Zwei Straßenbahnen, beide knapp 60 Meter lang, pendeln mehrfach täglich zwischen der Gläsernen Manufaktur und einem Logistikzentrum am Stadtrand Dresdens. Mit eigens gebauten Waggons kann jeder Zug bis zu 60 Tonnen (bzw. 214 Kubikmeter) Güter transportieren – dafür wären sonst drei LKW mit Sattelauflieger notwendig. Die Bahnen schwimmen auf einer Strecke von knapp fünf Kilometern einfach im normalen Straßenbahnverkehr mit.
Seit 2001 rollt die Güterstraßenbahn „CarGoTram“ durch Dresden. Ihre Aufgabe: Versorgung der Gläsernen Manufaktur von VW mit Bauteilen. 14 Jahre lang lieferte die Tram die Teile zur Produktion des Phaeton, nach einjähriger Pause seit 2017 nun die Teile für den e-Golf.
Die ungewöhnliche Lieferkette begründet sich in der außergewöhnlichen Lage der Manufaktur: in unmittelbarer Nähe der barocken Altstadt und des Botanischen Gartens forderte die Stadt Dresden bei der Eröffnung ein umwelt- und stadtverträgliches Konzept. Der Transport mit der CarGoTram ist nicht nur um ein vielfaches leiser als per LKW – er reduziert den CO2-Ausstoß auch um mehr als die Hälfte. (/ml)
Das schweizerische Zürich und seine aktuell 410.000 Einwohner sammeln seit 1882 Erfahrung mit Straßenbahnen, die dort Tram genannt werden. Sie führten sie also zwölf Jahre nach Wiesbaden ein. Da die Züricher noch konservativer sind als die Wiesbadener, trotzten sie dem Trend der automobilgerechten Stadt und ließen sie nach dem Krieg weiterfahren. Und das sehr erfolgreich! Das Netz wurde dort stets ausgebaut und die derzeitigen Planungen reichen weit in das nächste Jahrzehnt. Die Trampilotinnen und -piloten befördern im Moment auf 136 Kilometer Streckenlänge in 258 Fahrzeugen 205 Millionen Fahrgäste jährlich.
Die Züge sind bis auf wenige Ausnahmen in blau-weiß gehalten, entsprechend dem Stadtwappen. Und diese Ausnahmen haben zu Beginn des Jahrzehnts zu heftigen Diskussionen geführt. Denn auch die Zürcher sind ein bisschen konservativ und achten auf ihr Stadtbild! Zwar gibt es schon länger die Möglichkeit, auf der Dachkante Außenwerbeflächen zu buchen, diese stören aber nicht das blau-weiße Design. Ganz anders die Sonder- und Werbetrams, die gänzlich im Werbedesign getaucht sind. Die Auswahl und Anzahl erfolgt dabei sehr sorgfältig. Die Tramtradition und das Stadtbild dürfen halt trotz willkommener Mehreinnahmen nicht allzu gestört werden.
Wo so viel Licht ist, darf Schatten nicht fehlen. Die berüchtigte Bahnhofstraße, die am Paradeplatz vorbeifährt, zeugt davon. Einst sicher eine Flaniermeile mit duftenden Pferdeäpfeln und den Auslagen des lokalen Einzelhandels. Aber kaum ein lokaler Einzelhändler hat überlebt, wie die Bilder eindrücklich zeigen. Sogar die örtliche Chocolaterie ist inzwischen ein internationaler Konzern geworden. Die Geschäfte an der Bahnhofstraße bieten auch nur noch Waren von gesichtslosen Konzernen feil. Auch die Straßen zwischen den Bäumen sind steril sauber geworden. Kein Pferdeapfel, keine Dönerverpackung oder Zigarettenkippe ziert das sorgfältig verlegte Trottoir.
Was wird wohl aus der Wiesbadener Einkaufswelt werden, wenn die CityBahn Kunden von außen herankarrt? (/pj)
Während Straßenbahnen in anderen Städten unserer Größenordnung zum Standard gehören, erinnern sich in Wiesbaden wohl nur noch die älteren Einwohner an eine Tram. Dabei war die Landeshauptstadt früher von einem dichten Straßenbahnnetz überzogen – rund 50 Kilometer Strecke, befahren von einem knappen Dutzend Linien.
Die Geschichte begann 1874 mit einer ersten, schienengebundenen Pferdebahn. Betrieben von der Wiesbaden Tramways Company verband sie auf drei Kilometern den alten Rheinbahnhof über die Taunusstraße mit dem Nerotal. In den 1920ern erreichte die Bahn ihre Blüte mit Verbindungen auf allen wichtigen Straßen der Stadt, inklusive einer Verbindung nach Mainz über die Theodor-Heuss-Brücke.
Der 2. Weltkrieg läutete den Anfang vom Ende ein – massive Schäden am Straßenbahnnetz, den Fahrzeugen und den Werkstätten ließen den Straßenbahnbetrieb ausbluten. So konnten 1945 nur vier Linien wieder in Betrieb gehen, die auf Verschleiß gefahren wurden. 1952 waren nur noch drei Linien übrig. Drei Jahre später wurde der Betrieb schließlich komplett eingestellt, 1961 ebenso der Ersatzbetrieb mit Oberleitungsbussen.
Gewichen ist sie der Idee einer autogerechten Stadt und der Diskussion um Das neue Wiesbaden – Ansätze, in denen das Bergkirchenviertel zugunsten einer Plattenbausiedlung geopfert werden sollte und welche in städtebaulichen Verbrechen wie der Hochstraße auf der Schwalbacher Straße endeten.
Aufmerksame Beobachter sehen aber heute noch Relikte der Straßenbahnzeit – seien es vereinzelte Gleisreste, die hier und da zum Vorschein kommen oder an Gebäuden in Biebrich, an denen die Befestigungen der Oberleitungen noch erhalten blieben. (/ml)