlkampfarbeit zulassen.

Flächendeckende Briefwahl zum Entscheid

Falls sich die Wiesbadener Stadtpolitik in der Stadtverordnetenversammlung im Juli also dazu entscheidet, den Bürgerentscheid zur CityBahn im November diesen Jahres anzusetzen, muss sie zeitgleich Maßnahmen ergreifen, die eine möglichst hohe Wahlbeteiligung ermöglichen – obwohl der Termin dann mit keiner anderen Wahl kombiniert wird.

Ein Blick nach Mainz zeigt: Bei einem singulären Bürgerentscheid, der mit keiner anderen Wahl gekoppelt wird, ist die Wahlbeteiligung eher niedrig.

Mit Blick auf die äußerst positiven Erfahrungen der Bayrischen Kommunalwahl im März diesen Jahres fordern wir deshalb, den Bürgerentscheid zur CityBahn durch eine flächendeckende Briefwahl durchzuführen.

Durch den flächendeckenden und automatischen Versand der Briefwahlunterlagen konnte die Wahlbeteiligung in bayrischen Städten zur Kommunalwahl signifikant erhöht werden – in einigen Städten sogar um über zehn Prozentpunkte.

Briefwahlen gewinnen ohnehin stetig an Bedeutung; die Briefwahlquote hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten mehr als verdoppelt. Der Mehraufwand durch den Versand der Unterlagen an alle Wahlberechtigten ist angesichts der Wichtigkeit des Projektes und der stärkeren Legitimation mehr als akzeptabel. Zumal gleichzeitig die ehrenamtlichen Wahlhelfer entlastet werden, da die Wahllokale nicht mehr ganztägig geöffnet sein müssen.

Ein Versand von Briefwahlunterlagen an alle Wahlberechtigten lässt den Besuch im Wahllokal entfallen. Er wäre damit auch der richtige Schritt zur Vorsorge, um angesichts der derzeit unvorhersehbaren Entwicklung in der Corona-Pandemie auch bei kurzfristigen Änderungen der Gefährdungslage die Wahl für jeden Wähler (und Wahlhelfer) sicher durchführen zu können. Das ist auch mit Blick auf die Kommunalwahl im März 2021 eine wertvolle Option.

Wahlkampf muss auch zum Entscheid möglich sein

Eine derartig wichtige Entscheidung verdient einen ordentlichen Wahlkampf. Und das umso mehr, wenn der Bürgerentscheid getrennt von der Kommunalwahl durchgeführt wird.

Das Informations- und Diskussionsbedürfnis ist weiter hoch. Das zeigt auch der enorme Zulauf zu Veranstaltungen zum Thema CityBahn – seien es die Fachinformationsabende der CityBahn GmbH, die entscheidenden Ortsbeirats- oder Stadtverordnetensitzungen oder die Veranstaltungen der beteiligten Bürgerinitiativen.

Ein Wahlkampf besteht aber nicht nur aus Plakate-Kleben. Es gibt Infostände, Gespräche mit Anwohnern, Diskussionsveranstaltungen. Die Hessische Gemeindeordnung sieht ausdrücklich Bürgerversammlungen vor.

All diese Informations- und Wahlkampfmaßnahmen lassen sich nicht adäquat durch Postwurfsendungen oder Internetseiten ersetzen. In Anbetracht der Bedeutung der Entscheidung muss sichergestellt sein, dass diese auch im Vorfeld des Entscheides stattfinden können. Das ist mit Blick auf den ungewissen, weiteren Verlauf der Pandemie nur schwer abzuschätzen. Aber dennoch nicht weniger notwendig.

Höhere Wahlbeteiligung durch automatische Briefwahl

Durch den automatischen Versand von Wahlunterlagen an alle Wähler kann die Wahlbeteiligung spürbar erhöht werden. Das zeigt ein Blick auf die Bayrische Kommunalwahl im März 2020.

Die Krise zur Chance: Höhere Wahlbeteiligung durch Briefwahl

Zwei Wochen nach der Bayrischen Kommunal-Hauptwahl kam es am 29. März in 121 Städten und Gemeinden zu Stichwahlen. Die Stichwahl selbst – so beschloss es die Landesregierung mit Rücksicht auf die Corona-Pandemie – wurde als reine Briefwahl durchgeführt. Die Wahllokale blieben geschlossen, alle Bürger bekamen automatisch Briefwahlunterlagen zugesendet.

