Über Takt, Fahrzeiten und Doppeltraktion

Das wichtigste aus diesem Artikel in Kürze:

  • In der Wiesbadener Innenstadt soll die CityBahn alle fünf Minuten fahren, nach Mainz alle zehn Minuten und alle 15 Minuten in Richtung Taunusstein.
  • Folglich fahren nicht alle Züge die komplette Strecke. Es wird also Züge geben, die an den Stellen enden, an denen die Taktung wechselt: an der Hochschule RheinMain und in Biebrich (Rheinbahnhof).
  • Der Großteil der Fahrten im Wiesbadener Stadtgebiet und nach Mainz kann in Doppeltraktion stattfinden. Es wird allerdings auch Fahrten in Einfachtraktion geben müssen.

Rund um den Takt der CityBahn sammeln sich eine Reihe für die Nutzer interessante Fragen: Wie gestalten sich die Fahrtzeiten? In welchem Takt soll auf den einzelnen Streckenabschnitten gefahren werden? Fährt jede Bahn von Bad Schwalbach bis zur Hochschule Mainz oder wird es mehrere Linien geben? Falls mehrere Linien angedacht sind, so beginnen und enden diese? Wie viele Züge werden dafür (mindestens) benötigt – ist das mit den 38 Fahrzeugen der aktuellen NKU überhaupt zu schaffen? Und wenn ja, wie viele Züge können dann noch in Doppeltraktion fahren? Wir nehmen euch in diesem Artikel mit auf eine Reise durch diese einzelnen Fragen – um im letzten Schritt nachzuweisen, dass die angedachte Zugzahl auch ausreicht. 

Über die Fahrtzeiten

Für die einzelnen Streckenabschnitte sind folgende Fahrzeiten angegeben1https://www.citybahn-verbindet.de/die-linie.html:

AbschnittFahrtzeit
Bad Schwalbach –
Hochschule RheinMain*
30 Minuten
Hochschule RheinMain* –
Wiesbaden Hbf
07 Minuten
Wiesbaden Hbf – Biebrich11 Minuten
Biebrich – Kastel Brückenkopf10 Minuten
Kastel Brückenkopf –
Hochschule Mainz
14 Minuten
Anvisierte Fahrtzeiten gemäß CB GmbH.
* Die tatsächliche Endhaltestelle wird im Bereich Dotzheim/Klarenthal liegen. Da die genaue Routenführung zwischen Hochschule und der Aartalbahn noch diskutiert wird (Stand: Sep 2020), ist hier Hochschule als vorläufige Endhaltestelle angegeben.

Die Fahrtzeiten zeigen: auf einigen Abschnitten wirds deutlich schneller. So wird die Fahrtdauer zwischen Hauptbahnhof und Hochschule RheinMain gegenüber heute halbiert, zwischen Bad Schwalbach und dem Hbf Wiesbaden sinkt sie von 46 Minuten auf 37 Minuten2Vom Kurhaus (Bad Schwalbach) bis zum Wiesbadener Hauptbahnhof benötigen die Busse heute 46 Minuten (Buslinie 274) bzw. 41 Minuten (Buslinie 275). Die Regionalzüge auf der Aartalbahn benötigten … Continue readingZwischen Hauptbahnhof und Biebrich ist die Bahn in etwa so lang unterwegs wie die heutigen Busse, dafür von Biebrich etwas früher am Brückenkopf (vier Minuten schneller).

