Für die oberleitungsfreie Straßenbahnen gibt es mehrere Technologien. Einige sind bereits seit Jahrzehnten im Einsatz, andere sind kaum über den Prototyp hinausgekommen. Nun geht es um die eigentlich spannende Frage: Wie funktioniert das technisch? Wie bei vielen Themen gibt es auch hier eine Vielzahl an Optionen. Wir stellen sie euch vor, beleuchten Vor- und Nachteile und gehen bei dem aktuellen Favoriten, den sogenannten SuperCaps, tiefer ins Detail.
Dass die CityBahn – so zumindest die aktuellen Prüfungen – auf einigen Abschnitten ohne Oberleitung fahren soll, haben wir bereits in einem früheren Artikel dargelegt. Auch, welche Abschnitte es warum werden sollen.
Bereits 1875 bis 1896 fuhren die Wiesbadener Straßenbahnen ohne Oberleitung: Zuerst mit einem 1-PS-Pferdeantrieb, ab 1889 mit Dampf. Und obgleich die Kombination zwischen Pferdeantrieb und Rasengleis die Möglichkeit mitbrächte, dass auch unterwegs nachgetankt werden kann, gibt es inzwischen modernere Lösungen für eine oberleitungsfreie Führung.
Ganz ohne Oberleitung: APS
Die wohl bekannteste oberleitungsfreie Straßenbahn ist die von Bordeaux. Als in der französischen Hafenstadt von 2000 an eine neue Straßenbahn eingeführt wurde, setzten die Verantwortlichen hier auf APS (Alimentation par le sol), entwickelt vom französischen Straßenbahnhersteller Alstom. Beim APS verläuft mittig zwischen den Straßenbahnschienen eine dritte, stromführende Schiene – zwei Abnehmer unterhalb der Züge stellen den Kontakt her. Die Stromschiene besteht aus acht Meter langen Segmenten, die immer nur dann Spannung führen, wenn sich eine Straßenbahn darüber befindet. Eine Gefährdung von anderen Verkehrsteilnehmern ist damit ausgeschlossen.
Die Straßenbahn Bordeaux verkehrt dank APS innerstädtisch komplett oberleitungsfrei; nur in den Vororten wird auf konventionelle Oberleitung umgestellt. Auch die Städte Sydney, Reims, Angers, Orléans und Tours entschieden sich für einen (abschnittsweisen) oberleitungsfreien Betrieb mittels APS. Rio de Janeiro und Dubai setzen im kompletten Netz auf diese Technik.
Nach massiven Kinderkrankheiten in den Anfangsjahren ist das APS heute weitgehend ausgereift. Es bleibt allerdings anfällig gegenüber stehendem Wasser nach starken Regenfällen sowie beispielsweise Laub und Schnee.
Neben der erhöhten Anfälligkeit sind die Kosten ein schwerwiegender Faktor. So liegen die zusätzlichen Kosten pro Zug bei rund 300.000 Euro (Stand 2011) bei neuen Zügen, für die Umrüstung von alten Zügen bei 400.000 Euro. Der Bau der für die Stromversorgung notwendigen Infrastruktur wird – je nach Quelle – mit knapp 1,8 Millionen Euro pro Kilometer geschätzt (und damit in etwa das Dreifache der konventionellen Oberleitung).
Aus diesem Grund ist das System in den meisten Städten auch nur in Teilabschnitten im Einsatz. Beim Kauf der Straßenbahnen macht man sich außerdem von einem einzigen Hersteller abhängig. Weiterer Nachteil: Konstruktionsbedingt verhindert das APS, dass die Bremsenergie der Straßenbahnen ins Netz zurückgespeist wird. Wenn die Bahnen die Energie wieder aufnehmen sollen, müssen sie dafür eine zusätzliche Batterien oder SuperCaps mitführen.
Das italienische Konkurrenzsystem TramWave ist bislang nur im chinesischen Zhuhai im Einsatz. Auch das Bombardier-System Primove, welches vorbeifahrende Straßenbahnen mittels Induktion mit Energie versorgt, hat es nicht in den flächendeckenden Einsatz geschafft – bislang existiert hier nur eine Teststrecke in Augsburg. Der Einsatz von Batterien erwies sich als effizienter, sodass Primove für Straßenbahnen seit 2011 nicht weiterverfolgt wird. Die Primove-Technologie wird allerdings in mehreren Städten für Busse getestet.
Statt Leitung: Diesel und Wasserstoff
Statt den Strom zur Straßenbahn zu bringen, kann sie diesen natürlich auch selbst erzeugen – per Dieselaggregat oder Brennstoffzelle. In der Tat fahren in Chemnitz und Nordhausen Straßenbahnen, die mit Dieselaggregat betrieben werden – allerdings nur auf Teilstrecken. Die meisten innerstädtischen Verbindungen funktionieren weiterhin mit konventioneller Oberleitung.
Bei der Straßenbahn Nordhausen sind seit 2003 drei Combino Duo-Hybridstraßenbahnen im Einsatz, die auf der Linie 10 knapp elf Kilometer weit auf der nicht elektrifizierten Harzquerbahn fahren. Die CityBahn Chemnitz setzt für ihre Überlandlinien Zweikraftstraßenbahnen des Herstellers Vossloh ein.