Das hatte einen deutlich positiven Effekt auf die Wahlbeteiligung: In 109 der 121 Stichwahlen lag die Wahlbeteiligung höher als bei der Hauptwahl – in einigen Städten stieg die Wahlbeteiligung um über zehn Prozentpunkte, in Ingolstadt gar um zwölf Prozent.

Der Anstieg der Beteiligung zur Stichwahl ist kein „traditionell bayerisches Phänomen“. Das zeigt ein Blick auf die vorherige, bayerische Kommunalwahl 2014: Dort stieg die Beteiligung zur Stichwahl nur in fünf Gemeinden; in 55 sank sie teilweise drastisch. Die hohe Wahlbeteiligung ist daher höchstwahrscheinlich auf die automatische Zusendung der Wahlunterlagen zurückzuführen.

Dass sinkende Wahlbeteiligungen bei Stichwahlen eher Standard sind, zeigt auch ein Blick nach Hessen: Insgesamt 92 der aktuell amtierenden Bürgermeister und Landräte in Hessen sind durch eine Stichwahl im Amt. Bei 81 dieser Stichwahlen lag die Wahlbeteiligung niedriger als bei der Hauptwahl.

Die Hessischen Stichwahlen zeigen drei außergewöhnliche Ausreißer nach oben: Bei den Stichwahlen in Bad Karlshafen, Offenbach (Main) und Friedberg (Hessen) lag die Wahlbeteiligung bei der Stichwahl um mehr als zehn Prozentpunkte höher als bei den Hauptwahlen. In Bad Karlshafen musste die Stichwahl nach einem skurrilen Scherz eines Wahlhelfers in einem Bezirk wiederholt werden; die Wiederholungswahl hatte durch die mediale Aufmerksamkeit eine enorme Wahlbeteiligung von 81,3%. Der Tag Stichwahlen in Offenbach und Friedberg fiel mit der Bundestagswahl 2017 zusammen – der Grund für die gestiegene Beteiligung.

Auch in den Hessischen Direktwahlen nimmt die Wahlbeteiligung zur Stichwahl hin also meist ab – dargestellt sind hier die jeweils letzten Landrats- und (Ober-)Bürgermeisterwahlen. Das Muster ist folglich auch hier offensichtlich – die Beteiligung bei der Stichwahl ist in der Regel geringer als bei der Hauptwahl. Die Landrats- und Bürgermeisterwahlen finden an keinem zentralen Termin statt, sodass hier der Zeitraum von 2014 bis 2020 ausgewählt ist. Dargestellt ist jeweils die letzte Wahl – sofern es eine Stichwahl war.

Unfreiwillige Verkehrsexperimente

Die Diskussion um den Zusammenhang Autoverkehr – Schadstoffemission flammt durch die coronabedingten Verkehrsveränderungen wieder auf – vermutlich zu unrecht. Denn ein neutraler Blick auf die Messwerte zeigt: In den Wochen nach dem Lockdown lagen die Stickoxidmesswerte in Wiesbaden knapp 30% unter den Werten vor dem Lockdown. Eine Analyse der Hochschule RheinMain kam zu Erkenntnis, dass der Autoverkehr durch den Corona-Lockdown ebenfalls um knapp ein Drittel einbrach. 

Deutschlandweit hat sich mit Start der Anti-Corona-Maßnahmen der Verkehr drastisch gewandelt. Der Flugverkehr kam praktisch zum Erliegen, der Autoverkehr brach spürbar ein. Die Menschen, die noch unterwegs sind, tun dies stärker zu Fuß oder per Rad. Wegfallende Fahrgäste des ÖPNV wiederum wechseln, zumindest zum Teil, ins eigene Auto.

Das veränderte Mobilitätsverhalten zieht weitere Fragen nach sich – auch um den Zusammenhang zwischen dem Autoverkehr und den Luftschadstoffen. Vor allem die Konzentration der Stickoxide – maßgeblicher Messwert für Dieselfahrverbote – erzeugt einige Diskussionen. 

