Update 26.06.2020: Heute hat Stadtentwicklungsdezernent Hans-Martin Kessler gesagt: „An einer zusätzlichen Rheinbrücke führt kein Weg vorbei“ (Quelle) und das Thema „Neue Rheinbrücke“ wieder hervorgeholt. Daher wiederholen wir hiermit unsere Position zu dieser Thematik, die wir im Januar 2020 veröffentlicht haben.
Es gibt nur wenige Diskussionen, nach denen man derart die Uhr stellen kann, wie die um zusätzliche Rheinbrücken zwischen Mainz und Wiesbaden.
Diese Diskussion ist wenig verwunderlich: Die Verkehrssituation auf der Schiersteiner-, der Theodor-Heuss- und der Weisenauer Brücke ist alles andere als zufriedenstellend. Aber auch die Kapazität der beiden Eisenbahnbrücken – der Kaiserbrücke und der Südbrücke – ist endlich; über beide fahren schon heute hunderte Personen- und Güterzüge am Tag.
Doch nicht nur für den Autoverkehr ist die Brückensituation unbefriedigend. So büßen auch die Busverbindungen über die Theodor-Heussbrücke durch den täglichen Stau ihre Zuverlässigkeit ein. Dabei sollte dem ÖPNV auch auf der Rheinquerung Vorrang eingeräumt werden: So queren täglich knapp fünfzig Mal so viele Autos wie Busse die Heuss-Brücke – sie transportieren aber nur doppelt so viele Menschen.
Auch für Fußgänger und Radfahrer sind die aktuell vorhandenen Brücken nicht angemessen. So sind die Wege auf der Kaiser- und auf der Südbrücke viel zu eng für einen Radverkehr in zwei Richtungen, zumal beide Wege mit Fußgängern geteilt werden. Auch auf der Theodor-Heuss-Brücke existieren keine getrennten Fuß- und Radwege. Auch vor dem Hintergrund steigender Zahlen Lastenfahräder und Fahrradanhänger ist das problematisch.
- Kammern für neue Brücken über den Rhein. Pressemitteilung IHK Wiesbaden, 02. Januar 2020
- Für Brückenneubau drängt die Zeit. Wiesbadener Kurier, 13. Januar 2020.
Position
Angestoßen durch die jüngsten Forderungen der Industrie- und Handels- sowie der Handwerkskammern, aber auch durch die aktuelle mehrwöchige Sperrung der Theodor-Heuss-Brücke und die geplante Routenführung der CityBahn über ebenjene Brücke, haben wir in einem Mitgliederworkshop eine gemeinsame Position erarbeitet:
Es darf keine weitere, reine Autobrücke zwischen Mainz und Wiesbaden geben. Mit Blick auf die künftige, urbane Mobilität muss dem Umweltverbund (Fuß, Rad, ÖPNV) eine angemessene, also hervorragende Priorität eingeräumt werden. Eine einseitige Stärkung des Autoverkehrs kommt aus ökologischen, stadtgestalterischen und sozialen Aspekten nicht infrage. Die Stadtteile und Innenstädte leiden schon heute unter zu präsentem Autoverkehr – auch ohne, dass eine neue Brücke noch mehr Autoverkehr anzieht (und induziert).
Eine neue Brücke ist weder kausale noch temporale Bedingung für die CityBahn. Das heißt: Der Bau der CityBahn darf nicht davon abhängen, dass eine weitere Rheinbrücke fertig gestellt ist oder überhaupt gebaut wird. Der ÖPNV trägt heute schon (wie oben gezeigt) massiv zur Entlastung der Verkehrssituation auf der Heuss-Brücke bei und gehört weiter ausgebaut.
Falls eine neue Rheinbrücke gebaut werden sollte, fordern wir außerdem:
- Als Standort favorisieren wir eine Führung südlich der Kaiserbrücke. Die Brücke kann so als Verbindung zwischen dem Mainzer Zollhafen/Kaiser-Karl-Ring und dem Kasteler Otto-Suhr-Ring dienen.
- Die neue Brücke wird sowohl angemessen dimensionierte Fuß- als auch Radwege bekommen. Die Radwege sind dabei für beide für beide Fahrtrichtungen zu trennen. Zusammen mit den Wegen auf der Kaiserbrücke ergeben sich hier möglicherweise Synergien.
- Die neue Brücke wird vierspurig: Zwei Spuren für den MIV, zwei Spuren für den ÖPNV (kombinierte Straßenbahn- & Busspur).
- Nach Fertigstellung der neuen Brücke werden zwei Spuren der Theodor-Heuss-Brücke ebenfalls in reine ÖPNV-Spuren umgewandelt.