Über den Takt

Entlang der geplanten CityBahn-Route sind verschiedene Takte vorgesehen. Diese lassen sich der offiziellen Internetseite entnehmen und seien (für die Hauptverkehrszeiten) hier nochmal dargestellt:

  • Bad Schwalbach – Hochschule RheinMain*: alle 15 Minuten
  • Hochschule RheinMain – Biebrich: alle 5 Minuten
  • Biebrich – Hochschule Mainz: alle 10 Minuten

Durch die unterschiedlichen Taktungen auf den einzelnen Abschnitten ergeben sich schon verschiedene Schlussfolgerungen:

  • Es werden nicht alle Züge von Bad Schwalbach zur Hochschule Mainz durchfahren. Das lassen die unterschiedlichen Takte (15 Minuten und 10 Minuten) nicht zu. 
  • Die Züge aus Bad Schwalbach (4 Züge pro Stunde) und alle von Mainz (6 Züge pro Stunde) reichen nicht aus, um in der Innenstadt einen Fünf-Minuten-Takt zu erzeugen. Es müssen also weitere Züge zwischen HSRM und Biebrich pendeln.
  • Durch die verschiedenen Takte ergeben sich logisch (mindestens) zwei Stellen, an denen Züge beginnen, enden und wenden können: An der Hochschule RheinMain und in Biebrich (Rheinbahnhof). 

Zum Wenden ist aber im Gegensatz zu Mainz keine Wendeschleife nötig, allerdings empfiehlt sich ein drittes Gleis. Die endenden Züge sollen die nachfolgenden Fahrten nicht blockieren, sie müssen also aus dem Weg. Auch ein etwaiges Trennen oder Koppeln von Zügen (Doppeltraktion) kann dann dort stattfinden – abseits vom Hauptfahrweg.

Tatsächlich ist am Wiesbadener Hauptbahnhof noch eine dritte, mögliche Wendestelle eingeplant. Am Kasteler Brückenkopf sollen, entgegen häufig kursierender Gerüchte, weder Züge wenden noch ge- oder entkoppelt werden.

Über die Fahrzeugzahl

Werden die gegebenen Fahrtzeiten und gewünschte Takte übereinandergelegt, lässt sich daraus die Anzahl benötigter Fahrzeuge ableiten. Derartige Schritte der Umlaufplanung sind heute durch Software automatisiert und werden binnen Sekunden automatisch gelöst – auch die darauf basierenden Schichtpläne unter Berücksichtigung gesetzlicher Lenk- und Ruhezeiten. 

Wir werden den ersten Teil zur Ermittlung der Fahrzeugzahl dennoch manuell durchführen. Denn, besonders weil wir bei der CityBahn über (anfangs) nur eine Strecke sprechen, ist dies auch sehr gut nachvollziehbar.

Schritt 0 – der Bildfahrplan

Bildfahrpläne sind seit Erfindung der Eisenbahn genutzte, einfache Mittel zur Darstellung von Zugfahrten und zur Erstellung (einfacher) Tourenpläne. Ein Bildfahrplan ist letztlich ein Zeit-Wege-Diagramm: Die Bahnhöfe X-Achse, die Zeit als Y-Achse (oder v.v.), Zugfahrten werden dann als diagonale Linien eingetragen.

Beispielhaft sei die S-Bahnlinie S8 zwischen Mainz und Wiesbaden dargestellt (eine Fahrtrichtung). Ablesbar ist sowohl der Takt (rot) als auch die Fahrtzeit (blau). Die Zwischenstopps (Wiesbaden Ost und Mainz Nord) wurden der Übersichtlichkeit halber weggelassen.
Bildfahrplan der Buslinie 1. Die Haltestellen sind hier auf der Y-Achse, die Uhrzeiten auf der X-Achse. Dargestellt sind beide Fahrtrichtungen mit Unterwegshaltestellen. Die rot markierten Fahrten könnten von einem Bus abgewickelt werden – sie ergeben einen Umlauf. Insgesamt wären (mindestens) sechs Busse nötig, um alle Umläufe dieser Linie abzudecken.

Die Lösung, die wir im Folgenden entwickeln, ist eine mögliche Lösung – weder die einzige noch automatisch die beste. Aber sie reicht für den Nachweis, dass die 38 Züge ausreichen. Und sie kommt ohne die Wendestelle am Wiesbadener Hauptbahnhof aus.

Wir nähern uns dazu von außen – also von den weniger dicht getakteten Abschnitten Hochschule – Bad Schwalbach sowie Biebrich – Mainz. Und wir starten der Einfachheit halber mit der Annahme, dass die Züge so weit wie möglich durchfahren.