Zusammenhang Verkehr und Emissionen

Dass (Auto-)Verkehr grundsätzlich Schadstoffe emittiert, ist wenig überraschend. Und so ist auch ein Zusammenhang zwischen Intensität des Kraftfahrzeugverkehrs und dem Level der jeweiligen Emissionen trivial. Einen offensichtlichen Zusammenhang zeigt schon, wenn die Wochenganglinie der NO2-Emissionen und die Wochenganglinie des Staulevels in Wiesbaden gemeinsam betrachtet werden: Beide zeigen dieselben Schwankungen an Werktagen mit den zwei selben Stoßzeiten, morgens und abends.

Gegenüberstellung der Wochenganglinie der gemessenen NO2-Emissionen (Durchschnitt 2019, normiert auf Wochenmittelwert, Messwerte Ringkirche) und dem TomTom-Traffic Index Congestion Level für Wiesbaden (2019).

Der Knackpunkt aber – und darum drehen sich die aktuellen Diskussionen – wie viel der gemessenen Emissionen stammen aus dem Autoverkehr? Die Grundthese: Ein coronabedingt massiv rückläufiger Autoverkehr müsste auch zu einer massiv rückläufigen Stickoxidbelastung in den Städten führen. Soweit unstrittig, wirft diese Annahme aber zwei weitere Fragen auf: 

  • Wie stark ist der (Auto-)Verkehr tatsächlich zurückgegangen?
  • Wie stark ist die Luftschadstoffbelastung, vor allem die Stickoxide, parallel gesunken?

Die aufflammenden Diskussionen sind nicht weniger emotional und ideologisch geprägt als die Diskussionen um die Dieselfahrverbote selbst. Und so wundert es nicht, dass nicht jede davon rational geführt wird und sie daher grundsätzlich mit einer gewissen Vorsicht zu genießen sind.

Spätestens, wenn Zeitungsartikel (wie beispielsweise im Focus veröffentlicht) von den über 300 Messstationen in Deutschland 4 (in Worten: vier) herauspicken, um daraus Schlussfolgerungen für die gesamte Republik zu ziehen, sollten die Alarmglocken läuten. Und das ist nur eine von zahlreichen Schwachstellen des besagten Artikels.

Auch die singuläre Betrachtung von einzelnen Messwerten, von Momentaufnahmen, ist wenig aussagekräftig. Ebenso wenig, wie eine einzelne Temperaturmessung Aussagen über Klimaveränderungen geben kann, ermöglicht ein einzelner Luft-Messwert irgendwelche Schlussfolgerungen über die Entwicklung der Schadstoffbelastungen.  Aus einem singulären Wert Schlussfolgerungen abzuleiten ist daher hochgradig unseriös – das hält aber auch Wiesbadener Bürgerinitiativen nicht davon ab, genau das zu versuchen und daraus politisches Kapital zu schlagen.

Dennoch ist es interessant, dass derzeit landauf landab TROTZ des derzeit deutlich reduzierten Berufs- & Freizeitverkehrs die Luftwerte an den Messstellen offensichtlich NICHT unter die von der EU festgelegten und streitbaren Grenzwerte fallen.

Die (…) aufgestellte Anzeigetafel auf der Schwalbacher Straße …) leuchten rot wie sonst im Winter und zur Rushhour. Ob am Ostermontag morgens um 8 Uhr oder am gestrigen Dienstag am Nachmittag 17 Uhr.

Newsletter „Luftwerte Innenstädte“ der BI Mitbestimmung, 15. April 20201Ob oder ob nicht die behaupteten Spitzen tatsächlich existierten, darf der geneigte Leser gern den online zugänglichen Messdaten des HLNUG entnehmen ;)

Nicht umsonst sind die öffentlich zugänglichen Messwerte stets Zeitreihen – also viele Messwerte im Zeitverlauf, oft Stunden- und Tagesmittelwerte. Und so lässt sich die Frage, ob die Luftschadstoffbelastungen analog zum Verkehr sinken, nur mit Hilfe dieser Zeitreihen beantworten.

Veränderte Verkehrsbelastung in Wiesbaden

Der Verkehr war in den letzten Wochen starken Einschränkungen unterworfen – und ist es noch immer. Freizeitverkehre, Schul- und Universitätsbesuche finden fast gar nicht mehr statt, Einkaufsverkehre stark reduziert. Firmen gingen zu einem spürbaren Anteil ins HomeOffice, in Kurzarbeit, in Freistellungen über. Gleichzeitig wechseln Leute vom ÖPNV aufs Rad oder ins eigene Auto.

