Der Nahverkehr in der RheinMain-Region ist im Umbruch. Autofahrern macht der zunehmende Verkehr auf dem überbeanspruchten Autobahnnetz und den vielen Bundesstraßen in dem Gebiet zu schaffen. Steigende Einwohnerzahlen verschärfen den Verkehrskollaps. Auch das Schienennetz ist spürbar überlastet: Gerade auf der südmainischen Strecke zwischen Frankfurt und Mainz sind Zugverspätungen und Ausfälle an der Tagesordnung. Das zwingt die Städte, Landkreise und das Land Hessen zum Handeln. Eine Reihe von Baumaßnahmen sollen das Schienennetz stärken und dem Öffentlichen Nahverkehr zugute kommen.
Die meisten Neubauprojekte im S- und Regionalverkehr stehen unter dem Dach des Projektes Frankfurt RheinMain plus – eines Gemeinschaftsprojekts von Bund, Land, der Stadt Frankfurt sowie der Deutschen Bahn und dem rmv. Wir werfen einen Blick auf die wichtigsten Maßnahmen und bewerten, auf welche Weise auch die Wiesbadener davon profitieren könnten.
- U-Bahn Verlängerung nach Bad Homburg Hbf
- Wallauer Spange – HessenExpress
- Nordmainische S-Bahn
- Regionaltangente West
- S-Bahnhof „Gateway Gardens“
U-Bahn Verlängerung nach Bad Homburg Hbf
Bislang endet die Linie U2 etwa 1,4 Kilometer östlich vom Bad Homburger Hauptbahnhof an der Haltestelle Gonzenheim. Mit der Verlängerung zum Hauptbahnhof, für die sich die Bad Homburger Einwohner in einem Bürgerentscheid am 28. Oktober mit deutlicher Mehrheit ausgesprochen haben, entsteht eine direkte Umstiegsmöglichkeit zwischen U2, der S-Bahnlinie 5 und mehreren Regionalbahnlinien.
Die Gesamtkosten der Erweiterung werden auf ungefähr 55 Millionen Euro geschätzt – die neue Strecke muss zur Kreuzung der S-Bahn-Trassen abschnittsweise unterirdisch geführt werden. Auch die Haltestelle Gonzenheim würde unterirdisch neu gebaut. Die Nutzen-Kosten-Berechnung fällt trotz dieser aufwendigen Führung mit einem Faktor von 2,15 deutlich positiv aus. 1U2 Bad Homburg vor der Höhe
Die Fraktionen von CDU, SPD und der Grünen der Bad Homburger Stadtverordnetenversammlung befürworten das Projekt – die FDP sprach sich dagegen aus. Knapp über 70 Prozent der Wähler stimmten für die Erweiterung – nur vier der 43 Wahlbezirke zeigten eine Mehrheit dagegen.2Bürgerentscheid Bad Homburg 2018 – Vorläufiges Endergebnis
Wallauer Spange – HessenExpress
Als Wallauer Spange wird der Lückenschluss zwischen der Bahnstrecke Breckenheim-Wiesbaden und der ICE-Schnellfahrstrecke zwischen Köln und Frankfurt bezeichnet. Bisher existiert diese Verbindung nur in nördliche Richtung.
Mit dem Neubau dieses Abschnittes wird es erstmals möglich, dass Zugverbindungen vom Wiesbadener Hauptbahnhof über die Schnellfahrstrecke Richtung Flughafen Frankfurt zu fahren. Der RMV hat bereits angekündigt, bei Inbetriebnahme der Wallauer Spange zwei neue Verbindungen einzurichten: Den HessenExpress 1 von Wiesbaden über den Flughafen nach Frankfurt sowie den HessenExpress 7 von Wiesbaden über den Flughafen nach Darmstadt*. Durch die Nutzung der Schnellfahrstrecke und den kürzeren Weg verringern sich die Reisezeiten teils drastisch, Wiesbaden wird enger an den Fernverkehr angebunden. Zwei Linien, die jeweils stündlich fahren – für den Abschnitt Wiesbaden – Flughafen ergibt sich so eine neue, halbstündliche Expressverbindung.
Relation | Fahrtzeit (heute) | Fahrtzeit (HessenExpress) | |
---|---|---|---|
Wiesbaden - Flughafen | 33 Minuten (S9) | 14 Minuten | - 19 Minuten |
Wiesbaden - Frankfurt Hbf | 33 Minuten (RB10) | 28 Minuten | - 5 Minuten |
Darmstadt - Flughafen | 30 Minuten (Bus) | 15 Minuten | - 15 Minuten |
Darmstadt - Wiesbaden | 43 Minuten (RB 75) | 35 Minuten | - 8 Minuten |
Die Wallauer Spange befindet sich derzeit in der Phase der Vorplanung, die noch 2018 abgeschlossen werden soll. 2025 soll die Strecke in Betrieb gehen. Ob es im Bereich Wallau / Nordenstadt / Delkenheim einen neuen Bahnhof geben wird, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt.
* Der HessenExpress nach Darmstadt hängt noch von einer weiteren Baumaßnahme, der „nördlichen Neubaustrecke RheinMain-RheinNeckar“, ab. Bis zur Fertigstellung dieser Strecke verkehrt der HEX nur nach Frankfurt Hbf.