In diesem Zielzustand existieren neben den Autobahnbrücken zwei Auto- und ÖPNV-Brücken zwischen Mainz und Wiesbaden. Beide Brücken verfügen über je zwei Autospuren und zwei Straßenbahn-/Busspuren. Damit gibt es für beide Systeme (MIV und ÖPNV) Rückfallebenen im Falle einer Störung auf einer Brücke.
Der öffentliche Nahverkehr, inklusive der Straßenbahnverbindung zwischen Mainz und Wiesbaden, profitiert dabei massiv durch die unabhängigen Spuren.
Von dieser Lösung profitieren auch Autofahrer. Zwar bleibt die Gesamtzahl der MIV-Spuren dieselbe: vier. Die Theodor-Heuss-Brücke verfügt heute aber nicht über zu wenige Spuren; die eigentlichen Flaschenhälse stellen der Kasteler Hochkreisel und Kreuzung zur Peter-Altmeier-Allee in Mainz dar. Durch eine zweite Brücke würden diese beiden Engpässe ebenfalls entlastet, der Autoverkehr entzerrt.
Auch wenn nur indirekt für Wiesbaden relevant, wäre eine weitere Rheinbrücke nicht flussabwärts bei Rüdesheim/Bingen sinnvoller? So könnte man die Brücken in Wiesbaden/Mainz sowie Koblenz ebenfalls entlasten, anders als mit einer neuen Brücke WI-MZ gleichzeitig aber auch für viele nennenswerte Fahrzeitvorteile schaffen.
Besonders ÖPNV-freundlich wäre das ganze zugegeben nicht; mit paar Bahngleisen (gabs ja schonmal) für den Güterverkehr aber durchaus nicht unineressant. Eine doppelstöckige Brücke kann ich mir am ehesten vorstellen; oben 2 MIV-Spuren (dürfte reichen) und unten 2 Bahngleise. Gut, ne reine Straßenbrücke würde sich da vermutlich eher lohnen, aber das ist ja langweilig.
Super Idee. Die Zahl der Menschen nimmt zu, aber Sie planen statisch mit einem aktuellen und für mich sehr fragwürdig eruierten Bedarf. Das nenne ich Geldvernichtung mit Ansage. In wenigen Jahren werden Sie Ihren Ansatz überdenken und erweitern müssen, was neue Kosten generiert. Aber egal: ist ja nicht Ihr Geld und Sie (persönlich) sind dann eh weg vom Fenster.
Den Vorwurf wir würden ’statisch planen‘ auf Basis eines unrealistischen, weil zu niedrig angesetzten Bedarfs, kann ich nicht nachvollziehen. Denn: Die Lösung der zweiten Brücke parallel zur Kaiserbrücke ist deutlich leistungsfähiger, was den Verkehr anbelangt – und zwar für alle Verkehrsträger (Fuß, Rad, ÖPNV, Auto).
Ansonsten sind wir immer dankbar für Kommentare, die neben Vorwürfen keinerlei konstruktive Beiträge mitliefern. Insofern: Was ist denn Ihr Standpunkt zum Thema Rheinbrücken?
Oder gehen Sie tatsächlich von einem sinkenden Verkehrsaufkommen aus?
(P.S.: Auch ‚wir‘ sind übrigens Steuerzahler.)
„Zwar bleibt die Gesamtzahl der MIV-Spuren dieselbe: 4 …“. Das ist doch echt mitgedacht. Meinen Sie denn tatsächlich, dass ohne ein ausdrückliches Verbot bei der gegenwärtigen desolaten Verkehrsplanungskompetenz die Zahl der KfZ abnimmt? Wie wäre es z.B. mit 6-8 Spuren (kleiner konstruktiver Beitrag)? Wenn sie dann nicht für den MIV benötigt werden, kann man sie ja dem ÖPNV oder FfF zur Verfügung stellen.
[1/2] Altes Sprichwort: Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten. Wenn wir 6-8 Spuren für den Autoverkehr bauen, wird der Autoverkehr auch 6-8 Spuren einnehmen. Den Autoverkehr einzudämmen funktioniert nicht, indem man einfach mal mehr Straßen baut und dann wartet, bis die sich von allein leeren. Oder kennen Sie in Wiesbaden/Mainz mehrspurige Straßen, von denen Sie sagen würden, dass man problemlos Spuren wegnehmen könnte? Die vier Spuren unseres Vorschlages schaffen es durch erwähnte Gründe bereits, mehr Autos abzuwickeln als die heutigen vier Spuren. Und mit Blick auf unsere Satzung werden setzen wir uns eben nicht über eine Stärkung des Autoverkehrs ein… Weiterlesen »
[2/2] Ich sehe nicht, wieso unser Vorschlag „Geldvernichtung mit Ansage“ ist, Ihr Vorschlag („wir bauen einfach mal 6-8 Spuren und gucken dann mal, ob sie gebraucht werden“) aber nicht.