Die Erwartung, dass hierdurch auch der (Auto-)Verkehr drastisch sinkt, entspricht erstmal auch  den Wahrnehmungen. Die Straßen sind leerer, der Verkehr fließt flüssiger, der früher in Wiesbaden alltägliche Stau ist seltener. Aber passt hier das Bauchgefühl tatsächlich auch zu harten, messbaren Zahlen?

Einen ersten Hinweis geben GoogleMaps und der Navigationsgerätehersteller TomTom. Beide arbeiten mit und veröffentlichen nicht nur live-Verkehrsdaten, sie errechnen und publizieren auch durchschnittliche Verkehrsdaten. Heißt: Wie stark staut es sich normalerweise – errechnet aus Ist-Daten der Anwender. Sowohl TomTom als auch GoogleMaps bestätigen die Vermutung – der (Auto-)Verkehr ist flüssiger. Konkret heißt das: Weniger Stau, weniger verkehrsbedingte Verzögerungen.

Screenshot des TomTom Traffic Index (16. April). In rot die Ist-Stauwerte für Wiesbaden, gepunktet die durchschnittlichen Stauwerte für Wiesbaden zu dem jeweiligen Zeitpunkt. Der Screenshot beinhaltet das Osterwochenende; Donnerstag, Dienstag und Mittwoch zeigen aber klar: Der Verkehr läuft besser. Vor allem die Spitzen in der RushHour morgens und abends fehlen.

Sowohl die Daten von TomTom und auch GoogleMaps zeigen: Der Verkehr fließt aktuell spürbar besser. Aber heißt das jetzt auch, dass weniger Autos unterwegs sind? Wenn ja – wieviele?

Die Verkehrslage in Wiesbaden lt. Google Maps. Links die Ist-Verkehrslage am Mittwoch, den 15. April, 18 Uhr. Rechts die normale Verkehrslage an einem durchschnittlichen Mittwoch zu dieser Zeit.

Ein Zusammenhang zwischen “Anzahl Autos” und “Intensität von Verkehrsstaus” ist unzweifelhaft – aber er ist nicht linear. Soll heißen: Doppelt so viele Autos erzeugen nicht doppelt so viel Stau, halb so viele Autos halbieren ihn nicht. Der Zusammenhang ist exponentiell, dynamisch, von einer Vielzahl Faktoren abhängig und daher eigenes, spannendes Forschungsgebiet der Stauforschung

Details führen hier zu weit – nur lässt sich aus den Stau-Auswertungen von TomTom, die für die abendliche RushHour am 15. April 2020, 16 Uhr ein Rückgang der congestion von 61% (average für diese Zeit) auf tatsächlich gemessene 30% angeben, eben nicht schließen, dass nur halb soviele Fahrzeuge unterwegs waren. Die Frage, wieviele Autos nun tatsächlich weniger unterwegs sind, lässt sich damit also bestenfalls erahnen.

Die Straßenverkehrsmengen scheinen sich auf einem Niveau von 70% von ’normal‘ zu stabilisieren. Wenn das, was wir jetzt erleben, der ’notwendige‘ Autoverkehr ist, dann ist das mengenmäßig doch noch recht viel“, so Prof. Dr. Blees. Aktuell sei aber gegebenenfalls mit Verlagerungen vom ÖPNV zum motorisierten Individualverkehr zu rechnen, was man wiederum herausrechnen müsse. „Andererseits haben unsere Straßen mit nur 30% weniger Autoverkehr schon sehr an Aufenthaltsqualität gewonnen“, so der Verkehrsanalyst.

Aus: Weniger Verkehr durch Corona? HSRM, 07. April 2020

Einen anderen Ansatz der Beantwortung dieser Frage hat die HochSchule RheinMain in einem Screencast gewählt: Durch Auswertung von Zählschleifen, die an Kreuzungen im Boden eingelassen sind. 

Quintessenz: Der (Auto-)Verkehr scheint sich derzeit auf 70% des vor-Corona-Niveaus einzupendeln. Diese Beobachtung deckt sich auch mit anderen, deutschen Großstädten. Gleichzeitig – und auch das deckt sich mit anderen Städten – verschwinden die RushHour-Spitzen weitestgehend und mit mit ihnen der Stau in den Stoßzeiten.

