Was kostet ein Busbetrieb?

  • Im Bereich der Kostendeckung kann die ESWE durchaus mit anderen, deutschen Verkehrsunternehmen mithalten.
  • Mit Blick auf deren Effektivität sieht das Bild anders aus: Denn der ÖPNV-Anteil am Modal Split ist in Wiesbaden im Vergleich mit anderen Städten auf den hinteren Plätzen.
  • Auch der Betrieb eines Bussystems kostet Geld. Überschlägig verursacht jeder einzelne Bus zwischen 250.000 und 300.000 Euro laufende (!) Kosten jährlich.
  • Diese Kosten beziehen sich auf die heute fahrenden Dieselbusse. Mit Umstieg auf Elektrobusse werden diese Kosten pro Bus voraussichtlich weiter steigen.
  • Zwei Drittel der Kosten der ESWE sind Personalkosten. An diesem Kostenblock ändert ein Umstieg auf alternative Antriebe nichts.

Fahrt doch einfach mehr Busse – ein Vorschlag, der auf den ersten Blick charmant erscheint. Doch mehr Busse sind nicht nur technisch schwierig – Busstaus vor Haltestellen, nicht durchzuhaltende Takte, Verspätungen sind da nur einige Schlagworte. Mehr Busse können auch richtig ins Geld gehen. Um da ein Gefühl dafür zu bekommen, haben wir die ESWE-Geschäftsberichte mal im Detail aufgearbeitet.

Vorab: Dieser Artikel vereinfacht an einigen Stellen – es wird eine Bierdeckelkalkulation. Das ist (a) notwendig, weil wir keine Einsichten in ESWE-interne Zahlen haben und (b) hilfreich, da ein extrem komplexes Modell ohnehin die Verständlichkeit erschwert. Die vereinfachenden Annahmen (und deren Folgen) allerdings am Ende genannt. Mit denen im Hinterkopf gibt der Artikel dennoch einen guten Überblick, über wieviel Geld wir hier reden.

Wir starten mit ein paar grundlegenden Zahlen der ESWE Verkehr und gehen dann zu einer Berechnung über, die folgende Frage klärt: Wieviel kostet so ein Bus eigentlich im Jahr? Diese Frage ist kein Selbstzweck – daher folgt die exemplarische Darstellung, was eine komplette Buslinie im Betrieb kostet – und eine simple Taktverdichtung.

Über die Ausgaben der ESWE

Kostendeckung

Öffentlicher Nahverkehr ist ein betriebswirtschaftliches Zuschussgeschäft. Deutschlandweit sind die Verkehrsunternehmen auf Zuschüsse angewiesen – die Kosten, vor allem Personal und Fahrzeuge, übersteigen die Erlöse fast ausnahmslos. Durchschnittlich liegt der Kostendeckungsgrad der deutschen Verkehrsunternehmen bei 76,3% (2016)1https://www.vdv.de/vdv-statistik-2017.pdfx – von jedem Euro, der ausgegeben wird, erwirtschaften die Verkehrsbetriebe also 76,3 Cent durch Ticketeinnahmen und z.B. Werbung selbst. Die ESWE Verkehr lag 2016 mit 79,3% leicht darüber.

Die Kostendeckung der ESWE Verkehrs liegt, wenn man von den Jahresschwankungen absieht, gut im Durchschnitt aller deutschen Verkehrsunternehmen. Angesichts der Tatsache, dass Wiesbaden einen ziemlich geringen ÖPNV-Anteil am Modal Split hat, ist das allerdings keine Position, auf der sich die Stadt ausruhen kann. Hinzu kommt der Auftrag der Stadtverordnetenversammlung an die ESWE, vom Busbetreiber zum umfassenden Mobilitätsdienstleister zu werden. Die durchschnittliche Kostendeckung darf also nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Anforderungen an die ESWE steigen.

Kostenstruktur

Die Kostenstruktur der ESWE – wie auch aller anderen ÖPNV-Unternehmen – ist durch vier wesentliche Kostenblöcke getrieben: Personal, Material, Abschreibungen und Sonstiges. Für die ESWE wie für andere, reine Busunternehmen ist der Personalblock der mit Abstand größte: knapp zwei Drittel der Ausgaben der ESWE Verkehr sind Personalkosten.

Die Materialkosten sind von 2014 zu 2015 spürbar gesunken; die Personalkosten annähernd gleichermaßen gestiegen. Das ist die Folge der Verschmelzung der WiBus mbH mit der ESWE Verkehr. Das hatte tarifliche Anpassungen zu Folge, da die ehemaligen WiBus-Fahrer und die ESWE-Fahrer nun gleich bezahlt wurden. Zusätzlich fallen direkt angestellte Busfahrer in den Block Personalkosten, während die Rechnungen von Subunternehmen in den Material-Block fallen.

Für den Fahrbetrieb waren 2017 insgesamt 776 Busfahrer beschäftigt – auf 253 Bussen ergibt das einen Schnitt von 3,07 Fahrern pro Bus (2016: 2,87. 2015: 2,92).