Sie zäumen das Pferd von hinten auf. Denn Autoverkehr wird nicht auf wundersame Art und Weise von allein weniger – sondern eben nur, wenn attraktive Alternativen existieren. (Verbote sind ja immer nur die letzte Stufe). Und für ebenjene Alternativen sind ÖPNV-Spuren schon heute notwendig – und nicht erst in einer utopischen, fernen Zukunft, falls der MIV mal von sich aus weniger wird.
Ich nehme jetzt mal an, dass Sie mir zumindest darin zustimmen, dass eine nachträgliche Nachrüstung um mehrere Spuren teurer ist als eine spätere Stilllegung von nicht benötigten Spuren. Andernfalls möchte ich Sie bitten, mir Ihre Rechnung offen zu legen. Auch ich würde mir eine Reduzierung des Autoverkehrs wünschen. Aber m.E. zäumen Sie hier das Pferd von hinten auf. Da müsste ja erstmal ein attraktives Alternativangebot vorhanden sein, damit ich und andere aufs Auto verzichten könnten und wollten. Ihre Methode ist das exakte Gegenteil eines attraktiven Angebotes: Machen wir den Individualverkehr so beschissen wie möglich, dann werden die Leute schon das… Weiterlesen »
[1] Ich bin kein Brückenbauingenieur – dennoch behaupte ich mal, dass es eine ziemliche Geldverbrennung ist, eine sechs/achtspurige Brücke zu bauen, mit dem Ziel und der Hoffnung, kurze Zeit später zwei oder vier Spuren davon wieder abzureißen. Deshalb macht es Sinn, sich vorher zu überlegen, wie viele Spuren die Brücke (und die Zu-&Abfahrten!) eine Brücke bzw. die Brücken haben sollen, BEVOR man sie baut. Damit man eben nicht im Nachhinein feststellt: Sch**e, zu wenige/zu viele Spuren.
Ich habe nichts von ‚Abreißen‘ geschrieben, sondern davon, nicht benötigte Spuren ggf. einer anderen Verwendung zuzuführen, z.B. durch Nutzung als Radstraße oder als Fressmeile (wie so etwas aussieht, können Sie sich in der Moritzstraße ansehen, wo Fußgänger mittlerweile einen Hindernisparcours zurücklegen müssen – und zwar nicht wegen der Autos).
Es ist übrigens genau meine Kritik, dass die von ihnen vorgelegte Planung den Zukunftsaspekt völlig außer Acht lässt.
Also die Idee, auf ungenutzten Spuren einer neuen Rheinbrücke eine Fressgasse einzurichten, bringt mich zum Schmunzeln. Das mag für einzweidrei Events im Jahr funktionieren, ansonsten fehlt das Publikum dafür. Speziell, weil an den infrage kommenden Standorten auf beiden Seiten der Brücke kaum Leute wohnen.
Unser Ansatz und Ziel ist es eben, das Verkehrswachstum, das es geben wird, zum absoluten Großteil mit einem ÖPNV abzuwickeln, der deutlich attraktiver, effizienter und leistungsfähiger ist als heute. Sie haben da andere Ansätze und Ziele – so what? Ist ja legitim.
[2] „Machen wir den Individualverkehr so beschissen wie möglich“ kann ich nicht nachvollziehen, denn in dem oben skizzierten Zielbild ist der Individualverkehr sogar besser dran als heute, weil er dort besser fließt. Und mit dem Bau einer Straßenbahn wird das Angebot ja spürbar verbessert – weil diese eben leistungsfähiger, zuverlässiger und barrierefreier ist als es Busse je sein können. Ich weiß nicht, wann Sie das letzte Mal in den Stoßzeiten 4/6/14 gefahren sind. Da kann ich jeden verstehen, der darauf freiwillig verzichtet: Überfüllt, unpünktlich, unzuverlässig. [3] Aber mal Butter bei die Fische: Was wäre denn Ihr Vorschlag für ein attraktiveres… Weiterlesen »
Beim Vergleich mit den Bussen haben Sie das Attribut ‚variabel‘ zu Gunsten der Busse vergessen. Deren Anzahl und Routen kann man im Bedarfsfall kurzfristig verändern. Wenn dagegen eine schienengebundene Bahn z.B. wegen einem technischen Defekt liegen bleibt, kann die nächste Bahn nicht mal eben überholen oder ausweichen. Die von Ihnen genannten Buslinien habe ich schon häufig, auch im Berufsverkehr, genutzt. Ja, es ist unbequem, aber ja, die Leute benutzen diese Linien trotzdem. Warum wohl? Vermutlich wird hier ein Bedarf getroffen. (3) Auch wenn ich Ihnen die Planungsarbeit nicht abnehmen kann (alternativ könnten Sie ja mal einige gut und zielentsprechend ausgebildete… Weiterlesen »
Kleiner Tipp: Fragen Sie sich einfach, warum die Leute lieber das Auto als den ÖPNV nutzen. Noch ein Hinweis: es ist nicht ausschließlich die Bequemlichkeit.