Entwicklung der Schadstoffbelastung in Wiesbaden

Die Auswertung, wie wir sie gleich für Wiesbaden vorstellen, lassen sich analog auch für die anderen Messstationen in Hessen und der Republik anstellen. Die Rohdaten stammen vom HLNUG, welches die Messwerte für die Stationen auf der Homepage komfortabel bereit stellt.

In Wiesbaden sind aktuell drei Messstationen aktiv: An der Ringkirche, an der Schiersteiner Straße (zwischen 1. und 2. Ring) und die Station Wiesbaden-Süd nahe der Autobahnanschlussstelle A66 Wiesbaden-Biebrich.

Von einigen Spitzen abgesehen liefert die Station in Wiesbaden Süd traditionell niedrige Messwerte unterhalb des Grenzwertes von 40 µg/m³ [NO2]. In welchem Maße das mit den anhaltenden Bauarbeiten an der Salzbachtalbrücke und dem sich deshalb andere Routen suchenden Verkehre zusammenhängen mag, ist sicherlich eine spannende Diskussion für einen anderen Artikel.

Die Station an der Wiesbadener Ringkirche ist direkt am 1. Ring gelegen und liefert ihre Messwerte mehr oder weniger live an beispielsweise die Anzeige an der Schwalbacher Straße, die Stadtluftanzeiger und früher ebenfalls an die Platane auf dem Bahnhofsvorplatz.

Sie entspricht zwar nicht den Vorgaben über die Platzierung von Messstationen und ist daher für Diskussionen um das Dieselfahrverbot irrelevant. Sie ist allerdings 15 Jahre älter als ihre (maßgebliche) Schwester in der Schiersteiner Straße und wird daher für Langzeit-Zeitreihen beibehalten. Sie misst außerdem eine größere Bandbreite von Schadstoffen. 

NO2-Messwerte der Station Ringkirche im Tagesverlauf. Dienstag, 17. März [links, vor Lockdown] und Dienstag, der 14. April [rechts, nach Lockdown]. Visualisierung via Stadtluftanzeiger.
Am 17. März wird der Grenzwert in 14 Stunden überschritten, am 14. April nur in zwei Stunden. Auch einzelne Tage sind nur beschränkt aussagekräftig, was langfristige Trends anbelangt.

Für die Frage, wie sich die Luft-Schadstoffe durch die coronabedingten Verkehrsveränderungen entwickeln, konzentrieren wir uns auf die drei Wiesbadener Stationen sowie den derzeit Hauptdiskutierten Luftschadstoff Stickstoffdioxid. Für Hessen sind dabei drei Stichtage relevant: 

Veränderung der Stickoxid-Messwerte durch Lockdown

Im Folgenden seien die Durchschnittswerte für die drei Wiesbadener Messstationen in verschiedenen Zeiträumen dargestellt Zwei Zeiträume liegen vor dem Lockdown (Jahresbeginn bis Lockdown bzw. zwei Wochen direkt vor dem Lockdown), der Dritte umfasst die zwei Wochen nach dem Lockdown.

Angegeben sind die relativen Veränderung nach dem Lockdown. Hier zeigten sich bei allen Wiesbadener Messstationen stabile Reduktionen um ein Viertel bis ein Drittel. Zum Vergleich sei dieselbe Darstellung für 2019er-Daten ebenfalls gegeben.

Mittelwert NO2
2020
RingkircheSchiersteiner StraßeWiesbaden Süd
KW 01-1143,3 µg/m³47,9 µg/m³26,9 µg/m³
KW 10/1139,5 µg/m³44,9 µg/m³23,9 µg/m³
KW 13/1430,3 µg/m³29,3 µg/m³18,0 µg/m³
∆ zu KW 01 bis 11-29,9%-38,9%-33,3%
∆ zu KW 10 und 11-23,3%-34,8%-25,0%

In den zwei Wochen nach dem Lockdown (Kalenderwochen 13 und 14) lagen die Messwerte im Schnitt rund 30% niedriger als im Vergleich mit den zwei Wochen vor dem Lockdown. Auch im Vergleich mit den Werten seit Jahresbeginn sieht das Bild ähnlich aus.

