Energieverbrauch von Straßenbahnen

Wieviel Energie braucht eigentlich so eine Straßenbahn? Diese Frage beantworten wir für euch in diesem Artikel. Neben den harten Zahlen zeigen wir außerdem die drei am meisten verbreiteten und effektivsten Möglichkeiten zu weiteren Energieeinsparungen auf. 

Die angegebenen Zahlen des Energieverbrauchs kommen direkt von den Straßenbahnbetrieben in Deutschland. Einige davon legen ihren Energieverbrauch in Nachhaltigkeitsberichten offen. Andere beziffern in ihren Geschäftsberichten den Fahrstrom-Gesamtverbrauch und die Betriebsleistung, sodass sich der Energieverbrauch pro Kilometer im Schnitt über alle eingesetzten Straßenbahnen errechnen lässt. Die meisten  haben wir allerdings direkt kontaktiert – denn nur die Betriebe selbst kennen den Verbrauch für die verschiedenen Straßenbahntypen ihrer Flotte. 

Zwar sind die Rückmeldungen nicht vollständig. Letztlich umfassen die Daten aber ein Viertel der deutschen Straßenbahnbetriebe, die zusammen rund die Hälfte der gesamtdeutschen Straßenbahnflotte betreiben. Welche das genau sind, findet ihr am Ende des Artikels. Wir werfen außerdem einen Blick auf die verschiedenen Technologien, die den Straßenbahnen weitere Energieeinsparungen ermöglichen: Rückspeisung, SuperCaps, Schwungradspeicher.

Bei verschiedenen Quellen über den Energieverbrauch der Fahrzeuge ist ein detaillierter Blick auf die Maßeinheit geboten. Der Bedarf an Energie wird meist in Kilowattstunden pro X angegeben – wobei X mal für Fahrzeugkilometer (bezogen auf die Strecke), mal für Platzkilometer (bezogen auf die Kapazität) oder für Personenkilometer (bezogen auf die Fahrgäste) stehen kann. Je nach Fragestellung sind mal die einen, mal die anderen Angaben sinnvoll; man sollte sie beim interpretieren nur nicht vermischen.

Der Artikel legt keinen Fokus auf die Emissionen. Allerdings liegt es auf der Hand, dass es – unabhängig von der Herkunft der notwendigen Energie – aus ökologischen und aus Emissionsgründen von Vorteil ist, weniger Energie zu verbrauchen. Deswegen wird dazu ein separater Artikel folgen.

Der absolute Energieverbrauch von Straßenbahnen ist für sich betrachtet aber nur bedingt aussagekräftig. Er muss vielmehr verglichen werden mit den Alternativen – konkret also beispielsweise mit Bussen (sowohl Diesel, als auch Elektro). Denn dass eine Straßenbahn, die deutlich größer ist als ein Bus, mehr Energie benötigt, liegt auf der Hand. Allerdings kann sie gleichzeitig mehr Menschen transportieren. Die Frage ist also: Ab wie vielen Fahrgästen ist der Einsatz einer Straßenbahn energieeffizienter als ein Bustransport? Doch auch dazu in einem separaten Artikel mehr.

Zum Energieverbrauch von Straßenbahnen

Zahlen, Daten, Fakten

Mit Blick auf die Daten hat sich eine gute Faustregel herauskristallisiert: Eine durchschnittliche, 30-Meter lange Straßenbahn verbraucht zwischen drei und vier Kilowattstunden pro Fahrzeugkilometer. Für doppelt so lange Züge liegt der Verbrauch etwa 50 Prozent höher.

Aus Nachhaltigkeits- und Geschäftsberichten sowie direkten Rückmeldungen aus den Straßenbahnbetrieben haben wir euch die konkreten Angaben zum Energieverbrauch zusammengetragen. Die erste Beobachtung: Über die verschiedenen Typen hinweg wiegt eine Bahn (leer) im Schnitt rund 1,1 Tonnen pro Meter. 

Energieverbrauch von Straßenbahnen pro Fahrzeugkilometer – nach Länge der Fahrzeuge. Angaben in Orange sind Typenscharf, in Blau gewichtete Durchschnittswerte über mehrere Fahrzeugtypen eines Betriebes.

Die zweite Beobachtung: Je länger eine Bahn ist (also je schwerer), desto höher ist der Energieverbrauch pro Fahrzeugkilometer. Das ist nicht wirklich überraschend. Gleichzeitig haben längere Bahnen aber auch mehr Plätze. Und so liegt der Energieverbrauch, unabhängig von der Straßenbahnlänge, relativ stabil bei rund 0,02 kWh pro Platzkilometer. 

Energieverbrauch von Straßenbahnen pro Platzkilometer – nach Länge der Fahrzeuge. Angaben in Orange sind Typenscharf, in Blau gewichtete Durchschnittswerte über mehrere Fahrzeugtypen eines Betriebes.