2017 wurde knapp die Hälfte der 12,3 Millionen Euro Materialkosten durch Treibstoff verursacht, ein Viertel für weitere Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe wie Ersatzteile und Öl.

Drei Viertel der Abschreibungen entfallen auf die Busflotte – im Jahr 2017 insgesamt 5,1 Millionen Euro. Allerdings ist die Hälfte der Busflotte der ESWE älter als sechs Jahre – und damit schon vollends abgeschrieben.
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Anmerkung: Als Abschreibung bezeichnet man die betriebswirtschaftliche Verrechnung der Wertminderung von Investitionsgütern (in unserem Fall hauptsächlich Busse und die Werkstatt)

Im Durchschnitt aller Mitglieder des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) liegt der Personalkostenanteil bei knapp 40%, die Materialkosten ebenfalls bei knapp 40%. Der Unterschied zur Verteilung der ESWE-Kosten (63% Personal, 16% Material) begründet sich hauptsächlich auf zwei Umstände: Zum einen findet das Geschäftsmodell mit Subunternehmen (analog zur aufgelösten WiBus) in Verkehrsunternehmen anderer Städte durchaus noch Anwendung. Außerdem sind Züge (S-Bahn, U-Bahn, Straßenbahn) in ihren Kosten naturgemäß techniklastiger. Zumal die Instandhaltung von Schieneninfrastruktur in der Regel direkt den Verkehrsbetrieben angelastet wird, während die Sanierung von Straßen und Busspuren direkt aus dem kommunalen Haushalt bezahlt wird. ÖPNV-Unternehmen mit Schienenverkehr haben daher einen höheren Anteil an Materialkosten und gleichzeitig einen kleineren Anteil an Personalkosten.

Zur Rechnung: Was kostet ein Bus?

Die Berechnungen beziehen sich im wesentlichen auf die Geschäftsjahre 2015, 2016 und 2017 – aus mehreren Gründen. In den Geschäftsberichten der Jahre davor schlägt sich die Teilung der ESWE Verkehr Fahrbetrieb bzw. WiBus nieder und verkompliziert die Zahlen. Für 2018 liegt noch kein Geschäftsbericht vor; 2018 tauchen außerdem durch ESWE MeinRAD und das Engagement im Rahmen der CityBahn GmbH weitere Posten in der Bilanz auf, die die vereinfachte Rechnung erschweren.

Simple Überschlagsrechnung

Die Berechnungen zur Kosten eines Bussystems bauen auf den ESWE-Geschäftsberichten der Jahre 2015 bis 2017 auf. Das klappt überschlägig auch gut, da die ESWE Verkehr (mit Ausnahme der Nerobergbahn) in diesen Jahren prinzipiell nichts anderes tat, als ein Bussystem zu betreiben. Die simpelste Rechnung wäre also, die Gesamtausgaben durch die Anzahl Fahrzeuge zu teilen.

201520162017
Aufwände75.178.000 €72.892.000 €77.379.000 €
Fahrzeuge (Solo+Gelenk)240242253
Aufwand pro Fahrzeug313.200 €301.200 €305.800 €

Diese Rechnung ist in ihrer Einfachheit zwar einprägsam, aber (zurecht) kritikwürdig. Denn nicht alle Kostenbausteine stehen im direkten Zusammenhang mit der Anzahl fahrender Busse.

Ein paar mehr Details

Die Frage, wie viel Geld ein zusätzlicher Bus kostet, lässt sich mit dem pauschalen Überschlag nicht ganz beantworten. Denn die verschiedenen Kostenblöcke reagieren auf einen zusätzlichen Bus unterschiedlich: Einige steigen mit jedem zusätzlichen Bus (wie Treibstoff). Andere bleiben konstant (wie das Gehalt der Geschäftsführung oder Marketingkosten). Andere wiederum steigen erst, wenn deutlich mehr als ein Bus hinzukommt – wie die Kosten für Buchhaltung und Disponenten. Daher müssen die Ausgaben, die im direkten Zusammenhang mit der Anzahl Fahrzeuge stehen, von denjenigen unterschieden werden, die davon unabhängig sind – und nur sehr wenig abhängen.

Kostenblöcke wie das Fahrpersonal und der Treibstoffverbrauch sind offensichtlich direkt abhängig von der Anzahl fahrender Busse. Auch für Abschreibungen, Instandhaltungskosten und die Beschaffung von Ersatzteilen gilt: mit steigender Fahrzeugzahl steigen hier die Aufwendungen. Schwieriger werden beispielsweise Kosten der Verwaltung. Dass man mehr Disponenten braucht, je mehr Fahrer eingestellt sind, erscheint einleuchtend. Aber ab wie vielen mehr? Braucht die ESWE ab fünf zusätzlichen Bussen schon einen Disponenten mehr? Oder ab 20?