Reine Diesel-Straßenbahnen sind nicht in Betrieb. Die Nachteile hier sind vergleichbar mit den Nachteilen von Diesel- gegenüber Oberleitungsbussen: Emissionen, Lärm, Vibrationen, Platzverbrauch durch Motor und Tank, deutlich schlechteres Anfahrdrehmoment, fehlende Möglichkeit der Rückspeisung. Darüber hinaus ist in vielen Einsatzgebieten von Straßenbahnen (Innenstädte) eine Elektrifizierung relativ einfach – der Strom ist oftmals ja schon vor Ort.
Obgleich Brennstoffzellen schon lange verfügbar sind, werden sie erst seit kurzem für den Schienenverkehr genutzt. So liefert Alstom in den nächsten Jahren den ersten Großauftrag an Wasserstoff-betriebenen Regionalzügen nach Frankfurt, einen zweiten nach Niedersachsen. Reine Wasserstoff-Straßenbahnen (“Hydrotrolleys”) sind derzeit allerdings wenig verbreitet. 2015 stellte die chinesische Firma Sifang die erste, rein Wasserstoff betriebene Straßenbahn der Öffentlichkeit vor. Seither sind diese eher punktuell im Einsatz.
SuperCaps und Batterien
Kommen wir zu den am meisten verbreiteten und auch für die CityBahn wahrscheinlichsten Alternativen: Batterie und Kondensatoren.
Batterien, zumeist basierend Lithium-Ionen-Technologie, sind weit verbreitet – ob in Handys, Notebooks oder Elektroautos und -bussen. Straßenbahn-Batterien basieren auf demselben Prinzip – sind nur deutlich größer. Kondensatoren (SuperCaps) hingegen sind bislang vor allem in Schienenfahrzeugen im Einsatz.
Obwohl sich Art und Einsatz von Batterien und Kondensatoren unterscheiden, erfüllen sie letztlich für Straßenbahnen dieselbe Funktion wie für andere Elektrogeräte: Sie speichern Energie und geben diese zu einem späteren Zeitpunkt wieder ab. Mit Hilfe der gespeicherten Energie können die Bahnen dann kurze Abschnitte ohne Oberleitung überbrücken.
Im Detail gibt es handfeste Vorteile, die für die SuperCaps sprechen: Die Kondensatoren vertragen deutlich stärkere Stromflüsse, sie können also binnen Sekunden geladen werden. Eine Stärke, die sie besonders an Haltestellen ausspielen können: Beim Bremsen und Anfahren der Bahnen fließen in kurzer Zeit hohe Ströme, die in der Form von herkömmlichen Batterien nicht aufgenommen werden könnten. Weiterer Vorteil der SuperCaps: Lithium-Ionen-Akkus verlieren bereits nach wenigen tausend Ladezyklen spürbar an Leistung. SuperCaps hingegen überstehen mehrere hunderttausend Zyklen ohne Einbußen.
Nachteilig wirkt sich bei SuperCaps hingegen aus, dass sie gegenüber Batterien eine deutlich geringere Energiedichte aufweisen. Heißt: Pro Kilogramm Gewicht kann nur ein Bruchteil der Energie gespeichert werden. Gleiches Gewicht vorausgesetzt, kann mit einer Batterie allerdings zumindest ein längerer, oberleitungsfreier Abschnitt überbrückt werden. Moderne SuperCaps – so wird es auch in den Untersuchungen für CityBahn angegeben – erlauben den Straßenbahnen (je nach Steigung), zwischen einem und zwei Kilometer ohne Oberleitung zu fahren.
Batterien und SuperCaps haben – neben der Möglichkeit, oberleitungsfrei zu fahren – noch einen weiteren Vorteil: Ihr Einsatz kann massiv Energie sparen. Dazu aber in einem separaten Artikel mehr.
Fazit
Wegen den höheren Baukosten, der Anfälligkeit und der fehlenden Kompatibilität mit der Mainzer Straßenbahn wird die CityBahn vermutlich nicht mit dem APS oder vergleichbaren Systemen gebaut. Und während die Strecke nach Taunusstein ein wenig an die Harzquerbahn und damit an den Dieselantrieb erinnert, ist ein Dieselaggregat für beispielsweise die Biebricher Innenstadt eher nicht das Mittel der Wahl. Eine Kombination aus Diesel, Batterie und SuperCaps verteuert die Bahnen aber massiv; jede Technik benötigt außerdem Platz und erhöht das Gewicht der Bahnen. Wahrscheinlich wird es also auf den Einsatz von SuperCaps hinauslaufen – selbst wenn es in Wiesbaden keine oberleitungsfreien Abschnitte geben wird. Dafür sind die Potentiale der Energieeinsparung zu verlockend.
Zum Weiterlesen
- RNV und der MITRAC Energy Saver – Erfahrungsbericht Teil 1 (RNV)
- RNV und der MITRAC Energy Saver – Erfahrungsbericht Teil 2 (Bombardier)
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