(Je nach Datenqualität beziehen sich die Verbrauchswerte auf konkrete Straßenbahntypen (orange) oder bilden Mittelwerte der gesamten Straßenbahnflotte – über mehrere Typen hinweg (blau). Bei Mittelwerten mehrerer Typen sind die Kennzahlen (zB Länge und Kapazität) gewichtete Mittelwerte. Die senkrecht übereinander stehenden, blauen Datenpunkte sind Angaben der jeweils selben Straßenbahnbetriebe aus verschiedenen Jahren.)

Ein langfristiger Praxistest durch das Fraunhofer-Institut in Dresden und Leipzig ergab im Rahmen des SEB-EDDA-Projektes für einen Elektro-Solobus einen vergleichbaren Energieverbrauch von 0,022 kWh pro Platzkilometer, der Einsatz von VDL-Gelenkbussen in Köln ergab rund 0,018 kWh pro Platzkilometer. Damit spielen Straßenbahnen und Elektrobusse beim spezifischen Energieverbrauch in derselben Liga. Zum Vergleich: Dieselbusse verbrauchen (umgerechnet) 0,05 bis 0,06 kWh pro Platzkilometer und damit mehr als doppelt so viel. Auch handelt es sich hier um den Primärenergieverbauch, der vollkommen außer Acht lässt, wie die Energie gewonnen, gespeichert und zum Fahrzeug transportiert wird. Auch hier gibt es massive Unterschiede zwischen Oberleitung, Akku, Diesel und Wasserstoff. Details dazu in einem separaten Artikel.

Einflussfaktoren des Energieverbrauchs

Der konkrete Verbrauch von Straßenbahnen hängt dann aber von vielen Faktoren ab: Von der Länge des Fahrzeugs (und damit dem Gewicht), Alter und verbaute Technik, Routenführung, Anzahl Haltestellen, Steigungen der Strecke oder dem Wetter. Natürlich hat auch die Oberleitungs-Infrastruktur Einfluss auf den Verbrauch – die Leitungsverluste schwanken je nach Zustand und verwendeter Technik.

Deutlich werden die schwankenden Einflüsse am Beispiel Klimaanlagen und Heizungen. So sank der spezifische Stromverbrauch der Bremer Straßenbahnen von 2013 zu 2014 um 7,5 Prozent – was die Stadtwerke u.a. auf den milden Winter zurückführten. Aber auch der Einsatz von Technologien zur Energierückspeisung beeinflusst den Verbrauch. Mit Hilfe von SuperCaps konnte der RNV den Energiebedarf seiner Straßenbahnen beispielsweise um 30% senken.

Neue Straßenbahnen verbrauchen auch nicht automatisch weniger Energie als alte. Den Effizienzsteigerungen der Fahrmotoren steht beispielsweise mehr verbaute Technik gegenüber: Klimaanlage, Monitore, Lüftung, WLAN. Führen die Straßenbahnen Batterien oder SuperCaps mit sich, werden die Fahrzeuge gleichzeitig schwerer.

Beispiel Plauen: Bis 2012 kamen hier ausschließlich tschechische Straßenbahnen des Typs Tatra KT4D zum Einsatz, gebaut in den 70er und 80er Jahren. Heute erbringen neue Flexity Classic-Züge den Großteil der Verkehrsleistung. Die neuen Fahrzeuge bieten 15 Sitzplätze mehr, sind drei Meter länger und sieben Tonnen schwerer – der Energieverbrauch aber derselbe wie bei den älteren Tatra-Zügen.

Energierückgewinnung bei Straßenbahnen

Die Rückgewinnung von Energie (Rekuperation) begleitet Fahrzeuge seit Aufkommen des Elektromotors und ist nur bei dieser Energieform möglich. Bei Fahrzeugen wird darunter zumeist die Bremsenergie in elektrische Energie umgewandelt und wahlweise ins Netz zurück- oder in einen stationären oder mobilen Speicher eingespeist. Das ermöglicht deutliche Energieeinsparungen.

Rückspeisung ins Netz

Die Idee, die Fahrmotoren beim Bremsen als Generatoren einzusetzen und damit Bremsenergie zurückzugewinnen, ist seit über 100 Jahren im Einsatz. Bereits die 1919 gebauten Elektrolokomotiven der SBB, Spitzname Krokodil, konnten bis zu 5 Prozent der Bremsenergie zurück ins Netz speisen. Moderne Lokomotiven kommen auf bis zu 40 Prozent

Die Rückspeisung in großflächige Wechselstromnetze ist wenig problematisch. So speist die Deutsche Bahn jährlich über 1.200 Gigawattstunden, gewonnen aus der Bremsenergie der Züge, ins eigene Netz zurück. Straßenbahnnetze sind allerdings deutlich kleiner und basieren auf Gleichstrom. Heißt: Damit eine Straßenbahn Bremsenergie effektiv zurückspeisen kann, muss eine zweite Straßenbahn in der Nähe sein, die diese Energie direkt aufnimmt (und beispielsweise gleichzeitig beschleunigt). Andernfalls verpufft die Bremsenergie als Abwärme.