Schritt 1 – Züge von Bad Schwalbach nach Mainz

Im ersten Schritt betrachten wir Züge, die von Mainz bis Bad Schwalbach durchfahren. Diese Züge fahren maximal halbstündlich – anders lässt sich ein 10-Minutentakt auf der einen Seite nicht mit einem 15-Minutentakt auf der anderen Seite kombinieren. Von Endhaltestelle bis Endhaltestelle wären diese Züge 72 Minuten unterwegs. Insgesamt sind dafür sechs Züge nötig – danach ist der erste Zug wieder zurück in Bad Schwalbach und kann von vorn beginnen.

Die dicke-rot markierten Fahrten können von einem Zug durchgeführt werden. Dieser ist nach knapp über zweieinhalb Stunden wieder zurück in Bad Schwalbach – und kann deshalb drei Stunden nach der ersten Fahrt wieder von vorn beginnen.

Schritt 2 – Züge von Bad Schwalbach nach Biebrich

Um den Zieltakt von 15 Minuten nach Taunusstein und Bad Schwalbach zu erreichen, sind weitere Züge notwendig. Diese fahren ebenfalls so weit durch, wie möglich: zum Biebricher Rheinbahnhof.

Diese ergänzenden Umläufe können, wie die Grafik verdeutlicht, mit vier zusätzlichen Zügen abgedeckt werden.

Schritt 3 – Züge von der Hochschule Mainz zur Hochschule Wiesbaden

Noch haben wir zwischen Biebrich und Mainz einen 30-Minuten-Takt – die Züge, die aus Bad Schwalbach durch fahren. Es werden vier weitere Fahrten pro Stunde notwendig, um hier einen Zehnminutentakt zu erreichen. Diese fahren ebenfalls von der Mainzer Hochschule maximal weit bis an die Wiesbadener Hochschule. Wie in der Grafik deutlich wird, werden dafür acht Züge benötigt.

Schritt 4 – Züge von Biebrich zur Hochschule Wiesbaden

Bleibt noch der Abschnitt zwischen Biebrich und Hochschule Wiesbaden. Für einen Fünfminutentakt sollen hier zwölf Züge pro Stunde und Richtung fahren – bisher sind es aber nur zehn. Es fehlen also noch zusätzliche Fahrten zwischen Biebrich und der Hochschule Wiesbaden. Aus der (schon recht vollen) Grafik zeigt sich: hier reichen vier Züge.

Schritt 5 – Fahrzeuge, Doppeltraktion, Linien

Für die in den ersten vier Schritten dargelegten Fahrten werden insgesamt mindestens 22 Züge (6+4+8+3) benötigt. Mit 22 Zügen kann der angestrebte also Takt erreicht werden – allerdings nur in Einfachtraktion.

UmlaufAnzahl Züge
Bad Schwalbach – HS Mainz6
Bad Schwalbach – Biebrich4
HS Mainz – HS Wiesbaden8
Biebrich – HS Wiesbaden4
 Σ22 Züge

Um alle Fahrten in Doppeltraktion durchzuführen, würden (ohne Instandhaltungsreserve) 44 Züge benötigt – mehr als die 38 geplanten. Es werden also auch in den Stoßzeiten Fahrten in Einfachtraktion durchgeführt. Mit Hilfe der 16 noch nicht verplanten Züge wird ein Teil davon zu Doppeltraktionen aufgestockt – aber wie viele?

Mit Blick auf die Fahrgastprognosen zeigt sich, dass das größte Aufkommen im Wiesbadener Stadtgebiet erwartet wird, gefolgt von der Verbindung nach Mainz. Durchgehende Doppeltraktionen nach Taunusstein werden also weniger benötigt.