Zur Vereinfachung wurden im Overhead-Bereich prozentuale Abschläge von je 50% angenommen. Heißt: Bei 10% mehr Bussen steigen die Personalkosten der unten genannten Gruppen um 5%. 4Um die einzelnen Berufsgruppen separat betrachten zu können, wurden die Pro-Kopf-Personalkosten der einzelnen Gruppen geschätzt. So wurde beispielsweise angenommen, dass die Pro-Kopf-Kosten im … Continue reading

Kostenblöcke, die durch jeden zusätzlichen Bus direkt ansteigen

  • Personalkosten für Fahrpersonal
  • Treibstoff
  • Abschreibungen
  • Instandhaltung & Ersatzteile

Kostenblöcke, die nicht durch zusätzliche Busse steigen

  • Personalkosten für Vertrieb & Marketing
  • Personalkosten für andere Bereiche

Kostenblöcke, die nur bei spürbar mehr Bussen steigen

  • Personalkosten für Rechnungswesen, Personalverwaltung, Verkehrs- und Grundsatzplanung
  • sonstige, betriebliche Aufwendungen

Mit diesen Ansätzen ergeben sich die in der Tabelle aufgeführten Werte. Ein zusätzlicher Bus der ESWE Verkehr verursacht nach dieser etwas detaillierteren Überschlagsrechnung also zusätzliche, laufende Kosten von knapp 290.000 EUR jährlich.

201520162017
Aufwände75.178.000 €72.892.000 €77.379.000 €
Fahrzeuge (Solo+Gelenk)240242253
nicht-fixe Aufwendungen pro Fahrzeug299.700 €287.500 €287.900 €

Annahmen dieses Artikels

Der Artikel mitsamt Berechnungen fußt zur Vereinfachung auf einigen Annahmen.

  • Wir unterscheiden nicht zwischen Solo- und Gelenkbussen. Im Detail unterscheiden sie sich zwar im Energieverbrauch, in den Anschaffungskosten (und damit in der Abschreibung) und den Aufwendungen zur Instandhaltung. In Ermangelung detaillierterer Zahlen scheren wir sie trotzdem über einen Kamm – die Kosten einer Linie bzw. einer Taktverdichtung mit Solobussen werden folglich überschätzt, mit Gelenkbussen unterschätzt. Der größte Kostenblock, das Fahrpersonal, ist allerdings bei Solo- und Gelenkbussen identisch.
  • Kosten und Erlöse der Nerobergbahn werden komplett ignoriert.

Fazit

300.000 Euro pro Bus, jedes Jahr, sind ein erheblicher Kostenblock. Auch mit dem (aus anderen Gründen lobenswerten) Umstieg auf Elektrobusse sinkt dieser Wert nicht – im Gegenteil. Denn der Hauptkostenblock, das Personal, ändert sich nicht.

Zwar gibt es Details, in denen Elektrobusse kosteneffizienter sind: So fallen Verbrennungsmotor und Getriebe weg; Bremsenergie kann zurück gespeist werden. Dem Gegenüber stehen aber höhere Anschaffungskosten (also höhere Abschreibungen) und diverse Ungewissheiten hinsichtlich Lebensdauer der Busse insgesamt und der Batterien im Speziellen. Hier fehlen schlichtweg die Langzeiterfahrungen. Zusätzlich benötigen Elektrobusse spezielle Ladeinfrastruktur. Und solange die Akkus mit ihrer begrenzten Reichweite keinen kompletten Betriebstag überstehen, muss die ESWE für dieselbe Fahrleistung mehr Busse vorhalten: zusätzliches Ein- und Ausrücken sowie Ladezeiten kommen gegenüber heute ja hinzu.

Effizienzgewinne im Nahverkehr funktionieren bei vielen Menschen nur über größere Fahrzeuge – wie Straßenbahnen.

Weiterführende Links

  • ESWE Verkehr-Geschäftsbericht der Jahre 2015, 2016 und 2017
  • weitere ESWE Verkehr-Geschäftsberichte (2008-2014)

Hinweis: Wir legen bei unseren Artikeln Wert auf solide, objektive, nachvollziehbar gestaltete Texte. Daher findest Du auch eine Vielzahl an Quellenverweisen und Belegen, Grafiken, Fotos und Erörterungen – zuweilen auch wohlbegründete Schlussfolgerungen. Nichtsdestotrotz sind wir eine rein ehrenamtliche Truppe und haben auch keinen Zugriff auf geheime Quellen. Auch wir kennen nur das, was öffentlich ist, wir uns erarbeiten und recherchieren. Fehler sind also nicht ausgeschlossen. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, weitere wichtige Quellen kennst oder fachliche Fehler – her damit. Am besten per Mail oder unten in die Kommentare.

Quellen

Quellen
1 https://www.vdv.de/vdv-statistik-2017.pdfx
2, 3 https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Weitere_Steuerthemen/Betriebspruefung/AfA-Tabellen/1998-01-26-afa-99.pdf;jsessionid=0A41E02AEAB30A11FE0AC119B3060CC1?__blob=publicationFile&v=3
4 Um die einzelnen Berufsgruppen separat betrachten zu können, wurden die Pro-Kopf-Personalkosten der einzelnen Gruppen geschätzt. So wurde beispielsweise angenommen, dass die Pro-Kopf-Kosten im Personalwesen 20% über denen im Fahrbetrieb liegen.