Je mehr Bahnen auf engem Raum unterwegs sind (zum Beispiel in den Hauptverkehrszeiten), desto höher die Einsparung. Pro Bremsvorgang kann eine Straßenbahn zwischen einem und zwei Kilowattstunden zurückspeisen. Große Straßenbahnnetz (wie Berlin oder Leipzig) können mit speziell ausgerüsteten Oberleitungen über die Rückspeisung ins Netz ihren Energieverbrauch um bis zu 20% reduzieren. In ländlichen Gebieten oder Zeiten mit geringer Taktfolge sind Einsparungen deutlich geringer.

Zwischenspeicher

Durch die genannten Nachteile der direkten Energierückspeisung etablierten sich für Straßenbahnen Systeme zur Zwischenspeicherung der Bremsenergie. Mit einem Puffer werden der erzeugende Bremsvorgang und die verbrauchende Beschleunigung zeitlich entkoppelt. Es muss also nicht im selben Moment eine Straßenbahn beschleunigen, um die Energie aufzunehmen. Damit kann eine Straßenbahn auch ihre eigene Bremsenergie wieder zum Anfahren nutzen.

Unterschieden werden die Puffer in stationäre und mobile Lösungen; während erstere fest an der Strecke stehen, sind zweitere in den Fahrzeugen selbst verbaut. Ein einzelner, stationärer Speicher kommt in einem begrenzten Radius allen Fahrzeugen zugute, während bei mobilen Speichern jedes Fahrzeug umgerüstet werden muss. Dafür ermöglichen mobile Speicher, dass der jeweilige Zug beispielsweise auch kurze Abschnitte ohne Oberleitung zurücklegen kann. 

Grundsätzlich lassen sich bei stationären und bei mobilen Speichern dieselben Technologien einsetzen. Für den Schienenverkehr haben sich vor allem Batterien, Kondensatoren (SuperCaps) und Schwungräder durchgesetzt.

Schwungradspeicher

Der Name sagt’s: Überschüssige Energie wird in einem Schwungrad gespeichert. Das Gewicht der Schwungräder liegt dabei zwischen wenigen hundert Kilo und zwei Tonnen. Bremst eine Straßenbahn, nehmen die Schwungräder die überschüssige Energie auf und beschleunigen ihre Drehung. Beschleunigt die Straßenbahn, bremst das Schwungrad ab und gibt so die notwendige Energie wieder ins Netz. Die Schwungräder kommen dabei auf mehrere tausend Umdrehungen pro Minute.

https://blog.vag-freiburg.de/schwungradspeicher/

Stationäre Schwungradspeicher sind an mehreren Orten bereits im Einsatz. 

Schwungradspeicher haben eine nahezu unbegrenzte Lebensdauer, da sich die Kapazität (im Gegensatz zu beispielsweise Batterien) über die Jahre nicht reduziert. Schwungräder aus Stahl sind außerdem nahezu 100% recycelbar.

Der Einsatz von Schwungrädern als Energiespeicher ist prinzipiell auch mobil (also innerhalb der Fahrzeuge) denkbar. Größe und Gewicht der Stahl-Schwungräder sowie die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen bei derart schnell rotierenden Körpern machen diese Option aber unattraktiv. Dennoch waren in den 1950er und 60er Jahren in der Schweiz und Belgien (sowie dessen Kolonien) knapp 20 Gyrobusse im Einsatz, die ausschließlich per Schwungrad angetrieben wurden. Als kleinerer Zwischenspeicher als Ergänzung zum herkömmlichen Antrieb sind Carbon-Schwungräder beispielsweise in Bussen in Großbritannien in Gebrauch.

SuperCaps

Mit der großflächigen Neubeschaffung von Variobahnen im Verkehrsverbund Rhein-Neckar wurden ab 2009 erstmal systematisch Energiespeicher in Straßenbahnen in Deutschland verbaut. Die neuen Bahnen in Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg wurden mit auf dem Dach verbauten SuperCaps ausgestattet: Kondensatoren, die Bremsenergie speichern können und beim Anfahren wieder abgeben. Die Technik wurde zuvor sechs Jahre lang in Mannheim erprobt. Die SuperCaps vom Typ MITRAC Energy Saver senken den Energiebedarf der Straßenbahnen um rund 30 Prozent.