UmlaufAnzahl ZügeTraktionFahrzeuge
Bad Schwalbach – HS Mainz6Einfach6
Bad Schwalbach – Biebrich4Einfach4
HS Mainz – HS Wiesbaden8Doppelt16
Biebrich – HS Wiesbaden4Doppelt8
 Σ22 Züge Σ34 Züge
Vorschlag einer einfachen Verteilung Einfach- und Doppeltraktionen.

Daraus eröffnet sich eine simple Möglichkeit: Alle Züge aus Bad Schwalbach fahren in Einfachtraktion. Damit ergäbe sich ein rechnerischer Fahrzeugbedarf von 34 Zügen.

Nach dem einfachen, vorgeschlagenen Schema würden die im Bildfahrplan pink markierten Fahrten in Doppeltraktion durchgeführt, die grauen in Einfachtraktion. Damit führen zwischen Hochschule und Biebrich acht der zwölf Züge pro Stunde in Doppeltraktion. Das ergibt eine rechnerische Fahrgastkapazität von 4.400 Plätzen pro Stunde und Richtung. Zum Vergleich: Die Linien 4 und 14 kommen heute, trotz eines Vier-Minuten-Taktes auf, 1.500 Plätze pro Stunde und Richtung.

Damit wäre ein erheblicher Teil der innerstädtischen Fahrten in Wiesbaden mit Doppeltraktionen abgedeckt und es bliebe eine Fahrzeugreserve von vier Zügen, die sogar hier und da noch Doppeltraktionen in den Taunus zuließe.

Unabhängig von diesen Fahrzeugumläufen stellt sich die Frage nach der Anzahl Linien – also fahren alle Züge der CityBahn unter derselben Liniennummer, obwohl sie unterschiedlich weit fahren? Schon heute ist es bei Buslinien Gang und Gebe, dass nicht alle Fahrzeuge bis an die Endhaltestelle fahren, sondern früher enden. Zu besseren Unterscheidbarkeit empfiehlt sich aber beispielsweise durchaus, Züge, die in den Taunus oder nach Mainz fahren, separat zu betiteln.

Schritt 6 – und nun?

Im realen Leben ist die Frage hier natürlich noch nicht abschließend beantwortet. Denn durch verlängern oder verkürzen der Wendezeiten an den Endbahnhöfen lässt sich die Fahrzeugzahl noch beeinflussen. Hinterfragen lässt sich beispielsweise der Sinn von durchgehenden Zügen Bad Schwalbach – Hochschule Mainz Hochschule. Auch enden in unserem einfachen Modell keine Züge am Wiesbadener Hauptbahnhof – obwohl dies möglich wäre.

Auch auf der Strecke nach Bad Schwalbach sind weitere Modifikationen denkbar: In Doppeltraktion hoch, in Einfachtraktion (dafür doppelt so oft) wieder runter. Die Strecke stellt durch ihre weitestgehende Eingleisigkeit ohnehin zusätzliche Anforderungen – denn die Züge müssen sich ja an vordefinierten Bahnhöfen treffen.

Der nächste Schritt, die Personalplanung, ist mit all den gesetzlichen Vorgaben zu Schicht-, Ruhe- und Lenkzeiten ein Kapitel für sich und wird heute in der Regel softwaregestützt optimiert. Und führt hier zu weit.

Weiterlesen

  • www.citybahn-verbindet.de – Zur geplantem Takt und den Fahrtzeiten
  • www.linieplus.de – Konzeptvorschlag zur Reaktivierung der Aartalbahn mit kombiniertem Regionalbahn-/CityBahnverkehr. Inklusive Taktschema, Bildfahrplan und ausgearbeiteten Kreuzungspunkten. (Privater Beitrag, 29.11.2019, Anton Eisenbach)

Quellen

Quellen
1 https://www.citybahn-verbindet.de/die-linie.html
2 Vom Kurhaus (Bad Schwalbach) bis zum Wiesbadener Hauptbahnhof benötigen die Busse heute 46 Minuten (Buslinie 274) bzw. 41 Minuten (Buslinie 275). Die Regionalzüge auf der Aartalbahn benötigten für diese Strecke 40 Minuten (Stand 1979).