Nordmainische S-Bahn
Die Nordmainische S-Bahn ist eine neue S-Bahnverbindung, die die Städte Frankfurt und Hanau verbindet und dazu – namensgebend – nördlich des Mains verläuft. Abzweigend an der Konstablerwache verläuft die Strecke durch Fechenheim und Maintal. Parallel zu den teilweise schon vorhandenen Fernverkehrsgleisen entstehen hier originäre S-Bahn-Gleise. Mehrere Bahnhöfe werden neu gebaut, weitere und bislang nur vom Regionalverkehr genutzte Stationen erweitert. 3Nordmainische S-Bahn
So bekommen Hanau, Maintal und Frankfurt-Fechenheim zusätzliche S-Bahnanbindungen nach Frankfurt. Die Fahrtzeit zwischen Hanau Hbf und Frankfurt Hbf bleibt auf beiden Linienrouten allerdings sehr ähnlich. Je nach weiterer Führung der S-Bahn-Linie ist so aber eine umsteigefreie Fahrt von Wiesbaden nach beispielsweise Maintal denkbar.
Regionaltangente West
Die Regionaltangente West (RTW) ist ein umfassendes Bahnbauprojekt im Raum Frankfurt. Sie wird eine direkte Verbindung zwischen dem Hochtaunuskreis (Bad Homburg, Oberursel, …), dem Main-Taunus-Kreis (Eschborn, Sulzbach) und den Bahnhöfen Frankfurt-Höchst sowie Frankfurt-Flughafen. Dabei umgeht sie den Frankfurter Citytunnel – das jetzige Nadelöhr der S-Bahn Frankfurt. In einem Bogen wird die Strecke um West-Frankfurt herum geführt – daher der Name Regionaltangente West. Damit verkürzt sie nicht nur die Fahrtzeiten spürbar – sie bringt eine deutliche Entlastung des bisherigen, sternförmig verlaufenden S-Bahnsystems.4https://www.rtw-hessen.de/rtw/info_modul.nsf/vwSeiten/home
Die RTW wird als Stadtbahnsystem etabliert. Heißt: Sie nutzt, wo es geht, die Infrastruktur der DB Netz mit. Der Großteil der neu gebauten Abschnitte wird hingegen als Straßenbahn geplant – mit direkten Auswirkungen auf die rechtlichen Grundlagen und beispielsweise die Haltestellenabstände. Ähnliche Modelle sind beispielsweise mit der RegioTram Kassel, der Stadtbahn Karlsruhe oder mit der Saarbahn bereits im Betrieb. Somit kann die RTW an den leistungsfähigen Bahnhöfen wie Höchst und Flughafen einen direkten Umstieg gewährleisten – gleichzeitig aber beispielsweise in Eschborn, Bad Homburg und Neu-Isenburg eine attraktive Feinerschließung bieten. Die vorgesehenen Fahrzeuge sollen auf einer Länge von 100 Metern 720 Plätze bieten – davon 240 Sitzplätze.
Für die Wiesbadener ergeben sich damit einige Fahrtzeitveränderungen. Pendler Richtung Eschborn und Bad Homburg müssen nun nicht erst in die Frankfurter Innenstadt und dort umsteigen, sondern können dies direkt in Höchst oder Flughafen. In Verbindung mit der Wallauer Spange werden wiederum Fahrtzeiten eingespart.
Relation | Fahrtzeit (heute) | Fahrtzeit (RTW) | |
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Wiesbaden - Eschborn Süd | 66 Minuten (S1 + S4) 54 Minuten (VIAS + S3) via Frankfurt Hbf | 37 Minuten (VIAS + RTW) | -29 Minuten -17 Minuten |
Wiesbaden - Bad Homburg | 65 Minuten (VIAS + RB15) 70 Minuten (S1 + S5) via Frankfurt Hbf | 52 Minuten (VIAS + RTW) | -13 Minuten -18 Minuten |
Wiesbaden - Neu-Isenburg | 62 Minuten (VIAS + S3) via Frankfurt Hbf | 53 Minuten (S9 + RTW) | -9 Minuten -27 Minuten |
* HessenExpress. Umstiegsmöglichkeitenam Flughafen im Detail noch unklar, da der HEX am voraussichtlich Fernbahnhof hält.
S-Bahnhof „Gateway Gardens“
Die S-Bahnlinien 8 und 9 bekommen eine neue Haltestelle: Gateway Gardens. Die neue Station liegt zwischen den bisherigen Haltestellen Flughafen Regionalbahnhof und Frankfurt Stadion. Die Station geht voraussichtlich Ende 2019 in Betrieb. 5https://www.s-bahn-gatewaygardens.de
Auf den 35 Hektar des Gateway Gardens entstehen (und entstanden bisher) eine Vielzahl von Bürogebäuden, Hotels und weiterer Gewerbeflächen. Im Zielzustand sollen so bis zu 18.000 Menschen hier arbeiten – zuzüglich vieler Tagesgäste für Kongresse und andere Veranstaltungen. So findet sich auch das Mobilitäts-Forschungszentrum HOLM in dem Areal. 6Gateway Gardens – Auf einen Blick
Mit der neuen S-Bahnstation verringert sich die Pendelzeit in das Gebiet drastisch, da aus beiden Richtungen (Frankfurt und Mainz/Wiesbaden) die letzte Meile zwischen der Station Frankfurt Flughafen und Gateway Gardens entfällt. Je nach dem, ob man diese per Taxi, Bus oder zu Fuß zurücklegt, verkürzt sich der Weg somit um 10 bis 25 Minuten. Mit der neuen Station verringert sich die Anzahl sowohl der Taxifahrten zwischen Flughafen und Gateway Gardens als auch der Autofahrten zum Flughafen allgemein. Für die Pendler Frankfurt ↔ Mainz/Wiesbaden verlängert sich die Fahrtzeit durch den zusätzlichen Stopp allerdings um drei Minuten.