Was für manchen notorischen Autofahrer einer schauderhaften Schreckensvision gleichkommt – in Wiesbadens Partnerstadt ist dies seit Jahren – im Wortsinn – gängige Praxis. Im gesamten Altstadtkern der slowenischen Hauptstadt Ljubljana dröhnt kein Verbrennungsmotor. Seit 2007 sind die Gassen rund um den Fluss Ljubljanica vollkommen autofrei. Mobilität findet hier zu Fuß, mit dem Fahrrad oder, wer Bedarf hat, kostenfrei auf einem der gemächlich zirkulierenden Elektrokarren, Marke „Kavalier“, statt.
Sind die zentralen Einkaufsstraßen seitdem verödet? Die Konsumenten in die Außenbezirke ausgewichen? Der Anschein ist ein anderer. Die Geschäfte im Stadtzentrum erscheinen gut besucht, tote Schaufenster sind nicht zu erkennen. Ein Restaurant, Café oder Lokal reiht sich in dichter Folge an das andere. Sie nehmen sich dabei nicht gegenseitig die Gäste weg, im Gegenteil: für jeden Bedarf gibt es den passenden Ort. Sicher ist das zu einem guten Teil dem studentischen Milieu und dem florierenden Tourismus zu verdanken. Aber Besucher zieht es schließlich nicht ohne Grund in spürbar entspannte Gefilde. Zudem finden sie dort nicht nur Souvenirs, sondern auch Lebensmittel, Drogeriewaren, Kleidung und Bücher Absatz. Einkaufen macht ganz offenkundig mehr Spaß ohne Gefahr, Gehetze und Lärm.
Wo sich früher ein qualmender Autopulk durch romantisch anmutende Gassen wälzte, laden neugestaltete Promenaden zum Flanieren, ganzjährig geöffnete Außenterrassen zum Verweilen ein. Der einst größte Parkplatz der Innenstadt beherbergt heute Bühnen, Freiluftkinos oder Marktstände. Die Anwohner können ihre Fahrzeuge unterirdisch abstellen. Doch die einstige Blechflut wird nicht einfach um eine autofreie Oase herumgeleitet. Während die Altstadt zur Fußgängerzone wurde, machten sich die Stadtgestalter bereits an die Verkehrsberuhigung der Innenstadt und kappten dabei auch die schon von den Römern angelegte, frühere Hauptverkehrsader. Hier haben nun Busse, Räder und Füße Vorrang. Insbesondere für RadfahrerInnen ist die slowenische Hauptstadt mit hunderten von eigenen Fahrspuren und einem flächendeckenden Verleihsystem ein Paradies. Unter den 20 fahrradfreundlichsten Städten der Welt rangiert sie zeitweise auf Platz 8.
Natürlich erntete die einschneidende Umgestaltung einer legendären Verkehrshölle zum stadtplanerischen Vorzeigeprojekt nicht bei allen 280.000 BewohnerInnen auf Anhieb Beifall. Viele Widerstände waren zu überwinden, die oft aus der Macht jahrzehntealter Gewohnheiten resultierten.
Der verantwortliche Stadtplaner Janez Kozelj wählte dabei nicht den Weg langwieriger Diskussionen und Bürgerbefragungen, ein besonderer Umstand kam ihm zugute. Bauzäune, um die der übliche Verkehrsfluss zwei Jahre lang geleitet werden musste, gewöhnten die Einheimischen behutsam an eine neue Straßenführung. „Eine Baustelle ist leichter zu verkaufen als eine Begegnungszone“, erklärte der Architekturprofessor unumwunden. Irgendwann kannten die Verkehrsteilnehmer es nicht mehr anders und hatten sich damit arrangiert, inzwischen auch mit der lärm-, stress- abgas- und risikoarmen Fortbewegung angefreundet.
So bevorzugten die Verantwortlichen geschaffene Tatsachen, die die meisten Skeptiker überzeugten. Und die Verkehrswende kam mit Siebenmeilenstiefeln nach Ljubljana. Die Liste von Bürgermeister Zoran Jankovic regiert souverän mit absoluter Mehrheit im Stadtparlament. Die unter seiner Ägide erzielten Erfolge sind nicht von der Hand zu weisen: Während 2003 noch 58 Prozent aller Wege in Ljubljana mit dem Auto zurückgelegt wurden, waren sind es 2013 nur mehr 42 Prozent. Der Anteil der zu Fuß zurückgelegten Strecken vergrößerte sich von 19 auf 35 Prozent.
Allerdings beschränken sich diese Fortschritte bislang weitgehend auf die Glanzseite der historisch gewachsenen Stadt. In den Wohnbezirken dümpelt das Bussystem noch vor sich hin, und viele Bewohner bevorzugen daher zur Fortbewegung das eigene Fahrzeug, weitgehend von Verbrennungsmotoren betrieben.
Dennoch honorierte die Europäische Kommission die Bemühungen der slowenischen Hauptstadt um nachhaltige Mobilität, aber auch schonende Landnutzung, Luftqualität, Lärm- und Müllvermeidung, Wasserreinhaltung, regenerative Energie, grünes Wachstum, Natur- und Artenvielfalt 2016: mit der Ernennung zur „Grünen Hauptstadt Europas“.