20.12. Von der Vergangenheit in die Zukunft

Wiesbadens Partnerstadt Wrocław, auch bekannt als Breslau, in der polnischen Woiwodschaft Niederschlesien ist mit knapp 650.000 Einwohnern gut  doppelt so groß wie die hessische Landeshauptstadt.

Der aus Berlin stammende Johannes Büssing erhielt von der Stadt Breslau im Jahre 1876 eine Konzession zum Bau und Betrieb einer Pferdestraßenbahn. Bereits vier Monate später wurde diese Konzession aber an die „BSEG – Breslauer Straßen-Eisenbahn-Gesellschaft“ übertragen, die 1877 die erste Pferdebahnstrecke in Betrieb nahm.
Im Jahr 1900 hatte die BSEG 140 Wagen, die von 524 Pferden gezogen wurden und so 15,4 Mio. Fahrgäste beförderten.

Da aber bereits 1892 die „ESB – Elektrische Straßenbahn Breslau“ gegründet und die erste elektrische Straßenbahnstrecke 1893 in Betrieb genommen wurde, war es dennoch erst 1906 soweit, dass die Pferdestraßenbahn ihren Betrieb einstellte. Die elektrische Straßenbahn von 1893 war im Übrigen auch die erste ihrer Art auf dem heutigen polnischen Staatsgebiet.

Als weiteres Straßenbahnunternehmen wurde am 6. August 1901 die „Städtische Straßenbahn Breslau (SSB)“ gegründet, welches im Besitz der Stadt war. Somit bestanden in Breslau drei unabhängig voneinander betriebene Straßenbahnnetze. Hierbei ist es interessant, dass auf dem Streckenabschnitt vom Bahnhof der Schmalspurbahn (Spurweite 750 mm) bis zur Stadtmitte die Straßenbahn die Gleise der Lokalbahn mitbenutzte, somit gab es auf dem Abschnitt drei Gleise. Diese Besonderheit blieb bis 1950 bestehen. Im Jahre 1900 beschloss der Gemeinderat der Stadt Breslau den Kauf der beiden privat geführten Straßenbahngesellschaften. 1911 konnte dieStadt den Anteil der Aktien an der BSEG erwerben und gliederte deren Linien indas eigene Netz ein.
Nachdem Ende des Ersten Weltkrieges waren in Breslau 85 Triebwagen und 150 Beiwagen vorhanden. Der Personalstand betrug 673 Mitarbeiter, welche 29,6 Millionen Passagiere beförderten. Am 1. Juni 1923 konnte von der Stadt Breslau auch das Streckennetz der ESB übernommen werden. Somit war die SSB der alleinige Betreiber in Breslau.

Breslau um 1906
(Sendker, Breslau Schweidnizer Strasse 1906, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons)

Die Straßenbahn in Breslau wurde im Zweiten Weltkrieg nahezu vollkommen zerstört. Sie litt an der Bombardierung der Stadt besonders stark („Festung Breslau“). Es dauerte jedoch nur bis zum 22. Juli 1945, bis die erste Straßenbahn wieder fuhr. Die nächsten Jahre waren vom Wiederaufbau geprägt. Es dauerte aber bis 1990, bis die letzte im Krieg zerstörte Strecke wieder aufgebaut war. 

Das nächste Unglück, welches über die Straßenbahn hereinbrach, war das Hochwasser von 1997, als große Teile des Streckennetzes zerstört wurden. Der Aufbau nach dem Hochwasser wurde auch zur Modernisierung der Strecken herangezogen.


Im Laufe der Geschichte gab es auch einige Kuriositäten auf Breslaus Schienen. So war etwa eine spezielle Linie für Postfracht vorhanden.
Güterwagen wurden mit der Straßenbahn gezogen und bis nach 1945 gab es sogar Krankentransportstraßenbahnen. Oder auch so genannte Sprengwagen, die nicht etwa explosives beförderten, sondern Wasser zum sprengen und reinigen der Straßen. Auch waren zeitweise „Kaffee auf Schienen“ oder Kinderkrippen unterwegs.

Der „Rondo Reagana“ – der zentrale Umsteigeknoten für Straßenbahnverbindungen in Breslau.

(Rondo Reagana flickr photo by Maciek Lulko shared under a Creative Commons (BY-NC) license )

Heute werden von den Städtischen Verkehrsbetrieben Breslau (MPK, Miejskie Przedsiebiorstwo Komunikacyjne) über 200 Straßenbahnen auf 22 Linien eingesetzt. Die Länge des Streckennetzes beträgt zurzeit ca. 260 km, wobei bereits weitere Ausbaupläne vorhanden sind. Auch läuft gerade die Ausschreibung über 87 weitere Straßenbahnfahrzeuge.
Auf den Schienen Breslaus finden sich 9 verschiedene Fahrzeugtypen von Konstal, Protram, Škoda, Pesa und Moderus – wovon die ältesten zwischenzeitlich fast 40 Jahre im Dienst sind.


Zusammen mit den über 300 Bussen befördern die fast 600 Straßenbahn- und 800 Busfahrer*innen im Jahr über 200 Millionen Fahrgäste. Ein weiterer Ausbau und die Modernisierung der Fahrzeuge und des Streckennetzes sind fest eingeplant. Die Erfolgsgeschichte von 125 Jahren elektrischer Straßenbahn in Breslau wird also weiter erfolgreich fortgeschrieben. (/jg)

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