„Bequemlichkeit“ klingt, allein stehend, so negativ. Natürlich gibts noch andere Gründe. Es sollen ja auch nicht 100% aller Menschen ÖPNV fahren – sondern ’nur‘ deutlich mehr als heute. Und ein verlässlicher Fahrplan, freie Kapazität und gewisser Fahrkomfort sind dafür nunmal ausschlaggebende Kriterien. Zu ‚unserer Planungsarbeit‘ – ich hoffe, Sie behalten im Hinterkopf, dass wir ehrenamtlich engagierte Bürger sind, die eben nicht mal eben irgendein Planungsbüro beauftragen können. Und dafür, dass wir 100% Ehrenamtler sind (einige davon übrigens dennoch vom Fach), machen wir schon ziemlich viel 😉 Die von Ihnen genannten Punkte haben ihre Berechtigung (zB zum P+R-Thema haben wir uns… Weiterlesen »
Ich habe auch nie gesagt, dass die 4, 6 und 14 nicht nachgefragt wären – im Gegenteil: Sie sind so stark nachgefragt, dass sich deutlich mehr Kapazität brauchen. Denn wer heute trotz der Unannehmlichkeiten in den Stoßzeiten mit diesen Linien fährt, macht das in der Regel, weil er keine Alternative hat. Es sagt sich (verständlicherweise) ja niemand: „Geil, ich verzichte heute mal freiwillig aufs Auto, weil mir das Sardinen-Gefühl in der Grippezeit im Bus so viel Spaß macht und ich mich über die Spannung freue, nicht zu wissen, wan mein Bus kommt und wielang er brauchen wird.“ Das ist aber… Weiterlesen »
Es gibt noch eine ganze Menge weiterer Vor- und Nachteile, die ich auch nicht aufgezählt habe. Es bleibt aber unterm Strich dabei, dass (und das beweisen hunderte Städte weltweit) Straßenbahnen leistungsfähiger, komfortabler, effizienter und barrierefreier sind als es Busse je sein könnten. (Es argumentiert ja auch keiner, beispielsweise die S-Bahn einzustellen und stattdessen Busse einzusetzen, weil die im Störungsfall flexibler sind. Dabei wäre das Argument dasselbe.) Ich habe übrigens 25 Jahre in verschiedenen Straßenbahnstädten gewohnt und diese auch intensiv genutzt. Die Male, wo meine Bahn endete, weil die vor uns liegen geblieben ist oder zB irgendwer auf den Gleisen parkte,… Weiterlesen »
So gern ich mich mit Ihnen auch herumzanke (macht wirklich viel Spaß), werde ich die Diskussion jetzt beenden. Wir kommen wohl nicht mehr auf einen gemeinsamen Nenner. Aber soviel doch noch: 1. Ich bin kein grundsätzlicher Gegner von Straßenbahnen. Meine Argumentation ging eher in die Richtung: Baut doch erst mal eine wirklich ernst zu nehmende Alternative zum MIV auf, bevor ihr den Autofahrern das Leben unnötig schwer macht. 2. Die Tatsache, dass viele Städte eine Straßenbahn haben, beweist nur eines: Nämlich, dass diese Städte eine Straßenbahn haben. Das sagt in keiner Weise etwas über Effizienz oder sonstige Eigenschaften dieses Verkehrsmittels… Weiterlesen »
Die Idee, irgendeine Alternative zum MIV zu bauen (egal, ob Tram, Busbahn, Seilbahn, U-Bahn, flächendeckendes Radwegenatz, …), OHNE dem MIV ‚weh zu tun‘, ist illusorisch. Die Viertel haben nur eine begrenzte Menge Platz; was immer dort gebaut würde, kostet zwangsweise Raum des heute dominierenden Autoverkehrs. Etwas als Bedingung zu fordern, was nicht umgesetzt werden kann, ist beliebtes Killer-Argument – hilft aber niemandem weiter. P+R-Parkplätze, Ideen zur Feinverteilung und Co (obwohl es wichtige Bausteine sind!) lösen das strukturelle Problem des Wiesbadener ÖPNV nicht. Der Blick in andere Straßenbahnstädte beweist sehr wohl einiges: Steigende Fahrgastzahlen (also Leute, die ‚umsteigen‘), pünktlichere und zuverlässigere… Weiterlesen »