Mittelwert NO2
2019
RingkircheSchiersteiner StraßeWiesbaden Süd
KW01-1149,3 µg/m³52,1 µg/m³31,9 µg/m³
KW10/1136,3 µg/m³45,1 µg/m³17,5 µg/m³
KW13/1454,6 µg/m³53,1 µg/m³36,3 µg/m³
∆ zu KW 01 bis 11+10,8%+2,0%+13,8%
∆ zu KW 01 bis 11+50,2%+17,8%+107,2%

NO2-Messwerte in Wiesbaden im Zeitverlauf

Das Diagramm zeigt die Stundenmittelwerte an Stickstoffdioxid an der Schiersteiner Straße und der Ringkirche vom 02. März bis zum 05. April 2020. Mittendrin: Das Wochenende des Dritten Lockdown-Schritts mit über mehrere Tage anhaltenden, historisch niedrigen Messwerten. So akkurat diese Darstellung auch ist, fällt es aber schwer, mit ihrer Hilfe Schlussfolgerungen zu ziehen oder Zusammenhänge zu erkennen.

Die Messwerte schwanken deutlich – abhängig vom Tagesverlauf (und damit der Verkehrbelastung), dem Wind, den Temperaturen, dem Niederschlag, (…) Ein Blick auf die Tagesmittelwerte hilft da schon weiter. Der Tagesmittelwert glättet die stündlichen Spitzen und liefert damit ein etwas klareres Bild.

Vergleich: Grenzwertüberschreitungen vor und nach dem Lockdown

Das Bild wird etwas eindeutiger, wenn nicht der absolute Messwert angezeigt wird – sondern die Differenz zum Grenzwert – für die Frage, wie oft der Grenzwert geknackt wurde. Hier für die Messstation Ringkirche auf Basis der Stundenmittelwerte für die Kalenderwochen 10 bis 14. Am Ende der KW 12 fand der Dritte LockDown-Schritt statt. Zum Vergleich sind darunter ebenfalls die Messwerte für die KW 10 bis 14 des Vorjahres abgebildet.

Darstellung der Grenzwertüber- und unterschreitungen. Ringkirche, Stundenmittelwerte. Ende der KW12 war der dritte Lockdown-Schritt.

Zum Vergleich: Selber Zeitraum (KW 10 bis KW 14) ein Jahr zuvor.

Aus diesen Gegenüberstellungen lässt sich optisch schon erkennen: Nach dem Hessischen Lockdown Es wird grüner – und zwar sowohl im Vergleich zur Vor-Lockdown-Zeit, als auch im Vergleich mit denselben Wochen im Jahr zuvor. Die Zählung, wie oft die Stundenmittelwerte den Grenzwert knacken (oder nicht), verdeutlicht das Bild noch einmal. Links 2019, Rechts 2020.

Dazwischen gibt es ohne Zweifel noch immer Spitzen; also Stundenmittelwerte, die den Grenzwert knacken. Aber es sind weniger – und letztlich sind es nicht die Stundenmittelwerte, die zählen, sondern die Tages-, Wochen- und Monatswerte. Und deren Durchschnittswerte sprechen bislang eine eindeutige Sprache. 

Fazit

Die dargestellten Analysen beziehen sich auf wenige Wochen und sind auch damit nicht vor Kritik gefeit. Sie sind zwar um Welten aussagefähiger als einzelne Messwerte; das Grundproblem des eher kleinen Zeitraums bleibt aber. Der Lockdown läuft und ist aktuell erst wenige Wochen alt.

Wirklich belastbare Erkenntnisse werden erst bei schrittweiser Lockerung der Corona-Maßnahmen möglich – unter sehr genauer Beobachtung der Verkehrssituation.

Nichtsdestotrotz lässt sich wohlwollend zur Kenntnis nehmen, dass der beobachtete Rückgang der Stickoxid-Konzentration um rund ein Drittel ziemlich gut zum Rückgang der Fahrzeugzahlen (ebenfalls um die 30%) zu passen scheint.

Dass trotz 30%-igem Rückgang der Fahrzeugzahlen der Grenzwert punktuell (oder in anderen Städten flächendeckend) geknackt wird, ändert an dieser Erkenntnis auch nichts.

Quellen

Quellen
1 Ob oder ob nicht die behaupteten Spitzen tatsächlich existierten, darf der geneigte Leser gern den online zugänglichen Messdaten des HLNUG entnehmen ;)