Das schweizerische Zürich und seine aktuell 410.000 Einwohner sammeln seit 1882 Erfahrung mit Straßenbahnen, die dort Tram genannt werden. Sie führten sie also zwölf Jahre nach Wiesbaden ein. Da die Züricher noch konservativer sind als die Wiesbadener, trotzten sie dem Trend der automobilgerechten Stadt und ließen sie nach dem Krieg weiterfahren. Und das sehr erfolgreich! Das Netz wurde dort stets ausgebaut und die derzeitigen Planungen reichen weit in das nächste Jahrzehnt. Die Trampilotinnen und -piloten befördern im Moment auf 136 Kilometer Streckenlänge in 258 Fahrzeugen 205 Millionen Fahrgäste jährlich.
Die Züge sind bis auf wenige Ausnahmen in blau-weiß gehalten, entsprechend dem Stadtwappen. Und diese Ausnahmen haben zu Beginn des Jahrzehnts zu heftigen Diskussionen geführt. Denn auch die Zürcher sind ein bisschen konservativ und achten auf ihr Stadtbild! Zwar gibt es schon länger die Möglichkeit, auf der Dachkante Außenwerbeflächen zu buchen, diese stören aber nicht das blau-weiße Design. Ganz anders die Sonder- und Werbetrams, die gänzlich im Werbedesign getaucht sind. Die Auswahl und Anzahl erfolgt dabei sehr sorgfältig. Die Tramtradition und das Stadtbild dürfen halt trotz willkommener Mehreinnahmen nicht allzu gestört werden.
Wo so viel Licht ist, darf Schatten nicht fehlen. Die berüchtigte Bahnhofstraße, die am Paradeplatz vorbeifährt, zeugt davon. Einst sicher eine Flaniermeile mit duftenden Pferdeäpfeln und den Auslagen des lokalen Einzelhandels. Aber kaum ein lokaler Einzelhändler hat überlebt, wie die Bilder eindrücklich zeigen. Sogar die örtliche Chocolaterie ist inzwischen ein internationaler Konzern geworden. Die Geschäfte an der Bahnhofstraße bieten auch nur noch Waren von gesichtslosen Konzernen feil. Auch die Straßen zwischen den Bäumen sind steril sauber geworden. Kein Pferdeapfel, keine Dönerverpackung oder Zigarettenkippe ziert das sorgfältig verlegte Trottoir.
Was wird wohl aus der Wiesbadener Einkaufswelt werden, wenn die CityBahn Kunden von außen herankarrt? (/pj)
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