Die SuperCaps des RNV kosten pro Fahrzeug rund 200.000 Euro – gleichzeitig senken sie die Stromrechnung um knapp 20.000 Euro pro Jahr und Fahrzeug. Aufgrund der langen Lebensdauer von Straßenbahnen wird es allerdings noch dauern, bis diese Technik in Deutschland flächendeckend eingesetzt wird. 

Neben der reinen Energieersparnis haben die SuperCaps allerdings auch weitere Vorteile. Die Bahnen können mit ihrer Hilfe ein bis zwei Kilometer ohne Oberleitung zurücklegen – etwa in sensiblen Bereichen oder bei Störungen und Baustellen. Und sei es nur, um bei einem Stromausfall die Kreuzung zu räumen.

SuperCaps fangen darüberhinaus bis zu 40 Prozent des stromintensiven Bremsen und Beschleunigen ab. Als direkte Folge heißt das: Die Spannungs- und Stromspitzen im Netz sind sowohl seltener als auch niedriger. Da die Netze auf ebenjene Schwankungen ausgelegt sind, heißt das mittelfristig: Bei Neubaustrecken kann die Anzahl an Verteilerstationen (Unterwerken) reduziert werden. Gleichzeitig können auf bestehenden Strecken mehr und leistungsstärkere Züge eingesetzt werden, ohne dass die Stromversorgung nachgerüstet werden muss.

SuperCaps können allerdings auch als stationärer Energiespeicher eingesetzt werden – so beispielsweise bei der South Island Line der Metro von Hongkong. Zwei SuperCaps (je 2MW) reduzieren den Energieverbrauch hier um rund 10 Prozent.

Zahlen, Zahlen, Zahlen

TypLänge (m)Masse (leer, to)Plätze (Sitz+Steh)Verbrauch (kWh pro Fzkm)
Tatra KT6NF27,7131,1051+903,60
DUEWAG MGT6D29,8632,0068+982,80
Tatra T4D-MT (Dreifachtraktion)45,0051,6678+1444,95
NGT 6 DD30,2833,4088+963,95
NGT 8 DD41,0248,10112+1144,95
NGT D8 DD30,0438,7069+1023,95
NGT D12 DD45,0956,70107+1535,80
Tatra KT4D18,1121,5035+703,00
NGT6 Flexity Classic21,0828,8050+692,96
Tatra KTNF627,7129,8054+931,99
DUEWAG M8C25,5934,5054+863,40
GT6M-ZR26,8031,5046+973,50
Variobahn30,0738,4073+1125,00

Hinweis #2: Die konkreten Straßenbahnverbräuche hängen von einer Vielzahl Faktoren ab – verbaute Technik, Höhenprofil, Stauanfälligkeit, Anzahl Stops, Fahrstil der Fahrer, Wetter, (…). Auch werden in einigen Quellen Sekundärstromverbräuche (Weichenheizung, Unterwerke, …) mit eingerechnet. Auch ist mal der reine Stromverbrauch des Fahrmotors gemessen, mal der des gesamten Fahrzeugs (Klimaanlage, Beleuchtung, …). Insofern sind die konkreten Messwerte nicht 1:1 übertragbar – aus der Masse an Messwerten ergibt sich aber ein solides Gesamtbild.

Zum Weiterlesen

Zu den Quellen des Energieverbrauchs

Verbrauchsangaben der Straßenbahnen typenscharf liegen (bislang) vor aus:

  • Plauen, 
  • Dresden,
  • Cottbus, 
  • Brandenburg (Havel) und 
  • Zwickau,
  • Mainz. 

Verbrauchsangaben im Durchschnitt über alle eingesetzten Straßenbahntypen liegen (bislang) vor aus

  • Hannover, 
  • Berlin, 
  • Bremen, 
  • Düsseldorf, 
  • Leipzig, 
  • Schöneiche und 
  • Würzburg.

Der durchschnittliche Verbrauch der Straßen- Stadt- und U-Bahn-Züge liegt vor aus 

  • Frankfurt, 
  • Bochum und 
  • Essen.

Hinweis: Wir legen bei unseren Artikeln Wert auf solide, objektive, nachvollziehbar gestaltete Texte. Daher findest Du auch eine Vielzahl an Quellenverweisen und Belegen, Grafiken, Fotos und Erörterungen – zuweilen auch wohlbegründete Schlussfolgerungen. Nichtsdestotrotz sind wir eine rein ehrenamtliche Truppe und haben auch keinen Zugriff auf geheime Quellen. Auch wir kennen nur das, was öffentlich ist, wir uns erarbeiten und recherchieren. Fehler sind also nicht ausgeschlossen. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, weitere wichtige Quellen kennst oder fachliche Fehler – her damit. Am besten per Mail oder unten in die Kommentare.