11.12. – Kansas City: Mit dem ÖPNV zur sozialen Stadt?

Seit Beginn der 2000er haben in den Vereinigten Staaten von Automerika ein Dutzend Städte neue Straßenbahnsysteme eröffnet -weitere folgen. So eröffnete auch Kansas City (Missouri) 2015 eine neue, rund dreieinhalb Kilometer lange Linie durch das Stadtzentrum – von der Union Station zum River Market. Aber das ist nicht die eigentliche Meldung.

Am 05. Dezember 2019 beschloss der 13-köpfige Stadtrat einstimmig (!), den öffentlichen Nahverkehr gratis zu machen. Damit ist Kansas City die erste US-amerikanische Großstadt, die einen flächendeckend kostenlosen Nahverkehr zur Verfügung stellt – mit hochgradig interessanten Begründungen.

♫ One more lane will fix it ♪
In Kansas City ist das Auto (wie in anderen, US-Amerikanischen Städten) das Verkehrsmittel Nummer 1. Die gezeigte Interstate hatte bereits 1998 zehn Spuren.
(Bild: kansas-city-traffic flickr photo by Thomanication shared under a Creative Commons (BY-ND) license )

Während die Straßenbahn bereits seit ihrer Eröffnung gratis war, entfallen nun die Fahrpreise im Busnetz der Stadt. Zuvor kosteten Einzelfahrten 1,50 USD, Monatstickets waren für 50 USD erhältlich. Insgesamt neun Millionen USD stellt die Stadt dafür zusätzlich bereit.

Zum Nahverkehr in Kansas City

Auf 80 Buslinien unterhält die städtische KCATA 330 Solobusse – darunter Erdgas-, Hybrid- und seit neuestem auch Elektrobusse. 2005 eröffnete in Kansas City unter dem Markennamen MAX (Metro Area Express) die erste Expressbuslinie – mit durchaus beachtlichem Erfolg. So konnten die Fahrgastzahlen auf den betroffenen Routen binnen der ersten Jahre um 50% gesteigert werden. Auch die Straßenbahn freute sich im Frühjahr 2019 über ihren sechs-Millionsten Fahrgast.

Da jeder Zug mit einer automatischen Zählung versehen ist, gibt der Betreiber die Fahrgastzahlen sogar tagesscharf an – mit interessanten Einblicken. So zeigt der Blick auf die Ist-Auslastung: Am Samstag sind im Schnitt doppelt so viele Menschen mit der Bahn unterwegs wie sonntags oder an Werktagen. Auch sind über die Sommermonate mehr Menschen mit der Bahn unterwegs als im Winter.

Traum und Alptraum der Verkehrsplanung gleichermaßen: Dichte Blockbebauung, riesige Parkplätze und (überdimensioniert wirkende) Straßen zeichnen das Stadtbild.

(Bild: Kansas City Photos flickr photo by Pam_Broviak shared under a Creative Commons (BY-SA) license )

Beide Erfolgsgeschichten dürfen allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass die Bedeutung des ÖPNV in Kansas (noch) recht gering ist. So werden die MetroBus-Linien beispielsweise mit einem „zehn-Minuten-Takt mit Solobussen“ beworben. Angesichts von Wiesbadener Linien, die im acht-Minuten-Takt mit Gelenkbussen fahren und dennoch zu voll sind, wird klar: Da ist noch Potenzial.

Interessante Begründungen

Umso wichtiger ist nun das Zeichen, den ÖPNV komplett kostenlos zu gestalten. Während das in anderen Städten angesichts voller Straßen und schlechter Luft auch diskutiert wird, äußern die Stadtratsmitglieder vom Kansas sehr interessante Gründe für ihr Vorgehen. Denn für die Stadt ist kostenloser ÖPNV kein ökologisches Projekt – sondern ein soziales.

When we’re talking about improving people’s lives who are our most vulnerable citizens, I don’t think there’s any question that we need to find that money (…) I believe that people have a right to move about this city.

Eric Bunch, Kansas City Council
Die 2005 unter dem Markennamen MAX (Metro Area Express) eingeführten Expressbuslinien konnten das Fahrgastaufkommen auf den ausgewählten Strecken um die Hälfte steigern. Vorn befinden sich zwei Fahrradhalterungen.

(Bild: MAX Bus on Main flickr photo by pasa47 shared under a Creative Commons (BY) license )

So argumentiert Stadtrat Eric Bunch: Mobilität in der Stadt sei ein Grundrecht der Einwohner. Von kostenlosem ÖPNV könne die Gemeinschaft drastisch profitieren. Finanziell schwache Einwohner können sich nun leisten, in die Innenstadt oder andere Viertel zu fahren – mit positiven Folgen für das Zusammenleben.

Given the ubiquity of fare-evasion arrests, this is part of what ending mass incarceration looks like: Kansas City moves to make mass transit free.

David Menschel, Strafverteidiger

Zusätzlich, so argumentiert Rechtsanwalt David Menschel, sei gratis ÖPNV ein geeignetes Mittel gegen die Kriminalisierung von Armut. Die Spirale Armut – Schwarzfahren – Gefängnis sei anders kaum zu durchbrechen.

Die Metrobusse verfügen vorn über zwei Radhalterungen – im Innern der 12-Meter-Busse ist dafür kaum Platz. (Bild: Kansas City flickr photo by luca.sartoni shared under a Creative Commons (BY-SA) license )
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